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COMPARATIVE ZOÖLOGY,
AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS.
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I
SITZUNGSBERICHTE
DKR
ÜISFllJCeFJ MAil IR WISllMR
MATI1KMTI1^(;II -NÄTÜRWISSENSCIUFTLICHR CLÄSSE.
DREIUNDNEUNZIGSTER BAND.
WIEN,
AUS UEK K. K. HOF- UND STAATS DRUCKEREI.
IN CQMMISSION BEI CARL GERQLD'S SOHN,
BUCHHÄNDLER PKK K/^tSEriLlCHEN AKADEMIE UEK WISSENSCHAFTEN
1886.
SITZUNGSBERICHTE
DEB
m CLM
D E K K A r S E U L 1 C n E N
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
XCIII. Mm. 1. ABTHEILUIG,
Jahrgang 1886. — Heft I bis V.
fMit ii Tafeln und 7 Holzschnitten.)
WIEN,
AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDKUCKEHEI.
IN GQMMISSIQN BEI CARL GEROLD'S SQNN,
B ü C H H i N n L K R DER K \ I S E R L I C H K N AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
]886.
INHALT.
Seite
I. SitzuHg: vom 7. Jänner 1886: Übersicht
V. Kerner u. v. Wettstein , Die rhizopodoi'leu Verdauimgs-
organe thierfangeuder Ptianzen. (Mit 1 Tafel.) [Preis :
25 kr. = f)0 ?%.] 4
II. Sit/ung- vom 14. Jänner 1886: Übersicht 16
Wiesner , Untersuchungen über die Organisation der vegetabi-
lischen Zellhaut. (Mit 5 Holzschuitten.) [Preis: 50 kr. =
1 RMk.] 17
Schuster , Resultate der Untersuchung des nach dem Schlamm-
regen vom 14. October 1885 in Klagenfurt gesammelten
Staubes. (Mit 2 Tafeln.) [Preis: .50 kr. =1 RMk. I . . . 81
III. Silzuug vom 21. Jänner 1886: Übersicht . 117
IV. Sitznn^ vom 4. Februar 1886: Übersicht .121
y. Sitzuug vom 11. Februar 1886: Übersicht 122
Haberlaiidt, Zur Anatomie und Physiologie der pflanzlichen
Brennhaare. (Mit 2 Tafeln.) [Preis: 40 kr. = 80 Pfg.' . 123
VI. Sitzung vom 18. Februar 1886 : Übersicht 146
Molisch, Untersuchungen über Laubfall. [Preis: 30 kr. =
60Pfg.] 148
VII. Sitzung vom 4. März 1886: Übersicht .187
VIII. Sitzung vom 18. März 1886: Übersicht 189
Bruder, Neue Beiträge zur Kenutniss der Juraablagerungen im
nördlichen Böhmen. II. (Mit 1 Tafel und 1 Holzschnitt )
[Preis: 30 kr. = 60 Pfg.] 193
IX. Sitzung vom 1. April 1886: Übersicht 217
Forssell, Beiträge zur Mikrochemie der Flechten ..... 219
Heimerl, Über Einlagerung von Calciumoxalat in die Zellwand
bei Nyctagineen. (Mit 1 Tafel) [Preis 25 kr. = 50 Pfg.] . 231
X. Sitzung vom 8. April 1886: Übersicht . 247
Zlatarski, Geologische Untersuchungen im centralen Balkan
und in den angrenzenden Gebieten. Beiträge zur Geo-
logie des nördlichen Balkanvorlandes zwischen deu
Flüssen Isker und Jantra. (Mit 3 Tafeln und 1 Holz-
schnitte.) [Preis: 1 fl. 20 kr. = 2 RMk. 40 Pfg.] .... 249
VI
Seite
Firtscil, Anatomisch -physiologische Untersuchungen über die
Keimpflanze der Dattelpalme. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 45 kr.
= 90 Pfg.] 342
XI. Sit/uug vom 6. Mai 1886: Übersicht 357
XII. Sitzang- vom 13. Mai 1886: Übersicht 360
XIII. Sitzung vom 20. Mai 188H: Übersicht 361
Verzcichniss der in der mathematisch -naturwissenschaftlichen
Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in
den Monaten Jänner bis inclusive Juni 1886 vorgelegten
periodischen Druckschriften 363
SITZUNGSBERICHTE
DER
mmoÄüPEiiEMEWissEimm.
MATUEMATISCH-NATÜRWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
XOIII. Band. I. Heft.
ERSTE ABTHEILUNG.
Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Botanik, Zoologie,
Geologie und Paläontologie.
I. SITZUNG VOM 7. JÄNNER 1886.
Das k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht
übermittelt zu dem von der k. grossbritannischen Regierung der
Akademie zum Geschenke gemachten grossen Werke über die
Challenger-Expedition einen erschienenen zoologischen
Theil (Vol. XIII).
Der Secretär legt folgende eingesendete Abhandlungen
vor:
1. „Über die Bestimmung des Kohlenstoffs und
Wasserstoffs mittelst Kupferoxyd- Asbest'', von
den Herren Prof. Dr. E. Lippmann und F. Fleissner
in Wien.
2. „Über die Linien gleicher Stromdichte auf flä-
chenförmigen Leitern", von Herrn Dr. J. Haubner
in Wien.
Das w. M. Herr Director E. Weiss berichtet über die Ent-
deckung eines neuen Kometen durch Herrn Brooks in Phelps
N. Y. vom 27. December v. J., dessen Elementensystem an der
hiesigen Sternwarte von Herrn Dr. J. Palisa berechnet und in
dem Circular LVIH der kais. Akademie vom 4. Jänner 1. J. be-
kannt gemacht wurde.
Ferner theilt Herr Director Weiss einen Nachtrag zu der
im Circular Nr. LVI publicirten Berechnung der Elemente des
Kometen Fabry von Herrn Dr. S. Oppenheim mit.
Das w. M. Herr Director A. v. Kern er überreicht eine von
ihm in Gemeinschaft mit Herrn Dr. R. v. Wettsteiu ausgeführte
Untersuchung, betitelt: „Die rhizopodoiden Verdauungs-
organe thierfangender Pflanzen".
Die rhizopodoiden Verdauungsorgane thierf äugender
Pflanzen.
(Mit 1 Tafel.)
Vou A. Kerner v. Marilaun und R. Wettsteiu v. Westersheim.
An zahlreichen Pflanzen finden sich Einrichtungen, darch
welclie kleine Thiere, die mit den Blättern in Berührung- kommen,
festgehalten werden. In einigen Fällen sind es Leimspindeln, an
welchen die Thiere kleben bleiben, in anderen Fällen haben sich
Klappen ausgebildet, welche über den aufsitzenden Thieren zu-
sammenschliessen und wieder in anderen Fällen beobachtet man
Fallgruben, in welche die Thiere zwar leicht einzudringen, aus
denen sie nber nicht mehr zu entwischen vermögen.
Mit Rücksicht auf die biologische Bedeutung, welche diesen
Einrichtungen zukommt, hat sich ergeben, dass bei einem Theile
der in Rede stehenden Gewächse durch den Faugapparat ge-
wisse nach Honig lüsterne Tnsectcn von dem Besuche der Blütheu,
beziehungsweise von dem Honiggenuss in den Blüthen ab-
gehalten werden, dass aber die thierfangenden Pflanzen keinen
weiteren Nutzen aus den gefangenen Thieren ziehen. — In Be-
treff eines anderen Theiles ist es nachgewiesen, dass die ge-
fangenen Thiere den betreffenden Pflanzen zur Nahrung dienen.
Was die Nahrungsaufnahme anbelangt, so sind bisher
zweierlei Vorgänge beobachtet.
Einige Thierfänger secerniren, sobald sie durch den Coutact
miteiweissartigen Verbindungen, beziehungsweise mit thierischen
Körpern gereizt werden, aus besonderen Drüsen eine der Haupt-
sache nach aus Pepsin und organischen Säuren bestehende
Flüssigkeit, in welcher sich die eiweissartigen Verbindungen
lösen, und sie haben auch die Fähigkeit, diese Lösung mittelst
Die rhizopodoideii Verclauiingsorgane etc. 5
besonderer Organe aufzusaugen. — Eine zweite Gruppe von
Thierfängern entbehrt der pepsinabsondernden Diüsen. Die
von ihnen gefangenen Thiere verenden in den Fallen, verwesen
und zerfallen dort und die Produete der Verwesung werden
durch besondere im Grunde der Fallen entwickelte Saugzellen
aufgenommen.
An diese zwei Fälle kann nun noch ein dritter angereiht
werden, welcher von uns an Lathraea Squamaria und Bartsia
aipina beobachtet wurde.
Lathraea Squamaria ist eine chloropliylllose Pflanze, welche
in den Auen und Laubwäldern Europas weit verbreitet ist. —
Ihre unterirdischen weissen Stengel erscheinen fleischig, fest und
prall und sind der ganzen Länge nach mit dicht übereinander-
gestellten, dicken schuppenförmigen Blättern besetzt.
In der Farbe und Consistenz stimmen diese Blätter mit dem
Stengel überein; ihr Umriss ist breit herzförmig und es macht
den Eindruck als ob sie mit dem herzförmigen, stark gedunsenen
Ausschnitte an der Basis voll und breit dem Stengel aufsitzen
würden. Löst man aber eine dieser Schuppen vom Stengel ab,
so überzeugt mau sich, dass dem nicht so ist und dass jener Theil
der Schuppen, welchen man im ersten Anblicke für die untere,
beziehungsweise für die Rückseite hält, nur ein Theil der oberen
Seite ist.
In Wirklichkeit ist jedes dieser dicken schuppenförmigen
Blätter zurückgerollt und es lassen sich au demselben folgende
Theile unterscheiden. Zunächst die Verbindungsstelle mit dem
Stengel (Fig. 4 a), welche verhältnissmässig schmal ist, dann
jener Abschnitt (Fig. 4 6), den man bei flüchtiger Betrachtung
für die ganze obere Blattfläche hält und der sich ak- eine schief
aufsteigende von einem scharfen Rande (Fig. 4 c) eingefasste
Platte darstellt, weiterhin von diesem scharfen Rande angefangen,
der plötzlich unter spitzem Winkel herabgebogene steil abfallende
Theil (Fig. 4 d), welchen man gewöhnlich für die Rückseite,
beziehungsweise die untere Seite des Blattes hält, der aber in
der That der oberen Blattseite angehört; viertens das freie Ende
des Blattes (Fig. 4 e), welches sich als eingerollter Rand der
Schuppe darstellt und fünftens die eigentliche Rückseite, welche
verhältnissmässig selir klein ist und ei'st dann sichtbar wird,
6 V. Kerner u. v. Wettsteiu,
wenn man den gerollten Rlattrand entfernt. — Indem sich der
Blattraud rollt, entsteht ein Canal oder besser gesagt eine
Hohlkehle, welche an der hinteren Seite des Blattes dicht
unter jener Stelle, wo sich das Blatt an den Stengel ansetzt,
quer herumläuft (Fig. 4 /:). — In diese Hohlkehle münden
nun mittelst einer Reihe von kleinen Löchern fünf bis dreizehn,
meist zehn Kammern, welche die dicken Schuppeublätter aus-
höhlen und die, in dieser Form wenigstens, einzig im ganzen
Pflanzenreiche dastehen dürften. (Fig. 3), Es müssen diese merk-
würdigen Kammern als tiefe, von der Rückseite des Blattes
ausgehende, grubenförmige Einsenkungen in die Blattsubstanz
gedeutet werden, und mit Rücksicht auf die zu erörternde Frage
nach der Bedeutung derselben für das Leben und insbesondere
für die Nahrungsaufnahme der Pflanzen ist es von Wichtigkeit,
sie etwas näher in Augenschein zu nehmen.
Wie schon erwäimt, sind deren fünf bis dreizehn vorhanden.
Sie stehen miteinander seitlich nicht in Verbindung, alle sind höher
als breit und mit unregelmässig wellig gebogenen Wandungen ver-
sehen. An diesen Wandungen fallen zweierlei Organe auf, welche
der Form nach an die Drüsenbildungen anderer tliierfangender
Pflanzen erinnern. Die einen bestehen aus je vier Zellen, von
welchen zwei ein Köpfchen bilden, während die dritte den Stiel
des Köpfchens darstellt und die vierte als eine schwach nach
aussen vorgewölbte Oberhautzelle erscheint. Sie entstehen in
dem jungen Blatte unmittelbar nach der Entwicklung der ersten
Gefässbündel und gehen aus einer Epidermiszelle hervor. Diese
theilt sich zunächst durch zwei zur Oberfläche parallele Wände
in drei Zellen und die Spitzenzelle wird dann durch eine senk-
recht zur Oberfläche stehende Wand zu einem Zellenpaar von
köpfchenförmigem Aussehen. (Fig. 5 a u. 7.) Seltener bestehen
die Köpfchen aus 3 — 4 Zellen. Was die Vertheilung dieser
Gebilde anbelangt, so ist dieselbe eine ziemlich regelmässige.
Sie bedecken die ganze Oberfläche der Kammern, nur an den
nach innen vorspringenden Leisten und Ausbuchtungen ist eine
grössere Ansannulung wahrzunehmen; dabei ist ihre Zahl eine
sehr bedeutende, im Durchschnitte kommen 25 — 32 auf einen
Quadratmillimeter der Oberfläche. Die unterhalb derselben ge-
legenen Parenchvmzellen sind in keiner Weise verändert.
Die rhizopodoiden Veidaunngsorgane etc. «
An dem Zellenpaar des Köpfchens fällt zunächst die ver-
hältnissmässig' bedeutende Dicke der Membran auf, während die
Membran der Stielzellen, sowie der benachbarten Oberhautzellen
sehr dünn ist. Im Zellenleib der Köpfchenzellen findet sich ein
grosser, gut unterscheidbarer, meist der Mittel wand anliegender
Zellkern, sowie ein dichtes centrales Plasma, von dem dicke
Stränge zu dem klumpig geballten Wandprotoplasma hinführen.
(Fig. 7.)
Die Stielzellen sind viel plasmaärmer. Das Protoplasma ist
hyalin und in ein centrales und peripheres gesondert. Organische
Inhaltskörper fehlen in den Köpfchenzellen ganz, im Stiele finden
sich zuweilen Stärkekörner oder Krystalloide.
Von wesentlich anderer Gestalt sind die der zweiten Art
angehörenden Organe, welche auch an Zahl bedeutend geringer,
nur vereinzelt zwischen den eben besprochenen eingestreut sind.
(Fig. 5, b und 6.) Es kommen von denselben selten mehr als 7 bis
9 auf einen Quadratmillipieter der Oberfläche und immer sind
dieselben mehr in den Vertiefungen, als an den Erhöhungen
der welligen Wand der Kammer zu finden. Sie bestehen
aus einer plattenförmigen , im Umkreise elliptischen oder
kveisförmigen Basalzelle und aus 2 oder 4, seltener 3 Zellen,
die sphärisch hervorgewölbt und durch sehr zarte, meist schief
verlaufende Scheidewände getrennt sind, zusammen aber im
Umrisse in den Rahmen der elliptischen oder rundlichen Basal-
zelle passen, von der blos ein schmaler Randstreifen hervor-
ragt. (Fig. 5 6 u. 6.)
Die Entstehung dieser Organe fällt mit jener der oben ge-
schilderten zusammen und erfolgt in der Weise, dass eine schon
früher durch ihre bedeutende Grösse auffallende Oberhautzelle
sich durch eine mit der Oberfläche parallele Membran zunächst
in zwei plattenförmige Zellen theilt. Von diesen geht dann die
obere, nach aussen vorgewölbte eine neue Theilung ein und zer-
fällt durch eine auf die früher gebildete Membran senkrechte
oder etwas schiefe Wand in zwei, später bei nochmaliger Thei-
lung in vier Zellen.
Auch bei diesen Organen sind die nach aussen gekehrten
Membrantheile verhältnissmässig dick und die Querwände im
Innern, sowie die Zellhäute der Basalzellen dünn. Der Inhalt
8 V. Kerncr u. v. Wettstein,
aller Zellen ist hyalines Plasma, das die Zellen fast ganz erfüllt
lind einen deutlichen grossen Zellkern führt. Häufig nimmt der
Inhalt jener Zellen die aussen in Berührung mit den noch zu
besprechenden in die Höhlungen gelangten abgestorbenen Orga-
nismen kamen, eine braune Färbung an, die sich auch der Mem-
bran mittheilt, ohne dass ein Absterben der betreffenden Zellen
eine Folge davon wäre. — Während die früher geschilderten
köpfchentragenden Gebilde in keiner anatomischen Beziehung
zu den in der Umgebung liegenden Gewebetheilen stehen, macht
sich eine solche Beziehung bei den zuletzt besprochenen Organen
sehr deutlich bemerkbar. Dieselbe besteht einerseits darin, dass
diese Orgaue in einem nicht zu verkennenden Zusammenhang mit
den Gefässbündeln des betreffenden Blattes stehen, anderseits sich
die umliegenden Oberhautzellen strahlenförmig um die untere
grosse, platt enförmige Zelle gruppireu. Die aus dem Stamme in
das Blatt eintretenden Gefässbündel verlaufen längs der Wan-
dungen der Kammern und lösen sich in der Nähe derselben in
einzelne schmale Gefässe auf, die mit ringförmigen Verdickun-
gen versehen sind und zu je einem der in Rede stehenden Organe
führen. (Fig. 4 u. 6.)
Etwa zwei bis drei Zelllagen unterhalb der grossen, platten-
förmigen Basalzelle endet das Gefäss und die Verbindung seines
Endes mit dem Organe wird durch eine kurze cylindrische oder
tonnenförmige Zelle hergestellt, die in ihrem unteren, dem Ge-
fässe zugewendeten Theile ringförmige oder spiralige Wand-
verdickungen aufweist, im oberen Theile jedoch dünnwandig ist.
Ihre obere Wand liegt unmittelbar der erwähnten Basalzelle an,
seltener ist noch eine kurze, dünnwandige Zelle eingeschaltet.
(Fig. 6.)
Unter gewissen, noch näher zu erörternden Unjstäuden sieht
man von den Membranen der in den Innenraum der Kammern
vorragenden Zellen beider oben beschriebenen Organe eine
grosse Anzahl überaus zarter Fäden ausstrahlen. (Fig. 7.)
Die Ausstrahlungspunkte derselben sind über die Oberfläche
der Zellen gleichmässig vertheilt. Die Fäden selbst sind hyalin,
gerade, an der Spitze abgestumpft und von verschiedener Länge
bald so bedeutend verkürzt, dass sie blos als warzige Hervor-
ragungen erscheinen, bald den Durchmesser der Köpfchen au
Die rhizopodoiden Verdaiumg-sorgane etc. 9
Länge bedeutend übertreffend. In mancher Hinsicht ähneln sie
Krystallen oder stumpfstacheligen Hervorragungen der Mem-
branen.
Dass sie keines von beiden sind, ergibt sich nach wenigen
Versuchen. Dagegen erwiesen sie sich merkwürdigerweise als
Plasmafäden, die mit dem Zellenleib der Zellen im Zusammen-
hange stehen und von demselben durch regelmässig vertheilte
Durchlässe in der Zellenmembran nach aussen in Folge eines
Reizes gesendet werden. Dieser Sachverhalt ergibt sich nicht
blos aus den verschiedenen mikrochemischen Reactionen, die die
Plasmanatur der Fäden erweisen, sondern auch durch plasmo-
lytische Versuche, die ein allsogleiches 'Einziehen der Fäden zur
Folge haben, endlich durch die directe, mittelst Färbungen er-
möglichte Beobachtung.
Diese Fähigkeit des Hervorstreckens von Plasmafäden
kommt blos den Zellen zu, deren verhältnissmässig dicke Aussen-
wände in die Höhlung der Kammer vorspringen, während sie
den Stiel- und Basalzellen der beschriebenen Organe fehlt.
Das Vorstrecken der Plasmafäden erfolgt nicht unter allen
Umständen, stets aber, wenn durch Wasserzufuhr die Turgescenz
der Drüsenzellen gesteigert wird. Doch kann dasselbe auch
dadurch herbeigeführt werden, dass kleine Thiere in die laby-
rintische Kammer des Laihraea-Bluttes eindringen und die eben
beschriebenen Organe berühren. Die in Folge der Reizung aus-
strahlenden Plasmafäden legen sich an die Eindringlinge an,
kleinere Thiere, zumal Infusorien, werden wie von Fangarmen
festgehalten, grösseren Thieren aber wird durch diese Plasma-
fäden die Bewegung erschwert und der Rückweg abgeschnitten.
Die Ausscheidung eines besonderen Secretes in der
Kammer des Lathj\iea-B] Rttes wurde nicht beobachtet. Da man
aber von den in die Kammern gelangten Thieren nach einiger
Zeit nur mehr Klauen , Beinschienen , Borsten und kleine,
braune, formlose Klümpchen antrifft, während Sarkode sowie
Muskeln und Blut derselben spurlos verschwunden ist, so muss
man annehmen, dass hier die Nahrungsaufnahme aus den veren-
deten Thieren durch Contact mit den gleich Fangarmen vorge-
streckten Plasmafäden erfolgt, ganz ähnlich wie bei den Wurzel-
füsslern, mit welchen diese Organe eine so auffallende Ähnlichkeit
10 V. Kerner u. v. Wettsteiu,
besitzen. — Es wäre nicht unmöglich, dass nur die ungestielten
Organe der Aufsaugung , die gestielten köpfchentragenden da-
gegen dem Festhalten der Beute dienen , wenigstens würde der
Umstand für diese Auffassung sprechen, dass zu den ersteren,
die, wie schon oben erwähnt, viel spärlicher sind, Gefässe hin-
ziehen, die durch eine eigenthümliclie tonnenförmige Zelle mit
jener grossen elliptischen Tafelzelle in Verbindung stehen, was
bei den köpfchentragenden Gebilden nicht der Fall ist.
Da die Öffnungen, mit welchen die Kammern in die Hohl-
kehle an der Hinterseite des Lafhrnen-Bla.tteB ausmünden, sehr
enge sind, so können nur winzige Tliiere Infusorien, Amoeben,
Rhizopoden, Räderthierchen, kleine Milben, Apliis-Arten, Podu-
ren und dergleichen einschliefen. Was sie dazu bewegt, gerade
diese versteckten Kammern aufzusuchen, ist ebenso schwierig zu
sagen, wie es schwer hält, anzugeben, wodurch die Daphnia-
und Cyclops- Arten veranlasst werden, in die Schläuche der Utri-
cularien einzufahren.
Am wahrscheinlichsten ist es, dass die winzigen Thiere
Nahrung suchend in die Hohlräume vordringen und dort durch
die oben geschilderte Einrichtung ihren Tod finden.
Es wurde schon erwähnt, dass die Schuppenwnrz eine
Schmarotzerpflanze ist, welche die Hauptmasse ihrer Nahrung
vermittelst eigener .Saugwarzen den Wurzeln sommergrüner
Laubhölzer entzieht.
Sie wächst nur in Gegenden, in welchen die Thätigkeit der
Bäume und Sträucher durch einen ziemlich langen Winter unter-
brochen wird; ihre Saugwarzen sterben regelmässig ab, sobald
die Holzpflanzen, auf deren Wurzeln die Lafhmcfi->>iöcke schma-
rotzen, sich herbstlich verfärben und das Laub abwerfen. Wenn
dann im darauffolgenden Frühlinge das Aufsteigen des Saftes in
den Holzpflunzen beginnt, sendet auch die Lathrnea wieder neue
Wurzeln aus, welche sich mit Saugwarzen unterirdisch an die
saftstrotzenden Baum wurzeln anlegen. Die Nahrung, welche auf
diesem Wege in die Lnthraea kommt, ist nicht wesentlich ver-
schieden von jener, welche die Wurzeln des betreffenden Baumes
oder Strauches aus der umgebenden Erde aufgenommen haben,
vorwaltend also Wasser und in diesem gelöst eine geringe Menge
Die rhizopodoideu Verdammgsorgane etc. 11
mineralischer Salze, eine Flüssigkeit, welche man früher nicht
unpassend den „rohen Nahrungssaft" genannt hat.
Da die Lathraed unterirdisch lebt und des Chlorophylls ent-
behrt und da sie nicht befähigt ist, im Sonnenlichte aus dem
Kohlendioxyd der Luft und dem durch Vermittlung der Saugwarzen
aufgenommenen ..rohen Nahrungssafte" des angefallenen Baumes
oder Strauches selbst alle zum weiteren Wachsthum nothwen-
digen organischen Verbindungen zu erzeugen, da namentlich die
Menge der stickstoffhaltigen Verbindungen in der den angefal-
lenen Wurzeln entzogenen Flüssigkeit nur eine sehr geringe ist,
so muss jeder Zuschnss an organischer Nahrung, zumal an stick-
stoffhaltigen Verbindungen aus den gefangenen Thieren sehr
willkommen sein. Obschon es vorwaltend winzige Infusorien sind,
welche von der Schuppenwurz gefangen und verdaut werden, so
darf dieser Zuschuss doch durchaus nicht unterschätzt werden;
es ist eben in Anschlag zu bringen, dass jedes der unzähligen
schuppenförmigen Blätter des L«^/iraea- Stockes einen Fang-
apparat darstellt und dass der Fang- und Verdauungsapparat das
ganze Jahr hindurch in Wirksamkeit ist, da es in jener Tiefe des
Erdreiches^ in welcher die Stöcke der Schuppenwurz eingebettet
liegen, im Winter nicht einfriert, so dass dort auch in der Jahres-
periode, in welcher oberirdisch alles im Winterschlafe ruht, die
Infusorien und andere kleine Thiere ihr Wesen treiben und von
der Lathraea gefangen werden können.
Die überaus grosse Zahl der im Laufe des Jahres gefan-
genen Thiere vermag also sicherlich die Grösse der einzelnen
Individuen zu ersetzen.
Wenn es nach alledem nichts weniger als befremdend ist,
dass sich ein chlorophyllloser, unterirdisch lebender Wurzel-
schmarotzer mit dem Aussaugen des rohen Nahrungssaftes aus
anderen Pflanzen und gleichzeitig auch mit dem Thierfange be-
schäftigt, so muss es anderseits unser Erstaunen wachrufen,
wenn wir Pflanzen finden, welche ihre Nahrung einmal mittelst
Saugzellen aus der Erde, dann schmarotzend mittelst Saugwarzen
aus angefallenen Wurzeln anderer Pflanzen und drittens auch
noch aus gefangenen Thieren entnehmen.
Als eine solche Pflanze aber stellt sich Bartsia alphia dar.
Dieses merkwürdige Gewächs ist im arktischen Gebiete und in
12 V. Kerner ii. v. Wettsteiu,
der Flora der Hochgebirge durch fast ganz Europa verbreitet
lind fällt sofort dadurch auf, dass die Farbe der Laubblätter aus
Schwarz, Violett und Grün gemengt erseheint. Auch die Bliithe
ist trüb dunkelviolett gefärbt und die Pflanze macht durch dieses
eigenthümliche Colorit den Eindruck einer rechten Trauerpflauze.
Einschaltungsweise mag hier erwähnt sein, dass Linne für
diese düstere Pflanze den Namen ^«r/sm wählte, um damit seiner
tiefen Trauer über den Tod des ihm innig befreundeten eifrigen
Naturforschers und Arztes Bartsch, der in jungen Jahren dem
Klima Guiana's erlag, einen Ausdruck zu geben.
Feuchter schwarzer Boden und die Umgebung von Quellen
bilden den bevorzugten Standort dieser Pflanze. Gräbt man im
Sommer ihren Wurzeln nach, so sieht man, dass von denselben
einige Saugwarzen ausgehen, welche sich den Wurzeln der nach-
barlich wachsenden Seggen und anderer Pflanzen anlegen; man
findet aber auch unterirdische Sprosse, welche in der Nähe der
mit gegenständigen weissen Schuppen besetzten Knoten „Wurzel-
haare" entwickeln, die deutlich gegliedert sind und als gewöhn-
liche Saugzellen fungireu.
Gegen den Herbst zu bilden sich, und zwar gleichfalls unter-
irdisch, eiförmige Knospen aus, welche in ihrer Form den Knos-
pen der Kosskastanie nicht unähnlich sehen (Fig. 8) und deren
in vier Keihen angeordnete chlorophylllose Schuppen wie Dach-
ziegel theilweise übereinander geschoben sind, so zwar, dass von
jeder Schuppe nur die Rückseite des oberen Theiles zur Ansicht
kommt, während der untere Theil von tieferstehenden Schuppen
zugedeckt ist. An der frei sichtbaren convexen Rückseite jeder
Schuppe sieht man auf dem Mittelfelde drei scharf vorspringende
Rippen; die beiden seitlichen Ränder der Schuppe aber sind
zurückgerollt, und zwar so, dass dadurch an jedem Rande eine
Hohlkehle gebildet wird. — Nun sind aber, wie an dem Quer-
schnitte einer unterirdischen Bartsia-KmmißG (Fig. 9) zu sehen
ist, die tieferstehendeu Schuppenpaare so über die nächst oberen
gelegt, dass die Hohlkehlen zugedeckt und zu Kanälen werden.
Das Innere der Knospe ist, diesemBaue entsprechend, von doppelt
so vielen Kanälen durchzogen, als gedeckte Blattschuppen vor-
handen sind und die Mündungen von je zwei Kanälen finden sich
an jenen Stellen, wo die Deckung der zurückgerollten seitliehen
Die rhizopodoiden Verdamingsorgaue etc. 13
Ränder einer oberen Schuppe durch das Mitteiteid einer unteren
Schuppe beginnt. Au der einen Seite dieser Kanäle, nämlich in
den Hohlkehlen sind ganz dieselben zdiigen Gebilde entwickelt,
welche sich in den Kammern der Z„7//ir«tY<-Schuppeu finden,
wieder jene aus zwei Zellen zusammengesetzten Köpfchen, die
einer Fusszelle aufsitzen, dann gepaarte als Halbkugel vor-
gewölbte Zellen und endlieh noch gewöhnliche plattenförmige
Oberhautzellen. \ Fig. 10) Es ist wohl nicht zu zweifeln, dass der
ganze Apparat auch in derselben Weise wie bei der Schu])pen-
wurz wirksam und auf den Fang von kleinen Thieren berech-
net ist.
Da aus den eben geschilderten unterirdischen Knospen der
Bartsia, welche im Spätsommer angelegt werden, im Laufe des
nächsten Frühlings ein oberirdischer Stengel hervorgeht, dessen
chlorophyllreiche Laubblätter im Sonnenlichte ausGemengtheilen
der Luft und der aus dem Boden durch die Saugzellen auf-
genommenen flüssigen Nahrung organische Verbindungen erzeu-
gen, so drängt sich die Frage auf, ob denn in diesem Falle auch
noch ein Zuschuss an Nahrung aus den Leichen gefangener
Thiere nothwcndig oder doch vortheilhaft sein kann. Berück-
sichtiget man die Verhältnisse, unter welchen Bartsia alpina in
der freien Natur wächst, so wird man diese Frage unbedingt
bejahen müssen.
Diese Pflanze gehört, wie schon erwähn^^, der arktischen
und Hochgebirgsflora an und wächst in Gebieten, wo die ober-
irdische Thätigkeit der Pflanzen auf die kurze Zeit von ein paar
Monaten eingeschränkt ist. Nach Ablauf dieser kurzen Vegeta-
tionszeit sterben die oberirdischen Theile der arktischen und
alpinen Pflanzen entweder vollständig ab oder sie bleiben zwar
grün, sind aber im Schnee vergraben und alle Bewegung und
Lebensthätigkeit ist in ihnen auf 9 bis 10 Monate sistirt.
Der erste Schnee fällt in den, von der ^«r^sm bewohnten
Gebieten regelmässig schon zu einer Zeit, in welcher der Boden
noch nicht gefroren ist, und die später immer mächtiger sich
aufthürmeude winterliche Schneedecke schützt den Boden so
ausgiebig gegen den Einfluss der Wiuterkälte, dass die Tem-
peratur selbst der oberflächlichsten Erdschichten nicht unter den
Nullpunkt herabsinkt. In dieser frostfieien Schichte aber ist
34 V. Kerner u. v. Wettstein,
weder das pflanzliche, noch das tWerische Leben ganz erstarrt
und es ist in dem langen Zeiträume für die unterirdischen
Knospen der Bartsia gewiss nur von Vortheil, wenn ihnen eine
ausgiebige Nahrung aus den Leibern gefangener Infusorien zu-
kommt. Der Vortheil wird um so einleuelitender, wenn man
bedenkt, dass aus den organischen Verbindungen, welche die
Schuppen der unterirdischen Knospen in ihren Zellen aufgespei-
chert enthalten, in der darauffolgenden Vegetationszeit in zwei
bis drei Wochen der oberirdische Stengel mit seinen Laubblät-
tern und Blüthen aufgebaut werden soll und dass der feuchte
Boden, in welchem die Bartsia wächst, so wie auch die Wurzeln
der Sumpfpflanzen, an welche die Bartsia einige Saugwarzen
anlegt, zwar Wasser und mineralische Salze, aber nur wenig
Materiale zur Erzeugung stickstoffhaltiger Verbindungen liefern.
A.v:I\erner luid R.v.irettsteiii. Bie rhizopodüidenVerdamingsorganß toerfangei-ider Pflanzer..
Autor isl Lith v.M. Streicher
Lith.Aist 7:Tii Banmvaitk.TOsr.-
Sitzimösl)er. d.kaiserl . Akad.d.Wss. math.natuTH^ a.XCIl[.Bd.Lifl)äi.l886.
Die rhixopodoiden Verdau ungsorgane etc. 15
Erklärung der Tafel.
Fig. 1. Stück eines unterirdischen Stammes vonLat/naea Squamaria.^-dtüv],
Grösse.
„ 2. Dasselbe, im Längsschnitte, au dem die Kammern in den einzelneu
Blättern sichtbar sind. Natürl. Grösse.
„ 3. Ein einzelnes Blatt vergrössert. Durch die durchscheinende Ober-
seite sind die zehn Kammern im Innern des Blattes sichtbar.
„ 4. Längsschnitt durch ein Blatt; bedeutend vergrössert. a Anheftungs-
stelle des Blattes; 6 — e Oberseite des Blattes, bei c nach rückwärts
gekrümmt; f Blattunterseite mit dem Eingange in die Höhlung «7;
h Stamm.
„ 5. Stück der Wand emer Höhlung, stark vergrössert.
„ 6. Stück eines Querschnittes durch ein Blatt, zeigt ein stielloses Organ
und die Verbindung der Basalzelle (b) mit den Endigungen des Ge-
fässbündels (G)] stark vergrössert.
„ 7. Köpfchentragendes Organ mit den über die Wand der Köpfchen-
zellen vorragenden Plasmafäden, stark vergrössert.
„ 8. Unterirdische Knospe von Bartüa alpina. Natürl. Grosse.
„ 9. Querschnitt durch einen Theil derselben; vergrössert.
„ 10. Der Rand einer Knospenschuppe von Bartsia im Durchschnitte mit
gestielten {a) und uugestielten (6) Organen, stark vergrössert.
16
II. SITZUNG VOM 14. JÄNNER 1886.
Das c. M. Herr Prof. L, Gegen bau er in Innsbruck tiber-
sendet eine Abliandlung: „Über die Classenanzabl der
quadratischen Formen von negativer Determinante".
Der Secretär legt eine Abhandlung von Herrn August
Adler in Wien: „über ein allgemeines Princip des
graphischen Rechnens" I. vor.
Herr Dr. Friedrich Wächter in Wien übersendet eine
Abhandlung: „Über die Artunterschiede der positiven
und negativen Elektricität".
Herr Hofrath 6. Tschermak überreicht eine Abhandlung
des Herrn Dr. Max Schuster: „Resultate der Untersuchung
des Staubes, welcher nach dem Schlammregen vom
14. October 1885 zu Klagenfurt gesammelt wurde."
Das w. M. Herr Prof. E. Weyr Überreicht eine Abhandlung
des Herrn Regierungsrathes Prof. Dr. F. Hertens in Graz:
„Über die Invarianten dreier terniären quadratischen
Formen."
Das w. M. Herr Prof. J. Wiesner überreicht eine Abhand-
lung: „Untersuchung über die Organisation der vege-
tabilischen Zellwand".
Das w. M. Herr Hofrath Prof. C. Claus tiberreicht eine
Abhandlung des Herrn Dr. J. H. List in Graz, betitelt: „Die
Rudimentzellentheorie und die Frage der Regenera-
tion geschichteter Pflasterepithelien".
17
Untersuchungen über die Organisation der vegetabili-
schen Zellhaut.
i^Iit 5 Holzschnitten. j
Von dem w. M. Julias Wiesner.
Einleitung.
Die feinsten Stnicturverhältnisse der pflanzlichen und
thierischen Organe aufzudecken, bildet bekanntlich einen der
wichtigsten Zielpunkte der Morphologie und Physiologie der
Pflanzen und Tliiere.
Von rein morphologischem Gesichtspunkte aus wird man an
diesem — heute noch in weiter Ferne liegenden, aber selbst dem
besonnensten Naturforscher erreichbar erscheinenden — Ziele
angelangt sein, wenn die letzten, das ist die einfachsten Structur-
elemente der Lebewesen aufgefunden sein werden. Die Phy-
siologie aber wird die Veränderungen und Eigenschaften dieser
Elementargebilde erst zur Erklärung der Lebens Vorgänge heran-
zuziehen haben.
Im Bereiche der Morphologie ist es die Anatomie, welche
auf analytischem "Wege den inneren Bau der Organismen darzu-
legen strebt. Wie die Chemie die Verbindungen zerlegt und zu
den wahren Elementen zu gelangen sucht, so trachtet die Anatomie
durch analoge Operationen zu den letzten Formelementen der
Pflanzen und Thiere vorzudringen. Auf diesem Wege gelang es
zunächst, die Organe in Gewebe und diese in die bisher als
Elementarorgane angesehenen Zellen zu zerlegen.
Dass die sogenannten chemischen Elemente die gesuchten
Grundstoffe der Verbindungen nicht repräsentiren, wird derzeit
wohl allgemein zugestanden. Aber auch die „Zellen" können
heute nicht mehr als das angesehen werden, wofür man sie so
lange hielt, als die letzten organisirten Bausteine der Pflan-
zen und Thiere. Es ist das Verdienst Brücke's, die grosse
Sitzb. d. malhem.-naturw. Cl. XCIII. Ed. I. Abth. 2
18 Wiesuer,
Complication im Baue der sogenannten ,. Elementarorgane"
zuerst nacliclriieklich hervorgehoben und gezeigt zu haben,
dass die damals herrschenden auf den Bau der Zellen bezug-
nehmenden Vorstellungen : Kerne oder Membranen seienhomogen,
wenn sie uns homogen erscheinen, oder besässen keine andere
als Molecularstructur, oder das Protoplasma sei eineEiweisslösung
u, s. w.j als völlig unberechtigt zurückgewiesen werden müssen. Es
geschah dies bekanntlich in seiner mit Recht berühmten Schrift,
„die Elementarorganismen"*, aufweiche ich in dieser Abhandlung
noch oftmals zurückkommen werde. Sehr treffend nennt Brücke
die Zellen dort „ Elementarorganismen " , um schon durch
das für dieselben gewählte Wort seine Anschauung über ihren
wahren Bau in Gegensatz zu stellen mit jenen seiner Vorgänger,
welche die Zellen als die letzten Structurelemente des Organis-
mus, als „Elementarorgane" betrachteten.
Der genannte Forscher begnügte sich damit, die Organisation
des Protoplasmas aus dessen Functionen zu erschliessen, ohne
über die Structur des „lebenden Zellenleibes" eine bestimmte
Vorstellung zu formuliren, wozu aus Mangel au thatsächlichen
Kenntnissen damals alle positiven Anhaltspunkte fehlten. Hin-
gegen betonte Brücke, dass eine selbst noch so complicirte
Molecularstructur die in den Zellen sich abspielenden Lebens-
vorgänge nicht zu erklären im Stande wäre und räumt die
Möglichkeit ein, dass die Elementarorganismen aus organische
Structur besitzenden Elementen, aus wahren Elementarorganen
zusammengesetzt seien.
In der Geschichte dieses schwierigen Forschungsgebietes
erblicken wir zwei scharf getrennte Wege. Der eine geht von den
Schichtungsverhältnissen der vegetabilischen Zellenmembran
und der Stärkekörnchen aus, der andere sucht durch die unmittel-
bare Beobachtung unterAnwendung bestimmterMethoden (Härtung,
Färbung etc.) die Structur des Protoplasmas und desZellkernes auf-
zufinden. Der erstere, bekanntlich von Nägeli eingeschlagen,
bewegt sich fast gänzlich auf hypothetischem Gebiete, der
letztere steht durchaus auf dem Boden der Thatsachen. Nägeli's
1 .Sitzuns'sb. d. kais. Ak. d. Wiss. math. iiat. Cl. Bd. 44 (1861) II. Abth.
p. 381 ffd.
Untersuchimg-en über tl. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 19
Hypothese, heute allgemein als Micellartheorie bekannt, entstand
etwa gleichzeitig- mit Brücke's „Elementarorganismen", die
Untersuchungen über die Structuren des Protoplasmas und Zell-
kernes gehören bekanntlich der neuesten Zeit an.
Nägeli leitete seine Theorie aus dem optischen Verhalten
der Zellmembran und der Stärkeköruchen und aus jenen Structur-
eigenthümlichkeiten ab, welche als Schichtung und Streifung der
Zellwand bekannt sind. Es gelang ihm, durch einige einfache,
mit grossem Scharfsinn ersonnene Annahmen nicht nur die Doppel-
brechung der genannten Gebilde, deren Schichtung und Streifung
n höchst einleuchtender Weise, sondern auch manche physiolo-
gisch wichtige Erscheinung, wie z.B. die Quellung der Zellmembran
zu erklären und überhaupt die Structurverhältnisse mit den damals
bekannten physiologiscben Phänomenen in nahen Zusammenhang
und — von einzelnen zumeist überseheneu Thatsaclien abge-
sehen— in eine geradezu imponirende Übereinstimmung zu bringen.
Nägeli's Micellartheorie geht von folgender Annahme aus:
Die vegetabilische Zellmembran besteht aus ausserordentlich
kleinen, niikroskopiscli nicht wahrnehmbaren Molekülgruppen
(Micellen.) Dieselben haben die Form und optischen Eigen-
schaften von (nicht tessularen) Krystallen, und sind nicht imbibir-
bar. Absolut trocken gedachte organisirte Gebilde bestehen aus
sich berührenden Micellen. Da die Anziehung der Micelle zum
"Wasser grösser als die der Micelle untereinander ange-
nommen wird, so muss das in die organisirten Gebilde ein-
dringende Wasser die Micelle wie ein Keil auseinander treiben. Je
kleiner die Micellen sind, desto grösser werden bei der Imbibi-
tion die sie umhüllenden Wasserschichten. Damit im Zusammen-
hange steht die Annahme, dass der grösste Querschnitt der
Wasserhülle dem kleinsten Querschnitte des Micells entspricht
und umgekehrt. Da die Micelle — nach einer weiteren Annahme
Nägeli's — sich während des Wachsthums der von ihnen
zusammengesetzten Gebilde selbst vevgrössern, so müssen die
Schichten der Zellwand in späteren Entwicklungsstadien wasser-
armer werden.
Aus der Doppelbrechung der Micelle leitet Nägeli die Ani-
sotropie der Zellhäute und der Stärkekörnchen ab, hingegen aus
der Vertheilung von Micellen und Wasser alle im Laufe der
2--
20 W i e s n e r,
Entwicklung und in den verschiedensten Verbältnissen des-
Lebens sieb ergebenden Erscheinungen der Aufnahme und Abgabe
des Wassers, der Schichtung und Streuung der Zellhäute^
beziehungsweise der Stärkekörnchen u. s. w. Dass beispielsweise
aus Form und Lage der eine Faser zusammensetzenden Micelle
sich die starke Quellung in der Richtung des Querschnittes und
die relativ geringe in der Richtung der Längsschnitte erklären
lässt, leuchtet ein.
Die Nägeli'sche Lehre hat eine fast allgemeine Anerkennung
gefunden. Der bewundernswerthe Scharfsinn, mit welchem die-
selbe construirt und die strenge Consequenz der Durchführung,
welche ihr den Charakter einer vollendeten Theorie aufdrückt,
lassen den Erfolg, welchen dieselbe errang, begreiflich erscheinen
und machen es verständlich, dass von vielen Seiten die so spär-
liche thatsächliche Unterlage, auf welcher die Micellarhypothese
gebaut ist, übersehen worden ist. Und auch heute noch kann
Nägel i's Lehre im Gebiete der Botanik als herrschend ange-
sehenwerden, obwohl manche Erscheinung in viel naturgemässerer
Weise erklärt wird und manche dieser Lehre zu Grunde liegende
Annahme zweifelhaft geworden oder als unhaltbar sich heraus-
gestellt hat.
So vor allem der krystallinische Charakter der Micelle.
Ich habe schon vor Jahren die Anisotropie der vegetabilischen
Zellwand aus Spannungsunterschieden abgeleitet ^ Später machte
Ebner^ die schwerwiegendsten Argumente gegen den Kry stall -
Charakter der Micelle geltend und lieferte den Beweis, dass die
Anisotropie der organischen Gebilde weder auf Interferenz depo-
larisirter Strahlen beruhe, welche beim Durchgange durch optisch
nicht homogene einfach lichtbrechende Körper entstehen,
noch auf krystallinische Bescliaifenheit zurückzuführen sei,
sondern dass dieselbe von nach verschiedenen Richtungen
ungleichen Spannungen verursacht werde, von Spannungen,
welche im Lebenslaufe des Organismus sich vielfach ändern
und die auf künstliche Weise geändert werden können.
1 Elemente der Aii;itomie und Physiologie der Pflanzen 1. Aufl. p. 260.
- Ebner, Untersuchungen ülxu- die Ursachen der Anisotropie
organischer Substanzen. Leipzig 1882.
Untersuehuiigeii über d. Orgcauisation d. vegetab. Zellliaut. 21
Auch N. J. C. Müller \ HöhneP und Strasburger^
haben die Annahme der krystalliuischen Micelle zur Erklärung
der Doppelbrechung der Zellmembran verworfen und fassen das
Zustandekommen dieser Erscheinung im Wesentlichen in gleicher
Weise wie Ebner und ich auf.
Höhnel führte auch die Quellungserscheinungen auf
Spannungszustände zurück, nachdem er die aus der Micellar-
theorie sich ergebende Erklärung für unzureichend gefunden hat.
Diejenigen, welche, wie Schmitz, Höhnel und Andere,
besonders Strasburger, dessen Stellung zur Nägeli'schen
Lehre ich später im Zusammenhange erörtern werde, das ge-
sammte Wachsthum auf Apposition zurückführen, leiten die
Schichtung der Zellwand nicht wie Nägeli aus ungleichem
Wassergehalt ab, sondern führen dasselbe auf successive
erscheinende, aus dem Protoplasma entstehende und sich gegen-
seitig differenzirende Ablagerungen zurück.
Seit Jahren vertreteich die Ansicht*, dass der geschichtete Bau
der Zellmembran im Wesentlichen nicht auf einer Wechsellagerung
wasserarmer und wasserreicher Schichten, sondern auf vom
Wassergehalt unabhängiger Ungleichheit der Schichten im Licht-
brechungsvermögen beruhe, welches ungleiche optische Ver-
halten wieder auf eine Differenz in chemischer Beziehung zurück-
zuführen sei. Ich stütze mich hiebei auf Thatsachen zweierlei Art.
Erstlich darauf, dass vollkommen ausgetrocknete Membranen sich
geschichtet erweisen, auf welche Thatsache ich in den unten
folgenden ., Untersuchungen" noch in anderem Zusammenhange
zurückkomme, sodann auf die Hervorrufung von Schichtung in
Zellwänden durch Reagentien, welche weder wasserentziehend
noch wasseranziehend wirken, z. B. Chromsäure, welche durch
Oxydation einzelne Schichten früher angreift als andere und
dadurch die letzteren deutlicher macht.
1 Handbuch der Botanik I. 1880.
2 Bot. Zeitung 1882 p. 595 flfd.
3 In der weiter nuten citirteu Abhandlung über Bau und Wachsthum
der Zellhäute.
i Wiesner, Elemente der Anatomie und Physiologie der Pflanzen,
I. Aufl. p. 257 und 2G0.
22 W i e s 11 e r,
Näg'eli hat auf diese und andere seine Mieellartheorie be-
treffenden Einwände nicht erwidert, vielmehr später seine Hypo-
these mit noch grösserer Bestimmtheit, als dies früher gelegent-
lich geschah, auf alle organisirten Gebilde ausgedehnt und sie
zur Grundlage seiner Abstammungslehre gemacht ^
Er fasst nämlich^, indem er das von ihm aufgestellte Idio-
plasma (den Träger der erblichen Anlagen des Organismus)
charakterisirt, die Grundlage seiner Theorie in folgende Worte
zusammen: „Sie (die Structur des Idioplasmas) ist nur einer
bereits feststehenden analogen Structur anderer organisirter
Körper nachgebildet. Jeder dieser Körper besteht aus krystalli-
nischen Micellen (mikroskopisch unsichtbaren, aus einer grösseren
oder kleineren Zahl von Molekülen bestehenden Kryställchen, von
denen jedes im imbibirten Zustande mit einer Wasserhülle um-
geben ist)."
Da die Micelle nur als Molekülgruppen zu betrachten sind^
und von Nägeli auch nur dafür ausgegeben werden, so ist
ersichtlich, dass nach der Auffassung dieses Forschers dem
Protoplasma, dem Zellkerne und der Zellwand ganz direct ein
molecularer Bau zukömmt, eine Auffassung, welche den
Ideen Brücke's über die Structur der Zelle zuwiderläuft.
Freilich nimmt auch Brücke, wie sich von selbst versteht, gleich
Nägel i eine molekulare Structur der organisirten Gebilde an,
wie selbe einer Lösung, einem festen amorphen oder krystallisirten
Körper zukömmt, und jedem Körper eigen ist. Diese Structur
trennt er aber vollständig von der Organisation, einer Structur,
welche nur den lebenden Wesen eigen ist. Der Gegensatz der
beiderseitigen Ansichten spricht sich, wie ich glaube, am deutlich-
sten in folgender, den „Elementarorganismen'^ (p. 385) entnom-
menen Stelle aus: „Die zusammengesetzten Moleküle der organi-
schen Verbindungen sind nur die Werkstücke, die nicht in ein-
förmiger Weise, eines neben dem andern aufgeschich-
tet, sondern zu einem lebenden Baue künstlich zusammen-
gefügt sind."
1 Nägeli, Mechiinisch-physiologischeTheorie der Abstamminigslehre.
München und Leipzig 1884.
- 1. c. p. 35.
•"' Vergl. hierüber u. a. Ebner. 1. c. p. 11.
Uutersncliungen über d. Organisation d. vfgetab. Zellhant. 23
Ehe ich einige bisher noch nicht gemachte, aber, wie ich
vielleicht erwarten darf, nicht unwesentliche Einwände gegen die
Nägeli'sche Hypothese vorbringe, möchten folgende Bemer-
kungen gerade hier am Platze sein.
Erstlich, dass die Micelle Nägeli's mehrfach als die letzten
organisirten Bausteine gehalten worden sind, welche etwa den
von Brücke vorausgesetzten oder doch zugegebenen eigent-
lichen Elementarorganen entsprechen. Es ist aber schon gesagt
worden, dass zwischen Molekülgruppen und Micellen kein
wesentlicher Unterschied bestehe. Auch schliesst schon die An-
nahme Nägeli's, dass die Micelle für Wasser undurchdringlich
seien, deren organische Structur aus.
Sodann möchte ich hier hervorheben, dass Nägeli's
Micellartheorie, so sehr sie auf botanischem Gebiete Anklang
gefunden, im Bereiche der zoologischen Forschung ohne Wirkung
geblieben ist. In Flemming's bekanntem Werke über Zell-
substanz* wird die Nägeli'sche Theorie nicht erwähnt, obwohl
dieses Werk die bis dahin bekannten Versuche, die feinsten
Structurverhältnisse der Zellsubstanz aufzufinden, am ausführlich-
sten schildert und unter allen hierauf bezüglichen Arbeiten am
meisten gefördert hat. Auch in anderen, den genannten Gegen-
stand betreffenden Schriften finde ich kein oder doch kein
näheres Eingehen auf die Nägeli'schen Ideen ^. Eine Annäherung
an Nägeli's Vorstellungen über micellaren Bau liegt in
Rauber's ^ Auffassung der Zellstructur, welche letztere auf einen
radialconcentrischen Typus zurückzuführen sei, einen Typus,
nach welchem die Stärkekörnchen gebaut sind*. Obgleich nun
1 Leipzig 1882.
- Mit Ansnahme einer Schrift, die ich nur aus einer Stelle in Ebner 's
Werk (1. c. p. 9.; kenne, wo es heisst, dass Bernstein (Über die Kräfte
der lebenden Materie, Universitätsschrift, Halle 1880) die Ansichten
Nägeli's auf den Bau des thierischen Körpers übertragen habe, und als
Ursache der Doppelbrechung thierischer Gewebe Krj'^stallmoleküle voraus-
setze. Eine ähnliche Voraussetzung machen Wundt (Lehrbuch der Physio-
logie des Menschen 2. Aufl. p. 55) und Ranke (Grundzüge der Physiologie
2. Aufl. p. 65.) Vrgl. auch Eb n er, 1. c. p. 233 und fifd.
3 Thier und Pflanze, Leipzig 1881, p. 7.
1 Xägeli, Abstammungslehre p. 35.
24 W i c s 11 u r.
Raub er die auf Zellstructur und Waclisthum bezugnehmende
botanische Literatur kennt, so beruft er sich bei Aufstellung
seiner Lehre über den radial-coucentrischen Bau der thierischen
Gebilde nicht auf Kägeli, woraus vielleicht hervorzugehen
scheint, dass er der Nägeli'schen Micellartheorie nicht zustimmt.
Hingegen sind Brücke's Ideen über die Organisation der
Zelle bei denjenigen, welche die thierischen Gewebe zum Gegen-
stand ilirer Forschungen gemacht haben, unvergessen geblieben
und bilden in mancher wichtigen Abhandlung den Ausgangspunkt
der Untersuchung \
Es sind also die theoretischen Grundanschauungen in Betreff
der Innern Structur der Organismen bei Zoologen und Botanikern
getheilt. Indess beginnt jetzt ein Umschwung einzutreten, seit-
dem nämlich auch von Seite der Botaniker in den Fragen der
Structur der einzig richtige Weg, nämlich der der Beobachtung
eingeschlagen wird. Angeregt durch die Zoologen, studiren
gegenwärtig die Botaniker die Structurverhältuisse des Zell-
kernes und des Protoplasmas an der Hand der Beobachtung und
beide sind bezüglich des feineren Aufbaues dieser Zellbestand-
theile zu im Wesentlichen übereinstimmenden Besultatcn ge-
kommen. —
Die wichtigsten Einwände, welche gegen die Nägeli'sche
Lehre erhoben werden können, scheinen mir aber die folgenden
zu sein.
Die von Nägel i gemachten Annahmen waren zur Erklärung
einiger ganz einfachen Verhältnisse berechnet: es handelte sich
ja nur darum, die Schichtung, die Streifung, die Quellung und
Doppelbrechung der Zellwände, beziehungsweise der Stärke-
körner zu erklären; dies ist ja seinerzeit gelungen und es hat
die Micellarlehre für jene, die bloss auf die genannten Ver-
hältnisse Rücksicht nehmen, auch heute noch eine gewisse Be-
rechtigung. Allein es handelt sich gegenwärtig um die Verdeut-
lichung, wo möglich Erklärung viel wichtigerer und schwierigerer
Verhältnisse der Zellwand, um jene Vorgänge, die die Zellwand
zu einem lebenden Organismus stempeln, vor Allem um die
Organisationsveränderungen und chemischen Umbildungen,
1 Vgl. beispielweise Fl(nuiniug-, 1. c. p. 11.
Untcrsuchnugen übi-r d. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 25
welche das Wachsthum bedingen und begleiten, durchaus Yer-
bältuisse, für deren ungezwungene und naturgemässe Erklärung
w4r in Nägeli's Annahmen keine Stütze finden.
Die Micellarhypothese setzt eine gewisse Homogenität der
Zellhaut voraus, eine Gleichartigkeit des Gefüges, die eben noch mit
der Schichtung und Streifung verträglich ist. Nim haben aber die
durch T a n g l's wichtige Entdeckung eingeleiteten Untersuchungen
über die Continuität des Protoplasmas benachbarter Zellen ge-
lehrt, dass neben den starren Wandbestandtheilen Protoplasma-
züge die Haut der Pflanzenzelle durchsetzen. Die Structur der
Zellwand muss infolge dessen weit inhomogener sein, als mit
der Micellartheorie vereinbar ist.
Ich werde in dieser Abhandlung mehrfache thatsächliche
Belege für die Auffassung, dass in der wachsenden Zellwand stets
Protoplasma vorhanden sein muss, anführen und werde zeigen
können, dass nicht nur dieOrganisatiousänderungen in derZellbaut
unter der Annahme lebenden Protoplasmas inmitten derselben
verständlicher werden, sondern auch die chemischen Verhältnisse,
auf welche die Nägeli'sche Theorie keine Rücksicht nimmt
und die, sofern sie mit der Structur der Zellhaut in Zusammen-
hange stehen, überhaupt bisher nicht genügend gewürdigt wor-
den sind.
Nach beiden hier angedeuteten Richtungen ist mir die
Tangl'sche Entdeckung über die Communication des Proto-
plasmas benachbarter Zellen von Wichtigkeit geworden. Man hat
diese nunmehr im Pflanzenreiche so vielfach bestätigte Entdeckung
bisher nur unter jenem Gesichtspunkte betrachtet, von welchem
Tang] selbst sich leiten Hess, und den zu unterschätzen ich
weit entfernt bin. Man betrachtete den Durchgang des Proto-
plasmas durch die Wand nur als ein Verhältniss, welches den
Zusammenhang benachbarter Zellen beeinflusst; dass man unter
diesem Gesichtspunkte eine viel naturgemässere Vorstellung über
Reizfortpflanzung und ähnliche physiologische Vorgänge erhielt,
halte ich für einen hohen Gewinn.
Ich habe nun Tan gl 's Entdeckung von einem ganz anderen
Gesichtspunkte aus betrachtet: ich frug mich, was hat die An-
wesenheit des Protoplasmas in der W^and für die Organisations-
verhältnisse derselben, ferner für ihren Chemismus zu bedeuten?
26 Wiesuer,
Diese Frag-estellung- in Vei-binduug mit einer vorher schon auf
analytischem Wege gemachten Auffindung', dem Vorhandensein
kleiner individualisirter Hautkörperchen, auf die ich noch in
dieser Einleitung zu sprechen kommen werde, waren die Ver-
anlassung, meine vor langer Zeit begonnenen Untersuchungen
über die feineren Structurverhältnisse der vegetabilischen Zell-
wand wieder aufzunehmen.
Ich muss noch einer wichtigen, die Structur der Zellhäute
betreffenden Untersuchung Erwähnung thun aus zweierlei Grün-
den: erstlich weil ich deren Verhältniss zu Brücke und Nägel i
zu beleuchten für nöthig finde, und zweitens, weil ich mich auf
dieselbe in dieser Abhandlung mehrfach beziehen werde.
Ich meine die umfassenden Untersuchungen, welche in
neuerer Zeit Strasburger ,,tiber den Bau und über das Wachs-
thum der Zellhäute" ^ veröffentlichte.
Strasburger steht in einer das Wesen der organischen
Structur betreffenden Hauptfrage auf dem Standpunkte Nägeli's;
auch er sucht eine Förderung- unserer Anschauungen über die
Leistungen des Organismus in der Aufstellungeiner Hypothese über
die Molecular structur der organisirten Gebilde. Aber seine Vor-
stellung über den molekularen Bau der Organismen ist eine von
der Nägel i 'sehen vollkommen verschiedene.
Nägeli fuhrt den Aufbau der Organismen auf lose, aber
in bestimmter regelmässiger Anordnung nebeneinander liegende
Molekülgruppen (Micelle) zurück. Strasburger hingegen nimmt
eine specifische Verkettung- der Substanzmoleküle — eine
netzartige Vereinigung — an und spricht sehr bestimmt die
Meinung aus, dass diese Vereinigung der Moleküle nicht etwa eine
Eigenthümlichkeit der colloidalen Substanzen, sondern eine
specifisclie Eigenthümlichkeit der lebenden Gebilde ist. „Organi-
sirt ist für mich ein CoUoid erst dann, wenn es eine durch die
specifische Thätigkeit des Organismus bedingte Structur besitzt.-^
Durch diese Äusserung setzt sich aber Strasburger in
bestimmten Gegensatz zu jenen Forschern, welche, wie z. B.
Pfeffer-^, gar kein Unterschied zwischen „organisirt" und
1 Jena 1882.
- Strasbu rgei-, 1. c. p. 218.
3 Osmot. Unters, p. 151 und Pflanzenphysiologie. p. 13.
Untersuchuügen über d. Organisation cl. vegetab. Zellhaut. 27
„quellung'sfähig-" zulassen. Diese Identifieinmg' der org'anisirten
mit der eolloidaleu Substanz scheint mir der schärfste Ausdruck
für die Käg-eli'sche Grundauffassung der Organisation zu sein,
und man wird, indem man von hier aus den Vergleich zwischen
dieses Forschers und S trasburger's Ansicht unternimmt, wohl
zugeben, dass letzterer sich mehr der Grundauffassung Brücke's
als jener Nägel i 's hinneigt.
Die Untersuchungen Strasburger's haben noch einen
anderen grossen Vorzug: sie bringen die über die Structur des
Protoplasmas und Zellkernes erworbenen Kenntnisse mit den Zell-
wandstudien in Verbindung und versuchen mehrfach die Structur
der Zellmembran aus jener des Protoplasmas entwicklungs-
geschichtlich abzuleiten.
Strasburg er bew^eist, dass das Protoplasma direct die
Wand erzeugt und nicht etwa bloss ausscheidet, er zeigt, dass
die erste Anlage der Haut selbst ein Protoplasmagebilde ist.
Gerade diese bedeutungsvolle Entdeckung, welche mit der be-
kannten von Pringsh ei m herrührenden Darstellung der Zellhaut-
entwicklung aus dem Protoplasma mehrfach im Einklänge steht,
ist für meine Studien über die Organisation der Zellwand von
Wichtigkeit geworden.
Auch Strasburger führt die Doppelbrechung der Zell-
häute und Stärkekörnchen auf Spannungsverhältnisse zurück und
bestreitet den krystallinischen Charakter der den Micellen ent-
sprechenden Formtheilchen.
Die Schichtung der Zellhäute und Stärkekörnehen wird von
Strasburger auf reines Appositionswachsthum, also auf
eine successive Substanzanlagerung vom Protoplasma her durch
Umwandlung von Protoplasmasubstanz (Mikrosomen etc.) in
Hautbestandtheile zurückgeführt, eine Auffassung, welche nicht
nur der Micellarhypothese Nägeli's zuwiderläuft, sondern auch
im Widerspruche mit der von den letztgenannten Forschern
begründeten Lehre vom Wachsthum der organisirten Gebilde
durch Intussusception steht.
Während ich bezüglich des Zustandekommens der Doppel-
brechung der Zellwand mich mit Strasburger in Überein-
stimmung finde, gelange ich sowohl, was das Wachsthum der
Zellhaut als das Zustandekommen der Schichten anlangt, zu
28 W i e s n e r,
Resultateu, welche ebensowohl von seiueu als von jenen Käg-eli's
abweichen.
Dagegen stimme ich mit Strasburger's Auffassung in
Bezug auf das Zustandekommen der Streifung Uberein. Gleich
ihm betrachte ich die Streifen als schraubig angeordnete Fäden.
Indem ich hier andeute, dass nacli meinen Untersucliung-en
die Streifen der Hauptsache nach aus kleinen, mikroskopisch
nachweisbaren Körperchen (Dermatosomen) bestehen, aber auch
die Schichten aus diesen Hautkörperchen sich zusammensetzen,
komme ich zu dem Ausgangspunkte meiner Untersuchung,
Ich legte mir die Frage vor, ob es nicht auf analytischem
Wege gelingen könnte, die Haut in feinere Elemente zu zerlegen,
wie es gelungen ist, auf diesem Wege die Gewebe in Zellen zu
theilen.
Nach langwierigen Untersuchungen fand ich mehrere
Methoden, welche die Nachweisung von mikroskopisch erkenn-
baren individualisirten Hautkörperchen ermöglichten.
Aber erst durch die Verbindung dieser Thatsache mit den
früher genannten Entdeckungen Strasburger's und Tangl's
wurde ich in den Stand gesetzt, eine naturgemässe Vorstellung
über die Organisation der Zellwand entwickeln zu können.
Um diese letztere, um die organische Structur und nicht um
den molekularen Bau der Zellhaut wird es sich in den folgenden
Blättern handeln. Bezüglich der ersteren tinden sich in den
umfassenden Untersuchungen Nage li 's die sorgfältigsten Beob-
achtungen, namentlich über Schichtung und Streifung, auf die
man wohl immer wird zurückgreifen müssen, wenn es sich um
das Studium der Zellwandstructur handelt. Auch meine ich, dass
die tiefe speculative Behandlung, w^elche dieser grosse Forscher
den organisirten Gebilden in seiner Micellartheorie angedeiheu
Hess, vieles hervorgebracht hat, was in späterer Zeit, w^enn die
Frage über den molekularen Bau der Organismen mit Aussicht auf
Erfolg wird in die Hand genommen werden können, Verwerthung
finden wird.
Untersuchung-eu über d. Orgauisatiou d. vegetab. Zellhaut. 29
Untersuchungen.
I. Zusammensetzung der vegetabilischen Zellhaut aus mikrosko-
pisch nachweislichen Elementarkörperchen (Dermatosomen).
a) Z e r s t ä ii Ij u n g s v e r s u c b e.
3Ieine ersten Versuche, die Zellwand iu feinere als in die
bis jetzt bekannten organisirten Bestandtheile zu zerlegen^ knü-
pfen an eine mit glücklichem Erfolge angewendete Fabrications-
methode au, welche den Zweck hat, vegetabilische Verunreini-
gungen aus Thierwolle und daraus erzeugten Webeproducten
zu entfernen, ohne die animalische Faser anzugreifen.
Die vegetabilische Faser zerfällt bei dieser gleich näher zu
beschreibenden Procedur durch leiseste Berührung in eine über
aus feine Masse. Ich hoffte, durch dieses Verfahren die Zellwand,
weiter als dies bisher geschehen war, zerlegen zu können.
Die Methode, von welcher die Rede sein wird, ist in der
Praxis als „Carbonisirung" (auch „Entklettung-', „epaillage)"
bekannt. Sie besteht in Folgendem: Die zu „entklettende" Wolle
wird mit etwa zweiprocentiger Salz- oder .Schwefelsäure (auch
andere Substanzen werden verwendet) behandelt, die adhärirende
Flüssigkeit durch Abpressen oder Centrifugiren entfernt und die
feuchte Masse auf etwa 60 bis 70° C. bis zur völligen Ein-
trocknung erhitzt. Die Thierfaser bleibt wenigstens anscheinend
intact; hingegen zerstäubt Alles, was vegetabilischen Ursprungs
ist, und lässt sich durch Waschen mit Wasser und geringe
mechanische Bearbeitung beseitigen.
Ich habe der Carbonisirungsmethode * schon vor Jahren
meine Aufmerksamkeit zugewandt, vornehmlich um eine merk-
würdige Eigenschaft der vegetabilischen Gewebe näher kennen
zu lernen, welche den Botanikern unbekannt geblieben war. Es
1 Der Ausdruck „Carbonisiruug-' rührt davon her, dass im Fabri-
cationsbetriebe die Temperatur, bei welcher die Zerstörung der vegetabili-
schen Faser vorgenommen wird, oft bis zu Graden (65° C. und darüber)«
steigt, bei welchen die Pflanzentheile ein kohliges Aussehen annehmen
Ich nehme die sogenannte Carbonisirnng stets bei relativ niederer Tem.
peratur vor, wobei die zerstäubte Faser in der Färbung keine Änderung
erfährt. Es bildet beispielsweise eine nach meiner Methode carbonisirte Baum-
wolle ein schneeweisses Pulver.
30 W i e s u e r,
gelang- mir zu zeigen, dass die vegetabilische Faser ihren Zu-
sammenhang einhüsst, während die animalische keine Ande-
rimg erfährt oder bei sorgfältiger Durchführung der Methode
sogar an absoluter Festigkeit gewinnt ^ Um der Auffassung,
als würde diese Methode den Zweck haben, die Faser zu humi-
ficiren oder gar in Kohle zu verwandeln, vorzubeugen, will ich
dieselbe im Nachfolgenden als Zerstäubungsmethode bezeichnen.
Ich habe schon bei den damals durchgeführten Unter-
suchungen darauf hingewiesen, dass die verschiedenen vegeta-
bilischen Gewebe dem Zerstäubungsverfahren gegenüber ein
verschiedenes Verhalten darbieten. Ich zeigte, dass aus reiner
(oder nahezu reiner) Cellulose bestehende Gewebe, ferner alle
verholzten Gewebsbestandtheile, durch die Carbonisirung zerstört
werden, hingegen die peridermatischen Gewebe (z. B. der Kork)
hierbei keinerlei sichtliche Veränderung erleidend
Zur Zerstäubung der Gewebe benütze ich Salzsäure, und
zwar einprocentige, da eine so schwache Säure zur Durchführung
des Verfahrens ausreicht. Wie ich finde, kann selbst mit einer
halbprocentigen Salzsäure carbonisirt werden, nur ist längere
Einwirkung und wenn man rasch zerstäuben will, eine relativ
hohe Trocknungstemperatur erforderlich. Hochprocentige Salz-
säure, z. B. die gewöhnliche Salzsäure der Laboratorien, welche
15 bis 22 Procent reine HCl enthält, sollte für unsere Zwecke
nicht angewendet werden, da dieselbe auch andere Wirkungen
im Gefolge hat.
Versuche mit Leinenfaser. Wird diese Bastfaser in
eiuprocentiger Salzsäure durch 24 Stunden liegen gelassen, sodann
von der adhärireuden Flüssigkeit befreit und hierauf solange
bei 50 bis G0° C. erwärmt, bis die Substanz völlig trocken
geworden ist, was bei Anwendung kleiner Fasermengen schon
nach 30 bis 50 Minuten erreicht ist, so zerstäubt die Faser,
lässt sich beispielsweise zwischen den Fingern selbst durch leisen
Druck in ein überaus feines Pulver zerreiben.
1 Näheres hierüber .siehe Wies n er, über das Verhalten der vegeta-
bilischen nnd animalischen Faser beim Carbonisiren der Wolle und des
Tuches, in Dinglev's polytechn. Journal Bd. (187ü), p. 454 ffd.
'■i I. c. p. 457.
Untersuohuügen über a. Organiscltion <1. vegetab. Zellhaut. 31
Trockuet man die Faser in unverändertem Zustande bei 50
bis 60° C, ja sogar bei 100°, so lässt sie bezüglich ihres Zu-
sammenhangs keine Veränderung bemerken. Wird sie hingegen
nach 24 stündigem Liegen in einprocentiger Salzsäure an der
Luft bei mittlerer Temperatur sich selbst überlassen, so wird sie
brüchig. Lässt man sie 2 bis 3 Tage in einprocentiger Salzsäure,
so zerstäubt sie nach der Trocknung wie eine regelrecht carboni-
sirte vegetabilische Substanz, woraus sich ergibt, dass die
verdünnte Säure allein den Zerfall der Faser zu bewirken im
Stande ist, dass aber erhöhte Temperatur den Process be-
schleunigt.
Ähnliches gilt bezüglich aller anderen durch unsere Methode
zum Zerfall zu bringenden vegetabilischen Gewebe. Manche
erfordern eine höhere als die zum Zerfallen der Leinenfaser
nöthige Temperatur, um innerhalb der genannten Zeit zu zer-
stäuben, z. B. die Baumwolle, welche nach 24stündigem Liegen
in einprocentiger Salzsäure bei 50 bis 60 ° C. nur unvollständig,
hingegen bei 60 bis 65 ° C. vollständig zerstäubt.
Durch längere Einwirkung der Salzsäure, Erwärmen bei
höherer Temperatur, beziehungsweise länger andauerndes Aus-
trocknenlassen bei gewöhnlicher Temperatur hat man es in
seiner Gewalt, viele vegetabilische Gewebsarten nach unserem
Verfahren zur vollständigen Zerstäubung zu bringen.
Nach meinen bisherigen Erfahrungen lassen sich durch
Carbonisirimg leicht zerstäuben: verholzte und uuverholzte Paren-
chyme (HoUundermnrk, Kartoffelparenchym etc.\ Bastzellen, und
zwar sowohl verholzte (z. B. Jutefaser) als unverholzte oder sehr
schwach verholzte (z. B. Leinen- und Hanffaser), Holzgewebe
(Tanne, Fichte, Föhre, Linde etc.), alle Arten von Meristemen und
jugendlichen Geweben.
Sehr dickwandige unverholzte Gewebe, wie z. B. das Endo-
sperm von Phytelephas, können auf die angegebene Weise nicht
zerstäubt werden. Erst nach monatelanger Einwirkung der Salz-
säuie gelingt, nachdem die Zellen sich von einander losgelöst,
haben, oder durch leisen Druck von einander entfernt werden
können, die Zerfälhmg bei 50 bis 60 ° C.
Hingegen konnte selbst nach monatelanger Einwirkung von
einprocentiger Salzsäure auf Pilzgewebe (Fruchtkörper von
o^ W 1 e s n c r,
Polijponis f'omenlarinii und andere PolyporKS- Arten, Daedulea
quercina etc.) und auf Periderm (gewöhnlicher Kork, Periderm
der Kartoffel, Korkhäiite ausdauernder Spiraea-kxiew etc.)
durch das Zerstäubungsverfahren kein merklicher Erfolg erzielt
werden.
Die zu Staub gewordene Masse besteht aus kleinen Frag-
menten, welche, sofern sie aus faserförmigeu Elementen hervor-
gegangen sind, bestimmt orientirte Bruchflächen aufweisen; hin-
gegen haben die durch den Zerfall von Parenchymzellen ent-
standenen Bruchstücke eine unregelmässige Begrenzung.
Die Bruchflächen der untersuchten Bastfasern (Lein-, Hanf-,
Jutefaser etc.) stehen zur Zellaxe genau oder nahezu senk-
recht. Die Bruchfläche ist entweder eben oder staffeiförmig
(häufig bei der Hanfl)astzelle zu sehen) und setzt sich dann theils
aus zur Zellaxe senkrechten, theils zu dieser parallelen Flächen
zusammen. Die Fragmente sind oft von zahlreichen, manchmal
dichtgedrängt liegenden, zur Zellaxe senkrechten Querlinien
durchzogen. Auch die untersuchten Holzfasern (Tracheideu)
bieten ein ähnliches Bild dar; doch sieht man nicht selten neben
quergebrochenen Fasern auch solche, welche stellenweise schief
gebrochen sind. Hingegen bieten die Bruchflächen der zerstäub-
ten Baumwollenfasern ein anderes Bild dar. Sehr häufig laufen
die Bruchflächen schief von der natürlichen Grenzfläche ab
und schneiden sich dann meist unter nahezu rechten Winkeln.
Manchmal scheint die Bruchfläche quer zu liegen ; sie hat dann,
wie genauere mikroskopische Untersuchung lehrt, eine Zickzack-
gestalt uud die kleinen Bruchflächen sind so wie die früher
genannten Bruchflächen orientirt. Die wahren Bruchfiächen der.
carbonisirten Baumwollefaser stehen schief (häufig unter 45°)
zur Axe.
Nur selten findet sich eine andere Anordnung der Bruchfläche
vor, namentlich bei stark verdickter Faser.
Aus diesen Beobachtungen ist zu ersehen, dass in den unter-
suchten Bastzellen der Zusammenhang der Theilchen durch das
Zerstäubungsverfahren fast ausschliesslich in querer Eichtung
gelöst wurde, in den untersuchten Trachciden vorwiegend in zur
Zellaxe senkrechten, aber auch in schiefer (derStreifungparalleler)
Eichtung, hingegen in der Baumwollenfaser fast ausschliesslich
Untersuchungen über d. Organisation d. vegetab. Zellhaut. oo
in schiefer Richtung-, welche gleichfalls jener der Streifung der
Zelle entspricht.
Bei ein- oder zweimaliger Wiederholung des Zerstäuhungs-
verfahrens an einem und demselben Objecte schreitet der Zerfall
doch nur in dem angegebenen Sinne fort. Wird dieses A^erfahren
an einem und demselben Objecte oftmals wiederholt, so treten
nach und nach auch andere Trennungen ein, ähnlich jenen, welche
Chlorwasser hervorbringt und die weiter unten eingehend be-
schrieben sind. Da aber bei wiederholt angewendetem Zer-
stäub ungsverfahren die Theilungen der Zellmembranen nicht
in so reiner Form sich vollziehen, wie bei Anwendung von Chlor-
wasser, so will ich die diesbezüglichen Versuche nicht näher
beschreiben.
Anscheinend geht in den dem Zerstäubungsveifahren unter-
worfenen Geweben keine chemische Veränderung vor sich. Die
unverholzten Zellwände reagiren gegen Jodpräparate und Kupfer-
oxydammoniak wie Cellulose, die verholzten geben mit schwefel-
saurem Anilin, ferner mit Phloroglucin und Salzsäure die be-
kannten Holzstoffreactionen und nach Beseitigimg der sogenann-
ten Holzsubstanz die Cellulosereactionen.
Dennoch ruft das Zerstäubungsverfahren tiefgreifende
chemische Veränderungen in den Zellmembranen hervor.
Einige hierauf bezügliche Untersuchungen hat auf meine
Veranlassung Herr Fridolin Krasser ausgeführt. Ich theile aus
seinen Aufzeichnungen Folgendes mit.
Schwedisches Filterpapier, welches sich bei der mikrosko-
pischen Untersuchung als reine Baumwollenmasse erwies, wurde
durch mehrere Stunden in destillirtem Wasser gekocht. Es gab
in der ersten Zeit eine Spur löslicher Substanz ab, später nichts.
Die so vorbehandelte Masse wurde bei 100° getrocknet, bis kein
Gewichtsverlust stattfand. Etwa 5 Grm. dieser Substanz wurden
mit einprocentiger Salzsäure bei 60 bis 65 ° C. der Zerstäubung
unterworfen. Die zerstäubte Masse war schneeweiss. Sie wnirde
mit destillirtem Wasser so lange ausgekocht, bis keine Substanz
mehr in Lösung ging. Sowohl die extrahirte Substanz als die rück-
ständige Faser wurde getrocknet und gew^ogen. Die Menge der
extrahirten Substanz betrug 13-- 12 Procent. In derselben Hess sich
durch die Fehling'sche Probe reducirender Zucker nachweisen.
Sitzb. rt. mathera.-naturw. Cl. XCIII. Bfi. I. Abth. 3
34
W i e s n e r.
Ein ähnlicher Versuch wurde mit reinem Leinenzwirn ge-
macht, welcher früher durch Auskochen von allen in Wasser lös-
lichen Bestandtheilen befreit worden war. Die Carbonisirung
geschah gleichfalls mit einprocentiger Salzsäure, aber bei einer
Temperatur von 50 bis 60° C. 8-183 Gramm der zerstäubten
reinweisseu Masse gaben an destillirtes Wasser 0-803 Substanz
ab, so dass die Trockensubstanz des Extractes in diesem Falle
beiläufig 10 Proceut betrug. Auch in diesem Extracte Hess sich
reducirender Zucker nachweisen.
h) ZerJegung zerstäubter Gewebe in Dermatosomen.
1. Baumwoll enfaser. Wird die zerstäubte Baumwolle
auf den Objectträger in einem Tropfen gewöhnlicher Salzsäure
eingelegt und mittelst des Deckglases schwach gequetscht, so
bietet sie ein ähnliches Bild dar wie die sonst unverändert ge-
bliebene und gequetschte Faser, nur treten die Sprunglinien
viel reichlicher auf und erscheint die Faser in zu diesen Sprung-
linien paralleler Richtung gestreift.
Lässt man die Säure längere Zeit, etwa 15 bis 20 Minuten
einwirken und verstärkt man den Druck, so zerfällt die Faser in
zahlreiche parallel gestreifte und reichlich durchklüftete Frag-
mente, welche vielfach in kurze überaus feine Fäserchen zer-
theilt erscheinen. Diese letztgenannten Fäserchen sind weiteren
Fig. 1.
/
£>
Vci-gr. GOO. Zerstäubte B.axmwoUc. A nach Behandlung mit Salzsäure.
B nach Behandlung- mit Kalilauge. C gequetscht, a nach Vorbehandlung
der zerstäubten Baumwolle mit Salzsäure, b mit Kalilauge, b besteht bloss
aus Dermatosomen und homogener Grundmasse; in a sind die Dermatosomen
noch vielfach zu Fibrillen vereinigt. D gechlorte Baumwolle, durch leisen
Druck in Fibrillen zerlegt.
Untersucliiui.aen über ä. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 35
mechanischen Ang-riffeu geg-enüber ziemlich resistent, zerfallen
aher dennoch stellenweise der Länge nach in kleine Körnchen,
welche in einer homogenen gelatinösen Masse eingebettet liegen.
Letztere färbt sich auf Zusatz von Chlorzinkjod lebhaft violett,
während die darinliegenden Körnchen und Fäserchen viel weniger
deutlich (violett) gefärbt werden.
Ein anderes Verhalten der carbonisirten Faser gibt sich bei
Anwendung concentrirter Kalilauge zu erkennen. Wie vielfach
die Fragmente dieser Fasern auch durch die früher genannten
Sprnnglinien zerklüftet sein mögen^ es treten nunmehr neue Zer-
klüftungen auf, welche die Faser quer oder nahezu quer durch-
setzen. Bei aufmerksamer Beobachtung erkennt man, dass durch
die Kalilauge innerhalb der Zellmembran andere Bindungen
der Theilchen gelöst werden, als durch die Zerstäubung
beziehungsweise durch die Salzsäure, welche, wie wir gesehen
haben, diejenigen Bindungen — nur viel reichlicher — aufliebt,
welche durch das Zerstäubungsverfahren aufgelöst worden sind.
Lässt man die Kalilauge gleichfalls durch 15 bis 20 Minuten
auf die carbonisirte Baumwolle wirken, und quetscht man nach
vorherigem Auswaschen mit Wasser, um die weitere Einwirkung
des Kali auszuschliessen, mittelst des Deckglases, so zerfallt
die ganze Faser in überaus kleine Körnchen, welche in einer
homogenen Schleimmasse eingebettet sind. Durch wiederholte
Druckwirkungen lässt sich eine weitere Theiluug der Körn-
chen nicht erzielen, vor Allem gelingt es nicht, dieselben in eine
homogene Schleimmasse zu verwandeln. Körnchen und Schleim-
masse verhalten sich dem Chlorziukjod gegenüber wie in dem
früher beschriebenen Falle.
Die durch den Druck nach vorheriger Behandlung mit
Reagentien erhaltenen Körnchen bilden gegenüber der schleimigen
Substanz die Hauptmasse.
Ich will jetzt gleich bemerken, dass ich diese Körnchen aus
allen bis jetzt von mir untersuchten Zellmembranen ^ abge-
schieden habe. Bei stärkster Vergrösserung gesehen erscheinen
dieselben als rundliche Gebilde, deren nähere Grestaltverhältnisse
1 Mit Ausnalime jener der untersuchten Pilzgewebe, über welche
weiter unten nähere Angaben folgen
3*
3Ö W i e s n e r,
derzeit kaum zu ermitteln sein dürften, da dieselben zumeist an
der Grenze deutlicher mikroskopischer Wahrnehmung- liegen.
Dieselben bilden nicht ein zufällig- entstandenes Zerfällungs-
product der Zellmembran etwa vergleichbar dem Säg-emehl
eines Holzes oder einer durch Zerstossuug erhältlichen staubigen
Masse, sondern sind org-anisirte Körperehen, welche an dem
Aufbau der Zellhant wesentlichen Antheil nehmen. Dies näher
zu begründen, ihre g-eg-enseitige Bindung zu erklären und ihre
Beziehung zu analogen Bildungen des Protoplasmas darzulegen,
bildet eine der Hauptaufgaben, welche ich in dieser Abhandlung
zu lösen versuchen werde. Ich schlage für diese Körperchen den
Namen D e rm at o s o m e n vor.
Ich zweifle nicht, dass diese Dermatosomen schon oft
gesehen worden sind. Denn jene überaus feinen Körnchen,
welche bei der Fäulniss und bei anderweitigen Zersetzungen aus
den festen Theilen der Zellen entstehen und welche den
„Gewebsdetritus" constituiren, sind vornehmlich Dermatosomen
vielfach untermengt mit Mikroorganismen und Avahrscheinlich noch
mit anderen kleinen, gleichfalls an der Grenze der mikroskopi-
schen Wahrnehmung gelegenen, dem Zellinhalte entstammenden
Theilchen.
Ich möchte auch nicht bezweifeln, dass diese Dermatosomen
und kleine Gruppen derselben häufig für Mikrokokken und Bac-
terien gehalten wurden und dass die in neuerer Zeit wieder auf-
getauchte Behauptung, aus Gewebezellen höherer Organismen
könnten Spaltpilze hervorgeiien, auf einer Verwechslung dieser
mit Dermatosomen und analogen Gebilden des Protoplasma
beruhen. Ich habe Dermatosonienpräparate, welche entweder
bloss aus diesen oder aus diesen und stäbchenförmigen Körnchen-
gruppen bestanden, mehreren in Bacterienfragen wohlbewanderten
Personen mit der Frage vorgelegt, wofür sie diese Gebilde
halten und durchwegs die Antwort erhalten, dass dieselben von
Schizomycetenarten kleinster Art dem Aussehen nach nicht zu
unterscheiden wären. Ich führe dies nur au, um zu zeigen, wie
leicht bei einfacher Betrachtung eine Verwechslung der Dermato-
somen mit Bacterien möglich ist, und brauche wohl nicht hinzu-
zufügen, wie leicht es durch die vorgeschrittenen Züchtungs-
methoden geworden ist, sich vor Irrthtimern zu bewahren.
Unter.suehuuö'eu über d. Ore'auisation d. ve<i-etab. Zellhaut.
37
Ich möchte hier noch auf ein Verfahren aufmerksam machen,
durch welches es noch viel leichter als durch Kalilauge g-elingt,
die Baumwollenfasern in Dermatosomen zu zerlegen. Wird die
carbonisirte Baumwolle wochenlang der Einwirkung von Chlor-
wasser ausgesetzt und hierauf unter Mikroskop betrachtet, so
bietet sie kein anderes Bild dar als eine fast unverändert geblie-
bene Faser. Aber schon durch leisen Druck zeifällt sie in ge-
streift aussehende Bruchstücke , welche selbst bei schwacher
Quetschung mittelst des Deckgläschens in Fibrillen und schliess-
lich in Dermatosomen zerfallen (Fig. 1, D).
2. Leinenfaser. Weniger leicht erfolgt die Zerlegung der
'zerstäubten Leinenfaser in Dermatosomen. Die Fragmente dieser
so vorbehandelten Fasern erscheinen quer abgebrochen, sind
reichlich von Querlinieu und querverlaufenden Spalten durchsetzt,
der Länge nach infolge partieller Loslösung der sogenannten
Yerdickungsschichten gestreift und hin und wieder von sehr steil
ansteigenden Klüften durchzogen. Im Wasser quillt diese Faser
sehr wenig, durch Druck stellt sich eine reichliche Zerklüftung
und Zerfaserung der mittleren Partien der Zellwand ein,
während die äusseren Partien unverändert bleiben, gewissermassen
eine homogene Hüllschichte bildend, desgleichen die innerste
Fiff. 2.
B
a
1
1
1
m.
ü
Vergröss. GOO. Leinenfaser, ^zerstäubt und gequetscht: B zerstäubt und
mit Kali behandelt, a Dichte Ausseuschichte. i Innenhaut. 1 bis 4 Eichtuu-
gen der Sprungliuien.
ijb W i e s 11 e r,
Zellwaudscliichte (luuenhaut). Die zerklüftete I^avtie lässt vier
8chiclitimg.srichtnngeu erkeimcu: eine parallel zur Axe, die zweite
senkrecht liiezu, die dritte und vierte nach steil ansteigenden, sich
kreuzenden Schraubenlinien.
In der Regel sieht man au den einzelnen Fragmenten nur
zweierlei Streifen: entweder Längs- und Querstreifen oder sich
kreuzende schiefe Streifen.
In gewöhnlicher Salzsäure quillt die Faser auf, die Längs-
streifen treten deutlicher hervor, desgleichen die schrauhig ver-
laufenden Spalten. An den Stellen, wo die queren Spaltflächen
liegen, quillt die umliegende Wandpartie auf und erhält ein knoti-
ges Aussehen, wie es manchmal auch an der rohen, deutlicher
noch au stark gedreht gewesenen Leinenfasern zu selien ist. Auch
eine zarte, sehr steil verlaufende schrauhige Streifung wird
erkennbar.
Stärker quillt die carbonisirte Leinenfaser in Kalilauge auf,
die äussersten Wandpartien reissen, sich nach aussen concav
krümmend, von der Querbruchfläche aus auf. Die Innenhaut hebt
sich von der Umgebung ab und erscheint als ein hin- und herge-
wundener Schlauch. (Fig. 2Bi)^
Quetscht mau das Salzsäurepräparat, so gelingt der Zerfall
in Fibrillen und in Dermatosomen. Auch entsteht eine homogene
Masse, in welcher die Fibrillen und Körnchen liegen und die sich
durch Chlorzinkjod stärker als die beiden letzteren violett färbt.
Doch bleiben noch immer einzelne Faserfragmente ungelöst
zurück, welche den äusseren Wandpartien entsprechen.
Nur sehr unvollkommen lässt sich das Kalipräparat durch
Quetschung in Dermatosomen zerlegen.
Die reinsten Präparate gewinnt man, wenn man abwechselnd,
mit Salzsäure und Kali behandelt, jedesmal sorgtaltig auswäscht
und schliesslich erst die Quetschung vornimmt oder wenn man
2- bis 3mal carbonisirt und dann mit Kali behandelt.
1 Die scheinbare Verlängeruug der Inneiihaut iaruitteu der ge-
quollenen Bastfaser (Fig. 2 Bj^t) lehrt, dass diese an der bei der Quellung
der Faser sich einstellenden, von Höhnel zuerst genauer beschriebenen
und erklärten Verkürzung der Schichten nicht Antheil nimmt oder doch
nicht in dem Masse, wie die benachbarten Schichten. (Vergl. Höhne 1., bot
Zeit. 188-2 p. 5it5 ff.)
Untersuchuug-eu über d. Organisation d. vegetab. Zollliaut.
39
3. Jutefaser. Auch verholzte l)astfaserii lassen sich durch
Zerstäubung- und hierauf folgende Behandlung mit Salzsäure und
Kalilauge durch Druck in Dermatosomeu und homogenen Schleim
zerlegen, wie die mit Jute angestellten Versuche lehren.
Am besten ist es auch in diesem Falle, zuerst Salzsäure und
nach erfolgtem Auswaschen mittelst Wasser Kali einwirken zu
lassen.
Eine sehr bemerkenswerthe Besonderheit zeigt sich nach
Einwirkung von Kalilauge und hierauf folgender Quetschung. Die
bedeutend aufquellende, schon infolge der Carbonisirung stark der
Quere nach zerklüftete Faser zerfällt in Querscheiben, wie sich
solche durch Querschnitte nicht vollkommener herstellen lassen.
I Fig. 3C. ) Die äusserste Schichte dieser
Querscheiben erscheint grobgekörnt.
Schon die Grösse dieser Körnchen
macht es unwahrscheinlich, dass sie
Dermatosomen seien. Dieselben sind
zweifellos grössere Gruppen von Der-
matosomeu, denn sie zeifallen nach
weiterer Einwirkung von Eeagentien
und Druck thatsächlich in Körnchen,
welche mit den übrigen Dermato-
somen in Grösse, Form und Aussehen
übereinstimmen. Die inneren Partien
dieser Scheiben sind sehr deutlich
geschichtet. Dieser merkwürdige Zer-
fall der Jutefaser nach der Quetschung
in zarte Querplatten macht es wahr-
^ -r r . T- scheinlich, dass die Dermatosomen
Zerstaubte Jutefaser. ^ \ ergr. ' r^ • ^
200, mit zahlreichen Querlinien, «dieser Bastzellen m der Querrichtung
B und C. Vergr. 600. Nach bedeutend stärker als in der Längs-
Behandhiug mit Kali. C Durch richtung gebunden sind, eine Eigen-
Quetschung- entstandene Quer- thümlichkeit, welche, wenn auch
Scheiben, l Lumen der Zellen. • i , • i irr • „
,, ^.. , ,^. nicht m so ausgesprochener Weise
Ä Kornchen (C-rrnppen von o i
Dermatosomen), in welche die allen untersuchten Basttasern zu-
Mittellamellen zerfielen. kömmt.
40 W i e s u e r,
4. HoUuudcrniark lässt sich durch dasselbe Verfahren
wie die Jute in Dermatosomen und homogen erscheinenden
Schleim zerleg-en. Doch darf die "Wirkung- der Kalilauge nicht
zu lange andauern, da die ersteren bald stark quellen und sich
lösen. Ich habe die besten Resultate erzielt, wenn ich das zer-
stäubte Gewel)e zuerst durch einige (3 bis 5) Minute'ü mit Kali-
lauge behandelte, sodann mit Wasser auswusch, Salzsäure ein-
wirken Hess und nunmehr erst drückte.
5. Holz. Die Zerlegung der Tracheiden in Dermatosomen
erfordert noch mehr Sorgfalt als die der früher genannten Gewebs-
bestandtheile und gelingt nicht oder nur sehr unvollständig, wenn
die Einwirkung der hiezu erforderlichen Reagentieu (Kalilauge
und Salzsäure) zu kurz oder zu lang anwährte, indem im ersteren
Falle dieAufhebungderdie Dermatosomen vereinigenden Bindung
zu unvollständig ist, im letzteren Falle die Dermatosomen selbst
angegriffen und schliesslich gelöst w^erden.
Nach vielen mit Fichtenholz angestellten Versuciieu zu
schliessen, gelangt man noch am besten an's Ziel, wenn man das
Holz 2 bis 3 Mal carbonisirt und hierauf etwa 3 bis 4 Mal hinterein-
ander mit Kali (durch 1 Minute) und mit Salzsäure (durch 2 bis 3
Minuten) behandelt, l)evor es der Druckwirkung ausgesetzt wird.
Nach jeder Einwirkung des Reagens muss mit Wasser ausge-
waschen werden.
Ich möchte an dieser Stelle noch bemerken, dass die Zerle-
gung der Zell wand in Dermatosomen bei Anwendung homogener
Gewebe, z. B. Hollundermark, oder gleichartiger Zellen, z. B.
Baumwolle, Bastfasern, besser gelingt, als wenn Gewebe vorliegen,
welche aus verschiedenen Elementen bestehen, wie z. B. Holz.
Bei diesem kann es leicht geschehen, dass die Tracheiden schon
in Dermatosomen zerfallen, während Markstrahlen und Holz-
parenchym durch die vorgenommenen Proceduren noch nicht so
weit angegriffen sind, um sich in die genannten Elemente zerlegen
zu lassen. Geht aber die Wirkung der Reagentieu weiter, so
werden die Dermatosomen gelöst. Dies ist der Hauptgrund, wess-
halb derartige Gewebe nur selten so klare Dermatosomenpräparate
liefern als gleichartiiie Zellen.
Uütersiichimgen über d. OrgauisHtiun d. vegetab. Zellhaut. 41
c) Zerleg-nug- der Zellwände in Dermatosomen ohne
Anwendung" der Zerstäubung-.
Ich habe diese eben mitgetheilten Versiichsergebuisse in
den Vordergrund gestellt^ weil in denselben die zwischen den
Dermatosomen befindlichen Bindungen der Reihe nach durch ver-
schiedene Proceduren aufgehoben werden.
Es gelingt aber in den meisten Fällen, selbst in jenen, in
welchen sich die Zerstäubungsmethode ganz unwirksam erweist,
eine Zerlegung der Wand in Dermatosomen durch ein und das-
selbe Reagens zuwegezubringen.
Solclie Reagentien sind Chromsäure ' und Chlorwasser.
Beide lösen schliesslich jede vegetabilische Zellwand bis auf
gewisse Mineralbestandtheile (Kieselsäure etc.) vollständig auf,
die erstere nach kürzerer, das letztere nach längerer Zeit. Es ist
aber auch lange bekannt, dass diese beiden Reagentien die
Bestandtheile der vegetabilischen Zellwand in verschiedenem
Grade angreifen und einen nach den anderen in gelöste Prodiicte
überführen. Darauf beruht ja unter Anderem der Zerfall der
Gewebe in Zellen, ferner die Reindarstellung der Cellulose aus
Geweben durch diese Reagentien , indem dieser Stoff der
üxydirenden Wirkung der Chromsäure und des Chlors mehr
Widerstand leistet als die übrigen Zellhautbestandtheile.
1 Ich wende die Chromsäure seit lauger Zeit au uud habe über die-
selbe als mikrochemisches Reagens zuerst im Jahre 1864 (Unters, über die
Zerstörung der Hölzer an der Atmosphäre. Sitzb. der kais. Ak. der Wiss.,
Bd. 49) berichtet. Es ist aber nicht chemischreiue, sondern mit Schwefel-
säure (oder einer anderen I\lineralsäure, welche mit Chromoxyd lösliche
Salze bildet) versetzte Chromsäure, welche (behufs Hervorrufung von
Schichtung der Zellmembranen und Stärkekörnchen, Isolirung der Zellen
eines Gewebes etc.) so treffliche Dienste leistet (Vergl. hierüber Wiesner,
techn. Mikroskojoie, 1S<37, pag. 38), also dasselbe Reagens, welches jüngst-
hin Leitgeb (Bau und Entwicklung der Sporenhäute, Graz, 1881) als
„Chromschwefelsäure" mit so gutem Erfolge angewendet hat. Am
zuletzt ang3zeigten Orte sagte ich bezüglich der Darstellung dieses Reagens:
,.Reine Chromsäure bringt die zu erzielenden Veränderungen nicht hervor,
wohl aber ein Gemisch von Chromsäure und Schwefelsäure, das man am
einfachsten durch Mischen von doppeltchromsaurem Kali mit überschüssig
zugesetzter Schwefelsäure erhält." Genaueres über die Methode der Dar-
stellung a. a. 0.
42 W i e s u e r ,
Gerade dieser Umstand veranlasste mich, diese beiden
Reag'entien zu dem genannten Zwecke anzuwenden.
Die Cliromsäure ist im Ganzen wegen ihrer raschen und
intensiven Wirkung zu den Zerlegungsversuchen weniger
geeignet als das Chlorwasser, dennoch insoferne wieder brauch-
bar, weil sie eine Reihe von Erscheinimgeu, welche auf Auf-
hebung der in der Zell wand vorhandenen Bindungen der Derma-
tosomen beruhen, rasch und übersichtlich vor Augen führt.
Anfangs wirkt die Chromsäure so wie die Zerstäubung, was
besonders an Bastzellen und Tracheiden sehr schön zu sehen ist.
Dass diese Zellen durch das Zerstäubungsverfahren der Quere
nach zerklüftet werden, was sich häufig zunächst in einer überaus
reichlich auftretenden Querstreifung zu erkennen gibt, ist früher
auseinandergesetzt worden. Eine gleiche Veränderung ruft auch
die Chromsäure hervor. Es wird wohl auch Jedem, welcher durch
Chroiusäure Bastbündel oder Holz in die Elemente zerlegt hat,
aufgefallen sein, wie leicht die aus dem Verbände tretenden
Fasern der Quere nach brechen, gewissermassen von selbst.
Die spätere Wirkung der Chromsäure entspricht der oben
charakterisirten Wirkung der Salzsäure und des Kali. Es spricht
sich dies bei Bastzellen und Tracheiden in einer schraubigen
Streifung und später schraubigen Zerklüftung der Wand aus. In
diesem Zustande lässt sich die Faser durch Druck in Dermato-
someu zerlegen, einige Minuten später zerfliesst aber dieselbe.
Das Chlor w a SS er muss wochenlang einwirken, um eine
Zerlegung der Zellen durch Druck in Dermatosomen möglich
zu machen. Aber noch bevor die Wirkung des Chlorwassers so
weit fortgeschritten ist, kann man durch Kalilauge und Druck
die Zellhaut in Dermatosomen zerlegen.
Das Chlorwasser wirkt also successive in derselben Weise
auf die Zellwand ein, wie hintereinander Zerstäubung, Salzsäure
und Kali, ja, wie wir gleich sehen werden, es lassen sich selbst
aus den Zellwänden mancher Gewebe, welchen gegenüber die
Zerstäubungsmethode wirkungslos ist, durch Chlorwasser die
genannten Hautkörperchen isoliren.
Ist diese Chlorungsmethode auch langwierig, so gibt es
doch bei genauer Beobachtung der in den Zellwänden vor sich
gehenden Veränderungen kein Verfahren, welches, soweit meine
Uutersiicliung-eu über cl. Orgauisatiou d. vegetab. Zellhaut. 43
bisherigen Erfahrimgen reichen, die Zusammensetzung: der Zell-
haut aus Dermatüsomen deutlicher machen würde als dieses.
Aus meinen zahlreichen diesbezüglichen Beobachtungen
wähle ich hier nur die instructivsten heraus, zunächst diejenigen,
welche sich auf Zellwände beziehen, die durch das Zerstäubungs-
verfahren auf den Zerfall in Dermatosomen vorbereitet werden
können, bemerke aber, dass die betreffenden Zellen oder Gewebe
ohne vorhergehende Zerstäubung der Wirkung des Chlors unter-
worfen wurden.
Hauffaser wurde in nahezu gesättigtes Chlorwasser ein-
gelegt und von Zeit zu Zeit, wenn die Intensität des Geruches
der Flüssigkeit stark abgenommen hatte, mit frischem Reagens
behandelt. Nach einigen Tagen waren die Bastzellen isolirt, der
Quere nach reichlich gestreift, desgleichen der Länge nach, aber
nicht so reichlich. Später zeigte sich die Zell wand in den
äussersten Schichten vollkommen erhalten, im Innern erschien
die lunenhaut scharf abgegrenzt, und zwischen diesen beiden
dicht und gänzlich homogen erscheinenden Membranschichten
zeigte sich eine gleichartige, flüssige oder gelatinöse, von einem
zarten Netzwerke durchzogene Masse. Bei weiterer Einwirkung
des Reagens verschwand das Netzwerk. Behandelt man nun-
mehr mit Clilorziukjodlösung , so wird die Zwischenmasse
intensiv, die dichte Hülle und die Inneuhaut nur schwach violett
gefärbt. Später löst sich die erstere auf, desgleichen die Zwischen-
masse, und man findet von den Bastzellen nichts anderes als die
Innenhänte, welche anfänglich durch Chlorzinkjodlösung noch
violett werden, dann ein feinkörniges Gefüge annehmen, in diesem
Zustande aber durch Chlorzinkjod nicht mehr violett zu färben
sind und schliesslich im Chlorwasser sich auflösen.
Solange noch feste Theile in der Zellhaut erkennbar sind,
lassen sich dieselben durchDruck in Dermatosomen zerlegen, auch
das früher genannte feine Netzwerk. Man muss aber darauf
achten, dass das Chlorwasser nicht zu lange einwirkt, weil sonst
die ausserordentlich zart gewordenen Membranschichten durch
Druck nur mehr eine homogene Masse liefern, in welcher nur
noch die Dermatosomen der äussersten und innersten Zellwand-
schichte zu sehen sind, die der übrigen Zellhauttheile aber so
weit aufquollen und wahrscheinlich auch chemisch verändert
44 Wie SU er,
wurden, das.s sie durch Druck zu einer homogenen oder nur sehr
undeutlichen körnigen Masse werden.
Die relativ leichte Zerstörung- der mittleren Ver-
dickungsschichten durch das Chlor lässt annehmen,
dass die äussersten und innersten Zellwandschichten
dichter als die mittleren gefügt sind, mit anderen
Worten, dass dort die Dermatosomen dichter neben einander-
stehen als hier. Das Netzgerüst, welches an Stelle der mittleren
Verdickungsschichten erscheint, deutet wohl auf eine netzförmig
fibrilläre Structur innerhalb der Wand und auf einen verschie-
den dichten Bau der (mittleren) Verdickungsniasse, in dem Sinne,
dass die dem Netzwerke entsprechenden Zellhautparfien eine
dichtere Fügung besitzen als die benachbarten Hautantheile.
Die Leinenfaser bietet im Ganzen die gleichen Verhält-
nisse dar. Die Jutefaser lässt wegen der ungleichmässigen
Verdickung der Zellwaud die Innenhaut besonders deutlieh
hervortreten. Ein Netzwerk konnte an den Jutebastzellen, wahr-
scheinlich infolge ausserordentlicher Zartheit der Theile, nicht
beobachtet werden. Ich möchte nur noch bezüglich dieser Zellen
bemerken, dass sie bei anfänglicher Wirkung des Reagens eine
reichliche Querstreifung zu erkennen geben.
Fichtenholz wird in Chlorwasser schon nach einigen
Minuten bräunlich, nach 24 Stunden tiefbraun; nach 3 — K) Tagen
entfärbt es sich wieder, so dass es sich ähnlich verhält, wie an
der Atmosphäre, wo es von Zeit zu Zeit durchnässt und der fort-
währenden Wirkung des Sauerstoffes ausgesetzt, auch dunkel-
braun wird und sich wieder entfärbt, um schliesslich gebleicht
zu werden (Erscheinung der „Vergrauung*'). Wäscht man die
durch das Chlor entfärbten Gewebestüeke aus, so findet man,
dass die Zellwände die Holzstoifreaction nicht mehr zu erkennen
geben, aber noch im gegenseitigen Verbände stehen. Auf Zusatz
von Kalilauge zerfällt unter starker Braunfärbung der Flüssigkeit
das Gewebe in Zellen.
Lässt man das Chlorwasser wochenlange einwirken, so
gehen die Zellen aus dem Verbände und es bleiben schliesslich
nur die Innenhäute der Zellen zurück, welche dem Chlor einen
1 Wies n er, Zerstöriiug der Hölzer au der Atmosphäre, I. c. p. ,5 ff.
Untersuchungen über d. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 45
grossen Widerstand entgegensetzen, aber schliesslich doch der
AVirkung des Eeageiis verfallen. Auf das Verhalten der Innenhaut
der Holzmarkstrahlen Zellen komme ich weiter unten noch zurück.
Zur Zeit der Isolirung der Tracheiden brechen diese der
Quere nach sehr leicht, zeigen eine deutliche schraubige Streifung,
durch Druck zerfallen sie in Dermatosomen und homogene
Grundmasse.
fTäufig beobachtete ich an Tracheiden, welche lange Zeit
der Einwirkung des Chlorwassers ausgesetzt waren, dass —
ähnlich wie bei den Bastzellen des Hanfes und des Flachses —
die äusserste und innerste Schichte noch im Zusammenhange
blieben, dazwischen eine weiche Masse sichtbar wurde, welche
von einem zarten Fibrillennetze durchzogen war.
Hollundermark wird durch Chlorwasser gleichfalls
gebräunt, später entfärbt, auf Zusatz von Kalilauge gebräunt,
wobei die braune Substanz in Lösung geht und in ähnlicher
Weise scheinen sich alle verholzten Gewebe zu verhalten.
Nach der Entfärbung bildet das Gewebe noch ein zusammen-
hängendes Ganze, zeigt aber nicht mehr dieHolzstoffreaction. Auf
Kalizusatz gehen alle Zellen augenblicklich aus dem
Verbände.
Die Isolirung der Zellen erfolgt aber auch durch Chlorwasser
allein, wozu meist eine mehrere Wochen andauernde Einwirkung
erforderlich ist. Aber selbst in diesem Zustande bestehen die
Zellwände noch nicht aus reiner Cellulose, indem sie durch Kali
goldgelb gefärbt werden.
Isolirt zerfallen sie durch Druck in überaus feine Körnehen,
Gelingt die Zerlegung der Wand in Körnchen noch nicht, so
muss Kali zugesetzt und der Druck wiederholt werden, oder aber
mau muss das Chlorwasser noch weiter einwirken lassen.
Korkgewebe. (Versuche mit gewöhnlichem Flaschenkork.)
Es ist schon erwähnt worden, dass das Zerstäubungs verfahren
diesem Gewebe gegenüber sich wirkungslos erweist. Selbst nach
einjähriger Einwirkung oftmals erneuerter einprocentiger Salz-
säure bleiben die Peridermzellen im dichtesten Verbände und ist
die Carbonisirung wirkungslos.
Legt man Korkgewebe in Chlorwasser ein, so sieht man,
dass alsbald die Sklerenchymelemente entfärbt werden und als-
46 Wiesuor,
bald aus dem Zusammenbang-e treten. Viel später — uaeb zwei
bis drei Wocben — zeigen die Peridermzellen eine belle Färbung,
werden weiss, bangen aber nocb innig zusammen. Auf Zusatz
von Kalilauge tritt aucb bier. wie bei Hollundermark und
Holzgewebe ein augenblicklicher Zerfall des Gewebes
in seine zelligen Elemente ein.
Nach monatelanger Einwirkung von Cblorwasser isolivt
dieses scbliesslicb alle Elemente. In dieser Zeit ist von den
Sklerencbymzellen (Steinzellen) nicbts als die Innenbaut übrig
geblieben, in Form eines zierlicben festausgespannten Sackes,
der mit feinen stacbelförmigen Aussackungen besetzt ist.
Die isolirten Korkzellen können äbnlich den Hollundermark-
zellen diircb Druck in Dermatosomen zerlegt werden, entweder
sofort, wenn nämlicb die Wirkung des Chlors genügend fort-
geschritten ist, oder unter Mitwirkung von Kalilauge, in jedem
Falle aber nach vorausgegangenem Drucke.
Pilzgewebe. Dass auch die Membranen der Pilzbyphen
dem Zerstäubungsverfahren Widerstand leisten, ist bereits
erwähnt worden. Ein Gleiches gilt für die Flecbtenbyphen, also
für den Pilzantheil des Flechtenthallus, nach Beobachtungen,
welche Herr Dr. Forseil im pflanzenphysiologischen Institute
anstellte.
Der Einwirkung des Chlors, als Chlorwasser angewendet,
leisten die Pilzbyphen einen Widerstand, der nach meinen
Erfahrungen unter den Pflanzengeweben nicht seinesgleichen
bat. Nach monatelauger Behandlung mit Chlorwasser wird das
Hyphengewebe des Frnchtkörpers von Polyporns fomentarms nur
wenig angegriffen, wenn das Gewebe des Bastes (von Flachs,
Hanf etc.) des Holzes (Fichte etc.), wenn Parenchym- und
Sklerenchymgewebe der verschiedensten Art durch das Reagens
vollkommen gelöst worden sind. Von dem genannten Gewebe
findet sich nach monatelanger Einwirkung des Cblorwassers eine
voluminöse Schleinimasse vor, welche aus massig gequollenen,
sonst aber wenig verändert erscheinenden Hyphen zusammen-
gesetzt ist, in welchen die Innenhäute mit ausserordentlicher
Schärfe hervortreten. ' Die über der Schleimmasse stehende trübe
1 Bekuuntlich ist die Verdickung der Hyphen des Pohiporus fomen-
tariiis eine so starke, dass das Lumen der unveränderten Zellen stellen-
Untersuchuiigeu ülier d. Organisation d. ve.i^etab. Zellhaiit. 47
Flüssigkeit enthält aber Reste des Pilzgewebes: feine Körnchen
lind mehr minder lange Stücke der Innenhaut. Mau wäre geneigt,
die ersteren fürDermatosomenzu halten, sie sind aberZerfällungs-
producte der Inneuhaut, wie ich später noch genauer darlegen
werde.
Die Pilzzellwand lässt direct die Cellulosereactionen gegen
Jodpräparate und Kapferoxydammoniak nicht erkennen uud mau
glaubte lauge, dass iu der Pilzzellwand diese Reactionen gar
nicht hervorzurufen sind, woraus mau auf die Gegenwart einer
besonderen Modification der Cellulose (Pilzcellulose) schloss. Es
ist aber in meinem Labor.itorium von Karl Richter gezeigt
worden, dass durch länger andauernde Behandlung mit Kali-
lösung sich Substanzen aus den Pilzzellwänden extrahiren lassen,
welche die Cellulosereactiouen verhindern, indem nach dieser
Vorbehandlung die Pilzzellwand ebenso durch Chlorziukjod
violett gefärbt uud durch Kupferoxydammouiak in Lösung über-
geführt wird, wie etwa eine Holzzellwand, nachdem man durch
passende Reagentien das Lignin beseitigt hat.
Lässt man das Pilzgewebe durch 2 — 3 Wochen im Clilor-
wasser liegen, so werden die Hyphen durch Chlorziukjod violett,
durch Kali, ähnlich wie viele andere gechlorte Gewebe (Hollunder-
mark, Holz, Kork) gebräunt. In diesem Stadium der Einwirkung
des Chlors auf die Pilzzellwand nimmt dieselbe auf Zusatz von
Salzsäure oder Chromsäure deutliche, oft überaus scharf hervor-
tretende Schiclitung an. Eine Zerlegung in Dermatosomen ist
weder durch Salzsäure, noch durch Kali, auch nicht durch
abwechselnde Einwirkung beider dieser Reagentien hervor-
zubringen.
Lässt man das Chlorwasser noch länger einwirken, so ver-
liert die Hyphe nach und nach das Vermögen, durch Ciilorzinkjod
violett gefärbt zu werden. Salzsäure ruft dann noch undeutliche
Schichtung, sonst aber keine sichtliche Veränderung hervor.
Hingegen werden die Hypheu in diesem Stadium der
weise nicht zu erkennen ist und die Zelle an diesen Orten solid erscheint.
(Vgl. de Bary, Morphologie undBiologie derPilze, Leipzig 1884, pag. 13.)
Nach der Behandlung mit Clilorwasser sieht man aber die Innenhaut als
ununterbrochenen Schlauch durch die Zelle ziehen, woraus sich also ergibt,
dass die Hyphen an keiner Stelle factisch solid sind.
48 W i e s n e r ,
Einwirkuni;' des ('hlorwassers durch Kalilauge bis auf
die Innenhau i fast aug-enblicklich aufgelöst, diese zer-
fällt in zahllose Qnerstücke, welche den Eindruck von Der-
matosomen machen. In gleicher Weise wirkt (englische) Schwefel-
säure. Die gechlorten Fasern lassen aber auch auf dieser Stufe
weder direct, noch nach Einwirkung der verschiedensten Reagen-
tien und darauffolgendem Drucke Dermatosomen erkennen, sondern
die ganze Masse verwandelt sich, von der Innenhaut abgesehen, in
einen homogen erscheinenden Schleim. Nachdem die Pilzzellwand,
analog den Zellhäuten der anderen Pflanzengewebe gebaut anzu-
nehmen ist, diese aber, soweit meine Erfahrungen reichen, sich
stets in Dermatosomen zerlegen lassen, die freilich oft an der
Grenze der mikroskopischen Wahrnehmung liegen, so erscheint
die Vermuthung berechtigt, dass auch die Pilzzellwand aus
Dermatosomen bestehe, welche sich aber ihrer Kleinheit wegen
der directen Beobachtung entziehen.
Die früher genannten Querstücke, in welche die Innenhäute
der Hyphen zerfallen, sind trotz ihrer Kleinheit nicht als Derma-
tosomen aufzufassen, haben die Gestalt von kurzen Hohlcylindern
und möchten wohl als Gruppen von Dermatosomen aufzufassen
sein, welche untereinander fester gebunden sind als mit Nach-
bargruppen und die sich desshalb von einander loslösten.
Analoge mit den Hyphen des Frnchtkörpers von Daedalea
quercina augestellte Versuche gaben im Wesentlichen die-
selben Resultate; auch hier konnten Dermatosomen nicht nach-
gewiesen werden.
Es liessen sich also, abgesehen von den Pilzgeweben, die
Wände alier übrigen untersuchten Gewebe in Dermatosomen zer-
legen. Dieselben treten aber nur dann in Erscheinung, wenn sie
aus dem gegenseitigen Verbände gelöst sind. Die Loslösung
geschah erstlich durch chemische Eingriffe, sodann durch
mechanische Trennung. Dass selbst die gechlorten Zellwände, in
welchen die Aufhebung der Bindungen sehr langsam erfolgt,
einem — wenngleich nur schwachen — Drucke unterworfen
werden müssen, damit die Dermatosomen frei werden, hat
wohl seinen Grund darin, dass die Substanz , welche diese
Hautkörperchen bindet, schliesslich in den LiJslichkeitsverhält-
nissen mit derDermatosomsubstanz selbst übereinstimmt und dann
Untersuchungen über d. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 49
wohl nichts Anderes als gereinig-te Cellulose ist. Wirken Chlor-
wasser oder Chromsäiire, oder nach vorhergeg-angener Zerstäu-
bung, Salzsäure und Kali weiter ein, so werden die Bindesub-
stanzen aufgelöst und gleichzeitig die Dermatosomen selbst an-
gegriffen.
II. Aussenhaut (Mittellamelle) und Innenhaut der Zellwand.
Die älteren Anatomen unterschieden als Bestandtheile der
Zell wand ausser den sogenannten Verdickungsschichten (secun-
dären Schichten) noch eine äussere und eine innere homogene Zell-
schichte, die primäre und die tertiäre Zellhaut. Unter letzterer
verstand man wohl auch Verdickungsschichten, welche in der
Ausbildungsweise mit den secundären Schichten nicht überein-
stimmten. Die homogen erscheinende innerste Zellwandschichte,
und nur um diese handelt es sich hier, ist zuerst genauer von
Schach t* untersucht und als „Innenhäutclien'' bezeichnet worden.
Die primäre Zellwand wurde später unter verschiedeneu
Titeln, am häufigsten als Mittellamelle, beschrieben und ist so
ziemlich allgemein als ein nie fehlender Bestandtheil von im
Gewebeverbande befindlichen Pflanzenzellen aufgefasst worden,
während das Innenhäutchen fast der Vergessenheit anheimfiel,
hauptsächlich wohl deshalb, weil es früher als wesentliche Stütze
der Appositionstheorie herangezogen wurde.
Ich habe vor mehr als zwei Decennien eine einfache
Methode zur Freilegung der Inuenhaut angegeben und seither
deren Existenz stets betont^, was später auch durch in meinem
Laboratorium ausgeführte Arbeiten geschehen ist, so durch
Mikosch, und besonders durch Pfurtscheller ^ , welcher
auf meine Anregung diesen Zellwandbestandtheil genauer
studirte und die Methode zur Isoliruug desselben wesentlich ver-
vollkommnete.
1 Schacht, Lehrbuch der Anatomie und Physiologie der Gewächse, I.
pag. 30, ff.
- Vergl. hauptsächlich meine „technische Mikroskopie", pag. 53 (da-
selbst eine Abbildung einer durch Chromsäure Ireigelegten Innenhaut),
ferner pag. 108, 110 etc. Sodann: Wiesner, Elemente der Anatomie und
Physiologie der Pflanzen.
3 Über die Innenhaut d. Pflanzenzelle. Gymnasialprogramm, Wien, 1883.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. 4
50 W i e s n e r .
Im Übrigen ist von der Existenz der Inoenhaut wenig Notiz
genommen worden, doch, wie ich glaube, mit Unrecht; denn sie
bildet einen nicht minder scharf ausgeprägten Theil der Zellhaut
wie die Mittellamelle und dürfte wohl auch in Betreff der Ver-
breitung in den Geweben dieser kaum nachstehen.
Aussenhaut (Mittellamelle) ^ Ich will bezüglich dieses
Zell wand bestandtheiles bloss die oft ventilirte Frage erörtern,
ob diese Haut einfach oder doppelt ist. Nach der herrschenden
Lehre ist ersteres der Fall; sie wird als eine einfache, homogene,
zwei benachbarten Zellen gemeinschaftliche Schichte angesehen.
Gelegentlich einer Erörterung dieser Frage stim.mte ich der
genannten Auffassung nicht unbedingt zu^, brachte vielmehr
einige Gründe vor, welche für die zweite Alternative sprechen.
Nach Dippei's Auffassung^ besteht die Mittellamelle der Autoren
aus drei Lamellen. In Jenen Fällen, in denen die gemeinschaft-
liche Grenzwand in drei Schichten sich differenzirt, ist aber
selbstverständlich bloss die mittlere homogene Schichte als
Mittellamelle aufzufassen.
Was ich früher nur als Möglichkeit zugal), spreche ich jetzt
als Behauptung aus, dass nämlich die gemeinschaftliche
Aussenhaut aus zwei Schichten besteht, von denen
je eine einer besonderen Zelle angehört. Ich schliesse
dies aus folgenden Thatsachen. Wenn die Zellwände durch Druck
vom Innern der Zelle her gedehnt werden, so spaltet sich die
Mittellamelle mitten durch und ohne Verletzung in ihre natür-
lichen Hälften. Es geschieht dies beispielsweise, wenn das
Parenchymgewebe der Kartoffel gekocht wird; die innerhalb der
1 Der Ausdruck ,, Aussenhaut'- scheint mir passender gewählt als der
übliche Name, was ich schon früher motivirte (Elemente der Anatomie und
Physiologie der Pflanzen. 2. Aufl., pag. 288). Der von mir vorgeschlagene
Ausdruck fügt sich auch besser in die Terminologie der Zellhaut ein, lässt
sich auf das an frei auftretenden Zellen vorkommende Analogen der Mittel-
lamelle anwenden und scheint auch desshalb den Vorzug zu verdienen, da
meine Untersuchungen lehren, dass die sogenannte Mittellamelle thatsäch-
li,ch aus zwei getrennten Theilen besteJit und mithin jede im Gewebe-
Aerbande stehende Zelle ihre eigene Aussenhaut besitzt.
- Elemente der Anatomie und Phys. <l. Pflanzen, 1. Aufl., pag. 259,
2. Aufl., pag. 281».
3 Verhandlungen der 8 e n k e n h e r g'schen Gesellschaft, Bd. XI,
pag. 148.
Uutersuchuuii-en über d. Orgauisatiou d. vegetab. Zellhaiit. 51
geschlossenen Zellwand mächtig aufquellende Stärke dehnt
die Wand und spaltet die Mittellamelleu in ihre natürlichen
Hälften. Kocht man dünne Schnitte der Kartoffel, welche nur
aus durchschnittenen Zeilen bestehen, tagelang, so tritt keine
Trennung der Zellen ein, woraus ersichtlich ist, dass die
Isolirung der Parenchymelemente nicht eben auf einer Auflösung
der gemeinsamen Grenzschichte, sondern auf einer einfachen
Spaltung beruht, was zuerst Solla in einer im hiesigen
pflanzenphysiologischen Institute ausgeführten Arbeit zeigte. ^
Die Meristemzellen des Vegetationskegels schliessen dicht anein-
ander, aber wie die Turgescenz der Zellen sich steigert, erfolgt
schon eine partielle Spaltung der Mittellamellen, nämlich die
Bildung der lutercellularen. Aus diesen Thatsachen geht
aber hervor, dass die Dermatosomen innerhalb einer
Zellwand fester gebunden sind als zwischen benach-
barten Zellen. Unter dieser „Bindung" verstehe ich selbst-
verständlich eine mechanische Vereinigung der Dermato-
somen. Ich werde später genauer meine Vorstellung über diese
mechanische Bindung ausdrücken.
Meine Versuche haben aber auch gelehrt, dass chemische
Mittel viel leichter die Verbindung zwischen benach-
barten Zellhäuten lösen als den Zusammenhang der
Theilchen innerhalb einer Zellwand. Es muss ange-
nommen werden, dass jene Theilchen, welche die Dermatosomen
benachbarter Zellen verbinden, sich in gewisser Beziehung
chemisch von jenen unterscheiden, welche die Dermatosomen
einer und derselben Zellhaut zusammensetzen. Der Unterschied
mag vielleicht bloss ein quantitativer sein. Dass aber ein solcher
besteht, geht aus folgenden Thatsachen hervor.
Wenn Hollundermark in Chlorwasser eingelegt wird, so
bräunt sich das Gewebe, später entfärbt es sich wieder und bald
darauf ist die Holzsnbstanz aus den Zellhäuten verschwunden.
Dennoch hält das Gewebe innig zusammen. Wird nun zu dem
Gewebe Kalilauge hinzugefügt, so treten die Zellen augenblick-
lich aus dem Verbände, wobei ein Körper in Lösung geht, welcher
der Flüssigkeit eine braune Farbe ertheilt. Dass die hier erfolgte
Aufhebung der Bindung, welche die Häute der benachbarten
1 Österr. bot. Zeitschrift, 1879, Xr. 11.
0^ W i e s n e r,
Zellen zusammenhielt, nicht ein einfacher mechanischer Vorgang*
wie in dem früheren, die Kartoffel betreffenden Falle ist, leuchtet
ein, und es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass eine chemische
Veränderung jener Hauttheilchen, welche die Dermatosomen
benachbarter Zellen vereinigte, die Trennung der Zellen herbei-
führte.
Man hat bisher an der Vorstellung festgehalten, dass die
jugendlichen Zellwände (z. B. die Häute der Meristemzellen)
homogen seien, und dass sich erst später die Schichten differen-
ziren, wobei an der äussern Grenze der Zellwände eine chemische
Metamorphose eintrete, welche es möglich machen solle, dass durch
chemische Mittel eine Loslösung benachbarter Zellen sich einstelle.
Ich habe mich aber davon überzeugt, dass eine Spaltung
der Zellwaud durch Lösung einer inmitten der Mittellamelle
gelegenen, im Mikroskope direct nicht nachweislichen Partie, selbst
in jenen frühen Entwicklimgsstadien der Zellwand ausführbar
ist, in welchem dieselbe sich als eine geschlossene, zwei Zellen
abgrenzende, homogen erscheinende Haut zu erkennen gibt.
Wenn ich Vegetationsspitzen von Keimpflanzen {Phaseolus mnlti-
florns, Pismn sativum, Mais etc.) oder Lanbsprossen {Solanum
tuberosiim, Myrtus communis etc.) in concentrirter Salzsäure ein-
lege, so treten die Zellen schon nach wenigen Minuten aus dem
Verbände. Später erst trennen sich die Jungparenchymzellen^
viel später, in manchen Fällen gar erst nach wochen- und
monatelanger Einwirkung die vollkommen ausgebildeten, aus den
Meristemzellen hervorgegangenen Zellen, woraus sich also ergibt,
dass in früheren Entwicklungsstadien die Bindung der Elemente
untereinander auch rücksichtlich der Resistenz der diese Bindung-
bewirkenden Substanzen gegenüber lösenden Mitteln eine weniger
feste ist, als in jener Zeit, in welcher sie auf der Höhe ihrer Ent-
wicklung angelangt sind *, dass die Zusammensetzung der Mittel-
lamelle aus zwei Häuten sich schon im Meristemzustande der
1 Dass die Zellen vieler Gewebe nach Beendigung' des Wachsthiiras
durch chemische Uniwandhmgen der äussersteu Hautpartie sich von ein-
ander loslösen, ist hinlänglich bekannt und widerspricht den oben mit-
getheilten Thatsachen gar nicht, lehrt übrigens gleichfalls, dass die Bindung
der Dermatosomen innerhalb einer Zellwand eine innigere ist als die jener
Hautkörperchen, welche die Grenzen zweier benachbarter Zellen bilden.
Untersuchuugeu über d. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 53
betreffenden Zellen nachweisen lässt und dass es ein Irrthnm ist
wenn man glaubt, die Fälligkeit der Zellen, sich durch chemische,
Mittel zu trennen, erfolgt erst in späteren Wachsthumsstadien,
infolge einer chemischen Metamorphose innerhalb der Mittel-
lamelle. Dass die erste, noch protoplasmatische Anlage einer
Scheidewand als einfaches Häutchen zu betrachten ist, soll nicht
in Abrede gestellt werden und widerspricht nicht meiner Auf-
fassung, dass die Mittellamelle aus zwei Schichten besteht.
Innenhaut. Die Methode, durch welche es mir zuerst
gelang, die Innenhaut zu isoliren (Markstrahlen von Nadel- und
Laubhölzern), bestand in der Einwirkung von Chromsäure auf die
Gewebe. Durch Anwendung von Kupferoxydammoniak konnte
ich die Innenhäute unverholzter Bastzellen (Flachs, Hanf etc.)
biossiegen. ^ Schacht^ und später Kabsch^ hielten die Innen-
haut für eine aus reiner Cellulose bestehende Zellwandschicht,
Aber schon Sanio* wies nach, dass das chemische Verhalten
der Zellhaut dieser Annahme nicht günstig ist und ich habe durch
zahlreiche Versuche nicht nur die Angabe Sanio's bestätigt
gefunden, sondern konnte auch für bestimmte Fälle den Beweis
erbringen, dass die Innenhaut mit Eiweissk(3rpern imprägnirt ist. '
Später hat Pf ur tscheller (1, c.) gezeigt, dass man in
vielen Fällen durch concentrirte Schwefelsäure die Innenhaut
noch viel schöner als durch Chromsäure von den übrigen Zell-
waudbestandtheilen befreien kann. Dies gilt für die Markstrahlen
der von ihm untersuchten Baumarten (Fagus, Pyrus, Acer, Ulmus),
ferner für Sklerenchymzellen (Samenschale von Cocos nncifera).
Dass man durch Anwendung von Chlorwasser die Innenhäute
gleichfalls isoliren kann, darüber habe ich in einem früheren Ab-
schnitte mehrfache Belege gebracht, und ich möchte hinzufügen,
dass sich die so gewonnenen Innenhäute sowohl zum Studium
des chemischen als morphologischen Verhaltens dieser Membran-
schichte am meisten eignen.
1 Wiesner, Techn. Mikroskopie, Wien 1867, pag. 109 u. 111.
- Anatomie und Physiologie der Gewächse, pag. 30.
•^ Pringsheim's Jahrb. f. wiss. Bot.. Bd. III, pag. .383.
i Bot. Zeitung, 1860. pag. 201.
■' Wiesuer. Zerstörung der Hölzer an der Atmosphäre, 1. c, pag. 16
lind 17.
54 W i e s n e r .
Es ist von Russow' uamentlich gegen Pfiirtscheller's
Angaben gesagt worden, die als „Innenbäute" bescbviebenen
Membrantheile wären nicbts anderes als der eingetrocknete
Primordialscblauch der betreifenden Zellen. Wäre diese Auf-
fassung riebtig, so könnte die Innenhaut keine Cellulosereaction
geben. Wenn man aber Innenbäute aus Markstrablen (z. B.
Ficbte) Bastzellen (Jute, Hanf etc.) durcb Cblorwasser isolirt und
dann auf 12—48 Stunden in Chlorzinkjodlösung einlegt, so erhält
man sehr deutliche Violettfärbung. Dabei ist aber zu beachten,
dass die Innenhäute dem Cblorwasser gegenüber sich ähnlich
wie Pilzzellwände verhalten, welche nach längerem Liegen in
diesem Reagens die Cellulosereactionen (gegen Jodpräparate)
annehmen, nach einiger Zeit aber, nämlich nach noch länger
anwährender Einwirkung des Chlors diese Fähigkeit einbUssen,
offenbar, weil die lange der Wirkung des Chlors widerstehende
Cellulose der Innenhaut schliesslich doch durch dasselbe zer-
stört wird, aber in einer Zeit, in welcher andere an der
Zusammensetzung der Inneuhaut Antheil nehmende Körper
diesem Reagens noch Widerstand leisten.
Auch die Innenhaut der Pilzhyphen (Polyporus] siehe oben
pag. 46) versuchte ich auf Cellulose mikrochemisch zu prüfen,
allein, trotz vielfacher Versuche, bisher vergebens.
Hingegen konnte ich in allen von mir untersuchten lunen-
häuten die Gegenwart von Eiweisskörpern constatiren.
Ich rechne die luuenhaut in jedem Falle zur Zellwand, auch
wenn sich in derselben Cellulose nicht nachweisen lässt. Sie
bildet eben eine Zellwandschichte, in welcher Protoplasma am
reichlichsten vorkommt und am längsten sich erhält, so dass die
lunenhaut einer ausgebildeten Zelle dem Chlorzinkjod gegenüber
kaum anders als eine Meristemzellwand sich verhält, welche, wie
im nächsten Abschnitte gezeigt werden soll, infolge ihres Proto-
plasmagehaltes reich au Eiweisskörpern ist und in welcher die
Nachweisung der Cellulose gleichfalls auf Schwierigkeiten stösst.
Die Innenhaut ist bis jetzt als ein homogen erscheinendes
Häutchen angesehen worden. Die überaus schönen Innenhaut-
präparate, welche durch Kinwirkung von Chlorwasser auf
i Über die Auskleidung der Intercellularen. Sitzungsbericht der
Dorpater Naturtorschergesellsfhat't. 18S4, VIT. 1. Heft, pag. 10 flf.
Untersuchuugen über <l. Organisation d. vegetab. Zellhant. OO
Gewebe resiiltiven, lassen aber doch bestimmte Stmcturen
erkennen. So zeigen die Inneuhäute ans Markstrahlen der Fichte
theils excentrisehe, theils knotige Verdickung, welche von
sehr zarten, zur Oberfläche der Haut senkrechten Streifen durch-
setzt sind. (Fig. 4.)
Fig. 4.
h
b
^'ergr. 1000. Bruchstück einer durch Chlorwasser isolirten Markstrahlzelle
der Fichte. Die Aussackungen bei a und b sind excentrisch verdickt und
von zarten radialen Linien fPorencanälen?) durchsetzt.
III. Chemische Beschaffenheit der Zellhaut und Vorkommen von
Protoplasma in derselben.
Durch die neuere Forschung wurden zahlreiche chemische
Individuen als Bestandtheile der vegetabilischen Zellwand
erkannt. Obwohl wir noch weit davon entfernt sind, die chemi-
schen Verhältnisse der Membran zu überschauen, so lässt sich
doch aus unseren derinaligen Kenntnissen schon zweierlei
ableiten : erstens, dass die Zellwand, vom chemischen Stand-
punkte betrachtet, nicht so einfach gebaut ist, als früher ange-
nommen wurde, vielmehr ein höchst complicirtes Stoffgemenge
rei)räsentirt, und zweitens, dass die bisherige Auffassung in
Betreff der Entstehung der Zellwandbestandtheile unhaltbar ist.
Bezüglich des erstgenannten Punktes möchte ich nur auf
eine sehr lehrreiche Thatsache hinweisen, nämlich auf die
chemische Beschaffenheit der verholzten Zellwand. Man nahm
früher an, dass sie aus Cellulose und Lignin (Holzsubstanz)
bestehe. Dieses letztere ist aber zweifellos ein Stoffgemenge.
Derzeit kennt man neben Cellulose als Bestandtheil der verholzten
Zellwaud: zwei Gummiarten, Touiferin, Vanillin und ferner eine
durch Salzsäure sich gelbfärbende, mit keiner der früheren
identische Substanz ' und ist sich wohl schon darüber klar, dass
1 .S. hierüber M. Singer, Arbeiten des pflanzenphysiol. Inst, der
"Wiener Universität. XXII, in diesen Berichten, Mai 1882.
56 Wiesner,
damit der chemische Bestand der verholzten Zellwand noch nicht
erschöpft ist, wie übrigens ans dem oben mitgetheilten Verhalten
ihrer Holzsubstanz mittelst Chlor beraubter und dann mit Kali
behandelter verholzter Gewebe hervorzugehen scheint.
Was den zweiten Punkt anbelangt, so wird bezüglich der
Entstehung der Zellwandbestandtheile noch immer angenommen,
dass dieselben, soferne sie nicht einfache Infiltrations-
pro du cte sind, wie z. B. die mineralischen Einlagerungen, Pro-
ducte repräsentiren, welche durch chemische Metamorphose aus
Cellulose hervorgegangen sind, die man als Umwandlungs-
pro du cte der Zellwand zusammenfasst. Die Cellulose soll stets
die erste feste Ausscheidung des Protoplasmas bilden, gewisser-
massen die Grundlage der Zellwand, aus welcher die übrigen
Membransubstanzen, sofern sie nicht blosse Infiltrate sind, ent-
stehen.
Diese Ansicht über die Entstehung der Umwandlungs-
producte ist in neuerer Zeit, seitdem man den chemischen Aufbau
der Zellwand genauer kennen gelernt iiat, nicht näher geprüft
worden.
Dass Kohlenhydrate, welche mit Cellulose isomer sind,
oder sich bloss von ihr durch ein Plus von Wasser unterscheiden,
aus Cellulose hervorgehen können, kann wohl keinem Zweifel
unterliegen, und die Entstehung der Gummiarten und Schleime
aus Cellulose ist vom chemischen Standpunkte aus ebenso
gerechtfertigt, wie sich auch in Bezug auf die dabei eintretenden
morphologischen Verhältnisse in vielen Fällen, z. B, bei Ent-
stehung des Traganths, die Ansicht nicht zurückweisen lässt, dass
Cellulose das Materiale zur Entstehung derartiger Kohlenhydrate
liefert. Zahlreiche andere Körper, welche in Beziehung zu den
Kohlenhydraten stehen, mögen gleichfalls aus Cellulose innerhalb
der Zellwand hervorgehen. Diese Möglichkeit könnte für die
grosse Zahl jener Substanzen zugegeben werden, welche der
Classe der F e 1 1 k ö r p c r angehören.
Nun kommen aber auch sogenannte aromatische Ver-
bindungen (Benzolabkömnilinge) in der Zellwand als Umwand-
lungsproducte, genauer gesagt, als Körper vor, welche an Ort
und Stelle gebildet wurden. Stehen sich heute die Fettkörper und
aromatischen Verbindungen auch nicht mehr so schroff gegenüber
Untei'suchuu.ffeii über d. Organisation d. vegetab. Zellliaut. 57
wie früher, seitdem es nämlich gelung-en ist, Fettkörper in
aromatische Substanzen zu verwandeln, so sind diese Fälle doch
so vereinzelt, dass die Wahrscheinlichkeit für die Annahme, die
aromatischen Verbindungen seien Abkömmlinge der Cellulose,
nur eine sehr geringe ist. Ganz unmöglich ist es aber, die stick-
stofflialtigen — nicht infiltrirten — Producte der Zeliwand aus
der Cellulose abzuleiten.
Ich werde zeigen, dass die lebende Zell wand
stets Protoplasma enthält, somit Eiweisskörper führt. Diese
Thatsache allein schon erlaubt uns, die in der Zellwand statt-
habenden chemischen Vorgänge naturgemässer als bisher zu
betrachten.
Die Zahl der Zersetzungsproducte der Eiweisskörper ist eine
so grosse, dass aus denselben sich weit mehr und viel ver-
schiedenartigere chemische Individuen ableiten lassen, wie aus
der Cellulose. Die Qualität dieser Zersetzungsproducte lehrt uns
sowohl Fettkörper als aromatische Substanzen gewissermassen
als nähere Beslandtheile der Eiweisskörper kenneu. Die Ab-
kömmlinge der Eiweisskörper können mithin ebenso Fettkörper
als aromatisclie Verbindungen sein. Mit Rücksicht auf die leichte
Verwandlung der Eiweisskörper im Organismus in Fettsäuren und
Glyceride ist es viel wahrscheinlicher, dass diese Fettkörper
auch in der Zellwand aus Albuminaten und nicht aus Cellulose
sich ableiten. In noch höherem Grade gilt dies bezüglich der
stickstofffreien aromatischen Verbindungen, und für sämmtliche
stickstoffhaltige Kohlenstoffverbindungen muss dies wohl als
gewiss angenommen werden.
Dass innerhalb der ganz jungen Zellen Eiweisskörper vor-
kommen, schliesse ich aus dem Verhalten der die Vegetations-
spitze des Stammes bildenden Meristemzellen, des Fhellogens und
des Cambiums.
Dr. So Ha (1. c.) und Dr. Karl Richter (1. c.) haben sich
durch vielfache Versuche überzeugt, dass die Zellwände von
Meristemgeweben der Vegetationsspitze weder durch Jodpräparate
noch durch Kupferoxydammoniak die Cellulosereactionen zu
erkennen geben. Dr. Richter konnte in solchen Zellen Cellulose
durch Chlorzinkjod constatiren, wenn das Gewebe vorher mit
Kalilauge behandelt und gequetscht wurde.
58 Wiesner.
Ich wiederholte dieses Verfahren mit gleichem Erfolge und
es schien mir dieses Verhalten der jugendlichen Zellwände mit
der Annahme, dieselben enthielten Eiweisskörper, verträglich zu
sein. Zur weiteren Prüfung meiner Annahme unterwarf ich
Vegetationsspitzen der Keimstengel von Zea Mais, Phaseohis
multtflorus und anderer Pflanzen der Peptonisirung, worauf nach
24 Stunden Chlorzinkjod die Anwesenheit der Cellulose in den
Membranen zu erkennen gab. Auch direct lässt sich die Gegen-
wart der Eiweisssubstanzen in der Zellwand durch die Raspail'
sehe Reaction nachweisen, doch nicht mit grosser Sicherheit, da
die Zellen mit Eiweisskörpern gefüllt, die Membranen aber nur
sehr dünn sind, mithin bei Prüfung auf die Färbung eine Täuschung
leicht unterlaufen kann.
Durch Anwendung derselben Methoden lässt sich auch im
Phellogen zahlreicher Pflanzen die Gegenwart von Eiweisskörpern
constatiren, desgleichen imCambium, bezüglich welchen Gewebes
schon Dippel* darauf hinweist, dass es mit Cldorzinkjodlösung
die Cellulosereaction nicht gibt.
Die genannten eiweissführenden, aber bereits Cellulose ent-
haltenden Meristemzellwände nehmen erst nach 24 — 48stündigera
Liegen in Chlorzinkjodlösung violette Farbe an.
Dass die Innenhaut reich an Eiweisskörpern ist, wurde schon
im fi-üheren Capitel gesagt.
Eine besondere Beachtung wegen ihres liolien Eiweiss-
gehaltes verdienen die Membranen der Pilzzellen.
Schon lange weiss man, dass sich in diesen Zellmembranen
auf gewöhnliche Weise die Gegenwart der Cellulose durch Jod-
präparate und Kupferoxydamraoniak nicht nachweisen lässt,
selbst nicht nach Vornahme jener Proceduren, welche in stark
verholzten Zellwänden die Constatiruug der Cellulose ermög-
lichen. Dieser Umstand hat bekanntlich zur Annahme einer
besonderen Modification der Cellulose im Pilzgewebe geführt,
welcher man den Namen Pilzcellulose gegeben hat. Es hat
aber Dr. Richter in einer in meinem Laboratorium aus-
geführten Arbeit gezeigt, dass eine solche Pilzcellulose nicht
existirt, dass man vielmehr nach lang andauernder Einwirkung
alkalischer Flüssigkeiten durch die gewöhnlichen Reactionen
1 Das Mikroskop. 1. Aufl.. WA. II, pa--. 49, 230.
Uutersuchimgen über d. Organisatiou d. vegetab. Zellhaut. 59
die Anwesenheit der Cellulose in den Wänden der Pilzzellen nach-
weisen könne. Ich habe in vorliegender Arbeit noch eine andere
Vorbehandlung- angegeben, die Einwirkung von Chlorwasser.
Welcher Art jene Körper sind, welche in den Zellwänden
der Pilze die Constatirung der Cellulose durch die üblichen
Reagentien unmöglich machen, konnte bisher nicht aufgeklärt
werden.
Gestützt auf meine, an lunenhäuten vor langer Zeit ange-
stellten Beobachtungen, denen zufolge diese wegen ihres Eiweiss-
gehaltes der Celliilosereaction noch schwerer zugänglich sind,
selbst als verholzte Zellwaudschichten, habe ich sowohl bezüg-
lich der Meristem- als auch der Pilzzellhäute die Vermuthung aus-
gesprochen, es möchten dieselben mit Eiweisskörpern imprägnirt
sein. Sowohl Solla als Eichter haben diese meine Vermuthung
geprüft; ersterer kam aber bezüglich der Meristemzellen zu
keinem positiven Resultate, hingegen gelang es letzterem, einige
Wahrscheinliclikeitsgründe für die Richtigkeit dieser Vermuthung
in Betreff der Pilzzellmembraneu beizubringen.
Herr Dr. Forsell, derzeit mit Untersuchungen über die
Histochemie der Flechten in meinem Laboratorium beschäftigt,
ist zu bestimmteren Resultaten gekommen. Es gelang ihm nament-
lich in dickwandigen Pilzhyphen des Flechtengewebes durch
das Millon'sche Eiweissreagens positive Resultate zu bekommen,
worüber später von seiner Seite ausführliche Mittheilungen
folgen werden. Um die Richtigkeit meiner Auffassung über
die Structur und chemische Beschaffenheit weiter zu prüfen,
habe ich zunächst eine eingehende Untersuchung über das
Auftreten des Eiweiss in den Zellmembranen veranlasst,
welche von Herrn Fridolin Krasser im pflanzenphysio-
logisehen Institute ausgeführt wird. Mit Zuhilfenahme der
üblichen Reactionen auf Eiweiss (Millon'sche, Raspail'
sehe, Biuret- und Xanthoproteinsäurereaction) gelang es bereits
bei zahlreichen Pflanzen in den Membranen von Meristemen (Phel-
logeu,Cambiumect.) undDauergeweben(Ep«V/erw?{s, velamen radi-
cmn, Endosperme ect.) positive Resultate zu gewinnen. Über diese
Versuche wird später eingehend berichtet werden. Ich will hier
nur noch bemerken, dass die Membranen des Endosperms von
Zea Mais zu den genannten Versuchen sich besonders gut eignen.
60 AY i e s u e r ,
Da das in der lebenden Zelhvand vorliandene Eiweiss
gänzlich oder zum grossen Tlieile in Form von Protoplasma vor-
kommt, so können alle jene cliemisclien Umwandlungen, welche
bisher im Inhaltsplasma nachgewiesen wurden, auch innerhalb
der Membran angenommen werden.
Ich glaube, dass die hier vorgetragene Ansicht,
dass stets Protoplasma in der lebenden Zellwand vor-
handen ist, das Verständniss der in der Zellwand
statthabenden chemischen Vorgänge mehr fördern
wird als die bisherige Lehre, derzufolge alle soge-
nannten Umwaudlungsproducte der Zellwand aus
Cellulose sich ableiten sollen.
Am Schlüsse dieses Capitels möchte ich noch zu zeigen ver-
suchen, dass es Zellen gibt, deren Membranen als Hauptträger des
Protoplasmas fuugiren.
Höchst auffallend, aber bisher in Bezug auf das Vorkommen
des Protoplasmas in der Zelle nicht beachtet, ist die Dickwandig-
keit vieler Pilzhyphen, welche sich bei vielen Gasteromyceten und
Hymenomyceten selbst schon in Jugendzuständeu zu erkennen
gibt. ' Bedenkt man, dass gerade in den Membranen solcher
dickwandigen Hyphen sich die Gegenwart von Eiweisskörpern
zu erkennen gibt, so gewinnt die Annahme, ein relativ grosser
Theil des Protoplasmas verberge sich hier in der Wand, umso-
mehr an Wahrscheinlichkeit, als die Anwesenheit von Proto-
plasma in den Zellwänden höherer Pflanzen vielfach nach-
gewiesen wurde, und das Lumen der genannten Hyphen schon zur
Zeit desWachsthiims oft so klein ist, dass für ausreichende Mengen
von Protoplasma in solchen Zellen kein Raum zu sein scheint.
Ich will nun versuchen, die Eiweissmenge eines aus der-
artigen Hyphen zusammengesetzten Pilzes in Vergleich zu setzen
mit dem Räume , welcher innerhalb solcher Zellen für das Proto-
plasma disponibel ist.
leb wähle hiezu das noch wachsthumsfähige Gewebe des
Fruchtkörpers von PoJyporus fomentarius. Nach einer genauen
chemischen Untersuchung, welche Herr Dr. Fossek, Assistent
am ersten chemischen Universitätslaboratorium, auszuführen die
^ De Biiry, Morphologie und Biologie der Pilze etc., pag. 13.
üiitersuchungeu über d. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 61
Güte hatte, beträgt die ilenge an Stickstoff in dem genannten
Gewebe 2-34 Proc, auf absolut trockene Substanz bezogen.
Nimmt man die duvchsebnittlielie Sticlvstoffmenge eines Eiweiss-
körpers mit 16 Proe. an, so entspricht der angegebene Stickstoflf-
gehalt einer Menge von 14-6 Proe. Eiweiss. Da in wachsenden
Pflanzentheilen die Hauptmasse der Eiweisskörper im Proto-
plasma auftritt, dieses aber, auf organische Trockensubstanz
bezogen, nur etwa zwei Drittel Eiweisskörper enthält, so wäre
die Annahme nicht unberechtigt, dass das Gewebe 14 Proe.
absolut trockene Protoplasmasubstanz enthält. Da aber der Stick-
stoff in diesem Gewebe, wie in anderen in chemischer Beziehung-
genauer untersuchten Geweben noch in Form anderer Verbin-
dungen auftreten dürfte, die allerdings sonst zum grössten Theile
im Protoplasma ihren Sitz haben, so wäre ein Gehalt von lOProc.
Protoplasma eher zu niedrig als zu hoch geschätzt. Nun verhält
sich nach zahlreichen, von mir vorgenommenen Messungen der
cubische Inhalt der jugendlichen Zelhvand des genannten
Gewebes zu dem cubischen Inhalt des Lumens der betreffenden
Zelle etwa wie 87 : 1. Es könnte somit unter der gemachten An-
nahme und unter der Voraussetzungj dass die Dichte der
trockenen Protoplasmasubstauz mit jener der übrigen festen
Zellwandbestandtheile übereinstimmt, bloss der achte Theil des
Protoplasmas im Zellinhalte Platz finden. Würde man die
Berechnung auf frische Substanz machen, wobei der Wasser-
gehalt des Protoplasmas viel höher als der der Wand anzunehmen
wäre, so würde ein noch kleinerer Bruclitheil des Protoplasmas
als Füllmasse des Zelllumens resultiren.
Diese Discussion führt zu dem Resultate, dass es
Zellen gibt, in welchen die Hauptmasse des Proto-
plasmas der Membran angehört.
IV. Organisation der Zellwand.
1. Molecularstructur und Organisation. Die directe
Beobachtung führte uns bereits tief in die Organisationsverhält-
nisse der Pflanzen ein. Wir zerlegen die Pflanzen in Organe,
diese in Gewebe, diese in Zellen, finden diese wieder aus unter-
scheidbaren Theilen: Protoplasma, Kern und Zellhaut zusammen-
gesetzt und bemerken innerhalb des Protoplasmas individualisirte,
62 Wie SU er,
organische Structiir besitzende Gebilde^ wie Stärkekörnehen,
Chlorophylkörner. protoplasmatisclie Anlagen der letztgenannten
Gebilde (^Piastiden etc.). Weiter ging man bisher in der Auf-
suchung der Organisationsverhältnisse gewöhnlich nicht, sondern
trachtete, die sich darbietenden morphologischen Differenzirungen,
z.B. die Schichtung undStreifuug derZellhaut sofort auf moleculare
Verhältnisse zurückzuiühren oder, wie man sich ausdrückt, man
suchte die Molecularstructur dieser Bildungen zu finden.
Auf botanischem Gebiete spricht sich dieses Streben viel
deutlicher aus als auf zoologischem, und wenn in jüngster Zeit
die gesunde Tendenz, nach neuen Organisationsverhältnissen im
Protoplasma und Zellkern zu suchen, unter den Botanikern
hervortritt, so ist dies zum grossen Theile den von den Zoologen
ausgehenden Anregungen zu danken.
Wohl besteht die letzte im Bereiche der morphologischen
Untersuchung organisirter Objecto gelegene Aufgabe darin, die
Zusammensetzung der Organismen bis auf die die letzten Form-
elemente constituirenden Molekülverbindungen und Moleküle
zurückzuführen; allein das Suchen nach der Molecular-
structur der Organismen scheint mir derzeit ein hoffnungs-
loses Beginnen, da es sich hier um ein mechanisches Problem
handelt, welches ohne Auffindung neuer theoretischer Grundlagen
nicht zu fördern ist, das also eine umfassende Vorbereitung
seitens der Physiker eigentlich voraussetzt und welches, da
diese Vorarbeiten fehlen, mit Erfolg auf Lösung derzeit nicht in
die Hand genommen werden kann.
Hingegen scheint das Bestreben, tiefer in die Organisa-
tionsverhältnisse der Pflanze einzudringen, grössere Aussicht auf
Erfolg zu gewähren, wie die neueren Studien über pflanzliches und
thierisches Protoplasma erkennen lassen. Die \ erliegende Unter-
suchung bezweckt im Wesentlichen gleichfalls ein tieferes Ein-
dringen in die organische Strnctur der Wand. Auf die Frage der
Molecularstructur der Zellen, wie sie durch Nägeliund später
durch Strasburger ^ gestellt und zu lösen versucht wurde, gehe
ich aus schon angegebenen Gründen nicht ein, wohl aber möchte
ich an dieser Stelle versuchen, den zwischen Molecularstructur
und Organisation bestehenden Unterschied zu verdeutlichen.
"i Zellhäute, pag-. -ilG ff.
UnttMsucluiugeu über d. Organisation d. vegetab. ZelUiant. 63
Die bisherigen üutersuchimg-eii der Physiker über den
moleciilaren Bau der Körper beziehen sich auf die einfachsten
Fälle: auf leblose Körper von homogenem Gefüge und einheit-
lichem chemischen Bau oder von einer höchst einfachen Com-
bination chemischer Verbindungen.
Es gelang aus Thatsachen zu erschliessen, wie die Moleküle
eines chemisch einheitlich gebauten Krystalls gegenseitig gelagert
sind, und welche formbildenden Eigenschaften diesen Molekülen
zukommen. Weniger klar sind schon die Lagerungsverhältnisse
der Moleküle innerhalb eines Krystallwasser führenden Krystalls.
In diesem Falle wird das Krystallmolekül als ein zusammen-
gesetztes Molekül angenommen, bestehend aus dem Haupt-
molekül und dem angelagerten Wasser, über dessen Stellung zum
Hauptniolekül man noch nicht im Klaren ist. Die Anschauungen
über MolekUlverbinduugeu, wie solche im Alaun, in Lösungen und
Flüssigkeiten, in der Substanz einfacher colloider Körper vor-
liegen, sind ganz hypothetischer Natur und schliessen einge-
staudenermassen andere Anschauungen nicht aus. Strenge
genommen kennt man aber selbst den einfachsten Fall der
Molecularstructur, nämlich den Bau eines krystallwasserfreien
Krystalls nicht, weil die Form des Moleküls der beti-effenden
chemischen Substanz unbekannt ist.
Die Anschauungen über die Molecularconstitution so einfach
gebauter Körper sind also noch zum grössten Theile unbestimmte
oder unsichere. Welche Hoffnungen sind also bezüglich der Auf-
deckung der Molecularsü-uctur der Organismen zu hegen, nach,
dem wir wissen, dass diese Gebilde eine höchst complicirte
chemische Zusammensetzung haben? Es scheint, als wenn man
sich dies mit Eücksicht auf das gestellte Problem noch
nicht recht vergegenwärtigt habe, weshalb ich diesen Punkt
etwas näher beleuchten will.
Man hielt die Stärke früher für ein chemisches Individuum,
man weiss aber jetzt, dass jedes Stärkekörnchen aus mehreren
isomeren Kohlenhydraten, aus riechenden und farbigen Sub-
stanzen, welche bezüglich ihres chemischen Charakters noch
nicht untersucht wurden, ans Wasser und iMineralbestandtheilen
besteht. Dass die verholzte Zellwand chemisch sehr complicirt
gebaut ist, wurde schon oben (pag. 55 — 56) dargelegt.
64 Wie SU er,
Nach den Uutersuchungeu Reinke's über die chemische
Beschaffenheit der Myxomyceten-PIasmodien \ welche grosse
Protoplasmakörper repräsentiren , enthalten dieselben ausser
Eiweisskörpern, Wasser und Mineralbestandtheilen noch zahl-
reiche andere Verbindungen: Reinke hat nicht weniger als
15 organische Substanzen und mehrere organische Körpergruppen
(Amide, Peptone, Fettsäuren etc.) im Plasmodium vom Jg^/ia^/wm
septicum nachgewiesen und hob hervor^ dass etwa 5 Proc. der
untersuchten Substanz auf bestimmte chemische Individuen noch
nicht zurückgeführt werden konnten. Die Chlorophyllkörner ent-
halten ausser der protoplasmatischen Grundlage, deren chemische
Mischung zweifellos gleichfalls eine sehr complicirte ist, noch die
Chlorophyllfarbstoffe, unter Umständen die zu assimilirenden
Substanzen und die Producte der Kohlensäureassimilation, u. s. w.
Wohl werden nicht alle diese einem bestimmten Theile der
Zelle angehörigen chemischen Species an dem Aufbaue jedes
sichtbaren Theiles der betreffenden organisirten Substanz Antheil
nehmen, doch kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass
diese kleinsten eben noch unterscheidbaren Theilchen einen im
Vergleiche zu nicht organisirten Körpern (Krystallen etc.) sehr
verwickelten Bau und eine complicirte chemische Zusammen-
setzung besitzen.
Es kann als sicher angenommen werden, dass jedem chemi-
schen Individuum, das in die Bildung eines organisirten Gebildes
eintritt, jene Molecularstructur zukommt, die ihm auch im isolirten
Zustande eigen ist; ob dasselbe fest, flüssig oder gasförmig ist
oder in Form einer Lösung vorkommt, ist dabei glcichgiltig.
Völlig fraglich ist es aber, wie diese leblosen Moleküle und
Molekülgruppen im Organismus verbunden sind.
In dieser Beziehung liegen folgende zwei Möglichkeiten vor:
Entweder vereinigen sie sich zu besonderen, selbst im Ver-
hältnisse zur Zelle sehr kleinen individualisirten Gebilden, oder
sie bilden ein homogenes Ganzes, das nur als Zellhaut, Proto-
plasma, Kern, Stärkekorn etc. individualisirt ist.
In jedem Falle ist eine grosse Complication im chemischen
Bau gegeben: eine Molekülaggregation von so verwickeltem Baue,
J Studien über das Protoplasma, Bcrliu. 1881.
Untersuchungen über d. Organisation d. vegetab. Zeühaut. 65
bezUgiich deren innerer Gliederung: sich keine irgendwie
berechtigte Vorstellung entwickeln lässt, und die man einst-
weilen am besten als Organisation bezeichnen kann, weil
dieselbe auf die Lebewesen beschränkt ist.
Von den beiden eben genannten Möglichkeiten halte ich
die erstere für die berechtiglere, und möchte ich die Mikrosomen
als jene individualisirten Körperchen ansprechen, welche die
letzten Formelemente des Protoplasma bilden. Aus den Mikro-
somen des Plasma (Plasmatosomen) gehen, wie ich später
darlegen werde, die Mikrosomen der Zellhaut (D e r m a t o s o m e n)
hervor. Nach meiner Annahme würden also die Plasmatosomen
die eigentlichen Elementarorgane der Pflanzen und überhaupt
der Lebewesen bilden.
Nach dieser Auffassung würde die Zelle in demselben
Sinne aus Mikrosomen (Plasmatosomen und Dermatosomen) auf-
gebaut sein, wie die Gewebe aus Zellen sich zusammensetzen.
Das Protoplasma hat eine netzförmige Structur. ' Eine
ähnliche Structur kömmt auch der Membran zu. Ich schliesse
dies aus Folgendem: Wir haben gesehen, dass die Zellhaut sich
in Dermatosomen zerlegen lässt, und dass diese untereinander
gebunden sein müssen. Diese Bindungen können, wie wir gesehen
haben, entweder einfach mechanisch gelöst werden, oder durch
eine chemische Veränderung, wobei feste Substanz in Lösung
übergeführt wird. Die Bindung kann also nicht in Anziehungs-
kräften der Dermatosomen bestehen, wie etwa nach Nägeli's
Vorstellungen die Micellen einer Zellwand durch Anziehung
zu einem Ganzen vereinigt sind. Es ist nun mit Rücksicht
auf die Anwesenheit des Protoplasmas inmitten der Zellwand
1 Der Ausdruck „netzförmig" soll selbstverständlich nur besagen,
dass der optische Durchschnitt durch das Protoplasma als Netz erscheint,
ist also ähnlich so aufzufassen, wie der Ausdruck „Cambiumring", der
bloss ausdrücken soll, dass der Querschnitt des Cambiums ringförmig ist.
Strenge genommen besteht das Protoplasma aus Fäden, welche gerüstartig
zusammengefügt sind. Die Frage, in welcher Weise die Fäden verbunden
sind, und ob ihre Vereinigung den Ausdruck „netzfönnig" rechtfertigt, will
ich hier nicht näher erörteni (Vergl. hierüber die kritischen Auseinander-
setzungen belFle mm in g, 1. c, pag. 58), sondern nur bemerken, dass gerade
bezüglich der vegetabilischen Zellwand die Annahme einer im Flächenbilde
genau netzförmigen Structur die grössere Wahrscheinlichkeit für sich hat.
Sitzb. d. mathem.-natnrw. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. O
66 W i c s u c r.
anzunehmen, dass diese Bindung der Dermatosomen durch zarte
Stränge von Protoplasma zu Stande kömmt.
Die erste Anlage der Zellwand wurde früher als eine
Schichte von Cellulose betrachtet, bis Strasburg er in seinen
bekannten Arbeiten zeigte, dass bei Zelltheilungen. welche unter
Intervention eines sich in seine Hälften theilenden Kerns vor
sich geht, ein Aggregat kleiner Körnchen diese erste Anlage
der Wand bildet. Unter dem Einflüsse der alten Lehren glaubte
Strasburger anfänglich, diese Körnchen wären Ausscheidungen
von Cellulose oder einem ähnlichen Kohlenhydrat; später unter-
nommene genaue Versuche, in denen es ihm gelang, in diesen
Körnchen (Mikrosomen) Eiweiss durch Eeactionen nachzuweisen,
lehrten, dass dieselben kleine Protoplasma gebilde seien.*
Diese protoplasmatischen Mikrosomen (Plasmatosomen)
bilden mit einer Zwischenmasse eine zusammenhängende Platte
(Kernplatte Strasburger's). Diese Zwischenmasse erscheint
meist homogen oder überaus' feinkörnig. Es ist aber wohl anzu-
nehmen, dass sie als organisirte Substanz nicht homogen ist,
und dass sie als protoplasmatisches Gebilde wie alle übrigen
bis jetzt untersuchten Protoplasmagebilde eine aus feinen Fäden
gefügte Netzstructur hat.
Es ist also anzunehmen, dass die Plasmatosomen der Zell-
hautanlage durch Protoplasmastränge netzartig verbunden sind.
Die erste Anlage der Zellwand besteht geradezu aus Proto-
plasma; dass in den Wänden junger Meristemzellen reichlich
Protoplasma enthalten ist, dass selbst ausgewachsene Zellwände
noch Protoplasma führen, darauf ist früher schon hingewiesen
worden. Aus unseren Erfahrungen darf nunmehr mit Wahr-
scheinlichkeit abgeleitet werden, dass das in der wachsenden
Haut enthaltene Protoplasma netzartig verknüpft ist und die
Dermatosomen untereinander verbindet.
Dass die Mikrosomen des Protoplasma in die Bildung der
Haut unnüttelbar eintreten, darüber sind bei Strasburger
(1. c.) zahlreiche Belege zu finden. Nach meiner Auffassung
ist dieses Factum so auszudrücken: Die Plasmatosomen ver-
wandeln sich innerhalb der Wand in Dermatosomen.
1 ZellhäuU', pa^'. 17:
Uutersuchungeu über cl. Organisatiou d. veg-etab. Zollhaut. 67
Die Existenz der Protoplasmafäden, welche als Verbindung-s-
glieder der Devmatosomeu angenommen werden, konnte durch
directe Beobachtung nicht bewiesen werden, da diese Proto-
plasmafäden im Vergleiche zu den Dermatosomen als sehr
klein anzunehmen sind, diese aber selbst schon oft an der Grenze
der mikroskopischen Wahrnehmung liegen. Nur in jenen Fällen
erscheint das Protoplasma direct in der Wand, wo es als solches
in breiten Zügen erhalten bleibt, innerhalb welcher die Pla^ma-
tosomen keine Umwandlung in Dermatosomen erfuhren.
Fig. 5.
Schema der Wandstructur.
d P ^^J^ ^ Dermatosomen, v Verbin-
ySi-M'y^^^^^^xr^^y^^^^r^r^^ dungsstränge innerhalb der Zell
C^\^^~^l^^^r^i^^r^^ wand, v' Verbiudungsstränge an
J^^W^-^ö^^^'^ö^^ den Grenzen zweier Zellen.
yLHXTX'lATX'TLi~<J j^ I — v' P P breiter dermatosomen-
(r^^^^_^^^S^^^^M-S^&^^^ä^~MS^ freier Protoplasmazng, welcher
r^^T^^'^ä^'^^'^^ i™ Mikroskope direct nachweis-
^^^^^^"^^^P""^^^ bar ist.
Die beistehende Abbildung (Fig. 5) soll veranschaulichen, in
welcher Art ich mir die vegetabilische Wand gebaut denke. Sie
zeigt die Dermatosomen und deren Verkettung, ferner die dichte
Bindung innerhalb der Zellhaut, die lockere Bindung an der
äusseren Grenze der Zellwand und das Zustandekommen mikro-
skopisch sichtbarer, durch die Zellwand hindurchgehender
Protoplasmastränge.
2. Schichtung und Streifung der Zellhaut. Die
Meinungen über die innere Structur der Zellhaut haben sich
bekanntlich im Laufe der Zeit mehrfach wesentlich geändert.
Die ältere von Meyen ^ und später noch vonCrüger^ ver-
theidigte, übrigens schon bei Grew und Moldenhawer auf-
tauchende Ansicht, derzufolge die vegetabilische Zellwand aus
Fibrillen bestehe, ist später auf das heftigste bekämpft worden.
Der herrschenden Lehre zufolge besteht die Wand aus
sich kreuzenden, abwechselnd wasserreichen und wasserarmen
1 Neues System der Pflanzenphysiologie, Bd. I p. 45, daselbst anch
die ältere Literatur.
■-' Bot. Zeitung. 1855. p. 601 ff.
68 Wit'sner,
Lamellen und diese sind es, welche sowohl die Schichtung als
auch die Streifung hervorbringen sollen.
Diese von Xägeli begründete Ansicht ist indess nicht
ohne Widerspruch geblieben und namentlich Strasburger'
fuhrt die Streifung wieder auf schraubig verlaufende Fasern,
hingegen die Schichtung auf optische Differenzirung von zur
Grenzfläche der Zellen parallelen Lamellen zurück.
Seitens der mit thierischen Objecten beschäftigten Histo-
logen ist mehrfach gesagt worden, dass die Botaniker zu weit
gehen, wenn sie die Annahme von Fibrillen in den gestreift
erscheinenden Zell wänden geradezu perhorresciren.^
Nach den in dieser Abhandlung mitgetheilten Thatsachen
ist die Frage, ob sich die Membran aus Schichten oder aus
Fibrillen zusammenfügt, ziemlich bedeutungslos. Indem man
bestimmte Bindungen innerhalb der Zellwand auflöst, zerfällt
die Membran in Schichten, durch Auflösung anderer Bindungen
zerfällt sie in Fibrillen, wie unter anderem die Versuche, welche
mit Baumwolle und Bastfasern angestellt und oben mitgetheilt
wurden, lehren. Je nach den in der Zellmembran herrschenden
Spannungen werden dieDermatosomen zu Fibrillen, zu Schichten
oder zu beiden vereinigt erscheinen. Man könnte also mit
demselben Rechte, mit welchem man die Zellwand
als lamellös gebaut betrachtet, sagen, sie bestehe aus
Fibrillen. Sie besteht aber strenge genommen weder
aus Schichten noch aus Fibrillen, sondern aus Der-
matosomen, die, bestimmt angeordnet, entweder zu
Fibrillen sich vereinigen oder zu Schichten oder zu
beiden, ein Fall, welcher in den Wänden fibröser
Zellen die Regel bildet.
Es zeigt sich also bezüglich des Baues der vegetabilischen
Zellwand ein ähnliches Verhältniss, wie bei der quergestreiften
Muskelfaser. Es wurde lange darüber gestritten, ob dieselbe
aus Fibrillen oder Querscheiben bestehe, bis der Nachweis
geliefert wurde, dass in derselben kleine Körperchen in regel-
' Zellliäute. — Auch Hofmeister (Pflauzenzelle, pag. 206) hat in'
einigen Fällen die Streifung der Zellwand aus Fibrillen abgeleitet. Vergl.
auch Dippel, das Mikroskop, I. Aufl., Bd. II. p. 82 ff.
- Vergl. u. A. Ebne r, 1. c. pag. 224.
Untersuchungen über d. Org-auisation d. veg-otab. Zellliaut. 69
massiger Anordnung enthalten sind, ^Yelehe je nach äusseren
Einwirkungen zu Fibrillen oder zu Scheiben sich zu vereinigen
scheinen.
Dass die Dermatosomen zu Fibrillen, diese zu Schichten
sich zu vereinigen vermögen, hat vornehmlich seinen Grund in der
relativen Grösse der Dermatosomen im Vergleiche zu den Fäden,
welche sie verknüpfen.
Die Dermatosomen verschiedener Zellen haben verschiedene
Grösse und davon hängt in erster Linie die Deutlichkeit des Her-
vortretens von Schichten undStreifen ab. Damit Schichten und Strei-
fen gesehen werden, ist vor Allem eine bestimmte Grösse der Der-
matosomen erforderlich. Es ist oben wahrscheinlich gemacht
worden, dass die Dermatosomen der untersuchten Pilzmembran
infolge ihrer Kleinheit directer mikroskopischer Beobachtung
sich entziehen, und dies ist wohl der Hauptgrund, warum die
Pilzzellwänrle in der Regel keine Schichtung zu erkennen geben.
Es können iudess ganze Complexe von Dermatosomen von benach-
barten sich unterscheiden und auch dadurch zur Bildung breiter
Schichten (Schalen) Anlass geben.
Je nach der Yerbiudungsweise der Dermatosomen wird die
Wand fibrillär oder geschichtet erscheinen. Je kleiner die Ver-
bindungsstränge sind, desto mehr werden die Dermatosomen zu
höheren Einheiten verschmolzen uns entgegentreten. Denken wir
uns beispielsweise, dass die Dermatosomen einer Zellwaud gleich
gross wären und in radialer, tangentialer und longitudinaler
Richtung in regelmässigen Reihen angeordnet seien, so wird die
Wand aus Querschichten zu bestehen scheinen, wenn die verticalen
Verbindungsstränge länger sind (oder stärker gedehnt sind), als
alle übrigen, hingegen aus zur Zellaxe parallelen Fibrillen, wenn
die verticalen Verbindungsstränge kürzer (oder am stärksten com-
primirt) sind als alle anderen, endlich aus zur Oberfläche parallelen
Schichten, wenn die radialen Verbindungsstränge länger (bezie-
hungsweise gedehnter) sind als alle anderen. Es wird nicht schwierig
sein das Zustandekommen schraubig angeordneter Fibrillen in
analoger Weise zu erklären. Es wird auch verständlich sein,
warum in manchen Zellen (Tracheiden, Bastzellen) Schichten und
Streifen gleichzeitig sichtbar werden können, warum parenchyma-
tische Elemente häufig Schichtung, aber keine Streifung zeigen etc.
70 Wie SU er.
Das Hervortreten der Schichten in der Zellwand erklärt
Nägeli durch das Ahwechseln wasserreicher und wasserarmer
Schichten, Strasburger durch den Contact der successive aus
dem Plasma sich abscheidenden Häute, wobei indess die Frage
offen bleibt, ob die optische Differenzirung auf Structureigenthtim-
lichkeiten oder bloss auf eine Differenz in der Lichtbrechung der
sich berührenden Schichten zu stellen ist.
Nach meiner Auffassung besteht jede Schichte aus in tan-
gentialer Richtung stark genäherten Dermatosomen, die also
gewissermassen ein zusammenhängendes Häutchen bilden. Je
zwei solcher Schichten sind durch Gerüstsubstanz von einander
getrennt. Die zur Oberfläche der Zellwand parallele Lamellirung
(Schichtung im engeren Sinne des Wortes) kömmt mithin durch
den Wechsel von zu Häutchen vereinigt erscheinenden Dermato-
somen und Gerüstsubstanz zu Stande.
In manchen Fällen können die für gewöhnlich nur im
isolirten Zustande erkennbaren Dermatosomen direct beobachtet
werden. Als Beleg hiefür theile ich folgende Beobachtungen mit.
Die Tracheiden der Fichte (Abies exceha) sind, wie
bekannt, häufig gestreift. Wenn man einen Längsschnitt durch
das Fichtenholz, welcher sehr deutlich gestreifte Tracheiden
enthält^ stundenlang im Luftbade bei 110° trocknet, bis derselbe
als völlig wasserfrei angenommen werden kann, und dann unter
Mikroskop betrachtet, so tindet man, dass die Streifen noch mit
grösserer Schärfe hervortreten als früher. Was in der imbibirten
Zellwand nur angedeutet war, die Zusammensetzung aus kleinen
Körnchen (Dermatosomen) tritt nun viel schärfer hervor und an
radialen Längsschnitten sieht man die Tüpfel wie mit feinen
Körnchen übersät, welche theils in radialen Streifen, theils in
concentrischen Ringen angeordnet sind. Es kann keinem Zweifel
unterliegen, dass die Dermatosomen durch Wasserverlust sich
contrahirt haben und infolge dessen ihre Peripherien sich von
einander entfernten, wodurch diese flautkörperchen obwohl
kleiner geworden, als solche deutlicher hervortreten. Noch
schärfer treten die Dermatosomen hervor, wenn man die Längs-
schnitte bis zur beginnenden Zersetzung erhitzt, so lange, bis
sie sich deutlich zu bräunen beginnen. Die Wände der bei 110°
erhitzten Tracheiden erscheinen wie mit einem unregelmässigen
Untersiichimgen über d. Organisation cl. vegetab. Zellhaut. 71
Netze überdeckt dessen Fäden in .schraubigen Eichtuugen
liegen; sie sehen wie ein ungespanntes Netz aus. Lässt man nun
Wasser zuti-eten, so wird infolge der Quellung das Netz regel-
mässiger, es ist so, als wäre das Netz gespannt worden, die
Schraubenlinien aber werden viel undeutlicher. Aus diesem letzten
Umstände ist zu folgern, dass in der trockenen "Wand lufterfüllte
Hohlräume vorkommen, welche bei Wasserzutritt durch Flüssig-
keit ersetzt werden. Diese Hohlräume sind im lebenden Zustande
der Zellwand auch vorhanden, nnd zweifellos gleichfalls mit
Flüssigkeit erfüllt.
Während die Nägeli'sche Theorie fordert, dass die im
lebenden Zustande mit Wasserhüllen umkleideten Micellen
bei vollständiger Wasserentziehung sich unmittelbar berühren,
geht aus meinen Untersuchungen hervor, dass die Zellwand ein
Gerüste bildet, welches reichlich von Hohlräumen durchsetzt ist,
die im lebenden Znstande der Wand mit Flüssigkeit gefüllt, im
trockenen Zustande leer sind, und sich gewöhnlich mit Luft
füllen.
Da nun die Dermatosomen quellbar sind, so ist
anzunehmen, dass in der mit Wasser gesättigten Zell-
wand das Wasser in zweierlei Form enthalten ist: als
capillares, welches die Dermatosomen und deren Ver-
bindungsstränge umspült, und als Quellungswasser,
welches von den Dermatosomen aufgenommen wurde.
Ich will hier noch eine interessante Beobachtung anführen,
welche zeigen soll, dass das Hervortreten der Schichten und
Streifen nach Einwirkung von Reagentien, wenigstens in
gewissen Fällen nicht auf einer die optische Differenzirung der
Structur begünstigenden Aenderung der Brechungsexponenten
der benachbarten Hauttheile, sondern auf Auflösung der zwischen
den Schichten und Streifen befindlichen Bindesubstauzen beruht.
Wenn man auf einen scharf getrockneten, durch das Holz
der Fichte geführten Längsschnitt, dessen Tracheiden deutliche
Streifung zeigen, Chromsäure wirken lässt, so wird die Structur
undeutlich, indem die in die lufterfüllten Hohlräume eindringende
Chromsäurelösung sich optisch nur wenig von den mit derselben
Lösung nunmehr imbibirtenHautschiehteudififerenzirt. Nach einigen
Augenblicken tritt aber die Streifung mit einer an diesem Objecte
72 Wiesnor,
niemals zu sehenden Schärfe hervor. Nicht lange darauf zerfällt
die Zellwand nach den Richtungen der die Streifung charakteri-
sirenden Schraubenlinien. Es sind durch das Reagens die Stränge,
welche die zu Fibrillen vereinigten Dermatosomen untereinander
verbanden, gelöst worden.
V. Wachsthum der Zellwand.
Die Wachsthnmsverhältnisse der vegetabilischen Zellwand
sind bisher beinahe durcligehends höchst einseitig aufgefasst
worden. Die einen wollen alle Wachsthumsvorgänge auf
Intussusception zurückführeR, die anderen auf Apposition.
Bekanntlich ist die alte Appositionstheorie durch Nägeli's
scharfsinnige Untersuchungen völlig beiseite geschoben und bis
vor wenigen Jahren als völlig abgethan betrachtet worden.
Heute stellt aber die Sache wieder anders: es sind Vertheidiger
der Appositionstheorie aufgetreten, welche geradezu jede Wirk-
samkeit der Intussusception, wenigstens innerhalb des Bereiches
der Pflnnzenzelle in Abrede stellen.
Die Erscheinungen, welche das Wachsthum darbietet, sind
aber so mannigfaltige, dass schon von vorneherein ein gleich-
artiges Zustandekommen unwahrscheinlich ist. Übrigens lehrt
schon, wie ich bereits vor Jahren hervorhob, * eine einfache
Überlegung, dass jede Intussusception Apposition voraussetzt,
denn es kann doch keine Zwischenlagerung von Molekülen
stattfinden, bevor dieselben sich nicht angelagert haben. Wenn
aber einmal im Laufe des Zellenlebens das Protoplasma die
Fähigkeit hat, durch Apposition ein Hautanalogon zu schaffen,
warum sollte dieser Process im weiteren Verlaufe des Zellen-
lebens sich nicht wiederholen?
Für die Wirksamkeit der Intussusception im Wachsthume
der Wand sprechen nicht nur Wahrscheinlichkeitsgründe, sondern
auch Beobachtungen, welche durch Annahme von Appositions-
wachsthum nicht zu verstehen sind.
Was den ersten Punkt anlangt, so ist zunächst die Tendenz
wachsender Organismen zu intercalaren Bildungen hervor-
3 Elemente der Anut. u. Phys. d. Pflanzen. 1. Aufl., pag. 259,
2. Anfl., pag. 290.
Untersiielumg-eii über d. Orgauisatiou d. vegetab. Zellhaut. 73
zuheben, welche sich in der Anlage der Organe, im Wachsthume
der Gewebe, ja gewisser Zellen — ich erinnere an den allgemein
bekannten Fall von Oedogonium — so scharf ausspricht, dass
man diese Tendenz zu den charakteristischesten Eigenthümlich-
keiten der Organismen rechnen kann. Es wächst der Organismus
gewissermassen aus sich selbst heraus. Ferner: es ist höchst
bedenklich, in jenen Fällen, wo behäutete Zellen mehrhundertmal
an Volum zunehmen, das Flächenwachsthum der Wand durch
blosse Dehnung einer durch Apposition entstandenen Hautanlage
zu erklären. Sodann: es ist nicht minder bedenklich, wenn man
ein locales Wachsthum der Wand, wie es zum Beispiel bei der
Sprossung der Hefe vorkömmt, einfach durch eine local verstärkte
Dehnbarkeit der Wand zu erklären versucht, indem doch die Wand
nicht in dem Verhältnisse dünner wird, als sie an Volum zunimmt,
und für eine Zunahme der gedehnten Wand an Dicke durch Appo-
sition kein Beweis vorliegt, namentlich aber das Zustandekommen
der Tochterzellwände durch Apposition in Anbetracht der fast
punktförmiuen Kleinheit der Ansatzstelle sehr verwickelte Bedin-
gungen zur Voraussetzung hat, während der Vorgang durch
intercalares Wachsthum sich sehr leicht und einfach erklärt.
Was den zweiten Punkt anbelangt, so will ich nur auf die
sehr umfassende und objective Untersuchung, welche jüngsthin
Leitgeb über Bau und Entwicklung der Sporenhäute ver-
öffentlichte ^, verweisen, worin gezeigt wird, wie bei bestimmten
Wachsthumserscheinungen die Apposition, bei anderen die
Intussusception in Wirksamkeit tritt, dass beispielsweise selbst
an einer und derselben Lebermoos-Spore ein Theil der Wand
(sporeneigene Haut) durch Intussusception, ein anderer (das Peri-
nium) durch Auflagerung gebaut wird.
Es kann also heute wohl kaum einem Zweifel mehr unter-
liegen, dnss sowohl Apposition als Intussusception beim Wachs-
thum der Zellwand betheiligt sind. Diese unter den Botanikern
noch selten anzutreffende Auffassung ist unter jenen Histologeu,
welche sich mit thierischeu Objecten befassen^ wie ich glaube,
die herrschende.^
1 Graz, 1884.
- Vergl. Ebner, 1. c, pag. 207. ff.
74 W i e s 11 e v ,
Die Vovstelliingeu, welche man sieh aber in Betreff des Zu-
standekommens des Zellwandwachsthums und speciell der Intus-
susception gebildet hatte, dürften wohl durchwegs noch sehr rohe
sein, und ich meine, dass dieTraub e'schenZellen mit jenen Intus-
susceptionsvorgängen, welche das Zellwandwachsthum beherr-
schen, nichts zu thun haben ; auf das Dickenwachsthum sind sie
aber einfach gar nicht anwendbar. Auch die Apposition verläuft
im Organismus nicht so einfach, wie bei der Bildung eines
Krystalls, wie ich weiter unten durch ein Beispiel belegen werde.
Die in der vorliegenden Abhandlung enthaltenen neuen
Thatsachen in Verbindung mit anderweitigen Erfahrungen
führten mich zu Anschauungen über das Wachsthum der Zell-
häute, welche vielleicht der Beachtung werth sind, wenn sie auch
jener Einfachheit entbehren, welche Strasburger's Theorie des.
Zellhautwachsthums auszeichnet.
Die erste Anlage der Zellwand besteht aus einer Schichte
von Protoplasma, wie Strasburger zuerst bewies. Jugendliche
Zellwände_, wie die der Meristeme, enthalten reichlich Proto-
plasma. Auch in ausgewachsenen Zellen lässt sich Protoplasma
in Form von Verbindnngssträngen, welche das Innere benach-
barter Zellen in Communication setzen, nachweisen. In solchen
ausgewachsenen Zellen ist aber die Hauptmasse der Zellwand
frei von Protoplasma oder enthält höchstens Spuren davon,
während in jugendlichen Zellen das Protoplasma überall die
Häute durchdringt.
Aus Strasburger's Untersuchungen folgt also, dass die
Zellwand nicht aus dem Protoplasma ausgeschieden wird, sondern
dass das letztere selbst die Anlage der Wand bildet.^ Dieses die
Wandanlage bildende Protoplasma verwandelt sich aber nicht,
wie es Strasburger's Appositionslehre fordert, in eine Wand-
schichte, sondern bleibt mit dem übrigen Zellplasma in Ver-
bindung und bildet zwischen sich Dermatosomen aus; denn das
in die Wandbildung hereingezogene Protoplasma (Dermato-
plasma) liegt in der Wand selbst und bezieht von dem übrigen
1 Diese Auffassuug findet sich auch, wie ich bereits iii der Einleitung
berührte, in der bekannten Zellwachsthninstheorie Pringsheim's, deren
Hauptsatz dahin lautet, dass das Protoplasma Hautschichten bildet, welche
sich später in aus Cellulose bestehende Membranschichten umsetzen.
Untersiichuiigeu über d. Organisation d. vegetab. Zellliaut. 75
Protoplasma her bloss Substanz. Die Fornibildung der Zell-
wand geht, dieser meiner Auffassung- zufolge, nicht von dem
von der Zellwand rund umschlossenen Protoplasma
(Zellenplasma), sondern von dem inmitten der Zell-
wand gelegeneu Protoplasma (Dermatoplasma, Haut-
plasma) aus. Diese Auffassung schliesst eine Neuanlage von
Hautschichten seitens des Protoplasmas nicht aus. Sollten der-
artige Wiederholungen vorkommen, so müssten dieselben wie die
erste Hautanlage weiterwachsen.
Durch Annahme des Wachsthums der Plasmasubstanz
innerhalb der Wand, wird uns der wahre Charakter der letzteren
als lebendes Glied der Zellen verständlich. Unserer Vor-
stellung zufolge wächst die Haut nicht nach Art der Traube'-
schen Zellen durch blosse Einlagerung der Theile, auch nicht
durch blosse Anlagerung von Aussen oder Innen, wie es Stras-
biirger's Appositionstheorie fordert, sondern im Wesentlichen
wie das Zellenprotoplasma, gewissermassen aus sich selbst
heraus.
Die complicirten Structuränderungen, welche sich während
des Wachsthums vieler Zellhäute (besonders der Pollenkörner und
Sporen) einstellen, werden unter der hier entwickelten Vor-
stellung verständlicher als unter Annahme einfachen Appositions-
oder Intussusceptionswachsthums oder einer Combination beider.
Die Zellhautanlage ist nach den Untersuchungen Stras-
burger's eine protoplasmatische. Sie besteht aus Plasmatosomen
und einer Zwischensubstanz, die aber selbst organisirt ist, und
die man wohl ebenso als netzförmig gestaltet annehmen darf,
wie alle anderen Protoplasmagebilde, welche einer genauen Unter
siichung auf ihre Structur zugänglich waren.
Diese Wandanlage wächst weiter. Wir finden später in der-
selben Dermatosomen und Protoplasma, in welchem selbst wieder
Plasmatosomen erscheinen. Durch Strasburger ist die Um-
bildung von Plasmatosomen (Mikrosomen nach seiner Termino-
logie) in Dermatosomen nachgewiesen. Dabei werden also die
Plasmatosomen consumirt. Woher kommen die neuen Plasmato-
someu? Da, so weit die Erfahrung reicht, das Organisirte sich
selbst wieder nur aus Organisirtem bildet, die Plasmatosomen
aber organisirt sind, so müssen sich dieselben entweder aus ihres
76 W i e s u e r,
Gleichen durch Theilung oder aus kleinen in der Plasma-
fäden enthaltenen der Beobachtung- sich entziehenden organi-
sirtenaus dem Plasma sich in dividiualisiren den Körperchen bilden,
die aber selbst wieder als Plasmatosomen aufzufassen wären. *
In den meisten Fällen scheinen die Plasmatosomeu sich
gänzlich in Dermatosomen zu verwandeln. Auszuschliessen sind
jene Fälle, in welchen nach Beendigung des Wachsthums noch
Protoplasmastränge in der Zellwand nachweislich sind.
Es wandelt sich in den erstgenannten Fällen auch die zarte
Gerüstsubstanz in Waudsubstanz um und bildet dann jenen
homogen erscheinende Schleim, welcher durch Carbonisirung,
Salzsäure- und Kaliwirkung aus den Zellmembranen neben den
Dermatosomen entsteht. Ob diese Strangmasse homogen ist oder
aus kleinen der Wahrnehmung sich entziehenden Dermatosomen
besteht, ist natürlich zweifelhaft, doch ist mit Rücksicht auf den
Umstand, dass die Zwischenniasse dieselbe chemische Beschaf-
fenheit zeigt, wie die Dermatosomen (z. B. in der Membran der
Leinenfaser, wo beide aus Cellulose bestehen), das letztere wahr-
scheinlicher.
Die Dermatosomen sind im ausgebildeten Zustande frei von
Eiweisskörpern; die protoplasmatische Substanz, aus welcher sie
hervorgegangen, verschwindet schliesslich vollständig, und sie
bestehen dann gänzlich oder zum grössten Theile aus Abkömm-
lingen von Eiweisssubstanzen. In diesem Zustande vollkommener
Ausbildung sind sie wohl nicht mehr als lebende Gebilde anzu-
sehen.
Die Frage nach den Eichtungen, in welchen das Wachs-
thum der Zellwand stattfindet, wird unter der Vorstellung, dass
die lebende Substanz innerhalb der Wand weiterwächst, nunmehr
weniger einseitig gelöst werden können, als bisher, wo aller
Substanzzufluss zur Wand entweder bloss von dem von der Wand
umschlossenen Protoplasma oder von einem Periplasma abge-
leitet wird.
1 Es scheint mir, wie schon oben angedeutet wurde, eine erlaubte,
den Überblick über die Thatsachen sehr förderliche Vorstellung zu sein,
das ganze Plasma aus kleinen organisirten Körperchen, Plasmatosomen,
zusammengesetzt anzunehmen, welche einstweilen als die wahren Ele-
mentarorgane der lebenden Wesen anzuuehuien wären.
Untersuchungen über d. Organisation d. vegetab. Zellliaut. i i
Ich will schliesslich an einem Beispiele zeigen, dass selbst ein so
einfach erscheinender Vorgang- wie die „Auflagerung" einer Haut-
schichte auf eineZellwand nicht als ein blosser mit dem Apposition.s-
wachsthum eines Krystalls vergleichbarer Process aufzufassen ist.
Es ist durch die Untersuchungen Strasburger's u. A. nach-
gewiesen worden, dass Wandverdickung an Pollenkörnern und
Sporen auch durch Auflagerung auf die Peripherie der Zellwand
erfolgt. Die aufgelagerte Wand leitet Strasburger von einem
zwischen der Membran der Mutterzelle und der Membran der
Tochterzelle gelegenen Protoplasma ab.
Es soll dieser Vorgang einfach auf einem centrifugalen Ap-
positiousvorgaug beruhen. Dass diese Auffassung nicht allgemein
richtig ist, hat Leitgeb (I.e.) durch eingehende Untersuchungen
über den Bau und die Entwackelung der Sporenhäute von Mus-
cineen und Gefässkryptogamen gezeigt.
NachL eitge b's Untersuchungen entsteht bei Sphaerocarpus,
Riccia, Preissia u. a> Lebermoosen das Perinium nicht aus einem
Periplasma; es geht dasselbe vielmehr aus der innersten Lamelle
der Specialmutterzellwand hervor, welche überall dicht der
äusseren ..sporeneigenen" Haut, der wahren Exiue, anhaftet.
Diese innerste Lamelle erfährt nun gleich den übrigen
Sporenhäuten im Laufe ihrer Entwickelung vielfache, zum Theile
sehr tief eingreifende morphologische und chemische Verände-
rungen, welche wohl erst verständlicher werden, wenn man die
Membran als belebt, das ist als protoplasmafiihrend, annimmt.
Die Bildung des Periniums der genannten Lebermoose geht
nun unter dieser, wie ich glaube, sehr berechtigten Voraussetzung,
in folgender Weise vor sich. Das Protoplasma der Specialmutter-
zellen bildet zunächst die „sporeneigene" Haut. Das von dieser
umschlossene Protoplasma durchdringt aber auch die Wand
der Specialmutterzellen und die sporeneigene Haut. Durch die
Thätigkeit dieses inmitten der Zellhaut befindlichen Plasma (Der-
matoplasma) gehen daselbst die oben angedeuteten Verände-
rungen vor sich, unter anderen auch die Verschmelzung der
innersten Schichte der Specialmutterzellwand mit der Exine
(eigentliches Exospor) und die Umgestaltung dieser innersten
Schichten der Specialmutterzellwand zur äussersteu Schiclite der
Spore, zum Perinium.
78 Wiesner,
Ich widerstand der Verlockung, die in dieser Abhandlung-
ausgesprochenen, zum Theile unmittelbar aus den Thatsachen
sich ergebenden, zum Theile durch berechtigte Annahmen ent-
standenen Ideen weiter auszuspinnen und zu einer Theorie der
Zellwandstructur oder gar der Zellstructur zu gestalteu. Die
Lösung derartiger Fragen gedeiht nach meiner Ansicht besser,
wenn sie von mehreren Forschern angestrebt und so von ver-
schiedenen Seiten beleuchtet wird, als wenn man ihr durch
eine fertige Theorie beizukommen sucht.
So mögen denn die hier ausgesprochenen Grundgedanken,
welche ebenso auf die von Nägeli, Strasburger, Dippel,
Tangl, Leitgeb u. A. gemachten Entdeckungen, wie auf meinen
eigenen Beobachtungen fassen, sich ebenso weiter entwickeln,
wie sie entstanden sind: durch Zusammenwirken zahlreicher
Forscher.
Ich begnüge mich mit den gegebenen Ausführungen, welche
dahin zusammenzufassen sind, dass der Charakter der
wachsenden Zell wand al s lebendes, protoplasmaführen-
des Gebilde in den Vordergrund gestellt und sowohl
die Structur, als das Wachsthum und der Chemismus
der Zellhaut den analogen Verhältnissen des Proto-
plasma näher gebracht wurde, und welche zur Aufstellung
folgender Sätze führen :
1. Die erste Zellhautanlage besteht gänzlich aus Proto-
plasma ( S t r a s b u r g e r ) .
2. So lange die Wand wächst, enthält sie lebendes Proto-
plasma (Dermatoplasma). Dasselbe ist aber nur dann direct im
Mikroskop zu sehen, wenn es in relativ breiten, cellulosefreien
Zügen auftritt und dann die ganze Wand durchsetzt, welcher
letztere Fall bekanntlich von Tangl zuerst beobachtet wurde.
3. Der Bau der Zellhaut ist nicht nur in der ersten Anlage,
sondern stets ein netzförmiger, wie ein solcher dem Protoplasma,
aus welchem die Zellhaut ja hervorgeht, entspricht.
4. Die Hauptmasse einer herangewachsenen Wand besteht
aus kleinen, runden, organisirten Gebilden, Dermatosomen,
welche aus Mikrosomen des Protoplasma (^Plasmatosomen) hervor-
gehen, und die, solange die Zellwand wächst, durch zarte Proto-
plasmazüge verbunden sind. Diese plasmatosomenführenden
Untersuchungen über d. Organisation d. vegetab. Zelihaut. 79
Stränge bilden aus sich i^durcli Theilting?) neue Plasmatosomen
und scUiesslieli Deimatosomen, worauf das Waelisthnm der
Wand beruht, das also, wenigstens im Wesentlichen, ein iuter-
calares ist.
5. Die Dermatosomen sind in der Regel direct in der Zell-
wand nicht erkennbar, werden aber gesehen, wenn man die sie
zusammenhaltenden Fäden löst oder sprengt. Dies kann durch
verschiedene Mittel geschehen. Am vollkommensten gelingt die
Isolirung der Dermatosomen durch Chlorwasser, welches die
Stränge früher angreift als die Dermatosomen.
Durch hintereinanderfolgende Behandlung mit einprocentiger
Salzsäure, Trocknen bei 50 — 60°, Behandeln mit gewöhnlicher
Salzsäure, Wasser, sodann mit Kali, Wasser und endlich durch
Einwirkung von Druck ist man im Stande, die Bastfasern in
Dermatosomen zu zerlegen, welche kleine mikrokokkenartige
rundliche Körperchen darstellen.
6. Ausgewachsene Dermatosomen enthalten kein Eiweiss
mehr, sind nicht mehr als lebende Gebilde aufzufassen, wohl aber
sind sie quellbar.
7. Das Wasser ist in den Zellwänden in zweierlei Form
enthalten: erstens als Quellungswasser der Dermatosomen,
zweitens als capillares Imbibitionswasser zwischen den Derma-
tosomen, die Verbindungsstränge umspülend.
8. Die Bindung der Dermatosomen ist innerhalb einer Zell-
wand eine stärkere als zwischen zwei benachbarten Zellen. Ein
lockeres, in Eeagenzien relativ leicht lösliches Fibrillengerüste
trennt die sogenannte Mittellamelle (gemeinschaftliche Aussen-
haut) in zwei Häute; jede im Gewebeverbande befindliche Zelle
besitzt ihre eigene Aussenhaut,
9. Die Zellwand kann mit dem gleichen Rechte als fibrillär
gebaut betrachtet werden, mit welchem man sie als lamellös zu-
sammengesetzt auffasst. Sie ist aber im Grunde weder das eine
noch das andere, sondern je nach Anordnung der Dermatosomen,
nach Länge (beziehungsweise Spannung) der Verbindungsfäden
wird sie geschichtet, oder fibrillär oder in beiderlei Art gefügt
oder homogen erscheinen.
10. Die optische Diffenzirung der Schichten, beziehungsweise
Fibrillen der Zellhaut kommt im Wesentlichen durch regel-
80 W i e s u e r, Untersucluuigeu über die Organisation etc.
massigen Wechsel genäherter Dermatosomen (welche zu Schichten
oder Fibrillen vereinigt erscheinen) und Gertistsubstanz zustande.
11. Die Anwesenheit von Eiweisskörpern in der lebenden
Zellwand macht die chemische Beschaffenheit und die innerhalb
derselben stattfindenden chemischen Metamorphosen verständ-
licher als die herrschende Lehre, derzufolge Cellulose das erste
Product bildet, welches aus dem Protoplasma als Wandsubstanz
ausgeschieden wird und welches den Ausgangspunkt für die
Entstehung aller sogenannten „Umwandlungsproducte" der Zell-
haut bilden soll.
12. Die Zellwand repräsentirt, wenigstens so lange sie
wächst, ein lebendes Glied der Zelle, was besonders dadurch
anschaulich wird, dass es Zellen gibt, welche den grössten
Theil ihres Protoplasma inmitten der Zellhaut führen (Pilzhyphen
mit dickwandigen wachsenden Enden).
Durch diese Auffassung über die Natur der Zellwand fällt
selbstverständlich jene strenge Grenze zwischen Protoplasma und
Zellhaut, welche mau bisher zu ziehen gewohnt war.
81
Resultate der Untersuchung des nach dem Schlamm-
regen vom 14. October 1885 in Klagenfurt gesam-
melten Staubes.
Von Dr. Max Schuster.
(Mit J Tafeln.)
Am 14. October 1885 hat es in Klageufurt bei heftigem
Südwind Staub geregnet. Herr F. Seeland schildert die
Umstände, unter denen dieser Schlammregen beobachtet wurde,
in der meteorologischen Zeitschrift 1885, pag. 419 mit folgenden
Worten:
„Es war ein Gussregen, der ganz ähnlich prasselte, wie bei
einem Graupelfall und mich aus dem Schlafe weckte. Der
Thürmer, welcher auf dem äusseren Gange des Klagenfurter
vStadtpfarrthurmes die Feuerwache hält, hat ihn beobachtet und
mir über den Schlammregen zur Nachtzeit berichtet. Leider hat
er am 15. Morgens den putzpulverähnlichen Staub, der den Gang
und das Gitter bedeckte, abgekehrt.
Als ich auf den Thurm kam, um mich von der Sache zu
überzeugen, war in den Eisenvertiefungen des Ganggitters und
in den Falznuthen der Blechdächer Klagenfurts von dem gelben
Staub, ungeachtet des vielen nachfolgenden Eegens, noch ziemlich
viel zu sehen.
Insbesondere enthielt das neue Blechdach des Goldarbeiters
Wagenpfeil noch reichliche Überbleibsel davon. Ich begab
mich daher auch dorthin und sammelte Muster des Staiibes, der
höchst fein und von gelber, ockerähnlicher Farbe (ins Köthliche
ziehend) ist.
Es ist das genau derselbe Staub, welchen uns am 25. Februar
1879 ein S. E. Sturm über Lesina herauf, avo er auch beobachtet
wurde, nach Klagenfurt brachte, und welcher damals den massen-
Sitzb. d. mathem.-natunv. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. 0
82 Schuster.
haft fallenden Schnee roth färbte. Seine Heimat ist verniuthlich
die Wüste Sahara.
In Klag-enfurt herrschte, wie heute noch, echtes Siroccal-
wetter. Am 14. war 7'^ SW, 2'' SW, 9'^ W und am 15. Morgens
S-Wiud beobachtet worden. Am 15. 3" 57'" Früh war ein Erd-
beben in der Eiclitung E— W mit nachfolgendem Rollen, so dass
Fenster klirrten und Möbel schaukelten, mit einem einzigen Stoss
beobachtet worden. Klageufurt, 17. October 1885."
Eine kleine Probe des bei dieser Gelegenheit aufgesammelten
Staubes, circa ^/^^ Grm. im Gewichte, wurde vom Herrn Director
Hann an das hiesige mineralogisch-petrographischeUniversitäts-
institiit eingesendet und vom Herrn Hofrath Tschermak mir zur
Untersuchung übergeben.
Die vorliegenden Untersuchungen, welche hauptsäclilich die
mineralogische Zusammensetzung des Staubes zum Gegenstande
haben, gestalteten sich ebenso mühsam als zeitraubend, nicht so
sehr wegen der g-eringen Menge des zu Gebote stehenden
Materiales als vielmehr wiegen der Kleinheit der Elemente, aus
denen der Staub besteht, deren mittlere Grösse kaum 'Yj^^ Mm.
beträgt. Dadurch waren einerseits die mechanischen Trennuugs-
methodeu, sei es nach dem specifischen Gewichte mittelst schwerer
Flüssigkeiten, sei es durch den Elektromagneten, welche bei dem
grösstcntheils fragmentaren Charakter der einzelnen Partikel am
vortheilb ältesten gewesen w'ären, theils völlig ausgeschlossen,
theils nahezu illusorisch gemacht, andererseits musste auch die
chemische Untersuchung hauptsächlich unter dem Mikroskope
vorgenommen werden und konnten mit Vortheil nur mikro-
chemische Reactionen in Anwendung kommen.
Die Scliwierigkeit und Umständlichkeit (respective Undank-
barkeit) derartiger Untersuchungen, welche mit den Resultaten
in keinem rechten Verhältnisse stehen, mögen mit zu den Gründen
gehören, warum in den classischen Arbeiten Ehrenberg's
gerade die mineralogische Zusammensetzung der von ihm unter-
suchten Staube weniger Berücksichtigung erfuhr und warum auch
in neuerer Zeit nur vereinzelte Angaben darüber in die Öffentlich-
keit gelangten, trotzdem dieWichtigkeit dieser Untersuchungen für
die Frage nach der Herkunft der Staube in letzter Zeit von
Untersachimg" eines Meteorstaubes. 83
Lasaulx' und anderen Forschern erkannt und wiederholt
hervorgehoben wnrde.
Das Interesse, welches sich an alle Vorgänge knüpft, welche
auf den zeitweiligen Wechsel in der Zusammensetzung unserer
Atmosphäre Einfluss nehmen, \vird die nachfolgenden ausführ-
licheren ^littheilungen rechtfertigen, welche bestimmt sind, einen
Beitrag zu liefern zur Kenntniss einer gewissen abnormen
Beschaffenheit der Atmosphäre.
Wenngleich Schlüsse allgemeinerer Natur, wie namentlich
betreffs der Herkunft ähnlicher Staube, aus einer Einzel-
untersuchung, gleich der vorliegenden, nur in beschränktem
Masse möglich und erst von der Durchführung ähnlicher Unter-
suchungen und Yergieichung einer grösseren Anzahl, unter den
verschiedensten Umständen namentlich am selben Orte gefallenen
Staube zu erwarten sind, so waren doch die hierbei erlangten
Resultate, wie sich zeigen wird, schon an und für sich recht inter-
essant und bemerkenswerth.
Es wird vortheilhaft sein, eine Zusammenstellung der in
dem vorliegenden Staube aufgefundenen Gemengtheile voran-
zustellen, die Gründe, auf welche die einzelnen Bestimmun-
gen sich stützen, sowie detaillirtere Angaben über den Gang
der Untersuchung nachfolgen zu lassen, mit einem kurzen
Vergleiche analoger Staubfunde und einigen allgemeinen Betrach-
tungen die Mittheilung zu schliessen.
I. Übersicht der im Staube enthaltenen Mineralbestandtheile
und Organismenreste,
Die untersuchten Staubproben bestehen zum weitaus über-
wiegenden Theile aus Partikeln mineralischer Natur. Davon
waren mit Sicherheit zu bestimmen:
1. Farblose und schwach grünlich gefärbte Kryställchen
(Rhomboeder), Krystallfragmente und Körner von Carbonaten.
welche nach dem verschiedenartigen Verhalten gegen Säuren nur
theilweise dem Calcit, theilweise hingegen einem eisenhaltigen
Dolomit und Magnesit zuzurechnen sein dürften.
1 Tschermak. Mineralog. und peti-ogr. Mittheil. Bd. III, 1881.
6*
84 Schuster,
2. Dazwischen gestreute farblose, bis weisse Körner, selten
Nadeln, von Apatit.
3. Farblose Splitter und Körner von Kieselsäure; theils
mehr oder weniger lebhaft polarisirende Quarzsubstanz
(manchmal Fltissigkeitseinschlüsse, bisweilen ähnlich dem Aggre-
gatquarze granitischer Gesteine undulöse Auslöschung zeigend),
theils isotrope Opal Substanz.
4. Weisse bis graue, meist getrübte Feldspathpartikel ohne
Zwillingsstreifung (Orthoklas), öfters entsprechend der Spalt-
barkeit mit gradlinigen Conturen versehen.
5. Bald lichter bald dunkler braun gefärbte, zuweilen wie
braunes Glas aussehende, gelb- bis röthlich- und dunkelbraun
pleochroitische Blättchen und Fetzen eines einaxigen Glimmers,
welcher als Biotit bestimmt wurde; daneben scheint ein stets
heller gefärbter Phlogopit* gleichfalls vorhanden zu sein.
6. Weisser Glimmer und daneben wahrscheinlich auch
Talk und Kaolin.
7. Blaugrüne Ohio ritt ä fei chen, schwach dichroitisch.
8. GelblichgrUner Augit in Fragmenten grösserer Indi-
viduen und vollständig ausgebildeten Mikrolithen, die zum Theile
Zwillingsverwachsung zeigen.
9. Bräunliche Spaltungsblättchen von Hornblende, selten
nachweisbar; blassgefärbte Hornblendefragmente erscheinen
zweifelhaft.
10. Reichlich linden sich dazwischen allenthalben durch
Eisenhydroxyd gefärbte, bräunlich gelbe Partikel von krUmlicher
Thonsubstanz.
11. Besonders charakteristisch erscheinen gelbliche zum
Theile röthlich gefleckte Rutilnädelchen, mitunter in den
bekannten herz- und knieförmigen Zwillingen, Anataspyra-
miden und scharfe Zirkoukry stall chen, sowie vereinzelte
T u r m a 1 i nnä d e 1 ch e n.
12. Als wahrscheinlich, aber nicht unzweifelhaft vorhanden,
sind Granat-, Titanit-, Epidotkörner, Spinellpartikel
und Spinellkrystalle anzusehen.
1 Mit jjrrüsscri'm AxeiiwiukL^l.
Untersuchung eines Meteorstaubes. 85
13. Ausserdem wurde Pyrit (sehr vereinzelt) und Magnetit
(häufiger), letzterer zum Theile in deutlichen Octaederu und auch
complicirteren Combinationen erkannt, endlich Magnetkies.
Plagioklas, Olivin etc. waren nicht nachweisbar.
Unter den genannten Mineralbestandtheilen machen die
Carbonate, die Glimmerarten, der Quarz und die Thonpartikel
die Hauptmasse aus.
Metallisches Eisen war auf keinem Wege nachweisbar.
Sowie nach dem Gesagten über den entschieden terrestrischen
Ursprung des Staubmateriales kein Zweifel bestehen kann, so
scheint andererseits dieses Material selbst darauf hinzudeuten,
dass es zum Theile Kalk- oder Dolomitbergen, zum Theile einem
altkrystallinischeu Gebiete entstammt.
Gegenüber den Mineralpartikeln treten die organisirten
Gebilde, rcspective die Partikel organischen Ursprunges an Menge
bedeutend zurück.
Kohlige Substanz ist in minimaler Menge vorhanden;
gering ist auch die Menge jener Substanz vegetabilischer Natur,
welche in der Hitze bei Behandlung mit Schwefelsäure zur
Verkohlung gebracht wird.
Ein Theil ist auf Pilzsporen und ähnliche Fructifi-
cationsorgane^ zurückzuführen, ein Theil auf Pflanzen-
fasern und Pflanzenhaare; Conferven und Algenfäden
sind nicht mit Sicherheit zu bestimmen.
Ausserdem sind kieselschalige, verkieselte undkalk-
sc haiige Organismenreste in ziemlicher Menge vorhanden.
Namentlich sind es Diatomeenpanzer, theils einzeln,
theils paarweise verbunden, theils in Fragmenten, welche unter
dem Mikroskope sofort in die Augen fallen.
Manche dieser Gebilde sind recht wohl erhalten und würden
vielleicht eine eingehendere Würdigung und Beachtung von
berufener Seite verdienen. Ich muss mich auf die folgenden
Bemerkungen beschränken, welche zu einer allgemeinen Orien-
tirung über die Formen, die im Staube enthalten sind, wohl hin-
reichen werden.
Es lässt sich behaupten, dass die besprocheneu Organismen-
reste mit den in dem citirten Werke Ehrenbergs „Über Passat-
1 Welche in Wasser zum Theile zur Keimung gebracht werden konnten.
86 Schuster,
Staub uud Bliitregen" (Berlin 1849) aufgezählteu und abgebil-
deten Formen derart übereinstimmen, dass alle die grösseren,
wichtigeren Gattungen hier ihre Vertreter finden.
Einige davon sind mit gewissen Gallionella- und Dlscoplea-
Arten sowie „Lithostylidien", welch' letztere allerdings in jener
Schrift noch sehr verschiedenartige Gebilde zu vereinigen
scheinen, direct zu identificiren.
Viele sehen den dort unter den Namen Synedra, Navicula,
Pimmlaria, Lifhasiei-iscns, Coscinodiscns, Fragilaria, Eunotia,
dann den als Rotalia und Textilaria aufgezählten Formen
mindestens selir ähnlich.
Auch Spofifjolidiis und Jw/^;/t/V//sn/s (wiewohl selten) scheinen
nicht zu fehlen.
Das Gesagte, sowie die beifolgenden zwei Tafeln werden
genügen, die Mannigfaltigkeit der beobachteten Formen zu
illustriren. Herr Dr. Molisch, welcher so freundlich war, gleich-
falls eine Probe des besprochenen Staubes unter dem Mikroskope
zu besichtigen und auf die darin enthalteneu Pflanzentheile zu
untersuchen, hob namentlich die verhältnissmässige Häufigkeit
der Diatomeenreste hervor und konnte überdies nicht nur
Pflanzenhaar- und Gewebefragmente, sondern auch Innenhäute
von Parenchymzellen, d. i. jene, den Innern Raum von Zellen
auskleidenden Schichten der Zellmembranen, welche bekannt-
lich gegen Säuren und Fäulnis sehr widerstandsfähig sind, mit
Sicherheit erkennen.
Der Umstand, dass einzelne davon bereits verkieselt sind,
bestimmt ihn, im Vereine mit dem Vorhandensein der Diatomeen,
zu der Ansicht, dass dieser Staub von einem Orte herrührt, der
einmal oder vielleicht periodisch mit Wasser bedeckt war; man
hätte sich also etwa zu denken, dass die ins Wasser fallenden
Pflanzentheile sammt den Diatomeen in den Schlammabsatz
geriethen, dort verwesten und nur die ausserordentlich wider-
standsfähige Innenhaut gewisser Zellen dabei erhalten blieb,
welche nachträglich sogar verkieselte.
Gleich an dieser Stelle möchte ich bemerken, dass
V er kiese hing und Vererzung sich noch auf eine Reihe
anderer Staubbestandtheile erstrecken dürfte.
Untersuchimg- eines Meteorstnubes. 87
Dies gilt hauptsächlich von den in ziemlicher Häufigkeit und
wechselnder Grösse darin vorkommenden, theils gelblichen, theils
röthlichcu, braunen bis blauschwarzen Kiigelchen, welche im
Allgemeinen grosse Ähnlichkeit mit Pollenzellen und Sporen
zeigen, aber nicht nur vegetabilischen, sondern auch thierischen
und selbst mineralischen Ursprungs sein könnten.
Von diesen in vielfacher Hinsicht räthselhafteu Gebilden
wird später nochmals die Rede sein.
IL Detailbemerkuiigen, betreffend die einzelnen Staubbestand-
theile, den Gang ihrer Untersuchung und Bestimmung.
Von den mir zur Verfügung gestellten ^/^^ Grm. Substanz
wurde etwa die Hälfte, also eine gute Messerspitze voll, in viele
kleine Portionen getheilt, zu den nachfolgenden Versuchen ver-
wendet.
Ein Tlieil vnirde in unverändertem Zustande in Wasser oder
in Cauadabalsam gelegt und unter dem Deckgläschen mikro-
skopisch untersucht, ein anderer vor dem Löthrohr und in den
verschiedenen Perlen geprüft, ein dritter über dem Platinblech
oder im. Kölbchen geglüht, oder endlich mit einer Anzahl Säuren
behandelt und hierauf in angegriffenem, geglühtem oder un-
geglülitem Zustande unter dem Mikroskope betrachtet.
Ein Tlieil wurde schliesslich mit kohlensaurem Natron oder
mit Flusssäure aufgeschlossen und die Lösung mit einer Reihe
von Reagentieu behandelt.
Aus dem Verbleiben und Verschwinden und den Verän-
derungen, welche die einzelnen Bestandtheile unter diesen
Umständen wahrnehmen Hessen, wurde auf ihr Wesen und ihren
Charakter geschlossen.
Das Pulver zeigt, in grösserer Menge betrachtet, für sich
eine gelblichbraune, ziemlich lichte, kaum einen Stich ins Rothe
besitzende Farbe.
Wenn man eine Probe davon auf einen Objectträger legt,
und denselben vom Rande her erschüttert, so ballt sich ein Theil
zusammen; doch ist ein wesentlicher Unterschied zwischen den
zerstreut liegenden Partikeln und den zusammengehäuften
Partien nicht zu constatireu, nur dass die letzteren an Thon-
partikeln und Glimmerblättehen etwas angereichert erscheinen.
88 Schuster,
Mit Wasser mischt sich das Pulver uach einigem Wider-
streben; ein Theil sinkt nach dem Schütteln des Gläschens in
demselben zu Boden, ein Theil, welcher ausser den wirklich
specifisch leichteren die kleinsten Partikel, ohne Unterschied der
Substanz enthält, schwimmt oben oder erhält sich schwebend.
Das Wasser hinterlässt beimVerdunsten keine Chlornatrium-
würfel, überhaupt keinen krystallinen Rückstand.
Ein eigenthümlicher, penetranter Geruch ist weder un-
mittelbar, noch beim Erhitzen des Pulvers im Kölbchen wahr-
zunehmen; nur beim Anhauchen entwickelt sich ein entschiedener
Thongeruch.
Beim Erhitzen in Kölbchen entweicht eine ganz geringe
Menge Wassers,
Unter dem Mikroskope für sich betrachtet, lassen die ein-
zelnen Partikel sich nur schlecht von einander unterscheiden.
Mau erkennt an den überaus dunklen Conturen, dass viele
davon stark lichtbrechend sind; aus dem gleichen Grunde ist die
Färbung derselben nur undeutlich v^ahrnehmbar.
Man bemerkt, dass die eckige Form der Partikel
vorherrscht, dass die flachen Blättchen gleichzeitig meist gerundet
erseheinen, Kryställchen mit scharfen geraden Umrissen eine
Seltenheit sind, andererseits fadenförmige Gebilde, Splitter,
Lappen und Kügelchen gleichfalls in weit geringerer Zahl
auftreten.
Zugleich sieht man schon bei dieser Gelegenheit, dass die
Färbung eine ziemlich bunte ist.
Neben vorherrschenden gelbbraunen, lichtgelben und grün-
lich gefärbten treten weisse und trübgraue Elemente nur undeut-
lich, dunkelbraune und rothgelbe bis schwarze, zuweilen
metallisch glänzende hingegen besser hervor.
Bereits beim Einlegen in Wasser kommt eine weit grössere
Anzahl von farblosen und weissen Bestandtheilen (bis zu
winzigster Kleinheit herabsinkend) zum Vorschein und die
Farbenunterschiede treten jetzt, besonders aber nach dem
Einbetten der Probe in Canadabalsam viel deutlicher hervor;
auch die Unterschiede in dem Lichtbrechungsvermögen der
einzelnen Partikel sind viel besser wahrnehmbar; jetzt erst
erkennt man , welche grosse Menge lebhaft polarisirender
Uutersnchiuig- eines Meteorstaubes. 89
Körnchen vorliegt — sobald man zwischen gekreuzten Nicols
beobachtet — und die verhältnismässig grosse Häufigkeit der
Diatomeenreste.
Was die Grössenverhältnisse der Bestandtheile betrifft,
so genügen w^ohl die folgenden Daten, um über die Grenzen,
innerhalb deren sich dieselben in der Regel bewegen, Aufschluss
zu geben.
Als mittlere Grösse der mineralischen Partikel sind etwa
0-027 Mm. zu bezeichnen. Rhomboederchen mit anhaftenden
Thonpartikeln oder organischer Substanz erreichen sehr häufig
eine Grösse von 0-0324 Mm. (Länge und Breite) und darüber,
sinken aber andererseits zu submikroskopischer Kleinheit herab.
Die kleinsten individualisirten Partikel, Kügelchen und Scheibchen
darstellend, sind oft nicht grösser als 0-009 Mm. in Länge und
Breite und gehen ebenso oft noch darunter hinab. Ein Turmalin-
nädelchen besass 0-0324 Mm. Länge 0-0050 Mm. Breite.
Nur ausnahmsweise finden sich zwischen den genannten
auch Partikel von grösseren Dimensionen; namentlich gilt dies
von den fadenförmigen organisirten Gebilden, den Haaren etc.,
die makroskopische Dimensionen annehmen und andererseits von
den Blättchen, die bisweilen eine grössere Flächenausdehuung
erlangen, wie beispielsweise 0-135 Mm. in der einen und
0-0864 Mm. in der zweiten Richtung.
Der Umstand, dass, wie erwähnt, gewisse Gemeugtheile, so
die Carbonate, in sehr wechselnden Grössenverhältnissen sich
vorfinden, vielfach die anderen (z. B. Thonpartikel und Kügelchen)
umschliessen, oder einen verschieden gefärbten Kern besitzen,
der den Umriss wiederholt, und auch in winzigsten Körnchen
bisweilen vollkommene Krystallform erkennen lassen, die übrigen
hingegen, so namentlich die Glimmerblättchen in der Regel nur
bis zu einer gewissen Kleinheit herabgeben, während sie nach
oben hin weitere Grenzen besitzen, scheint immerhin auf einen
Unterschied in ihrer Entstehungsweise hinzudeuten; während die
letzteren zweifellos nur aus Fragmenten bestehen, wäre es
möglich, dass die ersteren, wenigstens theilweise, an Ort und
Stelle (vielleicht in der Atmosphäre, aus den mitgewehten
Wassertröpfehen) gebildet oder regenerirt wurden.
90 S c h u s t e r ,
Was die Meiig'enverbältiii>sse der einzelnen Gemeng-
theile betrifft, so sei hier bemerkt^ dass dieselben, wie dies bereits
in der I'bersiclit geschab, sieb nur in allgemeinen Ausdrücken
angeben lassen, indem der Staub, trotz seiner Feinheit, wider
alles Erwarten doch keine gleichförmige Mischung darstellt,
sondern in verschiedenen Proben bald der eine, bald der andere
der vorherrschenden Gemcngtheile in grösserer Menge erscheint.
Dies ist auch der Grund, warum ich zur Ansicht gelangte, dass
die quantitative chemische Analyse eines solchen Staubes nur
dann, wenn grosse Mengen zur Verfügung stehen, von wesent-
lichem Nutzen sein könnte, in unserem Falle aber nur einen sehr
bedingten Werth gehabt hätte, ein besseres Resultat hingegen
von der Durchsicht einer grösseren Anzahl von Proben, zum
Zwecke einer beiläufigen Schätzung der relativen Mengenver-
hältnisse der einzelnen Gemeugtheile unter dem Mikroskope zu
erwarten sei.
Bei dieser Schätzung ergab sich jedoch die weitere Schwierig-
keit, dass die verschiedeneu Partikel keineswegs immer unzweifel-
hafte Bestimmung zuliessen und in Folge ihrer höchst fragmentaren
Beschaffenheit insbesondere brauner Glimmer und braune Horn-
blende, zersetzter Glimmer und Thonpartikel nicht in allen Fällen
auseinanderzuhalten waren, während die gleichen Schwierigkeiten
bei der Unterscheidung zwischen den Carbonatfragmenten und
Augitpartikeln, den Carbonaten und Apatit, und endlich besonders
zwischen Quarz und Feldspath sich geltend machen.
Im Grossen und Ganzen dürften die bräunlichen und röth-
lichen Elemente (Thonpartikel und durch Eisenhydroxyd gefärbter
Quarz >- brauner Glimmer >- Hornblende) die eine Hälfte, die
lichtgrünlichen und weissen (Carbonate>- Chlorit :> Augit r>
Apatit) ein weiteres Drittel, und farbloser Quarz :> weisser
Glimmer>- trüber Feldspath zusammen den Rest ausmachen.
Untersuchung des Pulvers auf trockenem Wege, durch
Glühen, Behandeln mit dem Löthrohre etc.
Wenn man Proben des Pulvers auf dem Platin bleche
glüht, bleibt der grösste Theil desselben nahezu unverändert.
Von Verkohlung organischer Substanz ist nur wenig zu bemerken.
Das Pulver i^lumpt sich etwas zusammen, fällt aber beim Klopfen
Uiitersuchuiig eines Meteorstaubes. 91
leicht wieder aiiseiuaucler. Die Farbe wird aufaugs etwas dimlder,
beim Abkühlen röthlicher als zuvor.
Die meisten Splitter haben dabei ihre Form behalten, auch
die Rhomboederchen; doch sind letztere fast alle undurchsichtig,
trübe geworden und polarisiren nicht mehr einheitlich oder sie
sind amorph geworden und in Pulver zerfallen.
Die Thonpartikel zeigen nun eine sehr auffallende Ähnlich-
keit mit dem rothen Thon von Siena. Unter dem Mikroskope
sieht man, wie nach anhaltendem Glühen gefritteteThonsubstanz
gleich Fäden diejenigen Körner verbindet, welche unverändert
geblieben sind. Dahin gehören namentlich Quarz und Feldspath,
welche ziemlich schwach polarisiren und neben den gleichfalls
unverändert gebliebenen, stark lichtbrechenden Substanzen, wie
Rutil, Zirkon nun desto deutlicher hervortreten.
Hie und da fällt ein verkohltes Haar oder etw^as Ahnliches
in die Augen.
Der Biotit ist nun noch dunkler geworden und gelber bis
brauner Dichroismus sehr deutlich wahrzunehmen in solchen
Blättchen, die auf der Schmalseite liegen; luden flach gelegenen,
die wie braunes Glas aussehen, konnte mitunter das Axenkreuz
einaxiger Krystalle und die negative Doppelbrechung wieder
deutlich coustatirt werden, bei blasseren Blättchen ein ziemlicher
Axenwinkel, wie bei Phlogopit.
Auch im Köl beben erhitzt, entwickelt das Pulver keinen
Rauch.
Beim Erhitzen vor dem Löth röhre lässt sich das Pulver
zunächst vollkommener fritten und schmilzt partiell zusammen.
Um das feine Pulver nicht zu verlieren und wegzublasen, bevor
es zur Frittung kommt, die schon ziemlich hohe Temperatur
erfordert, thut man gut, dasselbe in ein dünnes Platinblech
einzuschlagen und sammt diesem der Löthrobrflamme auszusetzen,
die man auf der etwas geöffneten Seite eindringen lässt.
Bei Anwendung einer Kerzenflamme erhält man dann eine
blasige Schlacke, welche noch ungeschmolzene braune und rothe
neben den angeschmolzenen grauen (Feldspath) Partikeln und
scharfkantigen unveränderten Quarzpartikeln und farbloseu ( Talk)
Blättchen enthält.
92 .Schuster,
Wenn mau einen Bimsen 'sehen Brenner benützt und sich
des Löthrohres bedient, dann gelingt es zunächst, sämmt-
liche gefärbte Partikel vollständig und zuletzt auch die für Quarz
in Anspruch genommeneu Splitter grösstentheils zu einem mehr
oder weniger klaren Glase aufzulösen.
Wenn man das zwischen dem Platinbleche flach gedrückte
Schmelzproduct von Zeit zu Zeit unter dem Mikroskope betrachtet,
so kann man die Veränderung und das stufenweise Einschmelzen
der Bestandtheile verfolgen und hat so einen Anhaltspunkt für
die Beurtheilung ihrer richtigen Bestimmung.
Das Pulver lässt sich auf solche Weise zu einem stellenweise
völlig homogenen, grünlichgelben bis bräunlichgelben (in dünnsten
Splittern dann farblosen), stellenweise dunkel rothbraunem Glase
zusammenschmelzen.
Boraxperlen zeigen keine merkliche Färbung, wohl
hauptsächlich desshalb, weil die Verdünnung, in welcher die
färbenden Substanzen im Pulver enthalten sind, eine zu grosse ist.
T.Og, obwohl nach dem mikroskopischen Befunde sicher
vorhanden, war also auf diesem Wege nicht nachweisbar.
Gleiches gilt vom Eisengehalt u. s. w.
Während die P)Oraxperle vollständig klar bleibt, wird die
Sodaperle inhomogen; es entsteht zum Theile klares Glas, zum
Theile opalisirende Masse. In der Phosphorsalzperle bildet
sich ein Kieselskelett und wenig Quarz bleibt übrig.
Untersuchung der mit der Magnetnadel ausgezogenen
Partikel.
Da zu Gunsten der Annahme eines kosmischen Ursprunges
derartiger Staubregen in früherer Zeit namentlich das Vorhan-
densein metallischer, phosphor- uudnickelhaltigerEisenkügelchen
geltend gemacht worden war und später, als in vielen Fällen der
vorwiegend terrestrische Ursprung der ersteren fast zweifellos
erwiesen war, doch wenigstens für die wiederholt constatirten,
ja, wie es heisst, in minimalen Mengen niemals fehlenden Eisen-
kügelchen, die Möglichkeit meteorischer Abkunft zugegeben
wurde, so schien es geboten, diesem Punkte besondere Aufmerk-
samkeit zuzuwenden.
Untersuchung eines Meteorstaubes. 93
Beim Eintauchen der Magnetnadel ins Pulver bedeckte
sich deren Spitze jedesmal mit einem ungemein feinen, oft erst
unter dem Mikroskope deutlich sichtbaren Bart.
Die Betrachtung- lehrte, dass unter den auf solche Weise
ausgezogenen, sowohl metalliscli als nicht metallisch aussehenden,
eckigen und runden Partikeln auch zweifellos un magnetische
(wie Carbonatfragmente) sich befanden, welche auf rein mecha-
nischem Wege mitgerissen wurden und in Folge ihrer Kleinheit
durch blosse Adhäsion daran festhingeu.
Es galt also zunächst die letzteren von den wirklich mag-
netischen, die sich, sofernesie eine Längsausdehnung besassen,
meist schon dadnrch auszeichneten, dass sie mit dieser senkrecht
standen zur Oberfläche der Magnetnadel, möglichst zu trennen.
Um dies zu bewerkstelligen, wurde der Bart auf einen Object-
träger abgeklopft und die dabei herabgefallenen Partikel zum
zweiten Male mit der Magnetnadel aufgenommen.
Da die Adhäsion an der Glasoberfläche der Adhäsion am
Magnetstäbcheu entgegenwirkte, so blieben die gänzlich nn-
magnetisclien jetzt grösstentheils liegen, und bei neuerlichem
Abstreifen fielen fast ausschliesslich solche nieder, denen ein
stärkerer oder schwächerer Magnetismus zukommt.
Um über den letzteren Punkt Gewissheit zu erlangen, und
zugleich eine weitere Scheidung unter ihnen vorzunehmen, wurde
die Spitze der Magnetnadel den fraglichen Partikeln unter dem
Mikroskope bloss genähert und beobachtet, ob und auf welche
Entfernung hin dieselben auf die Nadel übersprangen.
Stark magnetische Partikel von bedeutenderer Grösse
w^aren im Pulver sehr wenig vorhanden und schon nach dem
dritten oder vierten Durchstreifen mit der Nadel völlig ausgezogen.
Dieselben waren von schwarzer Farbe und halbmetallischem
Aussehen und zeigten bei Behandlung mit Säuren ganz das
Verhalten, wie es dem Magnetit zukommt. Zuweilen waren sie
mit Eisenrost bedeckt, zuweilen ihre Oberfläche intact, in
vereinzelten Fällen ihre Form als verzerrtes oder regelmässiges
Oktaeder erkennbar.
Vom Magnetit abgesehen, besassen alle übrigen stark
magnetischen Partikel die Form mehr oder weniger vollkommener
Küaelchen.
94 S c h u s t e r ,
Diese Kügelcheu waren von dimkler bis schwarzer Farbe ;
über ihr metallisches oder nicht metallisches Aussehen Hess
sich wegen ihrer Kleinheit in der Regel kein sicheres Urtheil
abgeben.
Anl'lö SU ngs versuche, die mit verdünnter und concen-
trirter Salzsäure und mit Salpetersäure angestellt wurden, gaben
wider Erwarten im Allgemeinen ein negatives Resultat.
Sie wurden von verdünnter Säure meist gar nicht oder sehr
langsam oder endlich nur zum Theile gelöst.
Niemals konnte eine ähnliclie Gasentwicklung wahr-
genommen werden, wie sie bei Einwirkung von conceutrirter
Salzsäure auf metallisches Eisen durch Bildung von Wasserstoff-
superoxyd in so charakteristischer Weise hei*vorgerufen wird.
Bisweilen bedeckt sich das betreffende Kügelchen im ersten
Momente mit einem Hof von grünlichgelbem Eisenchlorid, was
auf Lösung einer oberflächlichen Schichte ebenso wie auf Eisen-
gehalt hindeutet der Rest aber blieb unverändert.
Bisweilen hatte dieser Rest seine Kugelgestalt verloren und
es traten nun scharfe Ecken und Kanten im Umrisse hervor.
Bisweilen zeigte es sich, dass das Kügelchen nur scheinbar
homogen gewesen; beim Auflösen blieben an seiner Stelle ein
Aggregat von dunklen Körnern oder ein farbloses Skelet von
bestimmter Structur zurück.
Auch das Einlegen der Körnchen in Kupfervitriollösung und
in borwolframsaure Gadmiumlösung, welche durch gediegen
Eisen bekanntlich zersetzt wird, führte zu keiner Reaction.
Nirgends kam es zum Niederschlage metallischen Kupfers,
und nur in einem einzigen Falle habe icli einen blauen Zersetzungs-
fleck in der Cadmiumflüssigkeit wahrgenommen, aber nicht an
Stelle eines Kügelchens, was eben interessant gewesen wäre,
sondern in der Nähe eines Splitters.
Wenn man bedenkt, in welcher Art das Pulver aufgesammelt
wurde, so wird man der Gegenwart dieses Eisensplitters, selbst
wenn sie als erwiesen angenommen wird, keine Bedeutung
beilegen können, da er leicht als secundäre Verunreinigung in
den Staub hineingerathen sein könnte.
Die besprochenen Kügelchen sind also aus mehr als einem
Grunde interessant und räthselhaft zugleich.
Untersuchung eines Meteorstaiibes. 95
Metallisches Eisen sind sie nicht. Die leicht löslichen
unter ihnen könnte man mit Magneteisenerz identiticireu.
Bei den unlöslichen oder schwer löslichen und doch
unzweifelhaft magnetischen hätte man entweder an ein Erz,
wie Ilmenit zu denken, oder an etwas, was die Widerstands-
fähigkeit organischer Substanz und den Magnetismus der Erze
in sich vereinigt — also au ein vererztes Gebilde oder endlich
au eine eisenreiche Glassubstanz.
Zu Gunsten der Vererzung wäre noch anzuführen, dass viele
von ihnen bei günstiger Beleuchtung wie von einer dünnen,
durchsichtigen glashellen Haut überzogen, bisweilen wie gestielt
erschienen, andere bei genauerer Betrachtung keine ebene
Oberfläche besassen, sondern mit Auswüchsen bedeckt waren,
welche letztere oft gleichfalls rundlich erschienen, und sich bei
Einwirkung von Säuren rasch lösten, während die grosse Kugel
sich erhielt, dass endlich bei der Auflösung noch anderer that-
sächlich ein deutliches mit einer Structnr versehenes Skelet
zurückblieb.
Wenn die Möglichkeit einer Vererzung kugelförmiger orga-
nisirter Gebilde zugegeben wird, dann würde auch das eventuelle
Vorkommen metallischer Eisenkügelchen in Reductionsprocessen,
wie sie an sumpfigen Stellen unter Einfluss organischer
Substanzen nachweisbar thatsächlich vor sich gehen, ^ die natür-
lichste Erklärung finden und braucht ihnen nicht meteorische
Abkunft Zugeschrieben zn werden.
Hat ja schon Renard' hervorgehoben, wie wichtig es für
die Annahme kosmischen Ursprunges solcher Eisenkügelchen ist,
dieselben in ähnlicher Gesellschaft zu finden, wie in den unzwei-
felhaften Meteorsteinen, was hier ganz und gar nicht der Fall
wäre.
Es ist übrigens kein Zweifel, dass die Kugel eben von
sehr verschiedener Natur sind. Ausser den bereits ange-
führten gehört hierher noch die Thatsache, dass sie sich keines-
1 Siehe zu diesem Punkte Lasaulx: „Über sog. kosmischen Staub".
- A. F. Eenard und John Murray: Les caraeteres microscopiques
des ceudres volcaniques et des poussieres cosmiques et leur röle dans les
Sediments de mer profonde. Bull, du Musee Roy. d' hist. nat. d. Belgique.
Tome III, 1884.
96 .Schuster.
weg's alle im gleichen Grade magnetisch erweisen, dass von den
immagnetischen durch die schwach magnetischen zu den stark
magnetischen ein förmlicher Übergang existirt, dem ein analoger
in der Färbung entspricht, vom Gelbroth zum Braunroth, Braun,
Bläulich und Schwarz, wobei den letzteren der stärkste
Magnetismus zukommt.
Von den rothen und braunen Kügelchen, welche keineswegs
immer amorph, sieh zuweilen (bei günstiger Beleuchtung) mit
äusserst feinen dreiseitigen Facetten von Krystallflächen bedeckt
zeigten, die allerdings auf kein Octaeder, sondern auf eine com-
plicirte Combination hinzudeuten schienen (daher die Kugelform),
wäre ich geneigt, einige für Spinell oder ein ähnliches Mineral
zu halten; sie liegen bisweilen mitten in thonig zersetzten
Silikatresten. ^
Zu bemerken ist endlich, dass unter den schwach magnetischen
Partikeln auch Augitfragmeute und ein bronzefarbiges Mineral,
vielleicht Magnetkies (als Seltenheit), sich vorfanden.
Unter den kugelförmigen Gebilden wurden endlich nieren-
förmig bis traubig vereinigte Aggregate gefunden, die im auffal-
lenden Lichte die grünlichgelbe Farbe des Markasites besassen.
U n t e ]• s u c h u n g des Pulvers auf nassem Wege.
Behandlung mit Säuren.
Ätzung' mit Salzsäure.
Bei Zugabe einiger Tropfen von verdünnter Salzsäure fand
ein (offenbar je nach der zufälligen Mischung des Pulvers) bald
schwächeres, bald stärkeres Aufbrausen statt; bisweilen war ein
solches kaum wahrnehmbar.
Bei Anwendung concentrirter Säure und beim Erwärmen
erneuerte sich das Aufbrausen nochmals.
Gänzlich verschwunden waren, soweit sich coustatiren liess,
nach dieser Operation nur die Carbonate, gewisse Erz- und die
als Apatit angesprochenen Partikel; die übrigen Bestandtheile
erschienen in 'höherem oder geringerem Grade verändert, viele
gänzlich unangegriffen.
1 Ztisammeiiliaiig der kugelförmigen magnetischen Partikel mit Qnarz-
und Thonpartikeln ist überhaupt mehrfach zu beobachten gewesen.
Untersuchung- eines Meteorstaubes. 97
Die durch Eiseuchlorid gelblich gefärbte Lösung- ergab in
einem Falle direct, ohne Zuthiin von Schwefelsäure beim Ver-
dunsten vereinzelte Gypskrystalle. Dies könnte damit in Zusam-
menhang gebracht werden, dass ein schwefelhaltiger Bestand-
theil in der Weise zersetzt wurde, dass freie Schwefelsäure
entstand.^ Gleichzeitig erscheint dadurch bereits die Gegenwart
von Ca signalisirt.
Bei Zugabe von Schwefelsäure erfolgte in der That massen-
hafte Ausscheidung von Kalksulfat in der charakteristischen
Krystallform und den verschiedensten Zwillingsgestalten des
Gypses.
Die Lösung enthielt ausserdem Phosphorsäure und
Magnesia, von denen die erstere durch molybdänsaures
Ammon, die letztere durch Chlorammonium, Ammoniak und
Phosphorsalz nachgewiesen wurde.
Der Gehalt an Phosphorsäure ist hier wohl grösstentheils
dem verschwundenen Apatit zuzuschreiben, keinesfalls aber den
nicht nachweisbaren, und wenn überhaupt, so nur in minimalster
Menge vorhandenen Eisenkügelchen ; die Magnesia möchte ich
in diesem Falle weniger auf den Magnesiaglimmer, als auf ein
Carbonat beziehen.
So auch das Eisen, das zum Theile wohl von aufgelösten
Erzpartikeln herrührt und das durch Ferrocyankalium und
Rhodankalium direct nachgewiesen wurde.
Die mikroskopische Analyse des Rückstandes der
-Lösung gab folgende Resultate.
Wie schon das verschiedenartige Aufbrausen lehrte, liegen
Carbonate von verschiedener Löslichkeit vor.
Bei schwächerer Atzung waren nur die farblosen Rhom-
boederchen gänzlich verschwunden, die blassbläulich und grün-
lich gefärbten zurückgeblieben, aber in sehr verschiedenem
Erhaltungszustande.
Einige hatten die Rhomboederform noch scharf beibehalten,
andere waren vielfach gerundet.
^ Unter den oben aufgeführten Bestandtheilen kommt, abgesehen von
der organischen Substanz, nur dem Pyiit und Magnetkies Schwefelgehalt
zu. Die Salzsäure war vollkommen rein.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XC'III. Bd. I. Abth. <
98 S c h 11 s t e Y ,
kSolange bloss auf dem Objectglas operivt und das Pulver
i'iiifacli mit concentrirter Salzsäure überg-ossen und eintrocknen
gelassen oder selbst vorübergehend erwärmt wurde, fanden sich
im Rückstande immer noch solche Krystalle; erst bei wieder-
holter läng'erer Digestion unter gleichzeitiger Erwärmung im
Platinlöffelchen waren sie sämmtlich verschwuuden.
Die unmittelbar vorstehenden und vorausgegangenen Bemer-
kungen mögen die Bestimmung der vorliegenden Carbonate als
Calcit, eisenhaltigen Dolomit und Magnesit rechtfertigen.
Von den gefärbten Partikeln erschienen die Thonpartikel
nicht merklich verändert, im Ganzen nur etwas blasser gefärbt;
von den bräunlichen Blättchen (Glimmer) waren etliche etwas
krümlich zersetzt und gelblich gefärbt, die meisten aber intact
geblieben, einige zeigten deutlichen Dichroismus zwischen gelb
und rotlibraun.
Hornblende, Turmalin und Augitpartikel zeigten kaum eine
Veränderung, auch biäulichgrüne auseinander gebogene, unzersetzt
gebliebene Chlorittafeln fehlten nicht.
Daneben waren nun freilich auch grünliche, wie aus winzigen
Nädelchen zusammengesetzte Faseraggregate, vielleicht halb-
zersetzte, chloritische Substanzen zu beobachten und auch etwas
gallertige Substanz (Kieselsäure) hatte sich abgeschieden.
Der grünlich-gelbe Augit wurde namentlich in Form von
mikrolithischen Kry ställchen mit 31 — 36° Auslöschungsschiefe
nachgewiesen, die bisweilen zwillingsartig verwachsen waren.
(Man beachte und sehe dazu und zum Folgenden auf die
Tafeln und Tafelerklärung).
Unter den ungefärbten Partikeln fanden sich ferner lichter
Glimmer und stark lichtbrechende Substanzen wie
typischer Zirkon (bisweilen in rhomboederähnlicher Gestalt) und
Rutil in herzförmigen Zwillingen, bei denen die gegenseitige Nei-
gung der Hauptaxen zu 59° gemessen wurde; letztere Substanzen
waren jetzt häufiger und besser zu beobachten als früher.
Schwächer lichtbrechende ungefärbte Splitter (Quarz und
Feldspath) waren gleichfalls unverändert geblieben.
Quarz war vom Feldspath nicht in jedem einzelnen Falle
zu unterscheiden, da die Quarzsplitter hier meist so klein sind,
dass sie gleich den Quarzen in einer Porphyrgrundmasse ähnlich
Uiitersucluuig- eines Meteorstaubes. 99
polarisiren wie der Feldspath selbst imd eine Untersucbimg- im
convergenten polarisirteu Lichte kein gutes Eesultat gibt.
Da aber die grösseren, durch ihre Structur und ihre optischen
Eigenschaften (Spaltrisse und Auslöschungsschiefe) sich als
Orthoklas characterisirenden Fragmente stets gleichzeitig
trüb und fasrig gefunden wurden, während von den durch
Flüssigkeitseinschlüsse (auch mit spontan beweglicher Libelle),
durch lebhafte Polarisationsfarben und splittriges Aiissebeu
gekennzeichneten grösseren Quarzscherben das Gegentheil galt,
so waren wohl auch von den kleineren Körnchen die wasser-
klareu vorzugsweise dem Quarz, die trüben hauptsächlich dem
Feldspath zuzurechnen.
Isotrope glashelle Partikel der verschiedensten Form,
ähnlich gewissen Spongiennadelu, sowie den unter den Namen
Lithostylidium und Lithostomatium, Spongilithis etc. 1. c. von
Ehreuberg aufgezählten Gebilden fehlten ebenso wenig als die
unterschiedlichen Diatomeenpanzer, die im Gegentheile, von
färbenden Substanzen gereinigt, jetzt besser sichtbar waren, als
sonst.
Auch schwarze Partikel wurden wieder l)emerkt.
Viele von den früher vorhandenen Kügelchen und Scheibchen
waren auch nach der Behandlung mit der Säure wieder zu
finden ; eine Anzahl derselben hatte die Farbe verloren und
solche, die früher Aggregatpolarisation gezeigt hatten, zeigten sie
jetzt nicht mehr; vielleicht, dass diese theil weise verkalkt oder
schon ursprünglich kalkiger Natur gewesen waren.
Unter den Kügelchen fielen nur einige, scheinbar ganz voll-
kommene, metallisch aussehende, besonders auf, weil sie wie mit
einer glashellen, sehr dünnen Haut umgeben und mit schlauch-
förmigen Gebilden in Verbindung waren.
Die organischen Substanzen selbst waren kaum angegriffen.
Erwähnenswerth ist der Umstand, dass Proben des zuvor
mit Salzsäure behandelten Pulvers nach dem Glühen viel mehr
verkohlte Partikel zu enthalten schienen, als beim directen Glühen
der Substanz für gewöhnlich beobachtet wurden.
Schwach geglühtes Pulver, nachher mit verdünnter Salzsäure
behandelt, zeigte anfangs kein Aufbrausen, dagegen an ver-
100 Schuster.
schiedeneu Stelleu sofortige Gelbfärbung- durch Eisenchlorid;
Aufbrausen stellte sich jedoch ein bei erneuter Zugabe von
concentrirter Salzsäure.
Ätzung durch Salpetersäure.
Der Erfolg war im Ganzen ein ähnlicher, wie im vorigen
Falle, die Wirkung im Allgemeinen kräftiger, namentlich gegen-
über den im Staube enthaltenen organischen Bestandtheilen,
indem der grösste Theil dessen, was organischen Ursprunges war,
nunmehr entfernt oder zerstört schien.
Während des langsamen Abdampfen« von verdünnter
Salpetersäure nahm das eingestreute Pulver eine autfallend roth-
bräunliche Farbe an. In der partiellen Salpetersäuren Lösuug
wurden wieder Fe, Ca in zienüicher Menge, Mg und P (noch
deutlicher als früher) nachgewiesen.
Unter den zurückgebliebenen eckigen Partikeln hebe ich
hier hervor schwärzlich bis grünlichbraun und gelbbraun durch-
scheinende dichroitische, theils unangegriffene, theils etwas
gebleichte Fragmente, von denen erstere auf Hornblende und
Phlogopit, letztere auf Biotit bezogen wurden, ferner grünliche
bis farblose, breitere und auch schmälere prismatische Krystall-
fragmente, von denen einige sehr grosse Auslöschungsschiefe
(gegen 37°), andere wiederholt circa 12° besassen, wesshalb die
ersteren mit Augit, die letzteren mit Spaltungsstücken einer
zweiten, lichteren Hornblende identificirt wurden; von Quarz-
körnern, Feldspathbruchstücken mit Spaltflächenbegrenzung,
Thonpartikelu gilt dasselbe wie im vorigen Falle, ebenso von den
unverändert gebliebenen Blättchen weissen Glimmers und Talkes.
In Betreff der rundlichen Partikel ist zu erwähnen, dass eine
Anzahl rother sowohl, als schwarzer Kügelcheu wieder unver-
ändert sich erhielten, ausserdem aber solche von gelblicher Farbe
(in traubiger x^ggregation) bemerkt wurden.
Während erstere durch Glühen nicht entfernt wurden, waren
letztere in der geglühten Probe des mit Salpetersäure bebandelten
Pulvers spurlos verschwunden.
Es sind auch sonst noch Anhaltspunkte geboten für die Ansicht,
dass dieselben von' Schwefelkies herrührten, welcher in der Sal-
petersäure unter Abscheidung von Schwefel gelöst worden war.
Uutersuclumg eines Meteorst;iubes. 101
Hinsichtlich der Natur der erstgenannten Kligelchen ist
folgende Beobachtung von Wichtigkeit, welche zugleich zeigt,
dass manche davon nur scheinbare Kugelform besitzen.
Eine grössere schwarzbraune Kugel zeigte sich bei günstiger
Beleuchtung im auffallenden Lichte bei starker Vergrösserung
von einer Unzahl Krystallfacetteu bedeckt, welche einen aus-
geprägt tesseralen Charakter trugen und sofort an eine reich-
haltige Spinell- oder Granatcombination erinnerten, etwa mit
Leucitoeder-, Rhombendodekaeder-, Würfelflächen, aber auch
Oktaederflächen.
Da letztere nicht zu fehlen schienen, so wäre ich geneigt,
in diesem speciellen Falle eher an einen Spinell (Pleonast zum
Beispiele, von dem so reiche Combinationen längst bekannt sind)
als an einen Granat zu denken.
Typischer Zirkon und auch Anatas wurden wiederbemerkt.
Das mit Salpetersäure behandelte Pulver nahm nach ein-
stündigem Glühen eine viel röthere Farbe an als sonst, und zwar
waren namentlich die jetzt viel deutlicher hervortretenden Thon-
partikel, sowie die bräunlichen Hornbleudefragmente nun roth-
braun geworden.
Unter den Kügelchen waren viele, die im auffallenden Lichte
dunkelroth, im durchgehenden vollkommen schwarz erschienen.
Auch Partikel von ähnlicher Färbung, aber polygonalem (bisweilen
hexagonaiem) Umriss wurden beobachtet.
Die früher nur im polarisirten Lichte unterscheidbareu,
schwächer lichtbrechenden, farblosen Partikel erschienen nun mit
dunklen Pünktchen wie bestreut, wodurch ihre Umrisse sich viel
deutlicher vom Untergründe abhoben.
ÄtzuMg durch Schwefelsäure.
Proben des Pulvers, mit Schwefelsäure erhitzt, wurden vor-
übergehend schwarz.
Die Schwärze (herrührend von organischer Substanz) liess
sich über offener Flamme leicht verjagen, das zurückgebliebene
Pulver war röthlichbraun, enthielt wohl keine organische
Substanz mehr, aber noch immer Partikel organischen Ursprunges.
Der Biotit war sehr stark gebleicht (und bei Anwendung von
concentrirter Säure und nach längerem Kochen) vollständig
102 Schuster,
entfernt worden, respective ein blosses Kieselskelett zurück-
geblieben. Darin schienen jetzt mikrolitbisclie Einschlüsse her-
vorzutreten, die im Aussehen unter anderem mit Rutil und Augit-
nadeln übereinstimmten. Der bläulichgrüne Chlorit war gänzlich
verschwunden.
Dagegen lehrt auch diesmal die Beobachtung, dass zweierlei
braun gefärbte Glimmer, von verschiedener Widerstandsfähigkeit
gegen die Säure neben einander vorhanden seien. Die Thon-
partikel zeigen deutliche Spuren von Zersetzung, gallertige
Substanz ist reichlicher zu bemerken als in den früheren Fällen.
Zirkon erscheint bei schwacher Atzung auf dem Objectträger
gerundet, bei stärkerer ist er verschwunden; der Rutil aber
zurückgeblieben, ebenso der Anatas.
Die jetzt durch Zusammenschmelzen des Pulvers gebildete
Schlacke war von der direct erhaltenen nicht sehr verschieden.
Aus der schwefelsauren Lösung schieden sich beim Ver-
dunsten reichliche Gypskrystalle aus.
Das zuerst geglühte, dann mit Schwefelsäure behandelte
Pulver zeigte in vieler Hinsicht eine auffallende Ähnlichkeit mit
gewissen rothen Thonen von Siena, namentlich durch den Reich-
thum an krümlichen bräunlich-gelben, im auifallenden Lichte
orange- bis ziegelrothen, Partikeln und Kügelchen.
Diatomeen und ähnliche Gebilde entschieden organischen
Ursprunges enthielten bisweilen rothe Massen von kugelicher
Gestalt, die wie zusammengesintert aussehen. Vollkommen
scharfe, blasse Kugeln erschienen andererseits augefüllt mit
krümlichcm Inhalt.
Wie im vorigen Falle ist theilw^eise Zersetzung der Silicate
und Abscheidung von Kieselsäure eingetreten, Bemerkenswerth
ist das häufigere Hervortreten von Augitmikrolithen (zum Theile
in Zwillingen), wie man sie in Glimmer zuweilen eingeschlossen
findet, von Anatas- und Spinellkrystallen und Körnern, letztere
bisweilen von bläulichschwarzer Farbe und splittrigeni Aussehen.
Beh.an(lluug mit Flusssäure.
Das Pulver wurde auf einem mit Canadabalsam überzogenen
Objectglase mit Flusssänre wiederholt befeuchtet.
Unter SU chuii.g' eines Meteorstaubes. 103
Nach einem Tage hatten sich reichlich spiessige Kiystalle von
Kieselfluorcalcium, Oktaeder und Würfel von Kieselfluorkalinm
und viele Rhomboeder von Kieselfluormagnesium abgeschieden.
In kriimlicher Form erschien Kieselfluoraluminium. Natrium,
wahrscheinlich in geringer Menge gleichfalls vorhanden, konnte
nicht unzweifelhaft erkannt werden.
Aufschliessiing durch Flusssäure unter Zusatz von
Schwefelsäure wurde im Platinschälchen vorgenommen.
Bei unvollkommener Aufschliessung fanden sich im Eück-
stand ausser Fasern organischer Natur, verkohlten Substanzen,
noch Splitter, die wie Glas- oder Quarzscherbeu aussehen und
stark lichtbrechende Substanzen wie Anatas, Zirkon und Rutil
und endlich Spinellkörnchen.
Zur vollständigen Aufschliessung wurden Proben des Pulvers
wiederholt mit Flusssäure übergössen und jedesmal laugsam zur
Trockene eingedampft, dann mehrmals verdünnte Schwefelsäure
zugegeben und diese immer wieder, zuletzt aber nur unvollständig
abgeraucht.
Bei Zusatz von Schwefelsäure in der Hitze trat etwas Ver-
kohlung ein.
Es wurde der Zusatz von Schwefelsäure fortgesetzt, bis eine
weitere Schwärzung nicht stattfand.
Die kohligen und flüchtigen Substanzen, welche zunächst an
den oberen Rand des PlatinlöfPelchens überdestillirten, wurden
schliesslich über offener Flamme vollkommen verjagt.
Der Rückstand war diesmal fast Null, Ausgenommen ein
Turmalinsäulcheu, vereinzelte Rutilnädelchen (knieförmige Zwil-
linge) und Spinell waren nur Gypskrystalle, schief auslöschend
mit rhomboidischen Umrissen, und gerade auslöscheudeNädelchen
rhombischer Sulfate in der eintrocknenden Lösung zu beobachten.
Bei Zugabe von HCl entstanden an Stelle der sich trübenden
Gypskrystalle büschelige Nadelaggregate von Anhydrit.
In der klaren Lösung, welche nach der Aufschliessung
erhalten worden war, wurde durch Chlorammonium, Ammoniak
und Phosphorsalz reichlich Magnesia, sowie K durch Platin-
chlorid in der Form von Würfeln mit Rhombendodekaedern und
Oktaedern und selbständigen Oktaedern nachgewiesen. Der
Versuch Na nachzuweisen, blieb ohne Erfol«:.
104 Schuster,
Die .Schmelze des Pulvers wurde von Kieselfluor-
wasserstoffsüure nur tlieihveise ang-egriffeu. Am zahlreicbsteu
entstanden diesmal regelmässige und verzerrte, ziemlicli grosse
Ebomboeder der Magnesium Verbindung, daneben aber auch
wieder die eigentbümlicb weekenartigen Formen der Calci um-
und die scharfen und regelmässigen der Kalium Verbindung,
Kräftiger war die gleichzeitige Einwirkung von Flusssäure und
Kieselfluorwasserstoffsäure, das Endresultat aber im Ganzen
dasselbe.
Bei Behandlung der Schmelze mit Flusssäure und
Schwefelsäure im Platinlöffelchen blieben nach längerer Ein-
wirkung des Gremisches unter gleichzeitiger Erwärmung nur sehr
wenig Mineralpartikel uuzersetzt zurück.
Beim Verdunsten der Lösung schieden sich natürlich wieder
Gypskrystalle und bündeiförmige, spiessige Krystalle rhom-
bischer Sulfate ab.
Aufschliessung durch kohlensaures Natron wurde
auf dem Deckel eines Platintiegels vorgenommen. Die Probe
wurde mit einer entsprechenden Menge wasserfreien kohlensauren
Natrons während einer halben Stunde zusammengeschmolzen.
Die erhaltene Schmelze, welche, vermuthlich von aus-
geschiedener Seh wef eil eher, stellenweise etwas bräunlich
gefärbt erschien, wurde nach dem Aufweichen mit Wasser
durch verdünnte HCl aufgenommen.
Beim Eintrocknen eines Theiles dieser Lösung schieden sich
in der That vereinzelte Gypskrystalle ab, was die vorstehende
Beobachtung zu bestätigen schien.
Die Schmelze hatte sich zunächst vollkommen gelöst bis auf
Flocken und Körnchen von Kieselsäure, die darin herum-
schwammen und Fuchsinlösung festhielten. In dem klaren Theile
der Lösung wurden nebst Kalk, Eisen etc. (wie früher) jetzt
noch Aluminium (durch Cäsiumchlorid) in reichlicher Menge
direct nachgewiesen.
Schlussbetrachtungen. Vergleich mit anderen Staub-
fuuden.
Nächst der Zusammensetzung beansprucht wohl die Frage
nach der Herkunft der Bestandthcile das meiste Interesse.
Untersiichuug- eines Metoorstaubes. 105
im Folgeudeu sollen jene Punkte kurz zusammengestellt
werden, welche in dieser Beziehung Beachtung zu verdienen
scheinen.
1. Über den terrestrischen Ursprung des vorliegenden
Staubes kann, wie oben liervorgehoben wurde, kaum ein Zweifel
bestehen.
Dazu ist Folgendes in Erinnerung zu bringen: In der ersten
Zeit, wo man anfing, derartigen Staubfällen melir Beachtung zu
schenken, brachte man bekanntlich dieselben mit echten
Meteoritenfällen in Zusammenhang und Arago gab der Meinung
Ausdruck, dass zwischen ihnen und den letzteren kein wesent-
licher Unterschied bestehe, eine Meinung von der man jedoch
bald zurückgekommen ist.
Man fand nämlich, dass die verschiedenen aus der Atmo-
sphäre niedergefallenen Staubmassen, von zahlreichen pflanzlichen
und anderen organischen Resten abgesehen, fast ihrer ganzen
Masse nach aus Mineralpartikeln bestehen, die eine Deutung als
Detritus mehr oder weniger naheliegender Gesteine sehr wohl
zulassen, also mindestens v o r w i e g e u d terrestrischen Ur-
sprunges sind.
A. V. Lasaul X, welcher in seinem citirten Aufsatze „Über
sogenannten kosmischen Staub-'' die Resultate früherer Beob-
achter übersichtlich zusammengefasst hat und auch eine Reihe
eigener Beobachtungen über Staubfunde von Grönland, Catania
und Kiel mitthcilte, gelangt schliesslich sogar dahin, die atmo-
sphärischen Staube lediglich für terrestrischen Detritus zu
erklären.
Nach ihm sind es nach den Gegenden, in denen die Staube
niederfallen, verschieden zusammengesetzte Mineralgeuienge,
in denen allen der Quarz, das der Verwitterung am besten und
längsten widerstehende Mineral, eine Hauptrolle spielt, und in
denen immer neben organischer Substanz Magneteisen oder
verwandte Eisenverbiudungen und endlich metallisches Eisen
sich vorfinden.
Der Gehalt an metallischem Eisen war es hauptsächlich, den
man als für solche Staubfälle charakteristisch ansah und den man,
1 UI. Bd. von Tschermak's Mineral, u. petrogr. Mittheil. 1881,
pag. 517.
106 Schuster.
wenn nicht ausscliliesslicli, doch wesentlich auf kosmischen
Ursprung' zurückführte.
So unter anderen Beobachtern Taechini^^ welcher im
Staube, den die Cyklone vom 24. Februar 1879 nach Palermo,
Neapel und Termini brachte, sehr kleine (0*001 — 0-041 Mm.)
schwarze Kügelchen wahrnahm, die ihm die chemischen
Eeactioncn metallischen Eisens gaben.
Ähnliche Resultate erhielten Meunier und Tissandier
(Comptes rendus, 18. Februar 1878) die, ebenso wie Silvestri
in seiner zweiten Abhandlung über den Staub von Catania vom
29.-30. März (Academia dci Lincei, 2. Mai 1880) das Vorhanden-
sein von Kügelchen metallischen Eisens und gleichzeitig Mckel-
und Phosphorgehalt nachwiesen.^
Hinsichtlich des vorliegenden Staubes wurde nun schon
früher ausführlicher auseinandergesetzt, dass derselbe zwar
gleichfalls magnetische Kügelchen enthalte, die, was Grössen-
verhcältnisse und Aussehen betrifft, beispielsweise mit der
Beschreibung, welche Silvestri von jenen Gebilden gibt, voll-
kommen übereinstimmen, das chemische Verhalten metallischen
Eisens aber durchaus nicht zeigen.
Ich habe ferner gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht,
dass bei der durch andere Gründe wahrscheinlich gemachten
Vererzung gewisser Partikel organischer Natur auch das thatsäch-
liche Vorkommen metallischer Eisenkügelchen noch nicht noth-
wendiger AVeise kosmischen Ursprung in sich schliessen müsste,
sondern, ähnlich, wie dies Lasaulx^ thut, auf andere Weise
erklärt werden k(5nnte.
Dazu kommt endlich, dass hier auch von unmetallischen,
mineralischen Partikeln entschieden meteorischen Ursprunges
nichts zu beobachten war, obwohl jene, wieLasaulxhervorhob, in
1 M. Tacchini, 8ur des partieiihss lernigineiises obsevves claus la
poussiere ameuee par uu coup de veut de Sirocco en divers points de
l'Italie. C. E. 1879, 1. semestre T. LXXXVIII, Nro. 11.
- Nachdem zuerst Nordeuskiökl 1874 unter ähnlichen Verhältnissen
Nickel- und Kobaltgehalt aufgefunden hatte.
•' L. c. pag. 53l,wo eine Anzahl von den bisher constatirten Vorkomm-
nissen gediegenen terrestrischen Eisens aufgezählt werden, die, wie er sagt,
allerdings nur spärlich, aber gerade solche siiul, welche die in den Stauben
vorhandene Association mit organischer Substanz zu erklären vermögen.
Untci'suchniig eines Meteorstaubes. 107
dem Miueralgemeug-e der meisten echten Meteoriten das Eisen au
Häufigkeit übertreifen und daher auch im Meteorstaube von
vorneherein in grösserer Menge zu erwarten wären als dieses
selbst, so beispielsweise nichts von jenen höchst interessanten
von A. Renard* beschriebenen und abgebildeten Enstatit-
Chondren, in deren Gesellschaft sich die aus den Sedimenten des
Meeresgrundes von der Challenger-Expedition gesammelten, mit
einem metallischen Eisenkerne und einer Hülle von Magnetit
versehenen magnetischen Kügelchen vorfanden.
2. Es ist der Umstand /u berücksichtigen, dass Klagenfurt,
also der Ort, wo der in Rede stehende Staub niedergefallen ist,
(hauptsächlich im W, N, und 0) von krystallinischen Gebirgen
und zwar Schiefern der Primärformation umgeben ist, während
(im S und SO) auch Granite, bei Kappel und im Bacher- Gebirge,
nicht weit entfernt liegen und (hauptsächlich im S) Dolomite und
Kalkberge in der Umgebung ebenso wenig fehlen, so zw^ar, dass
das Material, welches den mineralogischen Bestand des auf-
gesammelten Schlammregens ausmachte, ganz in der Nähe
wiedergefunden werden könnte.
Diese Thatsache gewinnt dadurch einige Bedeutung, dass
in letzter Zeit von verschiedenen Forschern, die sieh mit dem
Gegenstande beschäftigten, der Nachweis geführt wmrde, dass
die sogenannten atmosphärischen Staube keineswegs noth-
wendigerweise aus grosser Ferne herstammen müssen, sondern
auch in der Nähe des Fallortes ihren Ursprung haben können.
Dagegen würde sicli dieselbe Thatsache freilich unter einem
anderen Gesichtspunkte darstellen lassen, sobald dargethan
werden könnte, dass auch andere Staubfimde, w^elche um dieselbe
Zeit in anderen z. B. weit südlicheren Gegenden gemacht wnirden,
im Wesentlichen die gleiche Zusammensetzung zeigen.
Von dem vorjährigen Staubfalle standen mir solche Beispiele
zwar nicht zu Gebote, jedoch wurde mir vom Herrn Hofrath
Tschermak eine Staubprobe mit der Etiquette: „Meteorstaub
von Fiume, Winter 1878/79" zur Verfügung gestellt, welche
obigen Satz bis zu einem gewissen Grade wahrscheinlich macht.
1 Bulletin du Musee Eoyal d' histoire naturelle de Belgique,t. III, 1884,
IL partie, pag. 21 d. Separatabdruckes. Ebenda pag. 22 wird im Gegensatze
dazu ein rein terrestrischer Staub vom Gipfel des Ben Nevis besprochen.
108 Scliustüi-,
Nacli der im Eingänge dieser Arbeit reprodueirten Notiz des
Herrn F. Seeland bat nämlicb der vorjäbrige Scblammregen
(vom 14. October) in Kbig-enfurt im Februar 1879 bereits seinen
Voiläufer gebabt.
Seeland schreibt darüber: „Es ist derselbe Staub, welchen
uns am 25. Februar 1879 ein SE.-Sturm über Lesina herauf, wo
er auch beobachtet wurde, nach Klagenf'urt brachte und welcher
damals den massenhaft fallenden Schnee roth färbte."
Es ist wahrscheinlich, dass die unter der Etiquette „Fiume"
mir übergebene Probe mit dem eben citirten Staubfalle aus dem
Jahre 1879 in Verbindung- steht, und dass der betreffende Staub
somit eigentlich ein dem hier ausführlich beschriebenen analoges
aber in südlicheren Gegenden uiedergefallenesVorkommeu betrifft.
Als mir die erwähnte Staubprobe zukam, hatte ich die vor-
stehenden Untersuchungen bereits abgeschlossen; ich habe die-
selbe daher nicht eingehender geprüft.
Indessen genügte schon eine flüchtige mikroskopische
Analyse von Canadabalsampräparaten, um zu dem bemerkeus-
werthen Resultate zu gelangen, dass der Staub von Fiume alle jene
Mineralpartikel wieder enthalte, welche als Hauptbestandtheile
im Klagenfurter Staube sich vorfanden, so die Carbonatrhom-
boSder, Glimmerarten, Quarz- und Thoni)artikel.
Als Unterschied wäre bloss Folgendes hervorzuheben.
Während in dem Klagenfurter Staube die einzelnen Partikel
in den Grösseuverhältnissen nach oben und unten hin meist eine
gewisse mittlere Grenze einhalten, erscheinen hier in jener
Hauptmasse von Bestandtheilen bestimmter Grösse, welche, für
sich betrachtet, in ihrem Gesammteindrucke dem erstgenannten
Staube ungemein ähnlich sieht, einerseits sehr feiner Mulm,
andererseits ziemlich grobe Fragmente z. B. Gesteinsbrocken,
grössere Quarzsplitter mit reichlichen Flüssigkeitseinschlüssen,
Bruchstücke von Muschelschalen etc. und eine viel grössere
Menge organischer Reste, theils thierischen Ursprungs (z. B_
thierische Haare) und verkohlte Substanzen eingestreut.
Die Klagenfurter Staubproben sehen dem gegenüber fast
wie gesiebt oder gcsclilämnit aus.
Es ist leicht möglich, dass der Grund davon in der Art der
Aufsammlung liegt, welche in Fiume vielleicht nicht mit der
Uiitersiichiiug eines Meteorstaubes. 109
gleichen Sorgfalt geschah, so dass mehr Localstaub dazu kam
und dass aucli der grössere Wechsel des Kornes, sowie die
Mannigfaltigkeit und Ungleichheit der Mischung zum Theile
darauf zurückzuführen ist.
Was die darin enthaltenen Diatomeenreste betrifft, so ist zu
bemerken, dass zwar viele Arten beiden gemeinsam zukommeu,
dass aber der Fiumer Staub an solchen noch weit reicher sein
dürfte als der früher genannte^ und dass gewisse Gattungen wie
Navicula und Synedra darin in grösserer Häufigkeit vorhanden
sind, während sie umgekehrt in jenem eine untergeordnetere
Rolle spielten.
3. Man wird aus dem Gesagten bereits entnehmen können,
dass gerade die mineralischen Hauptbestandtheile des Klagen-
furter Staubes an und für sich zum Mindesten zu wenig charak-
teristisch sind, um sich zur Entscheidung zu eignen, ob das
Staubmaterial aus der Cmgegend entnommen wurde oder nicht
und dass die Beachtung der organischen Reste darüber vielleicht
eher Aufschluss zu geben vermöchte.
Von entscheidender Wichtigkeit wäre wohl die unzweifelhafte
Constatirung von Meeresformen unter den hierher gehörigen
Gebilden.
Nach dem vergleichenden Studium der von Ehrenberg
gelieferten Abbildungen scheint mir das Vorkommen von solchen
sehr Avahrscheinlich, in jedem Falle aber ein sehr untergeordnetes
zu sein; ich muss mich jedoch begnügen, die Aufmerksamkeit
der Fachgelehrten auf diesen Punkt zu lenken.
4. Da der Wind, welcher die beiden soeben besprochenen
Staubregen brachte, aus dem Süden kam, so drängt sich anderer-
seits gleichzeitig die weitere Frage auf, ob nicht etwa allen von
Süden kommenden und von dort her über Europa sich aus
breitenden Stauben gewisse Hauptbestandtheile gemein seien.
Wenn wir die von Silvestri wiederholt untersuchten von
Catania und jene Reihe von Passatstauben und Blutregen in
Betracht ziehen, mit denen E hrenb er g sich seinerzeit so ein-
gehend beschäftigte, so scheint dies bis zu einem gewissen Grade
thatsächlich der Fall zu sein.
Den Aufzeichnungen Silvestri's. welche durch Las au Ix
1. c. etwas ergänzt wurden, entnehme ich nochmals Folgendes;
110 Schuster,
Das betreffende Pulver zeigte bei BeliaiuUimg- mit Säuren
lebhaftes Aufbiausen, worauf ein unlöslicher gelblichbrauner
Rückstand blieb (wie in unserem Falle). Im Staube A'om März
1872 blieben vier Fünftel von Säure unangegriffen; das letzte
Fünftel bestand zur Hälfte aus Kalkcarbonat, zur andern aus
durch Hitze zerstörbarer, organischer Materie.
(In unserem Falle scheint wohl der Kalkgehalt grösser, die
Menge der verbrennlichen Substanz eher etwas geringer zu sein.)
Im Staube von 1880 wurden 257o lösliche und 75% unlösliche
Substanz unterschieden. In der Lösung wurden Kalk und Eisen
(mit einer Spur von Nickel) und (0 -14570) Phospliorsäure nach-
gewiesen.
(In unserem Falle auch noch reichlich Magnesia, aber kein
Nickel.)
Silvestri erwähnt auch glitzernde Glimmerpartikel, die
Lasaulx nicht anführt.
Nach beiden bilden Thonpartikel (und Quarz) sowohl der
Zahl als Grösse nach im unlöslichen Theil den weitaus über-
wiegenden Bestandtheil.
Von den schwarzen Kügelclien, welche von Silvestri nach
den chemischen Reactionen zum Theile für metallisches Eisen
gehalten wurden, war bereits vorhin die Rede.
Lasaulx gibt an, dass sie sich grösstentheils wie Magnetit
verhalten, bisweilen nierförmig sind und mit Thon- oder Quarz-
partikeln zusammenhängen, und dass die eisenhaltigen schwarzen
Partikel höchstens 2 — 3% ausmachen.
Endlich erkannte Lasaulx noch das Vorhandensein von
Gyps und im Gegensatze zu Silvestri vereinzelte ätnaische
Bestandtheile, wie Plagioklas und Olivin, während Mikroklin auf
die Umgegend von Messina bezogen wurde.
Was die Organismen und Organismenreste aus dem März-
regen von 1872 betrifft, so wurden deren eine ziemliche Mannig-
faltigkeit aufgeführt und zum Theile auf zwei Tafeln abgebildet,
und zwar von verbrennlicher Substanz: Epidermisfragmente,
Gewebefragmente, Zellmembranen, Conferventheile, Haare, Stern-
haare, kleine Fructificationsorgaue, so Pilzsporen; endlich noch
Diatomeen und Infusorien.
üutersuehniig- eines i[eteorstaul)es. 111
Infusorien wurden in unserem Staube nicht gefunden (auch
der Versuch einer Wassercultur hatte keinen Erfolg); auch
fehlten die (dort vorhandenen) groben Fragmente pflanzlichen
Ursprunges, wie grosse PoUenkörner und Sternhaare; letztere
waren jedoch im Fiumaner Staube vertreten gewesen.
Andererseits enthielt auch der Staub von Catania wieder
Gallionellen, Discopleen, Synedra, Navicula etc.
Kurz, im Ganzen kann man sagen, dass, bis auf locale
Beimengungen, wozu im Staube von Catania insbesondere der
echt sicilianische Gyps, sowie in Betreff der Organismenreste
beispielsweise die sternförmigen Schüppchen von der Blatt-
unterseite des Ölbaumes gehören und denen im Staube von
Klagenfurt etwa die grössere Menge von Carbonaten überhaupt,
das Vorhandensein von Magnesiacarbon at insbesondere und
namentlich das Vorwalten der Magnesiaglimmer gegenüber-
gestellt werden könnte, beiderlei Vorkommnisse in ihrer Zu-
sammensetzung nicht wesentlich verschieden seien. — Ähnlich
verhält es sich auch mit den Forschungen Ehrenbergs.
Gleich anfangs (in seineml849 erschienenen Werke, welches
mir zur Hand ist) richtet er die Aufmerksamkeit auf die
auffallende, allen Meteorstauben eigenthümliche, vom Eisengehalt
herrührende stets gelbe und löthliche Farbe.
Seine Mittheilungen über die Partikel mineralischer Natur
sind, wie erwähnt, weniger ausführlich als die über die
Organismenreste.
Als Resultat der chemischen Untersuchung- gibt er an:
Kieselerde, kohlensaure Kalkerde undKohle (welche sich zum
Theile schon durch das Vorhandensein organischer Materie
erklären), Thonerde, Eiseuoxyd, Manganoxyd, Talkerde, Kali,
Xatron, Kupferoxyd, Wasser und organische (verbrennbare)
Materie.
Als Resultat der mikroskopischen Analyse: Quarzsand,
feinerer, gelblicher oder röthlicher Mulm, überaus feinkörniger
Staub, welcher der Gallionella fernigineu zugeschrieben wird,
und dazwischen zahlreiche organische Formen und Fragmente,
ferner vereinzelt fast immer Bimsteinfragmente, grüne Krystall-
prismen und zwar durchsichtige, im Wasser nicht, in Säuren
schwer lösliche, meist sehr kleine, lauchgrüne, im auffallenden
112 .Schuster,
Lichte dunkler gefärbte Pyroxen- und Hornblendekrystalle leb-
haft bräunliche, rothe bis hyacinthrothe Säiilchen mit unausgebil-
deten Enden, welche alle auf die eingreifende, die Mischung-
etwas verändernde Thätigkeit der Yulcane (Beimengung vul-
canischer Aschen und Tuffe) zurückgeführt wurden, endlich fast
stets einzelne weisse, in Salzsäure schnell auf lösliche Kalk-
krystalle.
Wenn man diese Angaben in Betracht zieht, und damit die
Abbildungen vergleicht, welche er (zum Theile in Totalansichten
der Staubproben), von den beobachteten Mineralpartikeln auf seinen
zahlreichen Tafeln gibt, so scheint daraus mit grosser Wahrschein-
lichkeit hervorzugehen, dass auch hier Quarzpartikel, Thon-
partikel, Glimmer (nach den Abbildungen, obwohl nirgends
erwähnt) und Carbonatkryställchen (wovon die grünlichen ver-
muthlich verkannt wurden) eine Hauptrolle spielen, dass Horn-
blende und Augit nur unterg;eordnet auftreten, aber auch Zirkon-
krystalle und Turmalinnädelchen ihm aufgefallen sind.
Die Orgauismenreste werden dort aufgeführt als Polygastern^
Phytolitharien, Polycystineu, Polythalamien und weiche Pflanzen-
theile, zusammen in 320 Arten.
Viele davon, namentlich von den weichen (verbrennlichen)
Pflauzentheilen, wie grosse Sternhaare, Pinuspollen, ebenso wie
andererseits Schmetterling-sschuppen, Spongiennadeln u. s. w.
fehlen unserem Staube allerdings.
Schon oben wurde jedoch darauf hingewiesen, dass zwischen
den Diatomeenresten, welche Ehrenberg aus so zahlreichen atlan-
tischen und europäischen Meteorstauben beschrieben hat und den
hier-beobachteten eine mehr oder minder grosse, jedenfalls aber
eine generelle Ähnlichkeit besteht, insoferne zwar viele davon
fehlen, doch (wie die beigegebenen Tafeln zeigen sollen)
wenigstens alle Hauptgattungen auch hier ihren Vertreter
gefunden haben.
5. Indem ich schliesslich die Möglichkeit im Auge behalte,
dass der Ursprung des im Vorjahre in Klagenfurt niedergegan-
genen Schlammregens entweder ganz oder vorzugsweise in der
Ferne zu suchen sei, will ich noch einen Augenblick dabei
verweilen, die Gründe zu untersuchen, welche für und gegen
die von Herrn F. Seeland ausgesprochene Vermuthung geltend
Untersuchung eines Meteorstaabes. 113
gemacht werden könnten, wonach die Wüste Sahara als die
eigentliche Heimath des hier zur Untersuchung gelangten Staubes
anzusehen sei.
Bei der soeben erörterten Ähnlichkeit und den mehrfachen
Beziehungen, welche zwischen der Zusammensetzung dieses
Staubes und derjenigen der sicilianischen und der Passat-Staube
überhaupt bestehen, wird es wichtig sein, vor allem das Urtheil
zu berücksichtigen, welches nebst anderen Forschern Silvestri*
und Ehrenberg über diesen Punkt sich gebildet haben.
Die Ansicht, dass alle die rothenSchlammregen^welche Föhn
und Sirocco gelegentlich bringen, in der Wüste Sahara ihren
gemeinsamen Ausgangspunkt haben, wurde bekanntlich schon
früher ausgesprochen und namentlich von Desor (inNeuchatel)
Escher und Mas so n (in Zürich) und Wild (in Petersburg)
vertreten, welche den Föhn der Alpen als dem Sirocco Italiens
correspondirend ansahen.
H. Tarry hat in der Pariser Akademie (9. März 1870) eine
förmliche Theorie entwickelt, welche die (in Europa besonders
häufig zu gewissen Zeiten des Jahres, wie Februar und März,
stattfindende) Bildung von Cyclonen betriift, die einerseits die
Äquatorialgegenden von Amerika mit dem Norden Europas und
anderseits die nördlichen Gegenden von Europa und das
tropische Afrika in Verbindung setzen und von da, nachdem sie
eine grosse Menge des in den höhereu Luftschichten über der
Sahara enthaltenen, fein vertheilten Staubes mit sich fort-
geuommen, als Südwinde über Italien nach Europa zurück-
kehren.
Im Gegensätze dazu befindet sich Dove (Berlin), welcher in
seinen Untersuchungen über den Föhn der Schweiz zu beweisen
suchte, dass derselbe dem Sirocco Italiens nicht entspricht und
welcher überdies der Meinung entgegentrat, dass der Sirocco
selbst immer afrikanischen Ursprunges sei; er ist geneigt, die
Provenienz der im Europa fallenden Staube in noch weiterer
1 Silvestri hat pag. 146 — 151 in seinem oben erwähnten Aufsatze
Ricerche chimico-micrografiche sopra le Piogge rosse e le Polveri meteo-
riche dalla Sicilia in occasione di grandi burrasche atmosferiche. Atti Acc.
Gioen. Catania vol. XII, mit der Discussion dieser Frage sich eingehender
beschäftigt.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Gl. XCIII. Bd. I. Abth. 8
114 Schuster,
Ferne, etwa in Amerika zu suchen, wodurch er sich einer Ansicht
anschliesst, die Ehrenberg l.c.bezüglich der Passatstaube gleich-
falls ausspricht.
Auch Silvestri hob hervor, dass aus der Zusammensetzung
der von ihm untersuchten und analoger Staube für die Herkunft
des Materiales aus der Sahara nicht nur kein directer Anhalts-
punkt sich ergab, sondern dass bei früherer Gelegenheit einer
direct aus der Sahara stammenden Düne Egyptens entnommene
Sandproben sich von ersteren sogar wesentlich verschieden
erwiesen.
Die 1. c. von ihm aufgeführte Analyse eines Saharastaubes,
welcher OT^^, kieselige Partikel, 87o Kalkpartikel, etwas Chlor-
natrium, organische Materie hingegen in so geringer Menge
enthielt, dass diese nur unter dem Mikroskope sichtbar wurde
(O'SYo); 'Stellt weder mit den von ihm untersuchten noch mit dem
in vorliegender Arbeit besprochenen Staube im Einklänge.
Bemerkens werth ist die Angabe, dass dieser Saharastaub
eine röthlieh gelbe Farbe besitzt, was nach Ehrenberg als durch-
aus locale Erscheinung aufgefasst werden müsste,
Ehrenberg stellt vielmehr bei seinen gegen die Herleitung
der Passatstaube aus der afrikanischen Wüste gerichteten Ein-
würfen die Thatsache obenan, dass er in der Sahara des östlichen
Nordafrika selbst Jahre lang nur blendend weisse Sand-
oberflächen von Kreidekalk und Dünensand zu beobachten
Gelegenheit fand, den feinen Staub des Chamsin stets grau, nie
orangefarben sah, was auch andere Reisende berichteten.
Er schreibt 1847: Es gibt im Innern Afrikas keinen Passat-
wind und rothstaubige Oberflächen, welche den Passatstaub
liefern könnten. Der Sand der Sahara ist weiss und grau, der
Nebelstaub des Passates zimmtfarben.
Er betont ferner den Umstand, dass bekannte afrikanische
Charakterformen unter den Diatomeen und sonstigen Organismen-
resten nicht vorkommen und dass die grosse Mehrzahl der
Formen in mehreren Weltthcilen , auch in Europa gefunden
werden, wogegen er 1. c. pag. 166 echt amerikanische Formen
aufzuzählen vermag.
Es führt aus, dass Sirocco und Föhn dieselben Formen und
Mischungen des atlantischen Passatstaubes tragen, dessen Zusam-
üntersucliimg' eiues Meteorstaubes. llö
mensetzung vom atlantischen Meere bis Tirol und Salzburg- sich
in Farbe und den grössten Einzelnheiten der Mischung gleichen.
So gelangt er schliesslich zur Ansicht, dass ein Staubnebel-
strom existire, der durch tausendjährige fortwährende Mischung
gleichartig geworden sei und seinen Hauptsitz in der Gegend
der Westküste Afrikas über dem atlantischen Meere habe.
Die Resultate dieser allgemeinen, später fortgesetzten
Forschungen Ehrenbergs haben in den Specialuntersuchungen
Cramers (Zürich) über, bei verschiedener Gelegenheit in der
Schweiz aufgesammelte Meteorstaube und deren Vergleich mit
Saharasand eine weitere Stütze erhalten und die Ansicht bestärkt,
dass die erwähnten Staube weder von der Wüste Sahara noch
von irgend einem bestimmten Punkte der Erde ihre Provenienz
herleiten.
6. Was gegen die afrikanische Abkunft der Passatstaube,
mit denen der Klagenfurter Staub so viele Ähnlichkeit besitzt,
vorgebracht wurde, Hesse sich auch bei letzterem mit gleichem
Rechte geltend machen, dergestalt, dass beide vielleicht dies-
bezüglich in Zusammenhang stehen.
Ein directer Anhaltspunkt für die Herleituug aus der Sahara
fehlt auch hier.
Färbung sowie Mischungsverhältnisse (Vorwalten des Glim-
mers und des Dolomites) hingegen müssten jedenfalls erst auf
eine starke Beimengung fremder Elemente zurückgeflihrt werden.
Die Grenze zwischen jenen Bestandtheilen, welche als
normale aufzufassen und jene, welche als zufällige (locale)
zu bezeichnen wären, würde dann sehr schwer anzugeben
sein, und ebenso schwer, woher die letzteren stammen.
Erst von einer fortgesetzten, möglichst genauen Prüfung der
zu verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Umständen in
einer und derselben Gegend gefallenen Staubregen und dem
Vergleiche verschiedener untereinander wird über jene Punkte
völlige Gewissheit zu erlangen sein.
Zum Schlüsse sei hier nur noch hervorgehoben, dass, falls
es in unserer Atmosphäre ein allgemeines Staubdepot in dem von
Ehrenberg verstandenen Sinne wirklich gibt, dasselbe voraus-
sichtlich die Durchschnittsmischung der am häufigsten und in
grösster Masse an die Erdoberfläche tretenden Gesteine wieder-
116 Schuster, Untersiichmig eines Meteorstaubes.
spiegeln würde und dann alle jene Bestaudtheile als normale za
bezeichnen und am häufigsten zu erwarten wären, die sich gerade
im vorliegenden Staube als Hauptbestandtheiie wiederfanden.
Wien, Mineral, petrograph. Universitäts-Institut. Jänner 1886.
Tafel erklärung.
VergTösseruug' 300 — 40< • fach.
1. Carbonate, Calcit, Dolomit, Magnesit.
2. Apatit.
3. Quarz, Opal.
4. Orthoklas.
5. Biotit und Phlogopit.
5. n. Behandlung mit Säure.
6. weisser Glimmer, Talk und Kaolin.
7. Chlorit.
8. Augit.
9. Hornblende.
10. Thonpurtikel.
11. a Rutil, b Anatas, c Zirkon, d Turmalin.
12. Titanit, Epidot, Spinell, Granat.
13. Magnetit, a Pyrit, b Magnetkies.
14 — 23. Partikel organischen Ursprunges.
14. Sporen (vermuthlich Pilzsporen) im Wasser zur Keimung gebracht.
15. Verschiedene Fruetifications - Zustände, pflanzlichen, vielleicht auch;
thierischen Ursprunges zum Theile vererzt.
16 — 23. Diatomeen-Kieselpanzer zum Theile in Fragmenten.
16. GaUinndla Ehr.
17. Discoplea Ehr.
18. Naricida Ehr.
19. Enttofia Ehr.
20. Si/nc'dra Ehr.
21. Coscinodiscus Ehr.
22. SurireUa Ehr.
23. Pflanzenhaare, Algeniaden, Pflanzenfasern, Gewebefragmente, Innen-
häute und zweifelhafte, von Ehrenberg 1. c. unter den Namen:
Tcxtilaria, Globidaria, Poli/t/mlainia, Lithosti/lidiian, Lithostomatinm,
Amphidiscus, LUliastcriscus, Lithodontiunt, Spongulithis mit aufgezählte
Gebilde. Thierische Reste.
Schuster: Motcorstaul) vonKIasenfiirt .
iaf.I.
%>%0 <§;
iß' '
# €^/
Aotor del . . KJcüofi: Staatsäriiclcergi .
Sitzimösb.d.k Akad.dW.math natui'w ClasscXCnrBd T v\bUi I88fi.
Schuster: Meteorstaul) von lüasenfiiH
TafU.
Ämc-r dsl KkHofu Staats ärm'keT'e:
Sitzimösb.d.k .\kad dWmath.RatuTir Classe XCIirBd 1 AhÜi . 1886.
117
III. SITZUNG VOM 21. JÄNNER 1886.
Der Vorsitzende gibt Nachrieht von dem am 17. Jänner d. J.
erfolgten Ableben des ausländischen correspondirenden Mitgliedes
dieser Classe Herrn Prof. Dr. Oskar Schmidt in Strassburg.
Die anwesenden Mitglieder erheben sich zum Zeichen des
Beileides von ihren Sitzen.
Herr Prof. Dr. F. J. Studnicka in Prag übersendet ein
Exemplar des von ihm herausgegebenen Werkes: ..Tychonis
Brahe triangulorum planorum et sphaericorum praxis
arithmetica".
Das c. M. Herr Prof. L. Gegen bauer in Innsbruck über-
sendet eine Abhandlung, betitelt: „Die mittlere Anzahl der
Zerlegung einer ganzen Zahl in zwei Factoren vor-
geschriebener Form."
Der Secretär legt eine Abhandlung des Herrn Adolf
Ameseder, d. Z. in Erlangen: „Über Configurationen und
Polygone auf biquadratischen Curven" vor.
Das w. M. Herr Prof. v. Barth überreicht eine in seinem
Laboratorium ausgeführte Arbeit des Herrn Dr. Wilhelm Fossek:
„Über Oxyphosp hin säuren" (IL Abhandlung).
Herr Prof. Dr. Joh. N. Woldfich in Wien überreicht
eine vorläufige Mittheilung: „Zur Frage über die Abstam-
mung der europäischen Hunderacen."
Dr. Franz Kühnert, Observator der k. k. Gradmessung in
Wien, überreicht eine Abhandlung: „Über die definitiven
Elemente des Planeten (^ Hilda".
Herr J. Liznar, Adjuuct an der k. k. Centralanstalt für
Meteorologie und Erdmagnetismus, überreicht eine Abhandlung,
betitelt: „Über den Stand des Normalbarometers des
meteorologischen Institutes in Wien gegenüber den
Normalbarometern deranderen meteorologischen Cen-
tralstellen Europas."
SITZUNGSBERICHTE
DER
immmi kimm öek wissEisciAFiFj.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
XCIII. Band. II. Heft.
ERSTE ABTHEILUNG.
Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Botanik,
Zoologie, Geologie und Paläontologie.
121
IV. SITZUNG VOM 4. FEBRUAR 1886.
Die könig'l. - iiugar. Franz Josef -Universität in
Klausenburg dankt für die Betheilung ihrer Bibliothek mit aka-
demischen Schriften.
Herr Prof Dr. G. Haberlandt in Graz übersendet eine
Arbeit: „Zur Anatomie und Physiologie der pflanzlichen
Brenn haare."
Herr Franz Zehden, Donaudampfschiffs-Capitän in Galaz,
übersendet eine Abhandlung unter dem Titel: ..Zur Theorie
der Schifffahrt mit verbesserten Abfahrtspuukten.''
Der Secretär legt folgende eingesendete Abhandlungen vor:
1. „Über die Einwirkung von Kaliumpermanganat
auf untersciiwefligsaures Natron", Arbeit aus dem
chemischen Laboratorium der technischen Hochschule in
Brunn, von den Herren M. Honig und E. Zatzek.
2. „Über die Auflösungen von Gleichungen vierten
und fünften Grades durch Mechanismus", von Herrn
Docenten Adolf Arnes ed er, derzeit in Erlangen.
Ferner legt der Secretär ein versiegeltes Schreiben behufs
Wahrung der Priorität von Herrn Dr. Theodor Gross in Berlin
vor, welches die Aufschrift führt: ..Anzeige eines neuen
Körpers."
Das w. M. Herr Prof. v. Barth überreicht eine in seinem
Laboratorium von Herrn Dr. Guido Goldschmiedt ausgeführte
Arbeit: „Über die Einwirkung von Natrium auf einige
Bromsubstitutiousproducte des Benzols."
Das w. M. Herr Director E. Weiss überreicht eine Abhand-
lung von Herrn Regierungsrath Prof. G. v. Niessl in Brunn,
betitelt: „Bahnbestimmung des Meteores vom 17. Juni
1885, 9^52°^, Wiener Zeit."
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nioM
zugekommene. Periodica sind eingelangt:
Loomis, Elias: Contributions to Meteorologie. (^Revised Edition)
Nev Haven, Coon. 1885; 4«.
122
V. SITZUNG VOM 11. FEBRUAR 1886.
Herr Prof. Dr. Gustav A. V, Peschka in Brüun übermittelt
den vierten Band des von ihm lierausgegebenen Werkes: „Dar-
stellende und projective Geometrie nach dem gegen-
wärtigen Stande dieser Wissenschaft mit besonderer
Rücksicht auf die Bedürfnisse höherer Lehranstalten
und das Selbststudium." (Mit einem Atlas von 30 Tafeln).
Das c. M. Herr Prof. L, Gegenbauer in Innsbruck über-
sendet eine Abhandlung unter dem Titel: „Die mittlere An-
zahl der Darstellungen einer ganzen Zahl durch eine
Summe von bestimmten Vielfachen von Quadraten."
Der Secretär legt eine Abhandlung des Herrn Florian
Koudelka, Stadtthierarzt und Lehrer an der landwirthschaft-
lichen Schule in EibenschitZj betitelt: „Das Verhältniss der
ossa louf/a zur Skelethöh e bei den Säugethieren" vor.
Das w. M. Herr Prof. V. v. Lang überreicht eine Abhand-
lung des c. M. Herrn Prof. Franz Exner, betitelt: „Über die
Ursache und die Gesetze der atmosphärischen Elek-
tricität."
Herr Dr. Hans Mo lisch, Privatdocent an der Wiener
Universität, überreicht eine im pflauzenphysiologischen Institute
ausgeführte Arbeit: „LTntersuchuugen über Laubfall".
123
Zur Anatomie und Physiologie der pflanzlichen
Brennhaare.
Von Prof. Dr. G. Hatoerlandt in Crraz.
;,Mit 2 Tafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 4. Februar 1886.)
Obgleich die pflanzlichen Brennhaare bekanntlich zu den am
häufigsten untersuchten Organen gehören, so sind doch sowohl in
anatomischer wie in physiologischer Hinsicht mehrere Punkte
unerörtert oder doch unerledigt geblieben, auf welche nun in der
vorliegenden Arbeit näher eingegangen werden soll. Für die
freundliche Unterstützung mit Untersuchungsmaterial bin ich den
Herren Prof. Dr. Eicbler in Berlin und Prof. Dr. Leitgeb zu
bestem Danke verpflichtet. Abgesehen von den beiden Jdtrophd-
Arten, sowie von Urtica pilulif'era und membranuceu, von welchen
mir blos Herbar-Exemplare zu Gebote standen, konnten alle Ob-
jecte theils frisch, theils in Alkohol conservirt untersucht werden.
I. Die zweckmässigen mechanischen Einrichtungen im Bau der
Brennhaarspitzen.
Es ist eine schon längst bekannte Eigenthümlichkeit fast
aller echten Brennhaare, dass ihre Spitze mit einer kleinen,
köpfchenförmigen Anschwellung endigt, welche in den meisten
Fällen schief aufsitzt und die schon von älteren Forschern mit der
Function des Brenuhaares, beziehungsweise mit dem Abbrechen
seiner .Spitze, in Beziehung gebracht wurde. So spricht schon
Schieiden ^ von dem „höchst interessanten Mechanismus" der
Brennhaare und hebt hervor, dass das in Rede stehende
Köpfchen bei der Berührung sehr leicht abbricht, worauf die
geeöffnete Spitze in den berührenden Körper eindringen kann.
In gleicher Weise äussert sich H. v. Mohl,^ welcher bekanntlieh
1 Grundzüge der wisseusch. Botanik, 2. Auflage, I. Theil, pag. 269.
-' Bot. Zeitung 1861, pag. 219.
124 Haberlandt,
nachwies, dass der obere Theil der Brenubaare von Urtica dioica
sehr stark verkieselte Wände besitzt, woraus sich erklärt, dass
derselbe so spröde ist und das Köpfchen leicht abbrechen kann.^
Ich stellte mir nun die Frage, ob nicht das Abbrechen des
Köpfchens, abgesehen von der Sprödigkeit der Wände, auch noch
durch besondere anatomi s che Eigenthümlichkeiten unter-
stützt und erleichtert wird und in wie weit überhaupt im Bau
der Brennhaarspitze das Zweckmässigkeits-Princip zur Geltung
gelangt. In der Literatur ist hierüber, wenn man von den oben
citirten, ganz allgemein gehaltenen Angaben absieht, nichts weiter
zu finden. Die zahlreichen Abbildungen ganzer Brennhaare von
LVtlca, Loasa etc. können in dieser Hinsicht keine Andeutungen
geben, da dieselben natürlich bei zu schwachen Vergrösserungen
gezeichnet wurden. Allein auch die Abbildungen stark ver-
grösserter Brennhaarspitzen mit ihren Köpfchen, wie sie z. B.
Duval-Jouve^ und Martinet'^ gezeichnet haben, liefern uns
für die Beantwortung der obigen Frage keine Anhaltspunkte; sie
stellen nämlich die Brennhaarspitze sammt dem Köpfchen mit
ganz gleichmässig verdickten Wänden dar. Dass dies nicht
richtig ist, wird sich aus dem Nachfolgenden ergeben.
Die von mir angestellten Beobachtungen erstreckten sich
auf Vertreter der Gattungen Urtica, Laportra (Urticaceen), Loasa,
1 Bei den Bi-eiiiihaaren von Urtica dioica und U. //rem sind, wie man
sich durch Anwendung von concentrirter Schwefelsäure und uachherigeni
Zusatz von 20percentigcr Chronisäure (Verfahren von C r ü g e r und
Miliarakis) überzeugen kann, die Wandungen des Köpfchens und des
daran grenzenden Haartheiles in ihrer ganzen Dicke verkieselt. Weiter nach
abwärts zu nimmt die Dicke der verkieselten Partie der Wand rasch ab;
das Kieselskelet besteht schliesslich nur mehr aus einem dünnen Häutchen,
der äussersteu Cuticnlarschicht. Die Grenze zwischen den verkieselten und
nicht verkieselten Wandpartien ist eine sehr scharfe und tritt nach Schwefel-
siiurezusatz sehr deutlich hervor. (Taf. I Fig. 5.) Die nicht verkieselten
Wandungstheile sind bis zum Bulbus des Breunhaares hinab mit kohlen-
saurem Kalk imjjrägnirt, wodurch die Steiflieit des Haares natürlich
erhöht wird.
- Etüde sur les Stimulus d'ortie, Bulletin de la soc. bot. de France,
T. XIV, 1867, PI. I, Fig. 11.
3 Organes de secretiou des vegetaux, Aunales d. scieuces nat., Bot.
V. S, T. XIV, 1872, Fig. 204, 215.
Zur Auatomie und Physiologie der pflanzlichen Breuuhaare. 125
Bhimeiibachia, Cajophora (Loasaceen), Jatropha (Eupborbiacee)
1111(1 Wifjmidia (Hydroleacee").
Bei Urtica dioica ist das schief aufsitzende Köpfchen der
Brennhaare von mehr oder minder kugelförmig'er Gestalt. ( Taf. I,
Fig-. 1, 2, 3.) Knapp unter demselben erseheint das Haar gegen
das Köpfchen zu gekrümmt, was namentlich an der convexen
Seite deutlich ausgeprägt ist. Betrachtet man das Köpfchen in
der Seitenansicht, so fällt bei hinreichender Vergrösserung sofort
die uugleiehmässige Verdickung seiner Wände auf: an der
convexen Seite bemerkt man knapp über der schwachen, hals-
artigen Einschnürung des Haarendes eine mehr oder minder stark
verdünnte Stelle, welche ziemlich schmal ist und die sich von
den verdickten Wandungstheileu häufig sehr scharf abhebt. Die
Ausbildung derselben zeigt gewisse Verschiedenheiten, welche
am besten durch die Abbildungen verdeutlicht werden. An dieser
dünnen Stelle erreicht die Wandung höchstens eine Dicke von
1 — 2 Mikromm., während die angrenzenden Wandpartien 3 — 5Mi-
kromm. dick sind. Auf der concaven Seite bleibt die Wandung
gleichfalls dünner, doch ist der Dickenunterschied hier nicht so
gross, die dünne Stelle ist bedeutend breiter und geht zudem
allmälig in die stärker verdickten Wandpartien über.
Man kann sich nun sehr leicht die Gewissheit veischaffen,
da SS das normale Abbrechen des Köpfchens* stets in einer
Verbindungslinie dieser dünnwandigen Stellen von statten geht;
diese Linie verläuft vom oberen Rande der verdünnten Stelle
auf der convexen Seite schief nach abwärts, wie aus Fig. 1
ersichtlich ist. Die Abbruchsteile ist demnach nicht blos
durch die Umrissliuien des Haarendes, sondern vor
Allem durch den Bau der Wand vorgezeichnet. Die in
Rede stehende Einrichtung hat aber nicht blos die
Aufgabe, das Abbrechen zu erleichtern, sie bezweckt
überdies, der in den berührenden Körper eindringenden
Haarspitze eine für diesen Zweck möglichst günstige
1 An Herbarexemplaren von Pflanzen, welche mit Brennhaaren ver-
sehen sind, findet man die Spitzen der letzteren oft in ganz unregelmässiger
Weise abgebrochen, da durch das Austrocknen die Sprödigkeit der Wände
sehr erhöht wird.
126 Haberlaiidt,
Gestalt zu geben. Dadurch, dass das Abbrechen nicht
querüber, sondern stets schief abwärts zu erfolgt,
wird zunächst eine überaus scharfe Spitze geschaffen,
unterhalb welcher erst in seitlicher Lage die Öffnung
auftritt, aus welcher die brennende Substanz entleert
wird. (^Taf I, Fig. 4.) So erscheint die geöffnete Brennhaarspitze
nach demselben Modelle construirt, wie die sogenannten Einstich-
canülen, mit welchen der Mediziner subcutane Injectionen vor-
nimmt, oder wie die Giftzähne der Schlangen.
Ganz ähnlich ist die Brennhaarspitze von Urtica ureiifi
(Fig. 9—11) und Urtica membranacea (Fig. 13) gebaut. Dasselbe
gilt für die grossen, starken Brennhaare von Urtica pihdif'era
(Fig. 12), deren Köpfchen jedoch nicht von kugeliger, sondern
von birnförmiger Gestalt sind. Bei Laportea f/igas (Fig. 17)
sind die Köpfchen eiförmig und nicht so schief gestellt wie bei
den Urtica -Ai-tGü. Die Abbruchstelle zeigt jedoch denselben
Bau.
Bei Loasa papaverifoUa ist das Köpfchen der Brennhaare so
klein, dass es sich von dem übrigen Theile des Haarendes gar nicht
abgliedert: der Endtheil des Haares erscheint gekrümmt und an
der Spitze abgerundet. (Taf. II, Fig. 5 und 6.) Die für die Nessel-
Brennhaare charakteristischen Eigenthümlichkeiten treten aber
auch hier in deutlichster Ausbildung auf. Die Wand der abge-
rundeten Spitze ist relativ sehr stark verdickt (4 — 5 Mikromm.);
dann folgt auf der convexen Seite die verdünnte Stelle, welche
meistens schmal und 1*5^2 Mikromm. dick ist. Die angrenzende
Partie der Zellwand, welche nach dem Abbrechen des Köpfchens
die in den berührenden Körper eindringende scharfe Spitze bildet,
ist stärker verdickt, als die noch weiter rückwärts gelegenen
Zellwandpartien, was zweifelsohne als eine vorth eil hafte, das
Eindringen in den fremden Körper noch mehr sichernde
Einrichtung aufzufassen ist. Auf der concaven Seite zeichnet sich
die verdünnte Zellwandpartie, welche mehr oder minder weit
hinabreicht, durch besondere Zartheit aus ; ihre Dicke beträgt
nicht einmal 1 Mikromm.
Die zum Abbrechen des Köpfchens erforderliche Sprödigkeit
der Membran wird bei Loasa papaverifoUa sowie bei den übrigen
Loasaceen nicht durch Verkieseluni;-, sondern durch reichliche
Zur Anatomie imd Physiologie der pflanzlichen Biennhaare. 127
Einlage rung von kohlensaurem Kalk hervorgerufen. Kaeli Zusatz
von Schwefelsäure tritt starke Kohlensäureeutwickelung ein und
im Lumen des Haares bilden sich zahlreiche Gypsnadelu. Die
aufquellende Membran ist sehr schön geschichtet und wird nach
Zusatz von 20"/oige'' Cbromsäure-Lösung bis auf die äussersten
Cuticularlamelleu, welche ein dünnes verkieseltes Häutcheu
bilden, gelöst. Dieses Kieselhäutchen zeichnet sich auf dem
Köpfchen, sowie auf dem in den berührenden Körper eindringenden,
stärker verdickten Wandungstheile durch grössere Dicke aus.
Bei Jafropha stimuhtta (Taf. II, Fig. 14—17) begegnen wir
wieder beinahe genau denselben Einrichtungen wie bei Urtica
und der besprochenen Loasacee. Die Brennhaare, von welchen
namentlich der Blattstiel dicht besetzt ist, sind sehr kräftig und
circa 4 Mm. lang. Der Durchmesser des der gekrümmten Spitze
schief aufsitzenden Köpfchens beträgt circa 34Mikromm., während
er bei Urtica dioica blos circa 18 Mikromm. erreicht. Auf der
concaven Seite ist die Wandung unter dem Köpfchen wieder sehr
dünn (1-5 — 2 Mikromm.). was gegenüber der Dicke der Köpfchen-
wand (5—6 Mikromm.) und der nach unten zu angrenzenden Zell-
wandpartie (10 — 12 Mikromm.) besonders auffällt. Auf der con-
vexen Seite beobachtet man wieder die schon bei Loasa papaveri-
f'olia aufgefundene starke Verdickung des die Verletzung bedin-
genden Wandungstheiles. Dagegen fehlt bei den Jatropha-Brenn-
haaren die verdünnte Stelle auf der convexen Seite; dieselbe ist
nicht einmal andeutungsweise vorhanden. Wenn man nun Haare
mit abgebrochener Spitze untersucht, so findet man, dass auf der
convexen Seite das Abbrechen stets an der Einschnürungsstelle
unter dem Köpfchen erfolgte, d. i. an jener Stelle, wo die Ver-
dickungsschiehten der Wandung eine scharfe Knickung erfahren
haben. Wenn man auf das iutacte Brennhaar ein Quellungsmittel
einwirken lässt, so tritt diese Knickung der Zellwandschichten
sehr deutlich hervor. (Taf. II, Fig. 18.)
Im Bau der Brennhaarspitzen von Jatropha stimnlata macht
sich, unbeschadet der besprochenen Einrichtungen, ein gewisser
Polymorphismus geltend, wie aus den Abbildungen 14, 15, 16
ersichtlich ist. Fig. 14 repräsentirt den typischen Fall.
Die Sprödigkeit und Steifheit der Membran wird bei den
J/^/f/'o/7Ärt-Brennhaaren nicht durch Verkieselung oder Verkalkung,
128 Haberlandt.
sondern durch sehr starke Verholzung hervorgerufen. Schwefel-
saures Anilin bewirkt intensive Gelhfärhung^ deren Eintritt man
durch Zerstückelung des Haares beschleunigt.
Die Brennhaare von Jafroplia urens schliessen sich denen
von Jatropha stimulata in jeder Hinsieht an.
Es ist gewiss überraschend, dass bei Pflanzen, welche so
verschiedenen Familien angehören, die Spitzen der Brennhaare
so gleichartig und, man darf hinzufügen, so zweckentsprechend
gebaut sind. Noch auffallender w^äre es aber, wenn alle pflanz-
lichen Brennhaare die geschilderten mechanischen Einrichtungen
in gleicher Vollkommenheit aufweisen würden. Dies ist nun, den
Forderungen der Entwicklungslehre entsprechend, nicht der Fall;
es lassen sich vielmehr, wenn man eine grössere Anzahl von
Arten und Gattungen überblickt, alle Übergänge von ein-
fachen, köpfchenlosen Brennhaarspitzen bis zu den
oben besprochenen Formen nachweisen.
Interessant sind in dieser Hinsicht zunächst die Brennhaare
von Wigandia urens. (Taf. I, Fig. 15 (i — d.) Die Mehrzahl der-
selben ist fein zugespitzt, die Spitze gerade oder etwas gekrümmt.
Das sich gleichfalls zuspitzende Lumen endet häufig schon
20 Mikromm. unter der Haarspitze. (Fig. I5a.) Daneben treten nun
ziemlich häufig Haare auf, deren Spitze sich rascher verjüngt und
deren Lumen mit einer Abrundung endet. (Fig. 156.) Diese
Haare bilden den Übergang zu jenen Formen, bei welchen mit
der Abrundung des Lumens zugleich eine schwache Anschwellung
desselben verljunden ist. (Fig. 15 c.) Damit ist der Beginn der
Köpfchenbildung gegeben. Einzelne Haare besitzen nun in der
That gerade aufsitzende Köpfchen, welche mit einem kurzen
Stachel versehen sind.' (Fig. Ibd.) Ungleichheiten in der Ver-
dickung der Köpfchenwand treten nicht auf.
Verschiedene Übergangsformen finden wir auch bei den
Loasaceen. Die Köpfchen der Brennhaare von Cajophora lateritia
(Taf. II, Fig. 10 und 11) sitzen wie bei Wifjandin urens gerade
Vg-1. die Abbildung' in Schi ei dcn's Gruudzügeii, 2. Aufl., I. Th.,
pag. 260; ferner Groenland, Bull, de la soc. bot. de France, 14 Bd., 1867,
pag. 59; Martin et, Annales d. scieuces nat. Bot., 1872, pl. 18, Fig. 212, 213.
Zur Anatomie uiul Physiologie der ptiaiizliehen Brennhaare. 129
auf; begreiflicherweise ist diese Stellung weniger zweckmässig,
als die schiefe Lage des Köpfchens, welche bei allen übrigen
Loasaceen, die untersucht wurden, Regel ist. Im unteren Theile
des Köpfchens ist aber die Wand sehr häufig schon weniger stark
verdickt, so dass das Abbrechen zweifelsohne etwas erleichtert
wird. Bei Loam hispida (Taf. II, Fig. 1 und 2) besitzen die
Brennbaare bereits schief aufsitzende Köpfchen, doch ist die
entsprechende Krümmung der Spitze nicht so bedeutend, wie bei
anderen Loasaceen. Die Wände sind in der Regel überall
gleich stark verdickt und entsprechen so jenen Bildern, von
denen eingangs die Rede w^ar. Nicht selten ist aber auf der con-
caven Seite die Wand schon weniger stark verdickt. (Taf. II,
Fig. 2.) Bei Loasa tricolor (Taf 11, Fig. 8, 9) ist die Krümmung
der Brennhaarspitze eine bedeutendere, als bei der vorigen Art;
das Köpfchen ist meistens von etwas länglicher Form. Was den
Grad der Zellwandverdickung bctriift, so kehren dieselben
Verhältnisse wieder, wie bei Loasa hispida. Das Gleiche gilt
auch für die Brennhaare von Blumenbachia Hieronymi Urb.
(Taf. II, Fig. 3, 4), deren Köpfchen kugelig sind. Die Krümmung
der Spitzen ist oft eine sehr bedeutende. An ziemlich zahlreichen
Haaren zeigt sich die Wand der concaven Seite beträchtlich ver-
dünnt, während auf der convexen Seite, wie bei den früheren
Arten, niemals eine verdünnte Stelle vorhanden ist. Dass jedoch
auch bei allseits gleichmässig stark verdickter Membran das
Abbrechen des Köpfchens in einer für das Eindringen der Spitze
und für die Entleerung des Zellsaftes vortheilhafteu Richtung
erfolgen kann, lehrt Fig. 3, welche den obersten Theil eines
Brennhaares von Blumenbachia Hieronymi mit theilweise abge-
brochenem Köpfchen darstellt.^
Einen weiteren Schritt in der Ausbildung zweckmässig
gebauter Brennhaarspitzen haben in der oben beschriebenen
Weise die beiden erwähnten Jafropha- Arten gemacht. Die Aus-
^ Nicht unerwähnt will ich lassen, dass bei verschiedenen Loasaceen
(z. B. Bei Loasa hispida und Bhimcnhachia Hii'ronymi) ( Tat". II, Fig'. 12 und 13)
die neben den Brennhaaren auftretenden Knötchenluiare nicht selten mit
ganz kleinen Köpfchen versehen sind. In welchem .sinne diese Ähnlichkeit
mit den Brennhaaren zu deuten ist, lasse ich dahingestellt.
Sitzb. d. mathem.-naturw. CI. XCIII. Bd. I. Abth. 9
laO Haberhindt,
bildimg' einer stark verdüuuteu Waudpartie auf der concaven
Seite ist liier bereits zu einer constanten Eigentliiimliebkeit
geworden.
Mit dem Auftreten einer zweiten verdünnten Wandpartie auf
der convexen Seite der gekrümmten Brennbaarspitze, wie sie bei
Loasa papaverifoUu und den Urtka-kxiQw vorkommt, ist dann die
weitestgebende Vervollkommnung im Bau der Brennbaarspitze er-
rcicbt. Von Interesse ist es, dass aucb bei den f/rh*ca- Arten hin und
wieder Breunbaare zu finden sind, welcbe auf der concaven Seite
ihrer gekrümmten Spitzen die verdünnte Wandpartie nicht auf-
weisen. (Taf. I, Fig. 11.) Einmal beobachtete ich bei Urtica dioica
sogar ein Brennhaar, welches köpfcbenlos war und mit einer fein
ausgezogenen Spitze endigte; hier lag wohl zweifellos eine Rück-
schlagserscheinung vor.
Mit der Ausbildung der besprochenen Eigenthümlichkeiten
des Waudungsbaues ging die stärkere Verdickung des die Ver-
wundung bedingenden Wandungstheiles insoferne nicht parallel,
als sie einerseits bei den Ja/yoy7/i«-Brenuhaaren sehr deutlich
vorhanden ist, anderseits wieder bei den Brennhaaren der Nessel-
arten fehlt. Bios an den Brennbaarspitzen von Loasa i^apaveri-
f'olia treten alle diese mechanisch vortheilhaften Einrichtungen
vereinigt auf.
IL Das Gift der Brecnhaare.
In den meisten Hand- und Lehrbüchern der Botanik, welche
in den letzten Jahrzehnten erschienen sind, wird als die giftig
wirkende Substanz der Brennhaare — speciell bei den Nessel-
arten, auf welche auch wir uns im Nachfolgenden beschränken
wollen — die Ameisensäure angegeben. Im Jahre 1849 ver-
öffentlichte nämlich Gorup- Besanez eine kurze „Notiz über
das Vorkommen von Ameisensäure in den Brennesseln",^ deren
Inhalt all den vorhin erwähnten Angaben zu Grunde liegt.
Angeregt durch einige von Fr. Will angestellte „mikro-
chemische und mikroskopische Versuche", als deren Ergebniss
sich angeblich herausstellte, „dass die Hautentzündung erregende
1 Journal f. praktiselie Chemie, 48. Bd., pag. 191, 192.
Zur Anatomie imd Physiologie der pflanzlichen Brennhaare. 131
Flüssigkeit in den Haaren der sogenannte Processionsraupe,
sowie in den G-iftorganen einiger Insekten nichts Anderes sei,
wie Ameisensäure", stellte sich Gornp-Besanez die Frage, ob
nicht auch die giftige Substanz der pflanzlichen Brennhaare aus
der genannten vSäure bestehe. Zu diesem Behufe wurden grössere
Quantitäten frischen Brennesselkrautes {Urtica urens und dioica)
mit und ohne Schwefelsäure der Destillation unterworfen und
thatsächlich festgestellt, dass in den Brennesseln geringe
Mengen von Ameisensäure vorhanden sind. „Dies kann aber
nicht befremden, wenn man annimmt, dass diese Säure nur in
den Brennhaaren enthalten ist, eine Annahme, welche ihre
Berechtigung in mikroskopischen Beobachtungen findet, die Will
und Lucas anstellten. Wenn nämlich unter dem Mikroskop zur
Pflanze Silberlösung gesetzt und gelinde erwärmt wird, so erfolgt
die Reduction immer zuerst an der Mündung der Brennhaare."
Mit diesen Worten beschliesst Gorup-Besanez seinen Aufsatz.
Wenn es nun auch nach diesen Mittheilungen, sowie nach
einigen von mir angestellten mikrochemischen Versuchen, höchst
wahrscheinlich ist, dass die stark saure Reaction des Zellsaftes der
Brennhaare durch Ameisensäure bedingt wird, so ist damit doch
noch keineswegs der Beweis erbracht, dass die Ameisensäure
thatsächlich die das Nesseln hervorrufende Substanz ist. Im
gleichen Sinne äussert sich auch de Bary,^ wenn er sagt: „Im
Grunde ist also über die hier wirksame Substanz nichts bekannt,
nicht einmal, ob sie in der sauren Flüssigkeit oder in dem Proto-
plasma zu suchen ist".^
Bevor ich nun zur detailhrteren Schilderung meiner Ver-
suche übergehe, welche mir über die chemische Natur des Giftes
der Brennhaare einigen Aofschluss geben sollten, möchte ich
1 Vergl. Anatomie, pag. 72.
- Da beim Eindringen der Brennhaarspitze in die Haut blos die Ent-
leerung von Zellsaft zweifellos sicher ist, so hat man meines Erachtens in
dieser Frage von der Annahme auszugehen, dass die giftige Substanz im
Zellsafte auftritt. Die von de Bary angedeutete Möglichkeit, dass dieselbe
eventuell im Protoplasma zu suchen wäre, könnte erst dann in Betracht
kommen, wenn bestimmte Thatsachen gegen die erstere Annahme sprechen
würden.
132 Haberlandt,
vorerst noch auf zwei Punkte aufmerksam machen, die schon von
vorneherein gegen die Annahme, dass die Ameisensäure das
fragliche Gift sei, Bedenken erwecken müssen.
Der Gesammtinhalt eines mittelgrossen Brennhaares von
Urtica dioica beträgt ungefähr 0-007 — 0*008 Cub. millim. Wenn
man ein Brennhaar, mit welchem man sieh soeben in wirksamer
Weise gestochen hat, unter dem Mikroskop betrachtet, so sieht
man, dass nur ein kleiner Bruchtheil des Zellinhaltes in die
Wunde entleert wurde. An Stelle der entleerten Flüssigkeit ist
gewöhnlich eine grössere oder kleinere Luftblase in das Haar
getreten, deren Grösse ich in einem bestimmten Falle auf
0-0003 Cub. millim. berechnete. Nehmen wir als Maximalgrösse
selbst das Doppelte an und machen wir ferner die Annahme, dass
der Zellsaft des Brennhaares 10 Gewichtsprocente Ameisensäure
enthalte,^ so gelangen wir zu dem Ergebniss, dass beim Stich
eines f/r^/c«-Brennhaares höchstens 0*00006 Milligr. Ameisensäure
in die Wunde gelangen.^ Welch überaus giftige Substanz mUsste
nun die Ameisensäure sein, wenn sie in solch verschwindend
geringer Menge, und noch dazu so rasch wirkend, die bekannten
Hautentzündungen hervorrufen würde!
Um mir von der entzündungserregenden Eigenschaft der
Ameisensäure eine bestimmte Vorstellung zu verschaffen, stellte
ich mit einer llprocentigen Lösung einige Impfversuche an.
Dieselben wurden, wie auch alle später zu beschreibenden Impf-
vcrsuclie, in der Weise durchgeführt, dass ich mir an der oberen
Handfläche oder am Unterarme mit einer vorerst in die betreffende
Flüssigkeit getauchten feinen Nadelspitze kleine Hautverletzungen
beibrachte. Gewöhnlich wurden die Versuche auch in der Weise
variirt, dass ich zunächst einen Tropfen der Flüssigkeit auf die
Haut brachte und durch denselben hindurchstach, um eine
grössere Menge der betreffenden Substanz in die Wunde zu
bringen. Die Wirkung der llprocentigen Ameisensäure-Lösung
1 Diese Conceiitratiou ist jedenfalls eher viel zu hoch als zu niedrig-
angenommen. Die sauerste aller Früchte, die Citrone, enthält blos 6—7%
Säure. (ET»erniayer, Physiolog. Chemie der Pflanzen, pag. 273).
- Der durch die Annahme, dass das specifische Gewicht des Zell-
sat'tes = 1 sei, begangene Fehler kommt hier nicht in Betracht.
Zur Anatomie luid Physiologie der pflauzlic-hen Bicnnhaare. 133
war nun eine weitaus schwächere, als die des Zellsaftes der
Kessel-Brennhaare. Das Gefühl des Nesseins war höchst unbe-
deutend, und die Röthuug der Haut beschränkte sich auf eine weit
kleinere Fläche, als nach einem Brenuhaarstiche, Nur ausnahms-
weise kam es zur Bildung- kleiner Stippen. Nach 20 — 30 Minuten
waren alle diese Erscheinungen wieder vollkommen ver-
schwunden. Da nun bei diesen Versuchen zweifellos eine
g-rössere Menge von Ameisensäure in die Hautwunde eindrang,
als bei dem Stiche eines ?7r^<ca-Brennhaares, so folgt daraus mit
grosser Wahrscheinlichkeit, dass die weit heftigere Wirkung des
letzteren nicht auf das Vorhandensein von Ameisensäure im Zell-
inhalte zurückzuführen ist.
Eine andere Thatsache, welche hier in Betracht kommt, ist
die, dass bei einigen tropischen Urtica-Arten der Stich der Brenn-
haare von noch weit intensiveren Wirkungen begleitet wird. In
einem 1819 von Leschenault de la Tour, Direktor des k.
bot. Gartens zu Pondichery an Jussieu gerichteten Schreiben^ be-
richtet derselbe über die Giftwirkung der Brennhaare von Urtica
cremilata im botanischen Garten von Calcutta. „Ich streifte mit
der linken Hand und zwar mit der oberen Fläche der ersten drei
Finger nur ganz leise an ein Blatt und fühlte anfangs ein ganz
schwaches Brennen, worauf ich nicht achtete. Es war Morgens
7 Uhr, der Schmerz nahm immer zu und war in Zeit von einer
Stunde schon nicht mehr auszuhalten. Es war nicht anders als
w^enn man mit einer glühenden Eisenplatte über die Finger führe.
Indessen sah man weder Geschwulst noch Blattern, noch irgend
eine Entzündung, Schnell breitete sich der Schmerz über den
ganzen Arm bis unter die Achsel aus. Hierauf musste ich häufig
niessen und eine Menge Feuchtigkeit floss aus den Nasenlöchern
gerade wie bei einem heftigen Schnupfen. Gegen Mittag fühlte
ich ein so schmerzhaftes Zusammenziehen in dem hinteren Theil
der Kinnladen, dass ich einen Anfall von Starrkrampf fürchten
musste. Ich legte mich nieder in der Hoffnung, dass mir die
Ruhe gut thun würde; allein die Schmerzen Hessen nicht nach,
sondern dauerten die ganze folgende Nacht unaufhörlich fort;
1 Dasselbe findet sich auszug-s weise in der Flora (Jahrg. 1821,
pag. G93 ff), abgedruckt.
134 Haberlaudt,
blos das Zusammenziehen der Kiuubackeu hatte Abends gegen
8 Uhr nachgelassen. Erst den anderen Morgen folgte merkliehe
Besserung und ich schlief ein. Die beiden folgenden Tage hatte
ich noch viel zu leiden, und die Schmerzen stellten sich augen-
blicklich in ihrer ganzen Heftigkeit wieder ein, als ich die Hand
in's Wasser steckte. Nach und nach wurden sie immer schwächer,
verlo)"en sich aber nicht eher gänzlich, als bis den neunten Tag-'.
Leschenault berichtet dann noch über einen zweiten Fall,
welcher unter ganz denselben Symptomen verlief. Er erwähnt
dann noch Urtica stimnkms auf Java, welche gleichfalls sehr
giftig ist und spricht schliesslich von einer dritten Species,
welche auf der Insel Timor vorkommt und von den sie sehr
fürchtenden Einwohnern Daoun setan (Taufelsblatt) genannt wird.
Schieiden ' führt diese Art unter der Bezeichnung Urtica uren-
tissima an und erwähnt, dass der Stich ihrer Brennhaare
Jahre lang andauernde Schmerzen hervorrufe, die besonders bei
feuchtem Wetter unerträglich werden, ja bisweilen sogar den
Tod (durch Starrkrampf) nach sich ziehen können.
Auch die Brennhaare von Laportea f/ifjas, welche hin und
wieder in Europa, z. B. im botanischen Garten zu Berlin cultivirt
wird, zeichnen sich, wie mir Herr Prof. Eichler brieflich mit-
theilte, dadurch aus, dass sie bei ihrer Berührung ein besonders
heftiges Brennen verursachen. Bemerkenswerth ist dabei, dass
die Breunhaarc dieser Pflanze kleiner und unansehnlicher sind,
als die unserer einheimischen Nesselarten. Auch von Urtica
crenulata heisst es in Leschenault's oben citirtem Briefe, dass
auf den Blattflächen und an den Blüthenstielen „kaum einige
kleine Haare" zu sehen sind. Hieher gehöit auch die Angabe
0. Kuntze's,^ dass „gerade die gefährlichsten Urticaceen-
Bäume Blätter mit kleiner, unscheinbarer Behaarung" besitzen.
Man sieht hieraus, dass es in erster Linie auf den specifischen
Charakter und nicht auf die Quantität des entleerten Giftes
ankommt.
Wenn man nun für die geschiklerten Giftwirkungen der
Brennhaare einiger tropischer Urticaceen gewiss nicht die
3 Griuiclz. der wisseiisch. Botanik, IL Aufl., 1. Th., pag-. 269.
2 Die Schutzmittel der Pflanzen, Leipzig 1877, pag-. 35.
Znr Anatomie und Physiologie der pflanzlichen Brennhaare. 135
Ameiseusäure verantwortlich machen kann, sondern für diese
Arten die Existenz specifischer Giftstoffe anzunehmen gezwungen
ist, so liegt der Analogieschluss sehr nahe, dass auch bei unseren
einheimischen Nesselarten die giftige Substanz der Brennhaare
nicht mit der Ameisensäure identisch ist.
Ich gehe nunmehr zur Besprechung jener Versuche über?
welche ich zur Entscheidung der aufgeworfenen Frage angestellt
habe.
Wenn man einige, von der lebenden Pflanze (Urtica dtoica)
frisch abgeschnittene Brennhaare mit einer Nadelspitze zerdrückt
und zerquetscht, so dass ein Theil des Haarinhaltes an
der Nadel haften bleibt und sich dann nach einiger
Zeit mit der inzwischen vollkommen trocken ge-
wordenen Nadelspitze sticht, so stellt sich nach
wenigen Sekunden das charakteristische Nesselgefühl
ein, verbunden mit Eöthung der Haut und Stippen-
bildung. Da nun von dem au der Nadelspitze haften gebliebenen
Haarinhalte die flüchtige Ameisensäure mit dem Wasser vorher
verdampfte, so ergibt sich aus diesem Versuche: 1) dass das
Gift der Brennhaare nicht Ameisensäure ist und 2), dass dieses
Gift nur eine nicht flüchtige Substanz sein kann.
Einige weitere Anhaltspunkte gab mir folgende Beobachtung:
Wenn man ein mit Brennhaaren versehenes Stengelstück oder
ein Blatt von Urtica dioica 10 — 20 Sekunden lang in siedendes
Wasser taucht und dann die Brennhaare untersucht, so findet
man, dass nunmehr im Zellsaftraum der Brennhaarzelle ein
substanzreiches, feinkörniges Congulum vorhanden ist,
welches eine maschige Structur zeigt und das früher durch-
scheinende Haar ganz undurchsichtig macht. i^Taf. I, Fig. 8.)
Schon dem freien Auge fällt die weissliche Färbung des abgebrühten
Brennhaares auf. Besonders dicht ist das Coagulum im unteren,
blasig erweiterten Haarende. Die nahe liegende Vermuthung,
dass es sich hier um einen coagulirten Ei we isskör per — ein
Pflanzenalbumin — handle, welcher früher im Zellsafte gelöst war,
wird durch die Resultate der mikrochemischen Untersuchung bestä-
tigt. Brennhaare, welche sich eine Zeitlang in Alkohol befanden,
weisen im Zellsaftraum gleichfalls einen reichen, feinkörnigen
Niederschlag auf, welcher in Wasser unlöslich ist und durch das
136 Haberhindt,
Millüii'sche Ifeagens intensiv roth gefärbt wird.^ Das durch
Kochen entstandene Coagiilum zeigt bei Anwendung dieses
Reagens eine ziegelrothe, häufiger blos eine rothbraune Färbung.
Die RaspaiTsche Reaction (Zuckerlösung und Schwefelsäure)
führt gewöhnlich zu keinem befriedigenden Ergebniss. Doch habe
ich nach unmittelbarem Zusatz von Schwefelsäure eine sehr lebhaft
rosenrothe Färbung des Zellsaftes frischer Brennhaare beobachtet,
als ich im Spätherbste einige r/r^/tv^-Pflanzen aus dem Freien in
das geheizte Zimmer gebracht und hier einige Tage lang stehen
gelassen hatte. Legt man Brennhaare mit geöffneter Spitze in
eine Lösung von Kupfersulfat oder von essigsaurem Blei und
bring-t man durch einen leichten Druck auf das Deckglas den
Zellsaft des Brennhaares zur Entleerung, so bildet sich sofort in
der Umgebung der Haarspitze ein gelbbrauner, dichter, sehr fein-
körniger Niederschlag. Conceutrirte Salpetersäure bewirkt Gelb-
färbung des durch Alkoholzusatz oder durch Kochen entstandenen
Niederschlages. Jodtiuctur bewirkt eine gelbbraune Färbung.
Der so beträchtliche Eiweissgehalt des Zellsaftes
der Nessel-Brennhaare, welcher schon an und für sich
bemerkcnswerth ist, durfte bei den Versuchen, die Natur des
Brenuhaar-Giftes näher zu bestimmen, nicht ausser Acht gelassen
werden. Es wird sich gleich zeigen, in welcher Hinsicht dieser
Eiweissgehalt für die vorliegende Frage von Bedeutung ist.
Nachdem die Veränderung erkannt war, welche der Zellsaft
der Brennhaare durch die Siedespitze erleidet, musste natürlich
festgestellt werden, ob abgebrühte Brennhaare noch im Stande
sind eine Hautentzündung hervorzurufen. In dieser Beziehung
ergab sich nun Folgendes: Brennhaare, w^elche 10 — 20 Sekunden
lang in siedendem Wasser verweilten, haben ihre entzündungs-
erregende Eigenschaft cingebüsst oder dieselbe ist mindestens
um ein Bedeutendes abgeschwächt worden. Es war nun von
vorneherein ziemlich wahrscheinlich, dass dieses Verhalten der
Brennhaare mit der Coagulirung des Eiweisskörpers des Zellsaftes
in irgend einem Zusammenhange steht, und es frug sich jetzt, was
für Möglichkeiten in dieser Hinsicht vorhanden sind.
1 Um dem Reagens deu Eintritt iu dasBreiinh.'iar zu ei-leichtern, ist es
nothwendig-, das etztere mit der Nadelspitze stellenweise zu zerquetschen,
oder es in einige Stücke zu zertheilen.
Zur Auatumie und Physiologie der pflauzliclien Breunhaare. 137
Zunächst wäre es möglich, wenn auch gewiss nicht wahr-
scheinlich, dass die im Zellsafte gelöste eiweissartige Substanz
mit dem gesuchten Gifte identisch ist: beim Kochen coagulirt
dieselbe und wird so unwirksam. Eine andere Möglichkeit ist
die, dass das im Zellsafte gelöste Gift von dem coagulirenden
Eiweiss nach Art eines Enzyms (oder „ungeformten Fermentes'')
niedergerissen und so unwirksam gemacht wird. Es ist aber auch
denkbar, dass der Verlust der entzündungserregenden Eigenschaft
des Brennhaarinhaltes mit der Coagulirung der Eiweisssubstanz
weder in einem directen noch in einem indirecten Zusammenhange
steht. Die Siedehitze zerstört eben das Gift, wie ja dieselbe
bekanntlich auch die meisten Enzyme zerstört und unwirksam
macht. ^
Das weitere Untersuchungsverfahren musste also darauf
gerichtet sein, zu entscheiden, ob der im Zellsafte gelöste Eiweiss-
körper das zu eruirende Gift ist, oder ob dasselbe als besondere
Substanz neben dem Eiweisskörper auftritt. Betreffs dieser
letzteren Eventualität war die Vermuthung nicht ungerechtfertigt,
dass es sich hier vielleicht um eine ferment- oder enzym-
artige Substanz handle. Bei dem Umstände, dass durch
Alkohol niedergeschlagene Eiweisskörper in Wasser nicht wieder
löslich sind, während sich die durch Alkohol gefällten Enzyme in
Wasser gewöhnlich neuerdings lösen, war das Aveitere Unter-
suchungsverfahreu klar vorgezeichnet.
Eine grössere Anzahl (circa 200) frischer Brennhaare^
wurde in einem Uhrglase mit einigen Tropfen destillirten Wassers
zerrieben; dann wurde 95"/(jiger Alkohol zugesetzt, abfiltrirt, der
Rückstand mit Alkohol gewaschen und nach der Trocknung
wieder mit einigen Tropfen destillirten Wassers behandelt. Um
eine concentrirtere Lösung zu erhalten, liess ich einen Theil des
Wassers verdunsten; mit dem Reste der Flüssigkeit wurden nun-
mehr Impfversuche durchgeführt, und zwar in der Regel mit mehr
1 Die vierte Möglichkeit, dass das gelöste Gift durch Diffusion aus dem
getödteten Brennhaare entwichen sei, ist wegen der Kürze der Zeit und der
beträchtlich verdickten Zellwände kaum ernstlich iu's Auge zu fassen.
2 Die Brennhaare wurden bei diesem, wie bei den später zu
beschreibenden Versuchen mit dem ßasirmesser an ihren Insertionsstellen
abgeschnitten.
138 H;il»erlandt,
oder minder positivem Erfolge: Es stellte sich das Gefühl des
Nesseins ein, die Haut röthete sieh und zuweilen kam es aucli zur
Bildung kleiner Stippen. Dass die Eeaction keine so aus-
gesprochene war, wie wenn man direct vom Brennhaar gestochen
wird, erscheint begreiflich, da die Lösung des Giftes natürlich
eine geringere Concentration besass. Auch ist es nicht unwahr-
scheinlich, dass das Gift, gleichwie verschiedene Enzyme, durch
Alkohol in seiner Wirksamkeit geschädigt wird.
"Weil die Ausführung dieses Versuches etwas umständlich
ist und sein Ergebniss nicht so deutlich sprach, als wünschens-
wertli war, so habe ich denselben in folgender Weise modificirt,
respective vereinfacht: Frische Brennesselpflanzen wurden in
Qö^'/pigen Alkohol gebracht und in demselben 14 Tage laug
liegen gelassen. Nach Ablauf dieser Zeit zerrieb man eine
grössere Anzahl ihrer Brennhaare mit ein bis zwei Tropfen destil-
lirten Wassers, Hess die Lösung zu grösserer Concentration ein-
dunsten und stellte mit ihr nunmehr Impfversuche an. Das
Resultat war noch entschiedener als bei dem frühereu
Versuche, die Hautentzündung stellte sich in ver-
stärktem Maasse ein.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich Folgendes: 1) der bereits
früher bewiesene Satz, dass das Gift der Brennhaare nicht mit
der Ameisensäure identisch ist, erscheint hiermit bestätigt; 2) der
im Zellsnfte des Brennhnares gelöste Eiweisskörper ist gleichfalls
nicht als das fragliche Gift anzusprechen; 3) dieses letztereist
vielmehr eine Substanz, welche gleich einem Enzym durch
Alkohol, fällbar und in Wasser neuerdings löslich ist.
Damit ist auch die Möglichkeit , dass ein Alkaloid vorliege,
ausgeschlossen.
Eine weitere Ähnlichkeit des Brennhaargiftes mit den
Enzymen ergibt sich aus Folgendem. Bekanntlich lassen sich die
Enzyme aus den betreibenden pflanzlichen oder thierischen
Organen durch Glycerin extrahiren; hierauf beruht auch das
von Wittich, Htifner u. A. mit bestem Erfolge angewendete
und in verschiedener Weise variirte Verfahren zur Dai'stellnng
wirksamer Enzympräparate. Um zu erfahren, ob sich das Brenn-
haargift ähnlich verhalte, zerrieb ich eine grössere Anzahl
(60 — 80) von Brennhaaren einer in 957o igen Alkohol gelegenen
Zur Anatomie und Physiologie der pflanzliclien Brennhnave. 139
Nesselpflanze mit einem kleineu Tropfen sympdicken Glycerins
lind nahm dann nach einer Stunde die Impfversuche vor. Die-
selben ergaben dasselbe positive Resultat wie die vorhin
erwähnten Versuche. Der einzige Unterschied bestand darin^
dass sich das Brennen und die Eöthung- der Haut erst nach
einigen Minuten einstellten. Fast ausnahmslos bildeten sich auch
kleine Stippen.
Die vorliegenden Angaben beziehen sich zunächst auf
Urtica dioica, doch zweifle ich nicht, dass die übrigen Nessel-
arten sich gleich verhalten. Bei Laportea f/igas wird im Zellsaft
der Brennhaare durch Kochen gleichfalls ein dichtes Eiweiss-
Coagiilum ausgeschieden. Alkoholexemplare von Loasa papaveri-
f'olia zeigen im Zellsaftraum ihrer Brennhaare den gleichen
dichten Niederschlag, wie die 6^r^/t'«-Brennhaare. Ausserdem
treten hier noch bisweilen grosse Sphärokrystalle auf, die ich
jedoch nicht näher untersucht habe. Bei Loasa hispida sind die
coagulirten Massen stellenweise besonders substanzreich und
bilden förmliche Pfropfen von gelbbrauner Farbe. Diese That-
sachen lassen vermnthen, dass das Brennhaargift der Loasaceen
dem Brennesselgift sehr ähnlich ist.
Vorläufig scheint mir also festzustehen, dass das ent-
zündungerregende Gift der Brennhaare von Urtica
dioica eine Substanz ist, welche sich in Bezug auf
manche Eigenschaften den ungeformten Fermenten
oder Enzymen anschliesst. Eingehendere Untersuchungen
müssen lehren, wie w^eit diese Ähnlichkeit geht, und ob man hier
thatsächlich von einem „enzymotischen Gifte" sprechen darf.
Dem physiologischen Chemiker eröffnet sich hier ein vielleicht
nicht undankbares Arbeitsgebiet.^
Ich habe jetzt noch einige Fragen mehr secundärer Natur zu
besprechen, welche mit unserem Gegenstande zusammenhängen.
1 Es wird sich jetzt unter Anderem auch fragen, ob die wirksame
Substanz der Brenuhaare und Giftorgane verschiedener Insekten in der
That Ameisensäure ist, wie gewiihnlich behauptet wird, oder ob es sich
140 Haberlaiidt,
Die eine dieser Fragen betrifft die chemisch-physiologische
Bedeutung- des so beträchtlichen Ei weiss gehaltes im Zellsafte
der untersuchten Brenuhaare. Die Annahme, dass der betreffende
Eiweisskörper mit der Entstehung des Giftes in einem Zusammen-
hange steht, ist jedenfalls der Erwägung werth. Bei dem Umstände,
dass die Enzyme den Eiweissstoffeu nahe verwandt sind und
sehr wahrscheinlich aus diesen durch chemische Umänderung
hervorgehen, liegt die Vorstellung nahe, dass der im Zellsaft
gelöste Eiweisskörper die Muttersubstanz des Giftes ist; dem
lebenden Plasma des Brennhaares käme sodann die Aufgabe
zu, den chemischen Vorgang anzuregen, der zur Entstehung des
Giftes führt.
Eine Frage für sich ist es ferner, ob die im Zellsaft gelösten
Eiweissmengen an Ort und Stelle, d. h. im Brennhaare selbst
gebildet wurden, oder ob sie demselben von dem betreffenden
Mutterorgane zugeführt worden sind. Ohne der Beantwortung
dieser Frage vorgreifen zu wollen, möchte ich doch das Erstere
für wahrscheinlicher halten.
Wir haben ferner nochmals auf die Ameisensäure in den
Nessel-Brennhaaren zurückzukommen, vorausgesetzt, dass die
stark saure Reaction ihres Zellsaftes thatsächlich auf dem Vor-
handensein dieser Säure beruht. Wenn man erwägt, wie leicht
bei der Oxydation verschiedener organischer Substanzen, besonders
der Eiweissstoffe und Kohlehydrate, Ameisensäure gebildet wird
so liegt die Auffassung dieser letzteren als eines unvollständigen
Oxydationsproductes sehr nahe; die lebhaften Plasmaströmungen
hier uiclit um ähnliche Gifte handelt, wie bei den pflanzlichen Brcunhaaren.
Für letztere Annahme sprechen Beobachtungen von Th. Goossens.
(Annales de Im soci6t6 entomologique de France, 6. Serie, I. Bd.; Referat
in Maly's Jahresbericht über die Fortschritte der Thierchemie, 1882,
pag. 330.) Derselbe erwähnt zunächst, dass Raupen von Cnethocampa,
Ocneria u. A. die Fähigkeit besitzen, bei ihrer Berührung ein heftiges
Jucken zu erzeugen und Störungen im Organismus hervorzurufen, die sich
bis zum Fieber steigern, ja selbst den Tod veranlassen können. Das
aus besonderen Drüsen entströmende Sekret hängt sich an die benachbarten
Haare, wo es zu Staub vertrocknet. Als der Verfasser solchen Staub
yow Cnethocampa plljiocampa auf die befeuchtete Hand brachte, so ergritf
unter bedeutendem Aufschwellen den ganzen Körper ein unerträgliches
Jucken.
Zui- Anatomie uud Physiologie der pflanzlichen Brennliaarc. 141
in den Brenuhaaren deuten auf lebhafte Athmung hin und bei
dem Umstände, dass die Versorgung der nahezu allseitig stark
verdickte Membranen besitzenden Brennhaarzelle mit Sauerstoff
keine sehr rasche sein dürfte/ erscheint die obige Autfassung um
so berechtigter. Es würde sonach der Ameisensäure in den
Nessel-Brennhaaren dieselbe Bedeutung im Stoffwechsel zu-
kommen, wie den übrigen organischen Säuren in Pflanzenzellen. ^
Autfallend bleibt es jedocii immerhin, dass in den Brennhaaren
gerade die sonst nicht eben häufige Ameisensäure auftritt, zumal
wenn man bedenkt, dass auch in den Brennhaareu und Gift-
organen verschiedener Insekten Ameisensäure nachgewiesen
wurde. Es scheint hier eine gewisse Gleichartigkeit der Stoff-
wechselprocesse vorzuliegen, vorausgesetzt, dass von den betref-
fenden Thieren Gifte erzeugt werden, welche den pflanzlichen
Brennhaargiften ähnlich sind. In diesem Falle würde also die
Ameisensäure gewissermassen ein Nebenproduct bei der Bildung
dieser giftigen Substanzen vorstellen.
So wie die Bedeutung der übrigen Pflanzensäuren mit dem
Hinweise auf ihre Stellung im Stoffwechsel noch nicht erschöpfend
gewürdigt ist, so gilt dies auch betreffs der Ameisensäure der
Brennhaare. Seit den Untersuchungen von de Vries und Anderen
gilt es bekanntlich als feststehend, dass die organischen Säuren,
respective deren Salze, in Folge ihrer bedeutenden osmotischen
Leistungsfähigkeit für den Turgor der Zellen von grosser
Wichtigkeit sind. Wie nun bereits Duval- Jouve^ gezeigt hat,
ist der beträchtliche Turgor der Brennhaarzelle für die Ent-
leerung des giftigen Zellinhaltes von Bedeutung. Wenn man nach
dem Vorgange des genannten Forschers mit einer Nadelspitze
das Köpfchen eines Nessel-Brennhaares berührt, so bricht das-
selbe ab und aus der Öffnung tritt ein kleines Tröpfchen Zellsaft
1 Ich halte es nicht für undenkbar, dass die relativ weit hinabreichende,
stark verdünnte Wandiingspartie auf der concaven Seite der Brennhaar-
spitze von Jatiopha iirens und stimulata, sowie von Loasa papnverifolia
abgesehen von ihrer mechanischen Bedeutung auch noch als Aufuahmsstelle
für Sauerstoff zu fungiren hat.
- Vergl. Sachs, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie, pag. J:S<Si
ferner 0. War bürg, Berichte der deutsch, bot. Gesellsch. 1885, pag. 280 ff.
a L. c. p. U ff.
142 Hsiberlaiult,
aus. Bisweilen wird dasselbe förmlich ausgespritzt. Nach Duval-
J Olive soll sich dabei der Durchmesser des eigentlichen Haares
(poin9on) um ^15 bis V20 verringern, während der Durchmesser des
blasig erweiterten Haarendes (bulbe) angeblich der gleiche
bleibt. Bei dem Umstände, dass die AYanduiigen des Haares bis
zur Anschwellung hinab verkieselt, respective verkalkt sind,
während die Membran des Bulbus aus verhältnissmässig reiner
Cellulose besteht, möchte man eher das Umgekehrte erwarten.
In der That habe ich nach dem Abbrechen des Köpfchens niemals
eine Verengerung des eigentlichen Haares constatiren können,
wohl aber eine Verkleinerung des Querdurchmessers des Bulbus
um 2 — 5^0 1 li<iufig Hess jedoch auch dieser unterste Theil der
Brennhaarzelle keine Dimensionsänderung erkennen.* Jedenfalls
ist dieser Punkt noch einer genaueren Untersuchung bedürftig.
Uns genügt es jedoch zu wissen, dass die zur Ejaculation
des Zellsaftes erforderliche Kraft durch Turgorspannung erzielt
werden kann, womit aber nicht gesagt ist, dass die Mechanik
der Entlerung eines Theiles des Zellinhaltes ausschliesslich und
immer die eben geschilderte ist, wie Duval-Jouve behauptet.
Zweifellos kommt die von älteren Forschern, z. B. von Bahr dt,
angenommene Mechanik dieses Vorganges,wonach die Entleerung
eines Theiles des Zellsaftes auf den Druck zurückzuführen ist,
welchen das blasig erweiterte Ende der Zelle durch den berühren-
den Körper erfährt, gleichfalls zur Geltung. Es geht dies unter
Anderem sehr deutlich aus der Thatsache hervor, dass man sich
mit ein und demselben Brennhaare zweimal hintereinander in
wirksamer Weise stechen kann. Selbstverständlich ist beim
zweiten Stiche, welcher nicht minder wirksam ist als der erste,-
die Mitwirkung der Turgorspannung ausgeschlossen; die Ent-
leerung des Giftes erfolgt ausschliesshch nach dem zweit-
erwähnten Modus. Der gewöhnliche Fall wird allerdings der
sein, dass sich die Mechanik der Entleerung aus beiderlei Arten
conibinirt. Bei sehr leiser Berührung des Brennhaares, die zur
Hervorrufung der Hautentzündung oft schon ausreicht, wird
1 Die« w;ir mucIi bei jeuem Brcnuhnare der Fall, welches zur oben
(pag. I;i2) crwähnteu Bestimmuug' der beim Stiche entleerten Zellsaftmenge
diente.
Zur Anatomie imd Physiologie der pflanzlichen Brenuhaare. 143
dagegen die Ejaciilatiou des Zellsaftes ausschliesslich oder doch
hauptsächlich auf Rechnuug der Turgorspanuung zu setzen sein.
Ziini Schlüsse möchte ich noch auf die denBecher des Nessel-
Breunliaares bildenden Zellen zu sprechen kommen, welche den
Bulbus der Brenuhaarzelle umschliessen. (Taf. I, Fig. 6.) Die-
selben sind stark plattgedrückt und bilden im oberen Theile des
Bechers eine, im unteren gewöhnlich zwei Lagen. Von den älteren
Autoren sind diese Zellen häufig als Drltsenzellen angesprochen
worden, welche das Gift des Brennhaares secerniren. Es weist
jedoch nichts auf eine derartige Function hin: Ihr Zeilsaft bleibt
nach dem Abbrühen des Brennhaares ungetrübt, enthält also
keine constatirbaren Eiweissmengen und auch sein Säuregebalt
kann kein beträchtlicher sein, was aus dem Umstände zu folgern
ist, dass die Chlorophyllkörner dieser Zellen auch nach dem
Abbrühen ihre grüne Farbe unverändert behalten.^ Wie ich schon
bei früherer Gelegenheit^ hervorgehoben habe, zeichnen sich die
in Rede stehenden Zellen durch einen verhältnissmässig beträcht-
liclien Chlorophyllgehalt (30 — 40 Körner pro Zelle ) ans, so dass
dieselben wahrscheinlich als localer Assimilatiousapparat des
Brennhaares aufzufassen sind. Hiefür spricht auch der Umstand,
dass an den verdickten .'^eitenwänden des Bulbus zahlreiche
runde oder quer elliptische Tüpfel auftreten, welche auf einen
lebhaften Stoffverkehr zwischen der Brennhaarzelle und den
Zellen des Bechers hindeuten. Bemerkeuswerth ist, dass die
Tüpfel am Grunde des Bulbus fehlen oder doch spärlich auf-
treten, was sich nach unserer Auffassung dadurch erklärt, dass
die hier angrenzenden Zellen im Inneren der das Brennhaar
tragenden Gewebesäule chlorophyllärmer sind.
1 Wie Wiesner gezeigt hat ("Elemeute der Anat. und Physiol. von
Pflanzen, pag. 229), nehmen grüne Laubblätter von Oxalis acetosella, wenn
man dieselben in kochendesWasser taucht, alsbald eine bräunliche Färbung
an; die Säure des Zellsaftes kann nunmehr, da das Protoplasma getödtet
ist, bis zu den Chlorophyllköruern gelangen und verfärbt dieselben.
■- Pringsheim's Jahrbücher für wisseusch. Botanik. XIII. B. p. 168.
144 Haberlandt,
Erkläruno- der Abbilduno-en.
Tafel I.
Fig. 1, 2, 3 Brennhaarspitzen von Urtica dioica. In Fig. 1 bezeichnet die
punktirte Linie ab die Abbruchstelle des Köpfchens. Vergr. 560.
„ 4. Brennhaarspitze von Urtica dioica nach dem Abbrechen des
Köpfchens. Vergr. 560.
„ 5. Oberer Theil des Brennhaares von Urtica dioica. Die weiss
gelassenen Wandungstheile sind verkieselt; die grau gefärbten mit
kohlensaurem Kalk imprägnirt. Vergr. 520.
„ 6. Längsschnitt durch den Bulbus und die becherförmige Emergenz
eines Brennhaares von Urtica dioica. Vergr. 205.
„ 7. Unterer Theil eines Brennhaares von Urtica dioica nach Zusatz von
Schwefelsäure. Die nicht verkalkte Wandung des Bulbus und die
darangrenzenden Membranpartien des Haares, in welchen der
kohlensaure Kalk bereits gelöst ist, erscheinen stark gequollen.
Vergr. 90.
„ 8. Partie eines abgebrühten Brennhaares von Urtica dioica; im Zellsaft
hat sich ein Eiweiss-Coaguliim ausgeschieden. Verg. 170.
„ 9, 10, 11. Brennhaarspitzen von Urtica nrens. Vergr. 540.
„ 12. Brennhaarspitze von Urtica pilulifera. Vergr. 620.
„ 13. Brenuhaarspitze von Urtica meiiibranacea. Vergr. 520.
„ 14. Brenuhaarspitze von Laportea ffiffas. Vergr. 490.
,, loa — (/Brennhaarspitzen von Wigandiaurens., diesuccessivenÜbergangs-
formen von köpfchenlosen bis zu köpfchentragenden Brennhaar-
spitzen darstellend. Vergr. 530.
Tafel II.
Fig. 1 und 2. Brennhaarspitzen von Loasa hiapida. Vergr. 400.
,, 3 und 4. Brennhaarspitzen von Bltimenbachia Hieronymi. Fig. 3 mit
tlieilweise abgebrochenem Köpfchen. Vergr. 410.
„ 5, 6, 7. Breunhaarspitzen von Loasa papaverifolia, Fig. 7 nach dem
Abbrechen des Köpfchens. Vergr. 550.
., 8 und 9. Brennhaarspitzen von Loasa tricolor. Vergr. 480.
., 10 und 11. Brennhaiirspitzen von Cnjop/iora /a/critia. Yvrgr. 520
G. Haberlandt ; Zur-Änatoime lüiä. Physiologie der pilar.zliclierL'Breimhs.are .
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G. Haberlandt . Zur Ar^atomie isid Physiologie der pilanzliclieiiBreimhaare .
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Sitzmiösl)er. d. kaiserl. Akad.d.Mlss.math.natunv. n.XCIff.Bd.Libtk.1886.
Zur Anatomie und Physiologie der pflanzlichen Brennhaare. 145
Fig. 12. Oberes Ende eines Knötchenhaares von Blumenbachia Hieronymi.
„ 13. Desgleichen von Loasa hispida. Vergr. 440.
„ 14, 15, 16. Breunhaarspitzen von Jatropha stimidata; Fig. 14 stellt den
typischen Fall dar; die gestrichelte Linie a — b gibt die Abbruch-
linie des Köpfchens an. Vergr. 220.
„ 17. Abnorme Brennhaarspitze von Jatropha stimulata. Vergr. 220.
„ 18. Wandungspartie von der convexen Seite einer Brennhaarspitze von
Jatropha stimulata nach Behandlung mit verdünnter Kalilauge.
Vergr. 260.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. 10
146
VI. SITZUNG VOM 18. FEBRUAR 1886.
Das w. M. Herr Hofrath Intendant Dr. F. Ritter v. Hauer
übermittelt das eben erschienene erste Heft der von ihm redi-
girten „Annalen des k. k. Naturhistorischen Hof-
niuseums", enthaltend den Jahresbericht für 1885.
Die Direction des k. k. niilitär - geographischen In-
stitutes übermittelt die 31. Lieferung- (14 Blätter) der neuen
iSpecialkarte der österr.-ungar. Monarchie (1 : 75000).
Der akademische Maler Herr Josef Ho ff mann in Wien
übermittelt als Geschenk für die kaiserliche Akademie eine Reihe
von Photographien nach seinen für das k. k. Naturhistorische
Hofmuseum ausgeführten geologischen Gemälden.
Das w. M. Herr Regierungsrath Prof. Ludwig Boltzmann
übersendet eine Abhandlung des Herrn Anton Lampel in Graz:
„Über Drehschwingungen einer Kugel mit Luft-
widerstand."
Das c. M. Herr Prof. L. Gegenbauer in Innsbruck über-
sendet eine Abhandlung unter dem Titel: ,,Neue Classen-
anzahl-Relationen".
Der Secretär legt eine Abhandlung von Herrn C. Zahälka,
Lehrer am Obergymnasium in Raudnitz a/E., betitelt: „Bei-
trag zur Kenntniss der Phymatellen der böhmischen
Kreideformation" vor.
Das w. M. Herr Prof. E. Wcyr überreicht eine Abhandlung
des Herrn Dr. Gustav Kohn, Privatdocenten au der Wiener
Universität: „Über das Vierseit und sein associirtes
Viereck, das Flinfflach und sein associirtes Fünfeck."
147
Herr Major Albert v. Obermayer des k. k. Artillerie-Stabes
überreicht eine von ihm in Gemeinschaft mit Herrn Civil -Ingenieur
Moritz Ritter von Pichler ausgeführte Untersuchung: ,,Über
die Einwirkung der Entladung hochgespannter Elek-
tricität auf feste in Luft suspendirte Theilchen."
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bislier nicht
zugekommene, Periodica sind eingelangt.
Commission geologique et d'histoire naturelle et Musee du Ca-
nada: Rapport des Operations 1882 — 83 — 84 et Mappes.
Ottawa, 1885. 8«.
10
148
Untersuchungen über Laubfall,
Von Dr. Haus Molisch,
Privatdocenten a,i der Wiener Uinveraität.
(Arbeiten des pflanzenphysiologischen Institutes der k. k. Wiener
Universität. XXXI.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 11. Februar 1886.)
In den meisten bisher über Blattfall erschienenen Unter-
siichiing-en handelte es sieh fast ausschliesslich um die Fest-
stellung- anatomischer Thatsaehen, namentlich um die kurz vor
oder während des Laubfalles im Blattg-elenke vor sich gehenden
Veränderungeu, Dies war auch in der grundlegenden Arbeit
H. V. Mohl's* der Fall. Die Physiologie des Laubfalles jedoch
ist meines Wissens nur ein einziges Mal mit Erfolg in Angriff
genommen worden, und zwar von Wiesner^
Wir werden im Laufe der eigenen Untersuchungen vielfach
Gelegenheit haben, auf die zahlreichen von dem genannten
Forscher festgestellten Thatsaehen zurückzukommen, hier sei nur
bemerkt, dass Wiesner's Experimente sich ausschliesslich auf
die herbstliche Entlaubung der Holzgewächse beziehen, die Frage
nach den Ursachen des Laubfalles überhaupt hiebei jedoch noch
nicht in Betracht kam. Diese Frage, wenn auch nicht in ihrem
ganzen Umfange, so doch theilweise ihrer Lösung entgegenzii-
führen, schien mir eine dankbare Aufgabe, dies um so mehr, als
wir ja bis heute über ganz naheliegende Dinge, wie über den
Einfluss des Lichtabschhisses, der gesteigerten Transspiration, der
mangelhaften Wasserzufuhr, des Sauerstoffes u. s. w., auf den
Laubfall entweder gar nicht oder nur ganz oberflächlich unter-
richtet sind. Einen historischen Abriss über die Lehre vom Laub-
1 Über die anatomischen Veränderungen des lilattgelenkes, welche
das Abfallen der lilätter herbc^iführen. Bot. Zeitg. 1860.
- Untersuchungen über die herbstliche Entlaubung der Holzgewächse.
Sitzber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien, 1S71.
üntersuchuugen über Laubfall. 149
fall zu bringen, halte ich für überflüssig-, da Mo hl und Wiesner
in den beiden vorher genannten »Schriften darüljer ausführlich
berichten und ich ohnedies auf ältere Untersuchungen, soweit sie
mit den folgenden verknüpft sind, stets zurückgreifen werde.
I.
Bemerkungen zum Laubfall bei gehemmter Transspiration,
Es ist eine namentlich von Wiesner durch genaue Ver-
suche vollkommen erwiesene Thatsache, dass Zweige unserer Holz-
gewächse, in einen mit Wasserdampf gesättigten Raum gebracht,
ihre Blätter nach mehreren Tagen abwerfen.^ Wiesner's dies-
bezügliche Versuche beziehen sich durchwegs auf in ziemlich
trockener Luft vorkommende, an starke Transspiration gewöhnte
einheimische Holzgewächse. Ob auch andere Pflanzen mit fal-
lenden Blättern, ob beispielsweise Pflanzen, welche von Natur aus
feuchte Luft lieben und für gewöhnlich wenig transspirireu, bei
vollständiger Hemmung der Transspiration ebenfalls ihr Laub
abwerfen, wurde bisher nicht geprüft. Das prächtige Gedeihen
der Warmhauspflanzen in einer an Wasserdampf so reichen
Atmosphäre, die üppige Entfaltung von Croton, Ardisia, Fi'cus
elastica und vielen anderen Pflanzen in geschlossenen feuchten
Mistbeeten Hess auf das Bestimmteste vermuthen, das viele der-
selben auch in völlig dunstgesättigtemPaume ihreBlätter behalten
werden. Dies ist auch thatsächlich der Fall. Ich habe seit drei
Monaten, Coleushybriden, Goldfussia isophylla, Boehmeria argentea
unter mit feuchtem Sande abgesperrten Glasglocken bei voll-
ständig unterdrückter Verdunstung stehen, ohne eine Ablösung
der Blätter zu bemerken. Die Pflanzen wuchsen bedeutend,
bildeten neue, allerdings kleinere Blätter und behielten die alten.
Derartige Pflanzen verhalten sich demnach in absolut feuchtem
Eaume ganz anderes als unsere Holzgewächse oder, allgemeiner
gesagt, als die stark transspirirenden , in verhältnissmässig
trockener Luft lebenden Pflanzen und es wäre weit gefehlt, wollte
mau die mit letzteren erhaltenen Resultate auf die ersteren über-
tragen.
1 Wiesner, 1. c. p. 37 etc. Unter denselben Becling-ungen lösen sich
nach meinen Beobachtungen auch die Internodien von Ephedra graeca und
Viscum albnm von einander ab. *
150 M () li s c h,
II.
Einfluss der gesteigerten Trans spiration und der mangelhaften
Wasserzufuhr auf den Blattfall,
Im vorigen Capitel ist darauf hingewiesen worden, dass viele
Pflanzen, wenn sie aus einem verhiiltnissmässig trockenen Räume
in einen sehr feuchten gebracht werden, ihre Blätter abwerfen ;
hier soll nun gezeigt werden, dass derselbe Effect erzielt wird,
wofern man Pflanzen aus recht feuchter Luft in trockene bringt,
sie also einer gesteigerten Transspiratiou aussetzt.
Diese Erscheinung ist namentlich im Kreise der Pflanzen-
zUchter nicht ganz unbekannt, sie hat jedoch meines Wissens von
wissenschaftlicher Seite eine genauere Prüfung bisher nicht
erfahren.
Wenn der eben angedeutete Versuch gelingen soll, dann
darf der Wechsel der Luftfeuchtigkeit nicht ein allzu schroffer
sein, d. h. es darf die Transspiratiou nicht plötzlich allzu sehr
gesteigert und die Wasserzufuhr nicht vollends unterbrochen
werden. Ja es genügt in der Regel die momentane Unterbrechung
der Wasserzuleitung bei ungeänderten Transspirationsverhält-
nissen allein, um das Gelingen des Versuches vollends zu ver-
eiteln. So erklärt es sich, warum beispielsweise durch Sturm oder
sonst wie im Walde abgebrochene Zweige ihre rasch welkenden
und eintrocknenden Blätter behalten. Das Verhalten derartiger
Zweige ist auch ganz natürlich und begreiflich, wenn man bedenkt,
dass sich die Ablösung der Blätter nur unter Intervention der
sogenannten Trennungsschichte im Blattgrunde vollziehen kann,
eine solche aber wegen der allzu vaschen Eintrocknung des
Blattes nicht zur Ausbildung kommt. Legt man jedoch abge-
schnittene Sprosse unserer Holzgewächse in ziemlich feuchte Luft,
etwa auf den feuchten Sand eines Warmhauses, so welken sie,
obwohl von jeder Wasserzufuhr entblösst, nur sehr langsam und
verlieren viele ihrer Blätter.
Dagegen werfen abgeschnittene Zweige von
Pflanzen, welche ihrer Organisation wegen auf-
fallend langsam transspiriren, selbst in verhältniss-
mässig trockener Zimmerluft liegend, ihre Blätter nach
und nach ab. Ein»solches Verhalten zeigen viele Succulenten, z. B.
Untersuchnngen über Laiil»f;ill. 151
Sprosse von Crnssula oblifjiiu, Echei^eria-Avteu, Pcpero/n'a tricho-
carpai\ ferner Befjonia-Avten. Pereskia acideafa, Ahies perthiafa,
Äbies excelsa und die an den Sclieinknollen haftenden Blätter
vieler Orchideen [Xylobium squalens, Coelogyne cristata Lindl.,
Oiicifliimi microphylhmi etc.). Viele von diesen Zw^eig-en bleiben
länger als einen Monat, Crassnla obligna sogar länger als 3 Monate
am Leben. Während dieser Zeit beginnen die Blätter und zw^ar
die untersten zuerst zu schrumpfen und fallen schliesslich ab. *
Crass)fla-ZwG\gG zerfallen überdies durch Lostrennung einzelner
Internodien von einander in mehrere Stücke.
Bei Pelargoninm zonale kommt es unter obigen Verhält-
nissen innerhalb 2 — 3 Wochen zur Ausbildung von Trennungs-
schichten, aber die inzv^ischen vertrockneten Blätter bleiben,
wenn auch nur lose, haften. Unter Wasser getaucht lösen sie sich
offenbar in Folge einer plötzlichen Tiirgorsteigerung- in der
Trennunjgszone binnen wenigen Stunden ab.
Wie sehr gesteigerte Transspiration besonders in Verbindung-
mit verminderter Wasserzufuhr die Entlaubung vieler Gewächse
bedingt, dies tritt in besonders auffallender Weise bei jenen
Pflanzen hervor, welche eine feuchte Atmosphäre lieben, z. B. bei
Warmhauspflanzen. Ein sehr geeignetes Versuchsobject in dieser
Richtung ist Boehmeria urgenten.
Versuch. Von einem im feuchten Warmhaus befindlichen
Stocke dieser Pflanze wurden zwei möglichst gleiche Zweige ab-
geschnitten, beide mit ihrer Basis (Schnittfläche) ins Wasser
getaucht, der eine {Ä) bei der Mutterpflanze im Warmhause
belassen, der andere {B) jedoch in dem ebenso warmen, aber
trockenen Experimentirraum ^ aufgestellt. Feuchtigkeit im Warm-
hause =: 82—85, F. im Exper. = 56—68 Temp. 23—26° C.
Nach 6 Stunden begann Zweig- B zu welken, nach 24 Stunden
waren die Blätter ziemlich schlaff. Nach 2 Tagen fielen 5 Blätter
von selbst, 7 bei der leisesten Erschütterung ab. Das jüngste und
das älteste zufällio- unter Wasser tauchende Blatt^ verblieb auf
1 Bei Erica nur die ältesten.
- In diesem, zum Gewächshause des pflanzenphysiologischen Insti-
tutes gehörigen Räume wurden fast alle meine Versuche ausgeführt.
3 Die Erscheinung, dass imtergetauchte Blätter erst nach langer Zeit
abfallen, ist auf pag. 171 etc. ausführlich besprochen.
152
M 0 1 i s c h,
dem Zweige. Der zweite, im Warmhause nlso unter normalen
Verhältnissen befindliche Spross (ß) blieb beständig- frisch, schlug
an der unteren untergetauchten Stengelpartie Wurzel und verlor
selbst nach vielen Wochen kein einziges Blatt. Sprosse von
Impatiens Snltani, GoMfussia isophylla, G. fjlomeruta, Ruellia
ockroleuca, Hlhiscns puniceus, Croton- Arten, Poinsettia sp. zeigten
als sie demselben Versuche unterworfen wurden, ein im Wesent-
lichen gleiches Verhalten. Innerhalb 1 — 2 Wochen verloren die
im trockenen Kaume befindlichen Zweige die Mehrzahl ihrer
Blätter, während die im Warmhause belassenen ihre turgescenten
Blätter insgesammt behielten und sich gleichfalls nicht selten
bewurzelten.
Bemerkenswerth ist, dass derartige Zweige in trockener
Luft anfänglich stark welken, dann aber, nachdem sie die ältesten
und älteren Blätter abgeworfen, sich wieder erholen. Anfänglich
wird eben in Folge der grossen verdunstenden Oberfläche bei
Weitem mehr Wasser abgegeben als aufgenommen. Daher das
Welken. Später wird, sobald durch die theilweise Entlaubung das
richtige Verhältniss zwischen Transpiration und Wasseraufnahme
wiederhergestellt ist, der Spross wieder frisch und behält sogar
für lauge Zeit seine jüngeren nunmehr turgescenten Blätter.
Versuche mit bewurzelten Pflauzeu.
1. Eine dem feuchten Wariiihause (Fr= 83 — 87) entnommene
Begoniu insigitis (kräftige Pflanze mit 22 Blättern) wurde im
trockenen Experimentirraume aufgestellt und von nun an nicht
mehr begossen. Feuchtigkeit im Warmhause 81 — 85, Feucht,
im Exp. 70—75, Temp. in beiden 17—20° C.
Vcrsiichs-
dauer
nach Taffcii
Zahl der
abgefallenen
Blätter
Anmerkung
Nach 1
:. 4
,, 7
„ 12
„ 17
. 20
2
6
8
9
13
18
Pflanze welk,
l Zweige hängen
) schlaff abwärts.
Uiitersuchurigeii über Laubfall. 153
2. Zwei im leuchten Warmhause erwachsene , je mit
8 Blättern versehene Colens wurden im trockenen Raame
gesteigerter Transspiration ausgesetzt. Die eine Pflanze (Ä) wurde
von jetzt an gar nicht mehr begossen, die andere (F) jedoch regel-
mässig. Sonst Alles wie vorher.
A Hess schon nach 5 Tagen fünf ihrer ältesten Blätter fallen,
B eben so viele, aber erst nach 21 Tagen. Es bedurfte mithin
im letzteren Falle, wo nur starke Transspiration im Spiele war,
viel längerer Zeit, um die Blätter zum Fallen zu bringen, als im
ersteren Falle, wo neben intensiver Verdunstung auch noch
mangelhafte Wasserzufuhr mitwirkte.
3. Ich stellte 5 kräftige an die Atmosphäre des Warmhauses
gewöhnte Cro^//-Bäumcheu (50 — 150 Ctm. hoch) in den trockenen
Raum. Feuchtigkeit und Temperatur wie vorher. Die Erde der
Pflanzen wurde während der ganzen Versuclisdauer möglichst
gleichmässig feucht gehalten.
Innerhalb drei Wochen waren alle Bäumchen in Folge der
gesteigerten Transspiration fast vollständig entblättert. Die eben
angeführten Versuche beweisen zur Genüge, dass Pflanzen,
welche in feuchter Luft zu leben gewöhnt sind, ihre
Blätter theilweise oder völlig abwerfen, sobald sie
trockener Luft oder ungenügender Wasserzufuhr oder
beiden zugleich ausgesetzt werden ^ Vom biologischen
Standpunkte ist diese Erscheinung sehr verständlich, die Pflanze
sucht eben in Zeiten der Wassernoth ihre verdunstende Oberfläche
durch Abstossen der Blätter möglichst zu verkleinern, um Stengel
und Knospen vor völligem Austrocknen zu bewahren.
Da es eigentlich bei dieser Art des Blatt falls meiner Ansicht
nach nur darauf ankommt, den Wassergehalt der ganzen Pflanzen
1 Es scheint uiir nicht unwichtig, darauf hinzuweisen, dass viele
solcher Pflanzen auch in verhältnissmässig trockener Luft ihre Blätter
behalten können, wenn sie an diese ganz allmählich gewöhnt werden.
Bei dieser von Gärtnern mit grossem Geschick betriebenen ..Abhärtung"
werden die anfänglich zarten und weichen Blätter derb, die Transspirations-
widerstände werden durch starke Cuticularisirung der Membranen
bedeutend grösser, kurz die Pflanzen passen sich den neuen Verhältnissen
au und gedeihen, selbst im freien Lande und bei starker Besonnung, ganz
ausgezeichnet. (Begonin, Abutilon, Colcus, Pici/s elaslica etc.)
154 M 0 1 i s c h, ,
und somit auch der Blattgelenke auf ein gewisses Minimum
herabzusetzen, so müssen auch nicht immer beide Ursachen
zusammenwirken^ es genügt schon oft eine.
Soviel über Warmhauspflanzen^ und wir gehen nun zu
Gewächsen über, welche gerade keine feuchte Atmosphäre lieben.
Da sei denn gleich bemerkt, dass solche Pflanzen in trockenem
Räume, falls ihnen dauernd kein Wasser geboten wird, nur ihre
ältesten Blätter abwerfen, die übrigen aber beibehalten. Die
letzteren welken, schrumpfen, verfärben sich häufig, aber sie sitzen
am Zweige fest.
Es gelingt jedoch in überraschend kurzer Zeit alle oder die
Mehrzahl der Blätter zu Falle zu bringen , sobald man die
abgewelkte und in trockener Erde stehende Pflanze plötzlich so
reichlich mit Wasser versieht, dass der Boden völlig durchnässt
wird. Ich verdanke die Kenntniss dieser höchst interessanten
Thatsache einer privaten Mittheilnng des Herrn Prof. Wiesner,
der im Jahre 1881 darüber eine Reihe von Versuchen machte und
mir seine Aufzeichnungen gütigst zur Verfügung stellte.^ Ich
erlaube mir aus denselben folgende zwei Versuche dem Wortlaute
nach hervorznheben.
a) .,Eine im Blühen befindliche Azalea iiulicn wurde im
trockenen Räume stehen gelassen und nicht begossen, bis
die Blätter ganz welk wurden. Hierauf wurden die Wurzeln
durch Begiessen der Erde stark angenässt und die Pflanze
im trockenen Ra.ume(Zimmer)belassen. Nach einigen Stunden
war die Pflanze entblättert.
b) Eine ebensolche Pflanze wurde stets bis zum Welkwerden
stehen gelassen und hierauf nicht nur der Boden, sondern
auch die Blätter durch Besprengen feucht gehalten. Die Ent-
blätterung trat noch früher als bei («) ein.
Genau so verhalten sich auch abgeschnittene Zweige."
Aus diesen Versuchen schloss Wiesner mit Recht, dass
eine plötzliche Turgorsteigerung die Zellen der Trennungsschichte
zum Auseinanderweiclien und das Blatt hiedurch zum Abfallen
bringe.
1 Hicfür sowie tür die vi(;U';iche Auregung-, die mir lueiu hochver-
ehrter Lehrer Herr Prof. Dr. .Julius Wiesner bei der Ausführung dieser
Arbeit zutheil werden Hess, sage ich meinen besten Dank.
Uiitersnchungeü über Laubfall. lo&
Ich wiederholte diese Versuche mit Azalea indicu, Evonymus
japotncits, Fnchsia (Hybride), La/ttana sp., Goldfnssia isophylla,
Mimosa pudica, Ficus elastica^ und gelaugte imWeseiitlicheu gauz
zu demselben Resultate; Unterschiede traten nur insoferue ein,
als in vielen Fällen die Entlaubung zwar schon einige Stunden
nach der Bewässerung mid Besprengung anlmb, bis zu ihrer
Vollendung jedoch 1 — 2 Tage und mehr verflossen. Auch blieben
die jüngsten Blätter von der Ablösung häufig verschont, Folgender
Versuch mit Evonymus japonicus sei hier mitgetheilt.
Ein dem Freien entnommenes Exemplar wurde in dem
gewöhnlichen Versuchsraume aufgestellt und durch 14 Tage
nicht begossen. Während dieser Zeit waren 8 Blätter abgefallen,
die anderen sehr welk geworden, manche sogar dem Vertrocknen
nahe. Nun wurde reichlich begossen, Kach 24 Stunden fielen 75,
nach weiteren 24 Stunden 77 und Tags darauf die übrigen 46,
also innerhalb 3 Tagen 198 Blätter ab. Jetzt war die Pflanze kahl.
Ich habe mich bei dieser Pflanze , sowie auch bei den
anderen durch mikroskopische Prüfung der Blattgelenke über-
zeugt, dass bei jenen Blättern, welche noch keine Trennungs-
schichte besitzen, diese während des lang andauernden Welkens
angelegt und schliesslich fertig gebildet wird. Offenbar ist bei
dem sehr geringen Wassergehalte der ganzen Pflanze auch die
Trennungsschichte sehr wasserarm und wir dürfen uns daher
auch gar nicht wundern, wenn die Zellen der genannten Schichte
in ihrem turgorlosenZustaude nicht fungiren. In der Zeit nun, wenn
den Blättern reichlich Wasser geboten wird, nehmen die Ele-
mente der Trennungsschichte in Folge ihres Plasmareichthums
und hohen endosmotischen Aequivalents reichlich Wasser auf,
1 Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, dass Eiipatorium adenophorum
Sprgi., eine bei uns in Glashäusern häufig gezogene Composite, ihre
Blätter, obwohl sie mehrjährig und von holziger Beschaffenheit ist, über-
haupt nicht abwirft. Die alten Blätter vertrocknen, bleiben aber lange Zeit
haften. Ich habe an dreijährigen Zweigen vertrocknete und noch immer
festsitzende Blattstiele gefunden. — Die Blätter lösen sich von den Spros-
sen auch nicht ab, wenn man die Pflanzen lange Zeit nicht begiesst und
hierauf im abgewelkten Zustande plötzlich mit viel Wasser versorgt. Wir
haben es demnach in dem Eiipatorium mit einem dicotylen Gewächs zu
thun, welches trotz seiner Mehrjährigkeit nicht die Fähigkeit besitzt,
Trennungsschichten zu bilden. Dies ist umso auffallender, als ja diese
Eigenschaft vielen krautartigen, selbst einjährigenPlanzen, häufig zukommt .
156 Molisch,
vergrössern sich bedeutend, runden sicli ab, drücken auf einander
und geben scbliesslich, wabrscheinlicb unter gleichzeitiger Auf-
lösung ihrer Mittellamellen, aus dem Verbände.
Es wurde schon früher angedeutet, dass bei all' diesen Ver-
suchen in dem verminderten Wassergehalte des Blattes und
Blattgruudes die wesentliche Ursache der Bildung einer Tren-
nungsschichte 7Ai suchen sei. Auch Wiesner ^ hat unter Anderem
aus der Thatsache, dass Blätter, an deren Basis die Stammrinde
entfernt wurde und die in Folge dessen wasserärmer wurden,
früher ihre Trennungsschichten bilden, als normale, geschlossen,
dass eine bestimmte Verminderung der Wassermenge des Blattes
zur Bildung der Trennungsschichte führt. Wir können jetzt hinzu-
fügen, nicht nur zur Entstehung der Trennungsschichte, sondern
häufig auch zur Ablösung des Blattes, entweder ohne jedweden
weiteren Einfluss, wie bei allen langsam transspirirenden Pflanzen
^^Succulenten etc.) oder nach Herbeiführung einer raschen Turgor-
steigerung.
Nun wird auch die von Wiesner festgestellte Thatsache
vollkommen verständlich, wonach abgeschnittene und mit der
Sehnittflnche ins Wasser eingestellte Zweige gewöhnlicher Holz-
gewächse ihre Blätter früher abwerfen, als analoge am Baume
verbliebene.^ Solche im Wasser stehende Zweige verlieren be-
kanntlich nach den Untersuchungen von de Vries"^ und
V. HöhneP in wenigen Tagen die Fähigkeit, mit ihrer Schnitt-
fläche genügend Wasser aufzunehmen und verwelken. Da aber
das langsame Abwelken, wie oben gezeigt wurde, den Anstoss
zur Bildung der Mohl'schen Schichte und in weiterer Folge zur
Ablösung des Blattes gibt, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn
derartige Zweige ihre Blätter früher abstossen, als wenn sie am
Baume verblieben wären.'' Dass diese meine Erklärung richtig
ist, geht auch aus interessanten von Wiesner herrührenden
1 1. c. \r.ig. 2G.
- 1. c. \nig. 27.
3 Über das Welken iibgeschiüttener Sprosse. Arbeiten d. l)ot. Insti-
tutes in Würzbnri^-, I. Bd., \)Hg. 287 etc.
•t P>ot. Zeit-;:. 1879. pag. 296 etc.
5 Gleiches gilt auch von den Interuodien von Ephedra graeca, da diese
im abgewelkten Zustande sich mittelst Trennungsschichten ebenfalls von
einander trennen.
Uutersuchungen über Laubfall. lo7
Versuchen hervor, denen zufolge Zweige, durch deren Schnitt-
wunde Wasser vermittelst künstlicher Druckkraft eingepresst
wird, ihre Entlaubung bedeutend verzögern. '
Ähnliche Bedingungen, wie sie künstlich in den auf p. 154 bis
155 angeführten Experimenten geschaffen wurden, dürften nicht
selten auch in der freien Natur zusammentreffen und eine frühzei-
tige Entlaubung der Holzgewächse zur Folge haben. Allein es darf
die Austrocknung des Bodens nicht allzu rasch erfolgen und nicht
allzulange andauern, sonst tritt die von Gr. Kraus^ eingehend
geschilderte Sommerdürre der Holzgewächse ein, welche bloss
zur völligen Eintrocknung der Blätter und auch des Blattgelenks,
aber nicht zum Laubfall führt. Dies ist namentlich da der Fall,
wo die Holzgewächse, auf felsigem Untergrund und magerer
Krume stehend, oft länger als einen Monat unter trockenen
Winden und intensiver Besonnung zu leiden haben und lange
Zeit vom Regen nicht erfrischt werden. Unter solchen Umständen
welkt das Blatt zu rasch und stirbt, bevor es noch Zeit gefunden,
eine Trennungsschichte zu bilden. Diese Erklärung erscheint mir
deshalb richtig, weil abgeschnittene Sprosse unserer Holz-
gewächse, an der Luft liegend, ihre vertrockneten Blätter gleich-
falls behalten, dagegen bei langsamen Welken in massig feuchtem
Baume das Laub abwerfen und ferner, weil man die Erscheinung
der Sommerdürre, wie ich mich überzeugte, auch an Topfpflanzen
(Abutilo)i) hervorrufen kann, wenn man dieselben in einen sehr
trockenen Raum stellt und den Wurzelballen sehr rasch aus-
trocknen lässt.
Auf mangelhafte Wasserzufuhr ist zweifelsohne auch jener
Blattfall zurückzuführen, der nicht selten bei Grewächsen auftritt,
die aus dem freien Lande ausgehoben und in Blumentöpfe ge-
pflanzt werden. Die Gärtner setzen sehr häufig Abutilon, Myrten,
Fuchsien aus den Töpfen ins freie Land, weil sie hier üppiger
gedeihen und in verhältnissmässig kurzer Zeit eine befleutende
Grösse erreichen. Werden nun die betreffenden Pflanzen im
Herbste wieder eingepflanzt, dann wird natürlicherweise das
ganze Wurzelsystem, besonders die für die Wasseraufsaugung so
1 1. c. pag. 28 etc.
••; Bot. Zeitg. 1873.
158 Moli seh,
wichtigen feineren Auszweig'uug-en empfindlich geschädig-t. In
Folge dessen nimmt die im Topfe befindliche Pflanze sehr wenig
Wasser auf, fängt, oft selbst in ziemlich feuchtem Räume stehend,
zu welken an und wirft schliesslich, namentlich, wenn die Aus-
bildung junger Wurzeln länger auf sich warten lässt, einen grossen
Thcil des Laubes ab. Ich habe Hunderte von Myrten gesehen,
welche auf diese Weise ihr Laub und viele Abutilon, welche aus
gleichen Gründen Laub und Blüthenknospeu' verloren haben.
Als ein hieher gehöriger Fall ist höchstwahrscheinlich die
Schütte junger Kiefer zu betrachten. Frank spricht sich über
dieselbe in seinem Buche über Pflanzenkrankheiten folgender-
massen nus: „Nach den vieljährigen, darüber angestellten Beob-
achtungen Ebermeyer's ist kaum zu bezweifeln, dass die Schütte
die Folge ist einer durch die warme Frühjahrssonne in den
Nadeln angeregten Verdunstung, während gleichzeitig die
Wurzeln in dem noch kalten Boden noch keine wasseraufsaugende
Thätigkeit ausüben, so dass die Pflanzen, die noch nicht im Be-
sitze eines sehr entwickelten Holzkörpers sind, also selbst wenig
Wasser enthalten, alsbald den Nadeln keine genügende Feuchtig-
keit mehr zuführen können." Diese werden daher braun oder rost-
braun, vertrocknen und fallen endlich massenhaft ab. ^ — Ganz
ähnliche Ursachen, wie bei der Schütte der Kiefer, sind neben
anderen meiner Ansicht nach auch bei der herbstlichen Ent-
laubung der Holzgewäclise im Spiele, nur in viel geringerem
Grade. Während der kühlen Herbstnächte wird sich sehr bald
eine bedeutende Abkühlung des Bodens und bei dem Erscheinen
warmer Tage eine sehr beträchtliche Differenz zwischen Boden-
und Lufttemperatur einstellen. Die Wurzeln werden mithin in dem
1 Wie rasch sichBlütheu und deren Knospen bei geringer Wasserzufuhr
und vcrstärlvter Transspiratiou ablösen, lässt sich sehr schön au Begonien
beobachten. Eine im feuchten Warmhause gezogene Begonia tuberosa wurde
im ebenso warmen geheizten Zimmei* aufgestellt und nicht mehr begossen.
Innerhalb G Tagen waren alle (28) Blüthen und Blütheid-cnospeu abgefallen.
- Damit soll durchaus nicht gesagt sein, dass das auffallend rasche
Abfallen der Kiefeniblätter (Kurztriebe) immer auf den obigen Ursachen
beruhen müsse, denn es ist ja bekannt, dass Fröste oder Pilze dieselbe
Erscheinung hervorrufen können. Deragemäss spricht auch P. Sorauer in
.seinem Handbuche der Pflanzenkrankheiten sehr passend von Frostschütte,
Dürrschütte, Pilzschütte. 1. Th., 2. xVufl.. Berlin 188G, p. 332).
Üutersuclumgeu über Laubfall. 159
kalten Boden Wasser nicht im gehörig-en Verhältnisse zu der
immerhin noch lehhaften Transspiration aufnehmen, weshalb der
AVasserg-ehalt des Baumes und Blattes im Herbste um ein Be-
deutendes sinken muss.^ Hiermit ist aber schon eine Ursache
zur herbstlichen Entlaubung- gegeben.
III.
Stagnirende Bodennässe als Ursache des Laubfalls.
Werden Topfpflanzen an ihrem gewöhnlichen Standorte so
ins Wasser gestellt, dass der Topf mit seinem unteren Theil einige
Centimeter unter Wasser taucht, so kann man nach längerer Zeit
an vielen Gewächsen gleichfalls eine vollständige oder theilweise
Entlaubung hervorrufen. Bei den ang-egebenen Verhältnissen
füllen sich die capillaren Bäume des Bodens, die Luft aus dem-
selben verdrängend, alsbald mit Wasser und gestatten derselben
nur einen langsamen und mangelhaften Zutritt.
Die Erde wird, wie man sich mittelst Lackmuspapier über-
zeugen kann, wahrscheinlich der auftretenden Humussäureu
wegen stark sauer und nimmt einen ausgesprochen faulen Geruch
an. Es darf daher nicht Wunder nehmen, wenn das Wurzelsystem
binnen einer bis wenig-en Wochen erkrankt und der Pflanze
weniger Wasser zuführt als dies in minder feuchtem Boden bei
gesunden Wurzeln der Fall wäre, ja das Absterben der Wurzeln
macht uns sog-ar die Thatsache verständlich, dass Pflanzen, welche
stagnirender Bodennässe ausgesetzt sind, nicht selten, zumal bei
starker Transspiration, welken.
Die Versuchspflanzen wurden an ihrem gewöhnlichen Orte im
Gewächshause belassen und standen auf mit Wasser (3 — 5 Ctm.
hoch) gefüllten Schalen.
Coleus warfen unter diesem Umständen schon nach 2 bis
3 Wochen ihre Blätter vollständig ab, ebenso entledigten sich in
dieser Zeit Goldfv.ssia isophylla, Bef/onia-Arten und Boehmcria
1 Nach Versuchen R. Hurtig's (Über die Vertheilung- der org. Sub-
stanz etc. in d. Unters, aus d. forstbotauischen Institute zu München, 1882,
IL, pag. 38 etc.) ist der Wassergehalt der Bäume thatsächlich im Oktober
sehr gering, derselbe sinkt vom Sommer gegen den Herbst zu und erreicht
bei der Birke zur Zeit des Blattfalles sein Minimmn.
160 M () li s c h,
argentea vieler ihrer Blätter, Etwas läng-er lässt die tlieilweise
Entlaubung- bei Erotrynius japoiiictis und Rho(lodeiulro)i auf sich
warten, bei Melaleuca (dha beschränkte sich dieselbe während
3 Monate gar nur auf die ältesten Blätter. Das Wasser an sich
ist gewiss nicht die Ursache dieser Erscheinung-, denn dann wäre
es ja ganz unbegreiflich, warum die meisten Gewächse in Nähr-
lösung-en (sogenannten Wasserculturen) sich jahrelang ganz Wohl-
befinden. Offenbar sind es die im nassen humösen Boden zur
Geltung kommenden Fäulnissprocesse und die Versauerung- des
Bodens, welche die Wurzeln angreifen und schliesslich tödten. So
kann es kommen, dass eine solche Pflanze, obwohl in ganz durch-
nässter Erde stehend, dennoch an Wassermangel leidet, zu welken
beginnt und die Blätter abwirft. Im Grunde genommen hätte diese
Art von Blattfall, weil auf mangelhafter Wasserzufuhr beruhend,
auch im vorigen Capitel behandelt werden können; ich habe dies
jedoch absichtlich nicht g-ethan, weil in gewissen Fällen wenig-
stens, neben der g-estörten Wasseraufuahme noch etwas Anderes
mit im Spiele sein muss. Es fallen nämlich bei Begonia und Coleiis
die Blätter nicht selten im anseheinend ganz turg;escenten Zustande
ab. Welche Ursachen hier den Blattfall einleiten, ob geringe Nähr-
stoffzufuhr, oder die Aufnahme schädlicher Stoffe aus dem faulen-
den Boden oder irgend welche andere Momente, wage ich nicht
zu entscheiden.
Die verschieden lange Zeitdauer, innerhalb welcher Pflanzen
im nassen Boden ihre Blätter verlieren, dürfte in erster Linie mit
der Empfindlichkeit der Wurzeln gegen andauernde Bodennässe *
und mit ihrer specifischen Transspirationsgrösse im Zusammen-
hange stehen.
Pflanzen, deren Wurzeln in obiger Beziehung sehr empfind-
lich sind und überdies stark transspiriren, werden die Blätter sehr
bald abwerfen, dagegen schon viel später solche, welche durch
harte lederige Blätter gegen rasche Transspiration geschützt sind.
1 Wie verschiecleu diese Empfiiullichkeit ist, geht deutlich caiis der
bckaniiteu Thatsache hervor, dass manche Pflanzen z. B. Cyperus altenii-
foliits, Jiic/iardia actliioplca Kth. und ^'epcnthe(i-Axi('\\ gerade dann am
besten gedeihen, wenn sie mit ihren Töpfen in Wasserschalen tauchen.
Untersuchungen über Laubfall. 161
IV.
Einfluss des Lichtabschlusses auf den Laubfall.
In seineu vortrefflichen Untersuchungen über die herbstliche
Entlaubung- kam Wiesner zu dem Resultate, dass die Herab-
setzung oder gänzliche Hemmung der Transspiration die Ab-
lösung der Blätter hervorrufe. ' Da nun die Trausspirationsgrösse
einer Pflanze in hohem Grade beeinflusst w^irdvon der Beleuchtung,
so zwar, dass die Verdunstung der Blätter sofort abnimmt, wenn
die Beleuchtung sinkt, so schloss Wiesner, dass der im Herbste
eintretenden verminderten Lichtwirkung gleichfalls ein Einfluss
auf den Laubfall und zwar ein indirecter zukomme.
Die Frage, ob Lichtmangel nicht auch ganz unabhängig von
der Transspiration für den Blattfall von Bedeutung sei, ist^bisher
noch nicht gestellt worden. Sich darüber Gewissheit zu ver-
schaffen, konnte nicht schwer fallen. Es war nur nöthig zu
beweisen, dass Pflanzen im dunstgesättigten Räume bei
Lichtabschluss ihre Blätter früher verlieren als bei Lichtzutritt.
Ich unternahm es daher, speciell diesen Gegenstand und
sodann das Verhalten verschiedener Pflanzen im Finstern mit
Rücksicht auf die Ablösung der Blätter überhaupt zu untersuchen;
dies erschien mir um so nothwendiger, als hiefür in der Literatur
gar keine experimentellen Belege aufzufinden waren — abgesehen
von einem einzigen von Vöchting^ herrührenden Versuch,
wonach Blätter \onHeterocentroti diversifolium im Dunkeln früher
abfallen als im Lichte.
Die folgenden Versuche zerfallen in zwei Gruppen. In der
ersten {Ä) befanden sich die Pflanzen im dunstgesättigten Räume.
Transspiration war also ausgeschlossen.^ In der zweiten (B)
standen die Versuchsobjecte entweder auch unter geräumigen
Glasglocken oder frei, beziehungsweise (bei Lichtabschluss) in
1 1. c. pag. 44.
2 Über Organbildnng im Pflanzenreiche. Bonn 1878, I. Th., pag. 232.
3 Streng genommen ist dies eigentlich nicht wahr, da bei der langen
Versuchsdauer vollständige Temperaturconstanz nicht zu erzielen, mithin
nach jeder Condensirung von dampfförmigem Wasser doch wieder schwache
Transspiration ermöglicht ist. Allein diese Transspiration ist eine so
sch^vftche imd kurzwährende, dass man mit Beruhigung davon absehen kann.
Sitzt», d. mathem. naturw. Cl. XCHI. Bd. I. Abth. 11
162
M 0 1 i s c h.
einem grossen Dunkelkasten, Im letzteren Falle waren die
Gewächse mehr normalen Verhältnissen unterworfen, denn sie
konnten transspiriren. In Anbetracht des grossen Einflusses, den
Feuchtigkeit und Lufttrockenheit auf den Blattfall ausüben, wurde
stets darauf gesehen — und dies wird von nun an bei allen Laub-
fallversuchen geschehen müssen — dass die zu vergleichenden
Objecte stets möglichst gleicher Luft- und falls es sich um Topf-
pflanzen handelte, auch gleicher Bodenfeuchtigkeit ausgesetzt
waren,
A. Versuche bei Ausschluss der Transspiration.
Zwei gleich aussehende, ziemlich reich belaubte Lantanu sp.
(Topfpflanzen) wurden unter mit Wasser abgesperrten Glasglocken
im Experimentirraum aufgestellt. Die Töpfe standen zur Ver-
meidung von Bodennässe auf kleinen Thonpostamenten. Über die
eine Glocke wurde des Lichtabschlusses halber ein geschwärzter
Sturz gestülpt, Temperatur 17—20° C.
Versuchs-
dauer
in Taffeu
Nach 4
„ 6
n 12
« 14
„ 16
„ 18
. 22
,, 24
„ 27
1.
L((iihin(i sp.
Finster
Zahl der abge-
fallenen Blätter
2
5
11
12
17
24
31
89
41
Licht
Zahl der abge-
fallenen Blätter
Am 27. Tage war die Finsternisspflanzc vollständig kahl,
wenn man von den paar kleinen etiolirten Blättchen absieht, die
sich während dieser Zeit gebildet hatten. Die Lichtpflanze da-
gegen war noch reich belaubt.
Uutersuchimgeu über Laubfall.
2.
VersuchsbedinguDg-en dieselben wie bei 1.
Goldfussia (ßomerata.
163
Yersuchs-
dauer
in Tageu
Finster
Anmerkung
Licht
Zahl der abge-
fallenen Blätter
Zahl der abge-
fallenen Blätter
Kach 2
„ 12
„ 15
„ 32
„ 35
r 37
'2
3
5
7
10
15
Pflanze kahl.
Auch Inteniodieu
lösten sich ab ! !
2
2
2
2
2
Zu gleichem Resultate gelaugte ich bei Versucheu mit
Pereskia acnleata und abgeschnittenen Zweigen von Mahonia
Aquifolinm, Abies jyectinata, Ulmus campestris und Philadelphus
coronarius: immer fielen die Blätter im Finstern viel früher ab als
im Lichte, woraus sich ergibt, dass der Lichtabschluss
noch in anderer Weise als durch Hemmung der Trans-
spiration den Laubfall im hohen Grade beeinflusst.
Wie wirkt nun die Dunkelheit? Ruft sie die Bildung- der
Trennungsschichte hervor oder wirkt sie nur secundär, indem sie
die Zellen der Trennuugsschichte durch chemische Processe,
etwa durch Bildung organischer Säuren ^ aus dem Verbände
bringt? Oder wirkt sie in beiderlei Weise? Es ist mir wahr-
scheinlich, dass das letzte der Fall ist und es ist mir gewiss, dass
durch den Lichtentzug der Anstoss zur Ausbildung der Trennungs-
schichte gegeben wird, Natürlich konnte der letztere Punkt in
1 Bekanntlich hat Wiesner zuerst darauf hingewiesen, dass Keim-
linge und erwachsene Pflanzen im Finstern reichlicher organische Säuren
bilden als im Lichte (Untersuch, über d. Beziehungen des Lichtes zum
Chlorophyll. Sitzber. d. kais. Akad. zu Wien 1874. pag. 49) und ferner
darauf, dass organische Säuren die Isolirung der Zellen in der Trenuungs-
schichte besorgen dürften. Herbstl. Entlaubung, 1. c. pag. 39.
11*
164
M o 1 i s c h,
den vorherg-ehenden Versuchen Dicht mit jenen Gewächsen ent-
schieden werden, welche im Lichte bei g-eliemniter Transspiration
die Blätter abwerfen. Hier ist — so hätte man sagen können —
die Treunungsschichte in Folge der unterdrückten Verdunstung-
entstanden, die Dunkelheit sorgte nur durch secundäre Einflüsse
für das raschere Auseinanderweichen der Zellen. Um diesem
Einwand zu entgehen, experimentirte ich auch mit Goldfnssia
glomcriäa und Pe'rcskia aculeata, zweien Pflanzen, welche durch
zwei Monate hindurch und länger im duustgesättigten, beleuch-
teten Eaume stehen können, ohne Trennungsschichten zu bilden,
geschweige denn die Blätter abzustossen. Da nun auch diese
beiden ihre Blätter im Finstern bei Ausschluss der Transspiration
verloren, die belichteten aber nicht, so ist damit der Beweis ge-
liefert, dass die Dunkelheit auch zur Bildung der
Trennungsschichten Veranlassung gibt.
B. Die Versuchsobjecte transspirirten.
Versuche] — 4 beziehen sich auf in Töpfen cultivirte, also-
bewurzelte Pflanzen.
1.
Gingko biloba.
Beginn des Versuches 5. October. Zwei vierjährige Bäum-
chen wurden unter
Temp. 17—20° C.
Glasglocken licht und finster Gestellt.
Versuclis-
dauer
in Tagen
r i n s t e r
Licht
F 1 = 90—94
i)'= 91—96
Zahl der
abgefallenen
Blätter
Anmerkung
Zahl der
abgefallenen
Blätter
Anmerkimg
Nach 14
„ 15
„ 16
n 1^»
2
6
6
8
Alle abfallen-
Blätter gelb.
Pflanze kahl.
1
1
Am Schlüsse
des Versuches
sind alle Blät-
ter noch grün.
Die Pflanze
behielt ihre
Blätter bis
über den
lö. November
hinaus. .
^i<"' bedeutet in allen Tab. die r. Fcuchtii4-keit des Vcrsuchsramnes.
Untersuchungen über Laubfall. IbÖ
2.
Fuchsia hybrida.
Beginn des Versuches 17. October. Zwei kräftige, kaum
Yg m. hohe Fuchsien wurden wie vorhin aufgestellt. Temp.
17_20° C.
Versuchs -
dauer
in Tagen
Finster Licht
F=90— il4
F= 90—95
Zahl der
abgefallenen
Blätter
Anmerkung
Zahl der
abgefalleneu Anmerkung
Blätter
Nach 5
„ 9
„ U
. 16
„ 18
„ 20
„ 21
„ 23
„ 26
3
13
25
34
42
48
50
60
Bereits alle
Blätter gelb.
Pflanze kahl.
3
5
5
5
5
9
9
9
9
Nur einzelne
Blätter gelb.
Pflanze fast
im Vollbe-
sitze ihrer
grünenBlätter,
Percskia acidcdta.
Beginn des Versuches 28. September. Sonst Alles wie vorher,
Versuchs-
dauer
in Tagen
Finster
Licht
i^=89— 93
i^= 90—93
Zahl der
abgefallenen
Blätter
Anmerkung
Zahl der
abgefallenen
Blätter
Anmerkung
Nach 4
„ 10
n 13
.. 17
„ 26
„ 29
1
2
3
4
6
7
8
Blätter werden
meist gelblich,
bevor sie ab-
fallen.
Pflanze kahl.
0
Alle Blätter
grün und fest
166 Mo 11 seh,
4.
Begonia ascotiensis.
Beginn des Versuches 3. October. Beide Pflanzen waren
unbedeckt, die eine stand im Dunkelkasten, die andere im
Experimentirraum. Temp. 17 — 20° C.
Versuchs-
dauer
in Tagen
Finster
Licht
i^=72 (Mittel)
F^IO (Mittel)
Zahl der
abgefallenen Anmerkung
Blätter
Zahl der
abgefallenen Anmerkung
Blätter
Nach 2
„ 5
. 1
„ 8
« 9
„ 10
. 11
„ 12
. 16
3
20
27
35
45
62
70
83
99
•
Pflanze kahl.
Nun beginnt
sie auch dieln-
ternodien ab-
zuwerfen.
2
2
2
2
2
Versuche mit abgeschnittenen Zweigen.
Beginn des Versuches 18. September. Trennungsschichten
noch nicht angelegt. Die zu vergleichenden Zweige waren von
demselben Baum und von möglichst gleichem Aussehen. Temp.
17_20° C. (Tabelle siehe pag. 167.)
Nach 13 Tagen waren also bereits im Finstern im Ganzen
20 Blätter abgefallen, im Lichte jedoch erst 4. Am Schlüsse des
Versuches, also nach 16 Tagen, betrug die Zahl der abgelösten
Blätter im Finstern 26, im Lichte 13. Am deutlichsten zeigte
sich der Einfluss des Lichtabschlusses bei Phüadelphns, denn
innerhalb der Versuchsdauer hatte der verfinsterte Zweig sämmt-
liche Blätter abgeworfen, der beleuchtete dagegen kein einziges.
Ahnliche Kesultate ergaben Versuche mit Zweigen von Morus
Untersuchungen über Laubfall.
167
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168 M o 1 i s c h,
Die verschiedenen Pflanzenarten erwiesen sich gegen Licht-
abschluss in ungleichem Grade empfindlich. Manche, z. B. CoIchs,
die genannte Balsamiue, ferner Begonien und Fuchsien, werfen,
zumal wenn der Raum nicht sehr feucht ist, schon nach
1 — 2 Wochen die meisten ihrer Blätter ab; die holzigen Azaleen,
Lantana und Ei-onymus thun dies erst in viel späterer Zeit: den
21. September in den Dunkelkasten gestellte Azalea-, Rhodo-
dendron- und^yowi/mMs-Bäumchen brauchten nahezu drei Monate,
um die Mehrzahl ihrer Blätter abzustossen.
Die bei weitem grösste Resistenz zeigen in dieser Be-
ziehung einzelne immergrüne Coniferen, z. B. Pinns Laricio
Poir., Podocarpus und Taxus haceata. Die letztere Pflanze
(bewurzelte Topfpflanze) erwies sich gegen viermonatlichen
Lichtabschluss (^seit 5. Octo])er 1885 bis 5. Februar 1886) ganz
unempfindlich. ^
Wenn ich alle Erfahrungen, die ich über den Einfluss
dauernder Finsterniss auf den Blattfall gemacht habe, über-
schaue, so möchte ich sagen: Die Pflanzen mit fallenden Blättern
lassen sich in dieser Hinsicht in drei Kategorien theilen. Sehr
empfindlich gegen Lichtmangel sind im Allgemeinen
stark transspirirende , mit weichen Blättern ver-
sehene Gewächse (Coleus, Fuchsia), schon bedeutend
weniger reagiren schwächer transspirirende Pflanzen
mit lederartigem, stark cuticularisirtem Laub (Piho-
dodendron, Azalea^ Evotiymus, Buxus) und fast gar nicht
empfindlich die noch weniger Wasser abgebenden
immergrünen Coniferen (Föhre, Eibe).^
Auch die im Finstern entstandenen kleinen gelben Blättchen
fallen häufig ab (Fuchsia, Evonymus, Beyonia, Coleus). Ab-
weichend davon verhält sich Pelargonium zonale, deren etiolirte
Blätter ziemlich mächtig heranwachsen und sodann in kräftig
diffuses Licht gebracht, ergrünen und haften bleiben. Auf p, 169
habe ich mitgetheilt, dass ich bei Robinien- und Fraxinus-Zweigen
1 Auch bei Ifiug-.sameu Abwelken verliert die Eibe ihre Blätter
nicht.
- Die viel lebhafter traiisspirirenden anderen Coniferen, wie Gingko,
Lärche, Tanne verhalten sich schon anders; sie werfen im Finstern die
Blätter ab.
Untersuchungen über Laubfall. 169
keine klaren Resultate erhalten habe, class deren Blätter, gleieh-
giltig- ob beleuchtet oder nicht, entweder gleichzeitig- abfielen,
oder bald in dem einen, bald in dem anderen etwas früher. Es
dürfte auch in diesem Falle der Lichtmangel seineu Einfluss auf
den Blattfall geltend machen, derselbe dürfte jedoch hier durch
andere Blattfallursachen verdeckt werden. Verläuft nämlich der
Versuch unter Glasglocken, also in ziemlich feuchtem Baume,
dann ist durch die Herabsetzung der Transspiration auch beim
beleuchteten Sprosse eine gerade bei diesen Pflanzen sehr wirk-
same Ursache der Entlaubung gegeben. Der Einfluss der Fiuster-
uiss tritt mithin mehr in den Hintergrund und wird so gut wie
verdeckt. Vollzieht sich hingegen der Versuch unter gewöhn-
lichen Feuchtigkeitsverhältnissen in freier Luft oder im Zimmer,
dann beginnen die Zweige, da deren Schnittflächen ihr Saugungs-
vermögen bald einbüssen (vergl. das auf p. 156 Gesagte), nach
wenigen Tagen schon zu verwelken. In Folge dessen fallen nach
den auf p. 156 gegebenen Auseinandersetzungen auch von dem
belichteten Zweige die Blätter schon zu einer Zeit ab, bevor die
durch die Dunkelheit hervorgerufene Einwirkung im Parallel ver-
suche zum Ausdruck kommen konnte. Ich zweifle jedoch nicht,
dass diese letztere zur Geltung gelangen würde, wenn man mit
bewurzelten Robinien oder Eschen den Versuch unter sonst natür-
lichen Bedingungen anstellen würde.
Bei dieser Gelegenheit will ich bemerken, dass langsames
Welken — gleichgiltig ob herbeigeführt durch gesteigerte Trans-
spiration oder durch geringe Wasserzufuhr — auf die Entlaubung
viel energischer wirkt als Lichtmangel. Dies gilt wahrscheinlich
von allen Gewächsen, besonders aber von jenen, welche feuchte
Atmosphäre lieben. Boehmeria argeiitea, Goldf'ussla fjlomerata, G.
isophylla, Chloranthus erectus etc. werfen die Blätter im dunst-
gesättigten, finsteren Räume oft erst nach einem Monat ab, im
hellen trockenen Räume dagegen schon in der Hälfte der
Zeit oder sogar noch früher. Noch rascher kann man den Laub-
fall hervorrufen, wenn man beide Factoren, Wasserentzug und
Lichtabschluss auf die Pflanze gleichzeitig einwirken lässt.
Zum Schlüsse dieses Capitels sei noch ein Versuch mit-
getheilt, welcher den Beweis liefern soll, dass die Beeren von
170
M 0 1 i s c h,
Ligustriim vulgare sich gegen Lichtabschluss ganz so verhalten
wie Blätter.
Zwei mit vielen reifen Früchten besetzte, möglichst gleiche
Zweige der genannten Pflanze wurden mit ihrer Schnittfläche ins
Wasser eingestellt und sodann mit Glasglocken bedeckt. Zur Her-
stellung eines dunstgesättigten Raumes wurden beide mit Wasser
abgesperrt und eine davon behufs Lichtabschlusses überdies noch
mit einem schwarzen Sturz bedeckt. Temperatur 16 — 20° C.
Versuchsdauer 10. — 18. October.
Finster
Licht
Versuchsdauer
in Tagen
Zahl der
abgefallenen
Beeren
Zahl der
abgefallenen
Blätter
Zahl der
abgefallenen
Beeren
Zahl der
abgefallenen
Blätter
Nach 5
85
7
6
« <j
i9
9
26
—
n 7
72
9
44
—
„ 8
77
Zweig n
9
un kahl.
47
Am prägnantesten trat die Wirkung der Dunkelheit hervor
nach dem 5. Tage. Während dieser Zeit waren im Finstern fast
sechsmal mehr Früchte abgefallen als im Lichte. Die abgefallene
Beere sitzt gewöhnlich auf einem kleinen Stielchen, an dessen
Basis noch die Eeste der Trennungsschichte zu bemerken waren.
Am 8. Tage wurde der Versuch unterbrochen, zu welcher Zeit der
belichtete Zweig noch viele Beeren und noch alle Blätter hatte.
V.
Sauerstoff, eine nothwendige Bedingung des Laubfalls.
Bei Versuchen mit abgeschnittenen Zweigen liabe ich zu
wiederholten Malen die Beobachtung gemacht, dass die untersten
Uutei'suchimg'en über Laubfall. 171
zufällig unter Wasser befiudlicben Blätter eines Spros-
ses meistens viel später abfielen als die oberen in
Luft befindliehen.' Dies musste umsomehr auffallen, als ja
unter normalen Verhältnissen in der Regel die ältesten Blätter
sich stets zuerst ablösen. ^
Höchst anschaulich lässt sich das Gesagte an Gabelzweigen
des ersten besten Holzgewächses demonstriren. Fixirt man einen
Gabelspross derartig, dass der eineZweig unterWasser taucht, der
Schwesterzweig sich im dunstgesättigten Räume befindet, so fallen
die Blätter des Luftzweiges stets früher ab als die des Wasser-
zweiges.
Ich prüfte in dieser Weise Sprosse von Syringa vulgaris, Li-
f/i(strum vulgare, Frax'mus excelsior, Vifis viiiifera. Acer cam-
pesfre, Prunus avium, Coruus mas, C. sanguinea, Corylus Avellana,
Philadel phus coronarius, Symphoricarpus racemosus, Kerria
japonica, Evonymus japonicus, Bhamnus alpiuus, Azalea iudica
und Fuchsia — immer mit demselben Erfolg.
Und die Ursache dieser Erscheinung? Die Berührung mit
Wasser konnte es wohl nicht sein, weil ja in der Mehrzahl der
Fälle die Blätter auch unter Wasser abfallen, nur bedeutend
später als in Luft, die durch das Untertauchen hervorgerufene
Hemmung der Trausspiration ebenfalls nicht, da diese den Laubfall
bei den eben angeführten Pflanzen gerade herbeiführen sollte.
Ich kam alsbald auf die Vermuthung, dass der unter Wasser
erschwerte Luft- beziehungsweise Sauerstofifzutritt die Ausbildung
der Trennungsschichte erschweren und hiedurch den Blattfall
verzögern dürfte. Wäre diese Vermuthung richtig, dann müssten
Zweige im sauerstoflfreichen Wasser ihre Blätter viel früher ver-
lieren als im sauerstoffarmen, ferner müsste, falls Sauerstoff für
den Laubfall von wesentlicher Bedeutung ist, im sauerstofiffreieu
Räume der Blattfall unterbleiben. Dies ist nun thatsächlich
der Fall.
1 Mitunter lösen sich — und dies ist gewöhnlich bei solchen Sprossen
der Fall, deren Blätter im absolut feuchten Räume sehr lange haften blei-
ben (Tanne) — die Blätter unter Wasser früher ab als die in der Luft. Diese
Erscheinung ist jedoch ganz anderer Natur, denn sie beruht einfach auf
dem Abfaulen der Blätter vom Stamme.
-' Vgl. Wiesner 1. c. pag. 20.
172
M 0 1 i s c b .
Den 5. November wurde je ein Zweig von Fuchsia hybrida,
Ligustrnm vulgare, Baccharis sp. in einer mit ausgekochtem und
selbstverständlicli abgekühltem Brunnenwasser gefüllten Glas-
wanne untergetaucht. Durch Bedecken des Wassers mit einer
etwa 2 Mm. dicken Olivenölschichte wurde der Luftzutritt mög-
lichst gehemmt. In einer zweiten Wanne tauchten analoge Sprosse
in gewöhnliches Wasser, durch welches ausserdem während der
hellen Tagesstunden ein langsamer, aber continuirlicher Blasen-
strom von atmosphärischer Luft geleitet wurde. Temperatur 16
bis 20° C.
Das Wasser wurde, um das Faulen der Blätter zu verhin-
dern, alle drei Tage gewechselt. Geschieht dies nicht, dann
erhält man ganz unklare Resultate, da die Blätter an ihrem
Grunde sich in Folge einer durch Fäulniss hervorgerufenen
Maceration ablösen.
2
Im sauerstoffariueii Wasser
Im sauerstoflfreichen Wasser
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Fuchsia
Baccharis
Ligustrum
Fuchsia
Baccharis
Ligustrnm
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1
Zahl der abgefallenen Blätter
Zahl der
abgefallen eu Blätter
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11
14
8
i
Die vorstehende Tabelle zeigt wohl zur Genüge, wie durch
gehemmten Sauerstoffzutritt der Blattfall unter Was-
ser verzögert, durch reichlichen Zutritt dagegen
gefördert wird.
Es soll nun noch der Nachweis erbracht werden, dass in
sauerstofffreier Luft eine Ablösung der Blätter überhaupt nicht
erfolgt. Zu diesem Zwecke ging ich folgendermassen vor.
Untersuchungen über Laubfall. 173
In eine grosse (20 Ctm. lange, 3 Ctm. breite) Eprouvette
wurde ein kurzer beblätterter Zweig von Azalea iudica oder
Abutilon Danoinu möglichst weit eingeschoben, die Eprouvette
mit ihrer Mündung nach unten in ein schmales cylindrisches
Gefäss (sogenanntes Lapisglas) gestellt und durch Kork fixirt.
Hierauf schüttete ich 1-5 Grm. feste Pyrogallussäure auf den
Boden des Lapisglases, goss 60 cm^ Kalilauge vom specifischen
Gewichte 1-050^ darauf und stürzte, um das Ganze mit einem
möglichst kleinen Luftvolum zu umgeben, einen schmalen, mit
Wasser abgeschlossenen Glascylinder darüber. Die Pyrogallus-
säure löst sich unter Braunwerden fast momentan in der Kali-
lauge auf, gelangt in die Eprouvette und kann hier durch vor-
sichtige Neigung derselben sehr leicht auf ein höheres Niveau
als ausserhalb (im Lapisglas) gebracht werden. Einige Zeit darauf
fängt die inzAvischen ganz dunkel gewordene Pyrogallussäure in
der Eprouvette an zu steigen und bleibt, wenn schliesslich aller
Sauerstoff absorbirt ist, stehen. Von diesem Augenblicke an
befindet sich der Spross im sauerstofffreien Räume. Als Parallel-
versuch stellt man eine mit einem analogen Zweige versehene
Eprouvette daneben auf und sperrt dieselbe nur mit einer dünnen
Wasserschichte ab. Durch täglich 1 — 2 mal stattfindendes Empor-
heben konnte die Luft in dieser Eprouvette wieder erneuert
werden. Sodann wurde das Ganze im Dunkelkasten bei einer
Temperatur von 16 — 20° C. aufgestellt.
Obwohl in beiden Fällen zwei für die Entlaubung ungemein
günstige Bedingungen vorhanden waren: 1. vollständige Hemmung
der Trausspiration und 2. Lichtabschluss, so fielen die Blät-
ter doch stets nur in der sauerstofferfüllten Eprouvette
ab, in der anderen (sauerstofffreien) aber nicht. Bei Abutilon
stellte sich der Blattfall innerhalb zwei, bei Azaleu nach 2 bis
3 Wochen ein.
Die Nothw^endigkeit des Sauerstoffes für den Laubfall zeigt
wieder auf das Deutlichste, dass wir es entgegen der Ansicht
' Nach Th. Weyl und X. Zeitler (Liebig's Annal. d. Chemie,
Bd. 205, Jahrg. 18S0, 2. Heft, pag. 255) erreicht die Pyrogallussäure in
diesem Gewichtsverhältniss mit Kalilauge gemengt für die Sauerstoff-
absorption ihr Optimum.
174 Molisch,
älterer Physiologen (z, B. Duhamel^) im Blattfalle mit einem
Lebensact, mit einem org-anischen Process zu tkun haben, der
sich, wie MohF zuerst erkannte, am Grunde des Blattes in der
sogenannten Trennungssehichte abspielt. Die Abhängigkeit der
Entlaubung von der Gegenwart des Sauerstoifes wird auch voll-
kommen einleuchtend, wenn man bedenkt, dass die Ablösung
des Blattes durch Theilung und das Wachsthum von Zellen ein-
geleitet wird — zwei physiologische Erscheinungen, deren
Zustandekommen ja in der Regel an das Vorhandensein dieses
Gases geknüpft ist.
VI.
Beziehungen zwischen Temperatur und Laubfall, •*
Der Zusammenhang zwischen Entlaubung und Temperatur
ist ein viel complicirterer, als es bei oberflächlicher Betrachtung
erscheinen möchte. Bekanntlich ist die Transspiration der
Gewächse im hohen Grade von der Temperatur abhängig.
Mit dem Steigen oder Sinken der letzteren steigt und sinkt
auch die Transspiration. Nun wissen wir aber, dass eine
bedeutende Herabsetzung der Transspiration den Blattfall bei
vielen Gewächsen hervorruft, desgleichen eine ungewöhnliche
Steigerung. Wir müssen daher schliessen, dass sowohl niedrige
Temperatur, insoferne sie die Wasserverdunstung der Blätter
bedeutend hemmt,* als auch erhöhte Temperatur, insoferne sie
die Transspiration abnorm steigert, den Eintritt des Blattfalles
begünstigen.
Ausserdem ist aber noch die Frage zu untersuchen, ob denn
die Wärme nicht als solche, also ganz unabhängig von ihrer Be-
ziehung zur Transspiration beim Blattfall eine Rolle spiele. Mir
erschien dies um so wahrscheinlicher, als ja fast jeder physio-
1 Vgl. Mohl, 1. c. pag. 2.
- Ebenda pag. 14.
3 Auf die Ablösung der Blätter durch Frost ist hier keine Rücksicht
genommen; man vergleiche darüber die Untersuchungen von Mohl (1. c.
pag. 16—17) und Wiesner. (Herbstl. Entlaubung, 1. c. pag. 42 und 43.)
i Dieser indirecte Einfluss auf den Laubfall wurde bereits von
Wiesner in seinen Untersuchungen über die herbstliche Entlaubung, 1. c.
pag. 86 und 44 erkannt.
Untersuchungen über Laubfall. 175
logische Vorgang in einem bestimmten Abhäng-igkeitsverhältniss
zur Temperatur steht und sich innerhalb bestimmter Temperatur-
grenzen mit verschiedener Energie vollzieht. Dies ist auch beim
Blattfall zu erwarten, da die Ausbildung- der Trennungssebichte
— im Wesentlichen auf der Theilung und dem Wachsthum von
Zellen beruhend — sich offenbar bei verschiedenen Temperaturen
ungleich rasch vollziehen wird. Man wird auch hier die drei
bekannten Cardinalpunkte: Minimum, Optimum und Maximum,
annehmen müssen, obwohl auf den ersten Blick dagegen die
alte Erfahrung zu sprechen scheint, dass die Blätter für gewöhn-
lich im kühlen Herbst und nicht im warmen Sommer abfallen.
Bei der herbstlichen Entlaubung arbeiten eben, abgesehen von
inneren Ursachen, eine Reihe von äusseren Factoren mit, so dass
der Antheil. welcher jedem einzelnen Factor bei der Ablösung
des Blattes gebührt, nicht klar ersichtlich, ja manchmal geradezu
verdeckt wird. Dies letztere gilt wohl auch von dem directen
Einfluss der Temperatur auf den Laubfall.
Ich begann leider meine Untersuchungen darüber erst im
Spätherbst 1885, zu einer Zeit, in welcher die Blätter ihre
Trennungsschichten schon besassen. Unter solchen Umständen
konnte ich keine prägnanten Unterschiede in der Raschheit der
Entlaubung wahrnehmen, als ich Zweige bei niederer (+1 bis
10° C) und mittlerer (17 bis 22° C) Temperatur im dunst-
gesättigten hellen Räume beobachtete. Ich suchte daher nach
Zweigen, welche oft bis in den Winter hinein ihr Laub behal-
ten, da ich hoffen durfte, dass diese ihre Trennungsschichten
noch nicht oder nur zum Theil ausgebildet hatten. Solche
Zweige warfen thatsächlich ihre Blätter bei höherer
Temperatur reichlicher und früher ab, als bei
niederer.
Die Sprosse befanden sich, hellem diffusen Licht ausge-
setzt und mit ihrer Basis in Wassergefässe tauchend, unter Glas-
glocken im absolut feuchten Räume. Beginn des Versuches den
1. Dezember. Hier die tabellarische Übersicht der Versuchs-
resultate:
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üutersiichimg-en über Laubfall. 177
VII.
Anatomisclie.s nebst Schlussbemerkungen.
Von der Ansicht ausgehend, dass ein klarer Einblick in die
Physiologie des Laubfalls nur unter gleichzeitiger Berücksich-
tigung der im Hlattgrunde vorhandenen und sich kurz vor der
Ablösung li ervorbildenden anatomischen Verhältnisse möglich ist,
habe ich diesen gelegentlich der vorhergehenden Untersuchungen
stets Beachtung geschenkt und hiebei einzelne Beobachtungen
gemacht, die hier kurz zusamniengefasst werden sollen.
Verholzung von Grundgew^ebszelleu in der Nähe
der Trennungsschichte. Bei sehr vielen Blättern unserer
Holzgewächse verholzen in unmittelbarer Nähe der Trennungs-
schichte bald grössere, bald kleinere Zellcomplexe, wovon man
sich leicht überzeugen kann, wenn man geeignete Schnitte mit
einem der bekannten Wiesner'schen Holzreagentien, z. B. mit
Phloroglucin und Salzsäure behandelt. Die verholzten Zellgruppen
oder Zelllagen geben sich dem Auge bereits unter Zuhilfenahme
der Loupe als rothe Flecken oder Linien kund. Eine derartige
Ausfärbung des Präparates empfiehlt sich schon deshalb, weil
die etwa vorhandenen Schichten, w ie Periderm, rundzellige Schichte,
Treunungsschichte und die knapp darüber liegenden Zelllagen
sich von einander ungemein scharf abheben, wodurch eine rasche
Orientirung über die Anatomie des Blattgrundes ermöglicht wird.
Bezüglich der Verholzung im Blattgrunde konnte ich bei dicotylen
Pflanzen folgende Fälle unterscheiden.
Die Verholzung erstreckte sich J. nur auf das unterhalb
der Trennungsschichte liegende Periderm, 2. nur auf die rund-
zeilige Schichte (Ulmus catnpestris), 3. nur auf die oberhalb der
Trennungsschichten gelegenen Zelllagen (Tilia 'parvifoUa), 4. auf
zwei (Gymnocladus cauadensis) oder alle drei der genannten
Lagen, 5. auf gar keine (Lifiustrtim vuUjwre).
Die Verholzung greift in den einzelnen Schichten entweder
durch den ganzen Querschnitt des Blattgrundes um sich — und
dies ist der gewöhnliche Fall — oder nur in den perifer gelegenen
Partien.
Einschnürung des Gefässbündels im Blattgrunde.
Auf diese für die erleichterte Ablösung des Blattes offenbar sehr
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XCIII. Bd. I. Abtli. 12
178 Molisch,
wichtige Thatsache hat zuerst Wiesuer aufmerksam g-emacht.*
Der genannte Autor sagt: „Durch Anfertigung von Querschnitten
durch die Blattbasis kann man sich leicht überzeugen, dass die
nach unten zu an allen Laubblättern sich theileuden Gefäss-
bündel an Volumen abnehmen, indem ihre Querschnitte nach
unten hin kleiner werden. Die grösste Verengung finde ich in
jenem Abschnitte des Blattgelenkes, den die Trennungsschichte
einnimmt. . . . Stets aber habe ich in dem herbstlich veränderten
Blattgelenke nach dem Grunde hin eine Verminderung der Bast-
zellen und Gefässe beobachtet."
Diese interessanten Angaben sind merkwürdigerweise bis-
her so gut wie unbeachtet geblieben, obwohl es leicht gelingt,
sich bei vielen Blättern von der Richtigkeit derselben zu über-
zeugen. Ich habe an zahlreichen Blättern die selbstverständlich
schon von Anfang an vorhandene Einschnürung des Gefäss-
btindels, sowie die Reduciruug der derberen Elemente in der
Trennungslinie bemerkt und empfehle als ein in dieser Beziehung
sehr günstiges Object Äzalea indica. Hier ist der Holzkörper in
der Trennungsschichte ungefähr '/gmal schmäler als unmittelbar
darüber. Ganz analoge Verhältnisse sind von v. HöhneP
für viele Zweigsabsprünge (Salix) beobachtet worden.
Einschnürung des Blattgrundes. Die Blätter mancher
Pflanzen zeigen am Blattgrunde eine höchst auffallende, oft ganz
unvermittelt auftretende Verschmälerung. Betrachtet man die
Blattbasis einer Echeveriti, Peret^kiu oder Crassula, so würde man
bei oberflächlicher Beobachtung glauben, dass der Blattgrund
mit breiter Fläche dem Stengel aufgewachsen ist. Dies ist jedoch
keineswegs der Fall, denn thatsächlich wird der organische
Verband zwischen Blatt und Stengel nur durch eine kleine cen-
trale Partie des Blattgelenkes vermittelt, wie man sich leicht
überzeugen kann, wenn man das Blatt an seiner Basis vom
Stamme ablöst. Folgende Zahlen sollen die Grösse der Ein-
schnürung veranschaulichen.
1 Herbstl. Eutl:uil)inig-, 1. c. pa.^-. 41.
- Fr. V. II ohne , weitere Untersuchuug-eu über den Ablösungsvor-
gung von verholzten Zweigen. Mitth. aus d. forstl. Versiichswesen Österr..
Bd. II. 2. Tieft, Separatabdr. pag. 11. Wien 1879.
Untevsuchunfi-en über Laubfall.
179
Grüsster Blatt-
grimddnrchmesser
Breite des schmalen
Yerbindimgsstückes
Pereskia aculeata . . .
Echeveria sp
Crasstila obligtia ....
3-4 Mm.
4-8 „
5-0 „
0-8 Mm.
1-4 ..
1-0 „
Erwägt man, dass bei manchen dieser Pflanzen (Pereskia)
an der eingeschnürten Stelle die derben Elemente des Gefäss-
bündels bedeutend zurücktreten und viel zarter ausgebildet sind,
so leuchtet ein, dass bei derlei anatomischen Einrichtungen die
Ablösung des Blattes sich sehr leicht vollziehen wird.
Die geschilderten Verhältnisse sind keineswegs auf die
genannten Pflanzen beschränkt, sie finden sieh mitunter auch bei
Holzgewächsen, nur in viel minderem Grade, oft gar nur auf
einer Seite des Blattgrundes ' (Juniperns communisj Gingko
biloba^ Lif/ustrum vulf/m-e, Viscnm album etc.)
Trennungszone einiger Coniferen. Obwohl man die
Anatomie des Blattgelenkes bei den verschiedensten Pflanzen-
ordnungen genau untersucht hat, existiren doch keine diesbezüg-
lichen Angaben über die Blätter der Coniferen. Ich fand nur eine
einzige Bemerkung bei v. Mohl^ über Gingko biloba, aus welcher
hervorgeht, dass der Blattgrund ganz ähnlich gebaut ist wie der
vieler Laubhölzer und nichts Abweichendes darbietet. Dagegen
bieten die Blätter anderer Coniferen so viel Eigenartiges und
auch Interessantes, dass ich es mir nicht versagen will, das
Wichtigste darüber mitzutheilen.
Abies excelsa. Das Blatt der Fichte sitzt auf einem soge-
nannten „Blattkisseu", welches nach der Ablösung des Blattes
am Stamme verbleibt. Ein Längsschnitt durch die Basis einer
5 Ähnliches findet sich nach v. Höhnel fAblösimgsvorgang, 1. c.
pag. 11.) bei Zvveigabsprüngen von Thuja occidentalis und den Kurztrieben
der Kiefer, nach meinen Beobachtungen an den abfallenden Zweigen von
Tnmarix gallica.
2 1. c. pag. 9 und 12.
12*
180 Mo lisch,
ein- oder mehrjälirig'en Nadel zeigt sofort au der Grenze zwischen
Blattkissen und Blattgrimd eine höchst aufFallend gebildete
Trennnngszone. Diese verläuft in einem flachen nach oben con-
vexen Bogen und besteht aus zwei Schichten. Die eine setzt sich
gewöhnlich aus zwei bis drei Lagen von in der Richtung der
Blattachse ziemlich gestreckten Sklerenchymzellen zusammen.
Dieselben sind porös verdickt, stark verholzt und besitzen je
einen Zellkern. Die andere ist viel weniger auffallend, weil
geringer entwickelt und besteht aus kurzen, polyedrischen, gleich-
falls in zwei bis drei Lagen vorhandenen Sklerenchymzellen. An
der Grenze zwischen diesen beiden Sklerenchym-
schichten findet die Ablösung des Blattes statt.
Daher findet man den Grund der abgetrennten Nadel von der
oberen die Narbe des Blattkissens von der unteren Sklerenchym-
platte bedeckt. Von der letzteren haften gewöhnlich einige au
dem fallenden Blattgrund fest. Ob in der kleinzelligen Skleren-
chymzone vor dem Blattfall Theilungen eintreten, konnte ich
nicht beobachten.
Abies pect'muta. Das Blatt sitzt am Zweige mit verbreitertem
Grunde fest. An der Grenze zwischen beiden ist eine unbedeutende
Einschnürung zu bemerken, von welcher die mehr minder braun-
gefärbte, zumeist aus 2 — 3 Zelllagen bestehende Trennungs-
zone ausgeht. Auch hier besitzen die Zellen einen wenn auch nur
wenig ausgesprochenen sklerenchymatischen Charakter. Sie sind
polyedrisch, verholzt und führen nicht selten kleine Krystalle von
oxalsauremKalk. Unmittelbar darüber bildet sichdieTrennungs-
schichte, eine gewöhnlich nur zwei Zelllagen umfassende, klein-
zellige, plasmareiche Gewebsplatte, die sich von dem darüber
liegenden Grundgewebe nur wenig abhebt. Beim Blattfall bleibt
dieSklerenchymschichte am Zweige zurück undbedeckt die Narbe.
Lariv eiiropaea. Durch das unvermittelte Aufeinanderstossen
von kleinen polyedrischen Sklerenchymzellen auf zarte, fast eben
so grosse Parenchymzellen kommt eine scharf markirteTrennungs-
zoue zu Staude. Die verholzten Parenchymzellen gehen nach unten
allmählich in Periderm, nach oben ohne Übergang in zartwandiges
Parenchym über, aus welchem offenbar die Treunungsschicht sich
hervovbildet. Ganz ähnlich verhält sich Cednts Deodora, deren
Nadeln auf einem ziemlich lauü-en Blattkisseu sitzen.
Uütersucluuigeu über Laubfall. 181
Taccus baccata. Ich untersuchte verschieden alte, selbst fünf-
jährig-e Nadeln, konnte jedoch weder das Vorhandensein einer
Trennung'szone, noch einer Trennung-sschichte nachweisen. Offen-
bar bildet sich die letztere erst ganz kurz vor dem Abfall des
Blattes aus. Ich suchte die Bildung der Mohl'schen Schichte
durch Einstellen der Zweige in einem finsteren, dunstgesättigten
Raum, oder durch mangelhafte Wasserzufuhr hervorzurufen —
allein vergebens. Die Eibe ist diesen Einflüssen gegenüber
ungemein resistent.
Auf pag. 176 — 178 wurden einige anatomische Thatsachen
angeführt, welche eine leichtere Lostrennung des Blattes vom
Sprosse ermöglichen. Eine der wichtigsten Fragen jedoch, welche
Umstände die Isolirung der Zellen in der Trennungssehichte
überhaupt bedingen, wurde bisher noch nicht erörtert.
Nach den Untersuchungen von Wiesner' lösen die organi-
schen Säuren, welche bei gehemmter Transspiration in Folge der
Stagnation der Zellsäfte nachweislich reichlich entstehen, die
Mittellamellen der betreffenden Zellen auf. Der genannte Autor
konnte sogar Blätter, deren Trennungsschichten bereits angelegt
waren, durch Einlegen in Auflösungen organischer Säuren nach
einigen Tagen zur Ablösung bringen. ^
Van Tieghem undGuignard^ stellten vor nicht langer
Zeit die Behauptung auf, dass kurz vor Abfall des Blattes eine
mittlere Zone der Trennungsschichte resorbirt wird, die übrig-
bleibenden Zellen sodann aufeinander zuwachsen, in Folge
grossen Turgors gegeneinander drücken und auf diese Weise das
Gefässbündel zerreissen. Ich habe mich bei verschiedenen dico-
tylen Blättern bemüht, eine solche Resorption aufzufinden, allein
ich gelangte stets zu einem negativen Resultat. Abgesehen von
dem Gefässbündel, dessen Elemente zumeist zerreissen, fand ich
die Trennungszellen vollständig intact, oft bedeutend vergrössert,
zusammen mitunter einen mehligen Belas' bildend.
1 1. c. pag. 44.
2 1. c. pag. 39.
3 Observations sur le mecanisme de la chute des feuilles. Bull. soc. bot.
France, T 29, pag. 312—317. Ein Referat darüber von mir findet sich im
bot. Centralblatr, Bd. 17. pag. 72.
182 Molisch,
Bei BeantwortUDg- unseres Problems seheint es mir passend^
auf verwandte Erscheinungen vergleichend auszublicken und
sich /u fragen, welcher Mittel sich denn die Pflanze bedient^
wenn es sich um die Isolirung von Zellen, um die Auflösung von
]\Iittellamellen oder ganzer Membrantheile handelt. Solche Pro-
cesse kommen in der Pflanze sehr oft vor: die Querwände
junger zum AulTjau von Gelassen bestimmten Zellen verschwinden
häufig ganz, das Celluloseendosperm vieler Palmensamen wird
bei der Keimung resorbirt, Pilzhypheu durchbohren spielend leicht
die Membran ihrer Wirtbe, die Zellen im Fruchtfleische von
Liyustrum vulgare und Symphoricarpus racemosus gehen mit
glatten Wänden aus dem Verbände, selbst todte Pflanzentheile
zerfallen in bakteriösen Flüssigkeiten in ihre Elemente.
Alle diese Vorgänge erklären sich in einfacher Weise durch
die Einwirkung eines celluloselösenden Ferments. Es ist mir
daher im hohen Grade wahrscheinlich, dass auch bei der Ab-
lösung des Blattes in der Trennungsschichte ein
solches Ferment auftritt und die Auflösung der Mittel-
lamellen besorgt.
Wiesner^ hat jüngst die schöne Entdeckung gemacht, dass
die Gummibildung in der Pflanze durch die Wirkung eines Fer-
mentes auf die Zellmembran zu Stande kommt. Als ich davon
Kenntniss erhielt, kam ich auf die Vermuthung, ob nicht zur Zeit
des Blattfalls im Blattgelenke dieses oder ein ähnliches Ferment
auftritt und die Auflösung der Mittellamellen bedingt. In der That
konnte ich mich bei sehr vielen Blättern von der Gegenwart eines
solchen Fermentes überzeugen, und zwar mit Hilfe der von
Wiesner zum Nachweis seines Gummiferments angegebenen
prachtvollen Farbenreaction (Orcin + Salzsäure). Behandelt man
geeignete Schnittenach der von Wie sn er emi)fohlenen Methode^
mit Orcin und Salzsäure, so färben sich in der Kälte bloss die ver-
holzten Elemente violett, erwärmt man dann bis zur Siedehitze
(am Objectträger), so färbt sich der Plasmainhalt vieler Zellen des
Blattgrundes violett oder blau, am meisten aber der Inhalt
1 Über das Gnmmiforment. SitzLer. d. kais. Akad. d. Wisseiisch.
Jahrg. 1885, Bd. 92.
- Gummiterment. 1. c. pag. 2ü etc.
Untersuchungen über Laubfall. 183
der die Treuuuug-sschiclite bildenden Zellen. [Evonymus
japouicns, Äxalea hulicn, Aesculus Hippocastanum, Fra.vinus
excelsior, Til'ta pan'if'olia etc.) Hier wird also das Gummiferment
in grosser Menge gebildet, in grösserer als in den anderen Zellen
des Blattgrundes und den daranstossenden Geweben.
Hiermit lässt sich auch die Ansicht von Wiesner, wonach
organische Säuren bei der Lsolirung der Zellen in der Trennungs-
schichte betheiligt sind, vereinigen, da die Wirkung von Fer-
menten durch die Gegenwart von Säuren nach mehrfachen
Angaben unterstützt wird.
VIII
Die wichtigeren Eesultate der vorhergehenden Untersuchungen
lassen sich in folgenden Sätzen zusammenfassen.
1. Wird die Transspiration von Zweigen, welche stark zu
transspiriren gewöhnt sind, plötzlich gehemmt, so werfen sie die
Blätter ab (Wiesner).
Pflanzen, welche feuchte Atmosphäre lieben, behalten oft
monatelang im dunstgesättigten Kaume ihr Laub.
'2. Eine nicht allzu rasche, aber continuirliche Herabsetzung
des Wassergehaltes im Blattgrunde führt zur Anlage der Tren-
nuugsschichte und in vielen Fällen auch zur Ablösung der
Blätter.
Die letztere wird in auffallender Weise begünstigt und
beschleunigt, wenn der Turgor des Blattgrnndes durch reiche
Wasserzufuhr rasch gesteigert wird (Wiesner).
3. Es ist im Wesentlichen gleichgiltig, ob das Welken der
Pflanzen durch gesteigerte Transspiration, durch mangelhafte
Wasserzufuhr oder durch beide zugleich herbeigeführt wird; von
Wichtigkeit ist jedoch, dass das Welken nicht allzurasch eintritt,
weil die Blätter sonst vertrocknen, bevor sie noch Zeit gefunden,
ihre Trennungsschichten zu bilden.
4. Abgeschnittene Zw^eige, welche ihrer Organisation wegen
sehr langsam transspiriren, werfen ihre Blätter selbst an der Luft
liegend ab. (Succulente Pflanzen, Fichte, Tanne, Begonia eto
5. Auf mangelhafter Wasserzufuhr beruht auch die That-
sache, dass abgeschnittene und mit ihrer Basis ins Wasser ein-
184 Molisc'li. Untersuchungeu über Lidibfall.
g-estellte Zweige ihr Laub tVüliev verlieren als aualoge am Baume
verbliebene und ferner, dass viele Grewächse in Folge starker
Schädigung des Wurzelsystems beim Verptlauzen aus freiem
Lande in Töpfe oft einen grossen Theil ihres Laubes einbüssen.
6. Durch stagnirende Bodennässe kann gleichfalls das
Wurzelsystem geschädigt und bei vielen Pflanzen hiedurch theil-
weise oder völlige Entblätterung herbeigeführt werden.
7. Lichtmangel bewirkt Entlaubung. Am empfindlichsten
erweisen sich stark transspirirende Pflanzen mit krautigen Blät-
tern (Coleus), weniger empfindlich Gewächse mit lederigem,
stark cuticularisirtem Laub (Azalea, Rhododendron, Abies pectl-
nata), fast gar nicht empfindlich einzelne wintergrüne Coniferen
(Eibe, Föhre).
8. Der Einfluss der Temperatur auf den Blattfall ist ein
sehr complicirter. Sie wirkt indirect durch Beeinflussung der
Transspiration, aber auch direct, ganz unabhängig von der
letzteren. Es fallen nämlich im dunstgesättigten Pvaume Blätter,
deren Trennungschichten noch nicht oder eben erst angelegt
wurden, l)ei höherer Temperatur (17 — 22° C.) viel reichlicher
und früher ab als bei niederer (1 — 10° C).
9. Sauerstoff ist eine wesentliche Bedingung des Laubfalles.
Erschwerter Luftzutritt verzögert bereits den Laubfall, Daher
lösen sich denn auch unter Wasser getauchte Blätter viel später
ab^ als in feuchter Luft befindliche.
10. Mit Rücksicht auf analoge Vorgänge in der Pflanze und
mit Rücksicht darauf, dass Wiesner's jüngst entdecktes Gummi-
ferment bei vielen Pflanzen gerade in der Trennungsschichte in
reichlichem Masse nachgewiesen werden konnte, erscheint es sehr
wahrscheinlich, dass die Auflösung der Mittellamellen beziehungs-
weise die Tsolirung der Zellen hier durch ein celluloseumbilden-
des Ferment vollzogen wird, wobei organische Säuren unter-
stützend eingreifen.
11 . Die Arbeit enthält ferner neue Beobachtungen anatomischer
Natur über die Verholzung von Gewebeschichten in der Nähe der
Trennungsschichte, über die Einschnürung des Blattgrundes und
über das Blattgelenk von Coniferen,
SITZUNGSBERICHTE
DER
miii üiDiE m wisisceiFfi
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
XOIII. Band. III. Heft.
ERSTE ABTHEILUNG.
Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Botanik^
Zoologie, Geologie und Paläontologie.
187
VII. SITZUNG VOM 4. MÄRZ 1886.
Die Bibliothek der Stazioue zoologica in Neapel dankt
für die Betlieilimg derselben mit dem akademischen Anzeiger.
Das w. M. Herr Hofrath Prof. C. Claus übermittelt für die
akademische Bibliothek 17 Hefte der von ihm herausgegebenen:
„Arbeiten aus dem zoologischen Institute der Uni-
versität Wien und der zoologischen Station in Triest"
aus den Jahren 1878—1886.
Herr F. Friedrich, königl. preuss. Hoflieferant zu Prag,
übermittelt ein Exemplar einer von ihm verfassteu : „Anleitung
auf mnemonischem Wege die Kenntniss der Bedeu-
tung sämmtlicher telegraphischer Zeichen binnen
einem Tage sich anzueignen".
Das w. M. Herr Regierungsrath Prof. Dr. A. Rollett über-
sendet unter dem Titel: „Beobachtungen an den geformten
Bestandtheilen des Blutes", eine Arbeit, vpelche Herr
Dr. Karl Laker im physiologischen Institute der Grazer Uni-
versität ausgeführt hat.
Herr Dr. Clemens Winkler, Professor der Chemie an der
königl. sächsischen Bergakademie in Freiberg, macht mit Schrei-
ben vom 21. Februar 1. J. die Mittheilung, dass er im Argyrodit
von Freiberg ein neues, dem Arsen und Antimon nahestehendes,
nicht metallisches Element aufgefunden und demselben den
Namen „Germanium" beigelegt habe.
Das w. M. Herr Professor v. Kerner hält einen Vortrag:
„Über die Ernährungsgenossenschaften von Pilzen
und Blüthenpflanzen."
Das w. M. Herr Hofrath C. Claus überreicht eine Mit-
theilung: „Über die Charaktere der Gattung Artemia im
Gegen Satze zu Braiichlpus.'^
188
Das w. M. Herr Prof. Ad. Lieben überreicht eine von ihm
in Gemeinschaft mit Herrn Dr. S. Zeisel ausgeführte Arbeit:
„über Condensationsproducte der Aldehyde", lY. Ab-
handlimg.
Das w. M. Herr Hofrath Intendant Ritter v. Hauer über-
reicht eine Mittheihing aus dem geologischen Institute der
deutschen Universität zu Prag unter dem Titel: „Neue Beiträge
zur Kenntniss der Juraablagerungeu im nördlichen
Böhmen". (IL) von Herrn G. Bruder.
Herr Dr. Eduard Mahler, Assistent der k. k. österreichischen
Gradmessung in Wien, überreicht eine Abhandlung unter dem
Titel: „Untersuchung einer im Buche „Nahum" auf den
Untergang Ninive's bezogenen Finsterniss."
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht zu-
gekommene Periodica sind eingelangt :
South African Philosophical Society: The Transactions, Vol. III.
Part 1 (1881—83), Part 2 (1883—85). Cape Town, 1884,
1885; 8^
Bergens Museum: Bidrag til Myrostomernes anatomi og histologi
af Fridtjof Nansen. (Med 9 Planchers.) Bergen, 2885. Fol.
Stoliczka Ferdinand: Scientific Eesults of the second Yarkaud
Mission: Araneidea. Calcutta, 1885; Fol.
1
189
YIII. SITZUNG VOM 18, MÄRZ 1886.
Se. Excellenz der Herr Curator-Stellvertreter Kitter
V. Schmerling- spricht in einem an den Herrn Präsidenten
der Akademie gerichteten Schreiben seinen verbindlichsten Dank
aus für die ihm gewordene auszeichnende Begrüssung anlässlich
der am 10, März d. J. zu Ehren des Curatoriums abgehaltenen
feierlichen Sitzung der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Der S e c r e t ä r macht im Namen der akademischen Commission
für die Herausgabe der wissenschaftlichen Publicationen über die
ö s t e r r e i c h i s c h e J an M ay e n -E X p e d i t i 0 n die IMittheilung von
dem Abschlüsse und dem unmittelbar bevorstehenden Erscheinen
des ersten Bandes diesesWerkes, mit dem Bemerken, dass von den
14 Polarstationen, welche im Jahre 1882/83 über Anregung des
Polarfahrers C arl Weyp recht und des Grafen HansWilczek
zu dem Zwecke gleichzeitig in Thätigkeit gesetzt wurden, um
nach einem gemeinsamen Programme Beobachtungsdaten zu
sammeln und wissenschaftliche Untersuchungen in den eiserfüllten
Kegionen anzustellen, die von der österreichischen Expedition
activirte Station auf der Insel Jan Mayen erfreulicher Weise die
erste Station sein dürfte, deren wissenschaftliche Errungen-
schaften als ein Beitrag zu dem grossen internationalen Unter-
nehmen der Erforschung des Polargebietes schon jetzt vor die
Öffentlichkeit treten.
Herr A. B. Meyer, königi. sächs. Hofrath und Director des
zoologischen und autbropologisch-ethnographischen Museums in
Dresden, übermittelt für die akademische Bibliothek folgende
von ihm herausgegebene Druckwerke mit Illustrationen:
1. ..Gurina im Obergailthal (Kärnthen). Ergebnisse der
im Auftrage der anthropologischen Gesellschaft zu Wien
im Jahre 1884 vorgenommeneu Ausgrabungen."
2. „Das Gräberfeld von Hallstadt."
190
Das w. M. Herr Prof. V. v. Laug übersendet eine für die
Sitzungsberichte bestimmte Abliandhing: „Bestimmung der
Tonhöhe einer Stimmgabel mit dem Hipp'schen Chrouo-
skop," über welche derselbe bereits in der Sitzuug vom 11. No-
vember V. J. berichtet hat.
Das w. M. Herr Prof. E. Hering übersendet eine Arbeit
aus dem physiologischen Institute der deutschen Universität zu
Prag: „Beiträge zur allgemeinen Nerven- und Muskel-
physiologie. XIX. Mittheilung. Über das elektromoto-
rische Verhalten des Muskelnerven bei galvanischer
Reizung," von Herrn Prof. Dr. Wilh. Biedermann.
Das w. M. Herr Regierungsrath Prof. L. Boltzmann in
Graz übersendet eine in seinem Institute ausgeführte Arbeit:
„Untersuchungen über das Verhältniss zwischen dem
elektrischen und elektromagnetischen Maasssystem"
(IL), von Herrn Dr. Jgn. Klemencic.
Das c. M. Herr Prof. V. v. Ebner übersendet eine im
Institute für Histologie und Embryologie in Graz von dem
Assistenten dieses Institutes Herrn Dr. Ludwig Merk ausge-
führte Arbeit: „Über die Schleimabsonderung an der
Oberhaut der Forellenembryonen."
Das c. M. Herr Prof. L. Gegenbauer in Innsbruck über-
sendet eine Abhandlung unter dem Titel: „Arithmetische
Notiz."
Herr Prof. Dr. J. H()rl)aczewski in Prag übersendet eine
Abhandlung unter dem Titel: „Versuche über die Ent-
stehung der Harnsäure im Organismus des Menschen."
Herr Prof. Dr. Sigmund Mayer in Prag übersendet eine
zweite (vorläufige) Mittheihmg: „Studien zur Histologie
und Physiologie des Blutgefässsysteras".
Der S e c r e tä r legt folgende eingesendete Abhandlungen vor :
1. „Untersuchungen über Strychnin. IL Über Xantho-
strychnol und Strychnol", von den Herren Prof. Dr. W.
F. Loebisch und Dr. P. Schoop in Innsbruck.
2. „Einwirkung von Cyankalium auf Dinitroaniliu",
von den Herren Prof. Dr. E. Li pp mann und F. Fleissner
in Wien.
191
3. ,,Über das Cyanhydriu des Nitrosodipropyl-
anilins", von Herrn A. Man dl in Wien.
4. „Über den Zusammenhang zwischen den voll-
ständigen Integralen und der allgemeinen Lösung
bei partiellen Differentialgleichungen höherer
Ordnung", von Herrn Dr. V. Sersawy in Wien.
5. j,Über Einlagerung von Calciumoxalat in die
Zellwand bei Nyctagineen", vonHerrn Anton Heimerl
in Wien.
6. „Über hyperelliptische Curven", von Herrn Dr. K.
Bobek in Prag.
7. „Über die innere Reibungscoustante und die
specifische Zähigkeit organischer Flüssigkeiten
und ihrer flüssigen Lösungen" und
8. „Über Tropfengewichte und deren Beziehung zu
den C api 11 aritätscons tauten; über die Endlichkeit
und Constanz des Randwinkels und über den
Einfluss der Krümmung der Wand auf die
Capillaritäts Constanten", letztere beiden Arbeiten von
Herrn Dr. J. Traube in Hildesheim (Prov. Hannover).
Ferner legt der Secretär ein versiegeltes Schreiben vor,
welches Herr J. Rieh. Harkup, Realitätenbesitzer in Krems,
behufs Wahrung der Priorität eingesendet hat. Dasselbe führt die
Aufschrift: „Beschreibung einer Verbesserung in der
gegenwärtigen Art der Hinterlader".
Das wirkliche Mitglied Herr Hofrath C. Claus übergibt
folgende Mittheilung: „Über die Entwicklung und den
feineren Bau der Stilaugen von Branchipus.'-^
Das w. M. Herr Prof. J. Loschmidt überreicht eine
Abhandlung unter dem Titel: „Die Schwingungszahlen
einer elastischen Hohlkugel".
Herr Prof. Dr. Ernst Fleischl v. Marxow überreicht eine
nachträgliche Mittheilung zu seiner in den Sitzungsberichten
veröffentlichten Theorie der optischen Eigenschaften
eines homogenen magnetischen Feldes.
192
Herr Friedrich Biclschof in Wien übeiTeicht eine Abhand-
lung: „Untersuchung-en über die Bahn des Planeten
(220) Stephanie/'
Selbständige Werke oder neue , der Akademie bisher nicht zu-
gekommene, Periodica sind eingelangt:
M. Mendelssohn und Ch. Riebet: Archives Slaves de Bio-
logie. Tome I. Tome I. Fase. 1, Paris. 1886; 8".
193
Neue Beiträge zur Kenntniss der Juraablagerungen
im nördlichen Böhmen. 11.
Von Georg Bruder.
(Mit 1 Tafel und 1 Holzschnitt.)
(Mittheilungen aus dem geologischen Institute der k. k. deutschen
Universität in Prag Nr. 6.)
Vorgelegt in der Sitzung am 4. März 1886.)
Zu Beginn des verflossenen Jahres machte mich Herr
Geheimrath H. B. Geinitz auf eine sehr reichhaltige und
interessante »Sammlung böhmischer Jurafossilien aufmerksam, die
sich im Besitze des HeiTn August Weise, Vorstandes des Hum-
boldt Vereines zu Ebersbach in der Oberlausitz, befindet.
Auf mein Ansuchen wurde mir von demselben nicht nur die
besagte Sammlung auf das bereitwilligste zur Verfügung gestellt,
sondern es gelang Herrn Weise's gütigen Bemühungen auch
noch weitere Suiten auszuforschen, welche mir durch seine Ver-
mittlung gleichfalls fi*eundlichst anvertraut wurden; so vom
Hen-n Carl Kögler zu Schönbüchel bei Schönlinde.
Unter den mir also zur Bestimmung vorgelegten böhmischen
Juraversteinerungen aus Sternberg und Khaa erregten beson-
ders einige Brachiopoden meine Aufmerksamkeit, welche mir bis
dahin weder aus Böhmen noch aus Sachsen bekannt geworden
waren. Um wo möglich noch weiteres Material zu erhalten, erbat
ich mir die von Dr. 0. Lenz* gesammelten und theilweise
beschriebenen Brachiopoden von Sternberg aus der Sammlung
der k. k. geologischen Eeichsanstalt zur Revision, und wurde
dieser meiner Bitte vom Herrn Director Oberbergrath D. Stur in
zuvorkommendster Weise entsprochen.
1 0. Lenz: Über Auftreten jurassischer Gebilde in Böhmen. Zeitsch.
für die gesammten Naturwiss. Bd. XXXV.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Gl. XCIII. Bd. I. Ablh. 13
194 Bruder,
Wenn ich beute in der Lage bin, neuerdings einen Beitrag
zur Kenntniss der Juraablagerungen im nördlicben Böhmen vor-
zulegen^ so danke ich dieses nur der liebenswürdigen Unter-
stützung, welche mir von den genannten hochverehrten Herren in
der oben bezeichneten Weise zu Theil wurde. Desgleichen bin
ich meinem hochgeehrten Vorstande Herrn Professor Dr. G. C.
Laube und Herrn Oberbergrath Prof. W. Waagen für die
freundlichst zu Gebote gestellte Literatur zu innigem Danke ver-
bunden.
A. Allgemeines.
Die nachstehend angeführten Versteinerungen stammen
grösstentheils aus dem Sternberger Bruche, nur einige aus der
verlassenen Grube bei Khaa. Dieersteren lassen an der Beschaffen-
heit ihres Versteinerungsmateriales und an der Art ihres
Erhaltungszustandes zumeist leicht erkennen, in welcher Schichte
sie eingebettet waren. 8ie vertheilen sich auf dieselben wie folgt:
A. Ammonitenkalke.
(Zone der Oppelia teiiuilobata.')
1 . Aspuloceras sp. (W. ) ^
2. Simoceras sp, (W. )
3. Perisphmctes cf. crusoUensis Font sp. (W.)
4. Perisphinctes cf. Ernesti P. d. Loriol sp. (W.)
5. Oppelia trachynota Opp. sp. (W.)
6. Oppelia tenuilohata 0])p. sp. (W.)
7. Aptychus o-asnicauda Q neust. (W.)
8. Nautilus franconicus Opp. (W.)
9. Astarie cf. snpracorallina d'Orb. (W.)
B. Thonig-mergeiige Zwischenschichte.
(Schwammlager.)
10. Lima cf. fcfpdata Münster (W.)
11. Blast inia äff. costa/a Qucnst. sp. (W.)
1 (W) zeigt an, da«s sicli die betreffendcü Exemplare in der Sammlung
des Herrn August Weise; in Ebersbach befinden.
Neue Beiträge zur Kenntniss der Juraablagerungen etc. 195
12. Myrmecium he7nisphnericiim Gold f. sp. (W.)
13. Cory Hella Quenstedfi Zittel i^W.)
14. Eusiphonell n perple.va Quenst. sp.
15. Enden perforata Quenst. sp. (Geolog-. Inst. Prag.)
16. Pachyteichisma jugosa Quenst, sp. (TV.)
17. Pachyteichisma microstoma Quenst. sp. (TV.)
18. Trochobolus culeiis Quenst. sp. (W.)
19. Trochobolus barbatus Quenst. sp. (W.)
20. Oophyma labyritithica nov. gen. nov. sp. (G. Inst. Prag.)
21. Cylindrophyma heteroporacea nov. sp. (W.)
22. Hyalotrayos fistulosinn Quenst. sp. (W.)
23. Hyalotrayos cf. pezizoides Goldf. sp. (W.)
24. Cnemidiastnim cf. condliiuim Quenst. sp. (W.)
25. Cnemidiastrum striata- punctat um Goldf. sp. (W.)
C. Brachiopodenkalk.
(Zone des Peltoceras bimammatum.)
26. Amalthens ühligii Bruder (Geolog-. Inst. Prag.)
27. Pecten äff. paraphorus Böhm. (Kögler in Schönbücliel.)
28. Spondylus moravicus Böhm. (SV.)
29. Hinnites sp. (TV.)
30. Terebratula ( Waldh eimia) äff. pseudolugenalis (M o e s c li)
31. Terebratula [Waldheimia) magasif'ormis Zeusch (TV.)
32. Terebratula imma)iis Zeusch. ysiv. jucunda Schi oss.
(Geolog. Inst. Prag.)
33. Terebratula cerricula Quenst. (k. k. geol. Reichsanst.)
34. Terebratida cyclogonia Zeusch. (TV.)
35. Terebratula formosa Suess (Geolog. Inst. Prag-.)
36. Terebratula saxonica Bruder (k. k. geolog. Eeichsanst.)
37. Terebratula subbararica v. Ammon (TT^.)
38. Rhynchonella moravica Uhlig (k. k. geolog. Reichsanst.)
39. Rhynchonella Laubei Brudev (Geolog. Inst. Prag.)
40. Rhynchonella lacu?iosa var. dichotoma Quenst. (k. k.
geolog'. Reichsanst.)
41. Crania porosa Goldf. (Geolog. Inst, in Prag.)
12*
196 Bruder,
Aus clem^ durch eine Halde von Lesesteinen verschütteten
Kalkbruche auf dem sogenannten „Peschkeus Räumigt", etwas
östlich von den ersten Häusern des Dorfes K haa, sind nur drei
bisher aus den böhmischen Juragebilden unbekannt gebliebene
Arten zu nennen. Dieselben stammen aus dem dünnschieferigen
Mergelkalke, über dessen Petrefactenführung ich bereits Aus-
führliches berichtet habe. ^ Es sind dies folgende:
42. Pecoptichins refr actus Rein. sp. (W.)
43. Harpoceras hecticiim Rein. sp. (W.)
44- Amaltheus dorsocavntus Quenst. sp. (W.)
Für die Sternberger Ammonitenkalke ist besonders das Vor-
kommen der OppeUa tenuilobata^ des wichtigsten Leitfossiles für
die Bestimmung des Horizontes, hervorzuheben.
Das Schwammlager lieferte abermals eine Anzahl von Arten,
welche in der westliehen Schweiz, Süddeutschland, Polen und
Schlesien im mittleren Malm (Qu enstedts weisser Jura 7 und 0)
verbreitet sind, nur einige wenige finden sich in den genannten
Juradistricten in etwas höherem Niveau, das dem schwäbischen
£ entspricht.
Betreff der Brachiopodenkalke ist das Auftreten kieseliger
Concretionen von grossem Interesse, das auf Grund eines in der
Sammlung des Herrn Weise befindlichen Belegstückes mit
umgebendem G-esteine nachgewiesen werden konnte. Durch
dieses Verhalten, nämlich Einschluss von Kiesel-
concretionen, ist auch in der petrographischen Be-
schaffenheit eine auffallende Übereinstimmung des
hellen dichten Brachiopodenkalkes der böhmischen
Juragebilde mit den Kieselnierenkalken Nieder-
baierns, den Ruditzer Schichten Mährens, sowie den
plumpen Felsenkalken Polens und Oberschlesiens
ausgedrückt; mit welchen sie, wie ich bereits nachgewiesen
habe, zufolge ihrer Petrefactenführung als gleichalterig aufzu-
fassen sind. ^
1 Bruder, Neue Beiträge etc. p. 18, Sitzber. der k. Akad. d. Wiss.
Bd. LXXXV, p. 467—468.
- Bruder, Zur Kenutniss der Juraablageruugen von Steruberg etc.
Sitzb. d. k. Akad. d. Wiss. Bd. LXXXIII, p. 58— .-)9.
Neue Beiträge zur Keuntuiss der Juraablag-eriingen etc. 19 <
Aber auch die ueuerding-s aus dieser Schichte vorliegeiideu
Fossilien verdienen einige Beachtung-. Abgesehen von den nicht
genau bestimmbaren Bivalven, welche mit Stramberger und Kel-
heimer Vorkommnissen verglichen werden konnten, kommen in
dieser Hinsicht in erster Reihe die Brachiopoden in Betracht.
Eine nicht unbedeutende Zahl derselben findet sich nämlich vor-
herrschend in den tithonischen Ablagerungen von lunwald, Stram-
berg, Wimmis und Sicilien, so z. B. Waldheimia magasiformis,
Terebratula immanis vüy. jucunda, T. cycloi/o?iiff und T. formosoj
dagegen sind W. pseudola(/ena/is, T. sitbbav urica, Rhynchonclla
moravica, Rh. lacunosa var. dichotoma und Cranla j^orosa vor-
züglich im mittleren weissen Jura der westlichen Schweiz, Süd-
deutschlands, Mährens und Polens verbreitet. Den letzteren reihen
sich an die bereits früher aus dieser Schichte beschriebenen
Arten: W. Moeschi, T. Zieteni, T. eUiptoides, T. bisujfarcinata,
Rh. Astieriana, Rh. lacunosa var. subsimilis und var. cracoviensis,
Dictyothivis Kurri xmd Meyerlea loricata. Die Formen mit jurassi-
schem Charakter treten somit sowohl nach Zahl der Gattungen
und Arten, als auch nach der Menge der Individuen gegenüber
den wenigen und selteneren tithonischen Arten entschieden in
den Vordergrund und können allein für die Altersbestimmung
massgebend sein.
Dieses merkwürdige Zusammenvorkommen sogenannter
tithonischer und jurassischer Brachiopoden, welches auch von
Schlosser' für die Diceraskalke von Kelheim, und von Uhlig^
betreff der hellen Kieselnierenkalksteine der Schwedenschanze
in der Umgebung von Brunn nachgewiesen wurde, lehrt aber-
mals, dass den Brachiopoden im weissen Jura bei Feststellung
des Horizontes nicht die Bedeutung von Leitfossilien zuerkannt
werden darf.
Dagegen scheint dieses Vorkommen für die Beurtheilung
der Verbindungswege, welche gewiss zwischen den verschiedenen
Meeresbecken während der Jurazeit bestanden haben, von nicht
zu unterschätzender "Wichtigkeit zu sein.
Es kann nicht als ein Ergebniss des Zufalles aufgefasst
werden, dass aus den böhmischen Juraablagerungen von Stern-
1 Schlosser, Brachiopoden des Kelheimer Diceraskalkes. p. 208.
- Uhlig. Die Jurabilduugen in der Umgebung von Brunn, p. 29.
198 Bruder,
berg- und Khaa sogeuaunte tithonische Brachiopoden in vier
Arten und zehn Exemplaren vorliegen, während unter den mir in
mehr als dreifacher Individuenauzahl zur Verfügung gestellten
Hohnsteiner Brachiopoden sich nur ein einziges Exemplar von
T. äff. formosa vorfand, und anderseits die entschieden nord-
deutschen Formen Waldheimia hnmeralis und Rhynchnnella
pinyuis bisher in Böhmen nicht gefunden worden sind.
Für Hohnstein habe ich bereits a. a. 0. * den Einfluss her-
vorgehoben; w^elchen die Nachbarschaft der jurassischen Nord-
see auf die Zusammensetzung der Fauna dieser Ablagerung
genommen hat, heute muss für die böhmischen Juragebilde
betont werden, dass in denselben mehr der Charakter jener
Faunen zum Ausdrucke kommt, welcher für die mährischen und
niederbaierischen Jurabildungen bezeichnend ist.
Ist auch die Möglichkeit keinesfalls ausgeschlossen, dass
etwaige neue Funde das gänzliche Fehlen der in Rede stehenden
Formen in der einen oder der anderen der genannten Localitäten
nicht bestätigen würden, so dürfte doch dadurch kaum das
bezeichnete Verhältniss gestört werden, welches in einem Über-
wiegen südlicher Arten im Jura von Böhmen gegenüber jenem
Sachsens besteht.
Dieses Verhältniss lässt sich nicht in ungezwungener Weise
erklären unter Aufrechthaltung der Ansicht: „die böhmisch-
sächischen Juragebilde seien Ablagerungen, welche in einer
schmalen Bucht des Jurameeres zum Absätze kamen, die sich
entlang der Elbeniederung hinzog, ohne jedoch weiter in das
Innere von Böhmen hinein zu reichen."^ Unter dieser Voraus-
setzung könnte eine Zuwanderung von Lebewesen aus Baiern
oder Mähren nach Böhmen und umgekehrt nur über Polen, Ober-
schlesien und Sachsen erfolgt sein, es wäre somit nicht wahr-
scheinlich, dass dieselben in den bezeichneten Gebieten keine
Spuren ihres ehemaligen Vorkommens hinterlassen hätten,
während sie in dem von ihren Ausgangspunkten am weitesten
entfernten Gebiete ziemlich häufig gefunden werden. Es spricht
1 Bruder, Fauna von Hohnstein, p. 18.
- Hauer, Übersichtskarte der österreichischen Monarchie, Blatt I und
11, p. 43.
Nene Beiträge zm- Kenntuiss der Juraablagernngen etc. 3 99
vielmehr dieser Umstand für die Amiahme einer directen Ver-
bindimg des böbmisch-sächsisclieu Meerestheiles mit jenem,
welcher den Südosten des Massives iimfluthete.
Hiernach wäre eine Wasserstrasse zu denken, welche einen
unmittelbaren Austausch von Lebewesen zwischen Böhmen und
Mähreu möglich machte, so dass es ganz natürlich erscheint, wenn
in den böhmischen Juragebilden, als den nähergelegenen, der
mährische, beziehungsweise süddeutsche, Einfiuss entschiedener
zur Geltung kam als in den sächsischen.
Es fragt sich nun, ob diese Annahme, welche sich zunächst
nur auf palaeontologische Vorkommnisse stützt, vom geologischen
Standpunkte begründet werden kann, oder ob derselben strati-
graphische Hindernisse entgegen stehen.
Der untrüglichste Beweis für die Eichtigkeit dieser meiner
Ansicht würde dadurch geliefert, wenn unzweifelhafte Jura-
sedimente noch an anderen Punkten des nordöstlichen Böhmen,
etwa zwischen Liebenau, Eisenbrod und Mährisch-Krumau nach-
gewiesen werden könnten. Dieses ist bis heute nicht der Fall, und
wäre ein solcher höchstens durch Tiefbohrungen in der Nähe des
Nordrandes der böhmischen Kreidemulde zu erbringen, da in
Folge der viel bedeutenderen Transgression des Kreidemeeres,
gegenüber dem jurassischen Ocean, die Ablagerungendes letzteren
von Kreidegebilden mit übergreifender Lagerung verdeckt
wurden. Überdies muss auch der Umstand im Auge behalten
werden, dass erwiesenermassen ein grosser Theil der Jura-
schichteu in Böhmen und Mähren noch vor Absatz der Kreide-
sedimente durch eine bedeutende Denudation zerstört worden
war. '
Um daher die muthmasslichen Verbindungswege zwischen
den einzelnen Meerestheilen gegen das Ende der Jurazeit fest-
stellen zu können, sind wir augewiesen anderweitige Anhalts-
punkte aufzusuchen. Wir gewinnen solche durch Beantwortung
der Frage über die Terrainverhältnisse des damaligen Meeres-
grundes.
Die Glieder der böhmisch-sächsischen Juragebilde finden
sich zwar in nächster Nähe, aber niemals in unmittelbarem Con-
^ Siehe hierüber Näheres auf pag. 205 .
200 Bruder.
Contact mit dem Urgebirge, es lagern zwischen denselben stets
Schichten bunter Thone von gelber, blauer oder blutrother Farbe,
die letzteren mit grünlichen Kalkschmitzen, welche zugleich mit
den Juraschichten emporgeschoben wurden. Dieselben sind voll-
kommen versteinerungsleer und ihre Mächtigkeit schwankt
zwischen 2 Meter im Bruche von Sternberg und 30 Meter in der
Kalkgrube von Hohnstein. Wie ich bereits a. a. 0. ^ nachgewiesen
habe, sind diese Thone kaum jurassischen Alters, denn es
bestehen keine ihnen äquivalenten Gebilde in den benachbarten
Juradistricten, dagegen scheinen sie zufolge ihrer petrogra-
phischen Beschaffenheit vollkommen mit jenen bunten Letten
übereinzustimmen, welche in Sachsen das Hangende der Zech-
steinformation bilden. Schlemmproben nach einer Quantität des
rothen Thones von Sternberg ergaben keine Spur organischer
Reste, der Rückstand stellt einen groben Sand dar, welcher aus
kleinen farblosen Quarzkörnern und grösseren grünlich-grauen
Kalkklümpchen zusammengesetzt ist.
Rothliegendgebilde, bestehend aus Sandsteinen, Melaphyr
und Porphyr, treten auch bei Liebenau, also am südlichsten
bereits von Cotta beschriebenen Punkte der böhmisch-sächsischen
Überschiebung, unter ganz ähnlichen Lageruugsverhältnissen zu
Tage. Nebenstehendes Profil, welches mir von Herrn Professor
NO SW
»Suskal Liebenau
7 .», RM^R P CK TK
T Phyllit, J/j AU ivielaphyr, i? Ob. Rothl. Saudsteiu,
P Porphyr, CK Cenomane Krtüde, TK Turouc Kreide.
Laube gütigst mitgetheilt wurde, zeigt deutlich die Aufrichtung
der Dyasschichten am Urthonschiefer und mit denselben
erscheint auch der Quadersandstein gehoben.
1 Fauna, von Hohnstein, p. 14.
Neue Beiträg-e zur Keuntniss der Juraublageruugen etc. 201
Desgleichen finden Avir bei Harnstein südlich von Eiseu-
brod, zwischen Kosakow und Semil^, sowie bei Stavkenbach^
Rotlilieg-endg-esteine und unteren Quader am Phyllit aufg-erichtet
beziehungsweise von demselben abfallend. Es folgt ferner die
merkwürdige sattelförmige Umbiegung des Rothliegenden bei
Eipel •'^, welche durch einen eingesunkenen NW — SO streichenden
schmalen Kreidezug von den Dyasablagerungen der Braunauer
Mulde getrennt ist. In derselben haben längs dem östlichen Abfall
des böhmisch-glätzischen Gebirges und am Rande des den
glätzisch-mährischeu Golf begrenzenden Urgebirges, ähnliche
Lagerungsverhältnisse platzgegriffen wie zw^ischen Liebenau und
Meissen. Den interessantesten Aufschluss hierüber bietet der
rothe Berg bei Glatz* dar. In überstürzter Stellung unter 50° — 73"
gegen das Urgebirge einfallend stosseo mit krystallinischen Schie-
fern Schichten des Roth liegenden zusammen, darauf folgen, nach
und nach von der überkippten zur senkrechten Stellung über-
gehend: ein conglomeratisch w^erdender Sandstein, ein ver-
steinerungsloser Kalkstein und endlich Quadersandstein mit
Exogyra Columba. Au die Dyasgebilde von Eipel reihen sich die
von Hronow, Giesshübel, Mährisch-Trübau, Brünn-^ und Krems i
letztere steil ostwärts gegen den Bruch einfallend und sich an
den Ostrand des böhmischen Massives anschliessend.*^
Es kann somit ein nur auf kurze Strecken unterbrochener
Zug von Rothliegendablagerungen verfolgt werden, der nahe-
zu 400 Kilometer Länge besitzt, und sich aus der Gegend von
Tharand über Loschwitz, Hohnstein, Hinter-Hermsdorf, Sternberg,
Daubitz, dann w^eiter entlang dem Iser- und Riesengebirge bis
nach Mähren hinzieht^; die böhmische Kreidemulde im Norden
1 Hoehstetter, Durchschnitt d. d. Nordrand d. b. Kreideabi. etc.
Jahrb. d. k. k. geolog. ßeichsanst. Bd. XVIII, p. 249, Fig. 1.
•^ Jokely, Übersicht d. Eothl. etc. 1. c. Bd. XII, p. 389, Fig. 3.
3 Schütze , Niederschi. böhm. Steinkohlenbecken. Abh. z, geol.
Karte v. Pi-enssen. Bd. III, p. 5. Fig. a.
^ Beyrich, Lagerung der Kreidet', im schl. Geb., p. 75.
5 ßeuss, Beiträge zur geogr. Kenntn. v. Mähren. Jahrb. d. k. k. geol.
ßeichsanst. Bd. V, p. G63.
6 Suess, Antlitz der Erde, p. 252.
' Suess, Entstehung d. Alpen, p. 94.
202 Bruder.
und Osten uni-säuuiend. Weiter südlich folgen dieselben der Tiefen-
linie, welche das Rrünner Syenitgebirg-e vom böhmischen Massiv
trennt.
Am Südrande der böhmischen Kreidemulde treten ebenfalls,
aber räumlich mehr von einander abstehend, Rothliegendgebilde
bei See, Rudov^, Scliwarzkostelec, Böhmisch-Brod, Schlan etc.
mit synklinalem Einfallen in ziemlicher Ausdehnung zu Tage. Es
gilt somit als sehr v^ahrscheinlich, dass die Rothliegendschichten
des Riesengebirges unter den mächtig entwickelten Kreide und
Diluvialgebilden der Elbe- und Isergebiete mit jenen des mittleren
Böhmens in unmittelbarem Zusammenhange stehen^, was darauf
hinweiset, dass während der Dyaszeit sich ein grosser See im
nördlichen Böhmen ausgebreitet habe, welcher im Norden bis
nach Sachsen, im Süden mittelst eines verhältnissmäsig schmäleren
Armes nach Mähren und Niederösterreich bis in die Gegend von
Krems reichte. Ganz analoge Bedingungen für ihre Ausbreitung
haben auch die Gewässer des Kreidemeeres noch angetroffen; denn
auch die Ablagerung der Kreideformation, welche die oben näher
begrenzte Mulde erfüllen, stehen einerseits im Norden entlang
dem Elbethale im directen Zusammenhange mit jenen Sachsens,
anderseits erstrecken sie sich nach Südost mit einer weit vor-
springenden Zunge bis in die Nähe von Brunn.
Es müssen demnach hier sehr alte, bereits vor der Ab-
lagerung der Rothliegendgebilde entstandene Reliefformen des
Gebirges bestehen, welche im Wesentlichen unverändert bis
zur Tertiärzeit hin die Anordnung der einander folgenden For-
mationen bestimmten.-'
1 Krejci, Eisengebirg-e. Archiv, der Lamlesf. v. Bölunen. V. Bfind,
p. tjT.
- Hauer, geol. Karte. Bl. I u. II, p. 4!.
'•' Beyrich a. a. 0. p. 70. Nur im Süden der ;ilteu (Waldeiiburger)
Mulde sind die Urgebirgsränder verschwunden und die Art und Weise, wie
die Kreideformatioh allein sich südlich des Heuscheuergebirges weiter ver-
breitet, liefert den Beweis, dass liier in der Zwischenzeit zwischen der
Ablagerung des Rothlicgenden und der Kreideformation (wahrscheinlich
nach dem Rückzug des Jurameeres) in einer wegen des Fehlens der zwischen-
liegenden Formationen nicht näher zu bestimmenden Zeit grosse Ver-
änderungen in den Formen des Gebirges eingetreten sein müssen. (Welche
als locale Einbrüche in diesem Gebirgstheile eine weitere Ausdehnung des
Kreidemeeres gestatteten.)
Neue Beiträge zur Kemitniss der Juranblagerungen etc. 203-
War den jedenfalls seichten Dyasgewässern die Möglichkeit
geboten, in der oben bezeichneten Weise, nach Sachsen und
Mähren überzugreifen, so raussteu sich diese Verbin dnng-swege
auch den bedeutenden Wassermassen des jurassischen Oceans
erschliessen.
Versucht man unter Berücksichtigung der vorangehend näher
erörterten Verhältnisse ein Bild zu entwerfen über die Gliederung
von Festland und Meer des besprochenen Gebietes gegen das
Ende der Jurazeit, so gelangt man zur Darstellung des bei-
gefügten Kärtchens, ohne dass jedoch selbes Anspruch auf
Genauigkeit erheben könnte; denn zur Feststellung der einstigen
Uferlinien fehlen fast jegliche Anhaltspunkte, Jedenfalls dürfte
sich aber die Annahme rechtfertigen lassen, dass das böhmische
Massiv während der Dyas-Jura und Kreidepeiiode durch einen
Canal vollständig vom Sudetenmassiv getrennt war. Hiebei fasse
ich unter letzterer Bezeichnung das zu einem langen schmalen
insularen Vorlande vereinigte krystallinische System desLausitzer-^
Iser-, Riesen- und Altvatergebirges zusammen, welches sich auch
durch die petrographische Beschaffenheit seiner archäischen
Gesteine wesentlich von jenem des mittleren Böhmens und des
Erzgebirges unterscheidet.
Dieser Canal scheint sichln der Mitte zu einem „böhmischen
Becken'- erweitert zu haben, während er sich im Süden zu einer
mährischen, im Norden zu einer sächsischen Strasse ver-
schmälerte. Zur Jurazeit hat er jedoch keinesfalls jene bedeu-
tende Breite erreicht, welche hier später das Kreidemeer einnahm.
Seine Küsten scheinen nur längs der Sudeteninsel steil gewesen
zu sein \ entlang dem Nordrande des Massives mochten dieselben
flacher abfallen. Absätze aus tiefem Wasser mögen daher wohl nur
durch einen schmalen Zug von Kalksteinen, der sich nahe dem
Südrande der Sudeten hinziehen dürfte, vertreten sein. Die gleich-
zeitigen Ablagerungen nahe der gegenüberliegenden Küste
des Canales Avaren wahrscheinlich von ab weichenderNatur, viel-
leicht aus lockeren Sandsteinen oder Conglomeraten bestehend.
In Böhmen und Sachsen herrscht ein ähnliches bemerkens-
werthes Verhältniss wie in Oberschlesien und Polen, auf welches
1 Bruder, Fauna von Hohnstein, p. IG.
204 B r u der,
bereits Herr Prof. Römer' aufmerksam gemacht hat. Dort über-
lagern die Eisenoolithe des mittleren brauneu Jura buute zumTheile
blutrothe Thone des Keuper, hier lagern Doggersandsteine über
eben so beschaffenen „Letten", welche als Hangendes der
Dyasformation auftreten und entweder noch dieser zugerechnet^,
oder auch als ältestes Triasgebilde aufgefasst werden.^ Diese
Thatsache berechtigt jedoch nicht zu der Annahme, dass hier
zwischen dem Schluss der Dyas- und dem Beginn der Dogger-
periode keine Unterbrechung der Niederschläge stattgefunden
habe. Denn erstens kann, in Folge der durch die Dislocation
bedingten Verschiebungen in der gegenseitigen Lagerung der
emporgedrängten Schichten, nicht mehr mit Bestimmtheit ent-
schieden werden, ob zwischen denselben ursprünglich eine Dis-
cordanz bestanden habe; und zweitens ist eine solche in bedeu-
tenderem C4rade wohl kaum zu erwarten, da in dem in Betracht
gezogenen Gebiete nachweisbar während der mesozoischen Zeit
keine erheblichen Störungen im Relief des Grundgebirges
stattgefunden hatten. Immerhin erscheint es möglich und sogar
walirscheinlicli, dass auch Glieder der Zechstein- und Trias-
formation, welche nördlich der Sudeten ihre normale Entwicklung
gefunden haben, südlich derselben, also im böhmischen Becken,
sich in den sehr mächtigen rothen Sandsteinmassen verbergen;
was Herr Prof. Beyrich* für den ersteren angenommen hat, und
wie anderseits Herr Prof. Geinitz^ die Hang end-T hone
derselben als ältestes Glied des Buntsandsteiues auffasst. Ganz
besonders auf dieses Gebilde möchte ich daher Herrn v. Haue r's*^
Satz angewendet wissen: „Es sind nicht immer scheinbare
Lücken einem wirklichen Fehlen der betreffenden Schichten-
gruppe zuzuschreiben; gewisse Faciesgel)ilde, die in einem
Gebiete eine eng umgrenzte Forniationsstufe repräsentiren.
1 Röraer, Geologie v. Oberschlesien, p. 275.
- Credner, Die ol:)ere Zechsteinforniation in Sachsen. Sitzb. d. kg.
Sachs. Ges. d. W. ISSb, p. ii»2.
3 Geinitz, Nachträge zur Dyas I, p. 40.
* Beyrich, Über Eutwicklung des FKitzgebirges in Schlesien
p. 0—71.
•"' Geiiiitz, Dyasformation, p. 175.
*> Haner Geologie der österr.-nngar. Monarchie IT. Anfl. p. 521.
Neue Beiträge zur Kenutuiss rter Juraablagerungeii etc. 205
können in einem anderen Ablagerungen einer längeren Zeit-
periode umfassen.
Dagegen bat erwieseuermassen naeb Ablagerung der Tenul-
/o6«^;<s-Scbichten in Folge von Oscillationen des Meeres inSacbsen^
Böbmen und Mähren eine Unterbrecbung der Nicderscbläge
stattgefunden. Die Grenzen von Festland und Meer wurden ver-
scboben, ein Tbeil des trockengelegten Meeresgrundes dureb
Denudation zerstört, und in vertieften Stellen desselben, von Seen
und Flüssen, Süsswassergebilde abgesetzt. Diese Vorgänge
bedingten die lückenbafte Ausbildung von Jura und Kreide, indem
einerseits die böchsten Malmborizonte anderseits die Neocom-
uud Gault-Bildungen nicbt zum Absätze kamen. Sie erklären
ferner die Einscblüsse von Fragmenten jurassiscber Kalksteine
in den Quadercouglomeraten von Zescbnig bei Hobnstein, sowie
den Umstand, dass dieselben sehr häufig von Gastrochaena ostrea
und LHhodomns rufjosus angebohrt und die Höhlungen mit dattel-
bis feigenförmigen Sandsteinkernen erfüllt sind; was nur
möglich war, wenn die betreffenden Kalkfragmente noch vor der
Bildung dieses Trümmergesteines längere Zeit vom Meere über-
deckt wurden.^
Das Nordmeer musste zur Maimzeit durch mehre Arme mit
den südlicher gelegenen helvetisch-germanischen, mährischen und
polnischen Meerestheilen in Verbindung gestanden sein, deren
Jeder für die Verbreitung bestimmter Lebewesen besonders
günstig gewesen sein mochte; worauf Tiefenverhältnisse und
Strömungen wohl von massgebendem Einfluss waren. So scheinen
viele Brachiopoden und Bivalven ihre Wohnplätze in Nord oder
Süd unter Benützung jener AVasserstrasse, die das böhmische
Massiv von dem der Sudeten abtrennte, vertauscht zu haben.
Hiefür spricht auch die Thatsache, dass in dem den böhmisch-
sächsischen Juragebilden zunächstgelegenen Jnravorkommen bei
Goslar^ unter 148 Arten sich mehr als zwanzig befinden, welche
auch den ersteren eigen sind.
Und zwar: 1. Aus den Mergelthonen der Kellowaygruppe
(Macrocephalus und Ornathenthon) Gryphaea dilatata Sow.,
1 Creclner, Gliederung des oberen Juni in Norddeutschlaud. p, 96.
2 Würtenberger, Über Jura bei Goslar etc. Zeitscli. d. deutsch-
geol. Gesellseh. Bd. XXXVI, p. 58.5.
206 B 1- u d e r,
Pholüdomya Murchisoni Sow.^ Pleurotomitria gritimhitd Defr.,
Belemnites cannHcuJatus Sclil.
2. Aus den Mergelkalken des unteren und oberen Coralleu-
oolitli und den Scliicliten der Terebrdtula humeralis: Cidaris
Blumenbachi M^tr., Pseudodiadema niomillnnum A.B.., Holcctypus
coiallhiu.'i d'Orb., Tercbratuln humeralh A. R., T. hiaignls Selil.
T. äff, muf/asif'ormis Ze nsch., Bhy/ichone/ld puu/uis A. R., Östren
mrdiiformi.9 Dkr., 0. Römeri Quen.st., 0. rasfrllaris Mstr.,
Grypluied ddatata Sow., Pecten subtextorius Phill,, P. vimhieus
•Sow., Tricfonia papiUatu K<;^., Pleuromya sinuosa A. R., P. ttdlina
Ag-., Mactromya riu/osa A. R.
Die identischen Arten sind also hauptsäehlieh nur durch
Brachiopoden, Bivalven und einige Echiniden vertreten. Es darf
aber nicht unerwähnt bleiben, dass Würtenberger auch
mehrere Spongien anführt, wodurch in der Znsammensetzung der
Fauna eine weitere Annäherung an den süddeutschen und
polnischen Typus zum Ausdrucke kommt. Diese Juraablagerungen
ziehen sich am Nordrande des Harzes von Harzburg über Oker bis
nach Goslar hin, bilden also eine geradlinigeNW — SO streichende
Fortsetzung zu dem Zuge von Juraschollen, welche an der Grauit-
Quadersandsteingrenze emporgedrängt wurden. Wie in Böhmen
und Sachsen belinden sich auch die obgenannten Juraschichten
in umgestürzter Lagerung und wurden mit ihnen alle dortselbst
vertretenen Schichten vom Buntsandstein bis zum Senon, von der
Dislocation getroöen. Ihre Überkippung ist durch einen vom
Massive des Harzes ausgeübten in NO-Richtung wirkenden
Horizontaldruck verursacht worden. Durch einen ebenfalls von
SW nach NO gerichteten Druck erscheint am nordöstlichen
Fusse des Erzgebirges, bei Niederwarta am linken Elbeufer, der
Granit gegen den Südrand der Kreidemulde vorgeschoben,
wodurch eineAufifaltung und thcilweise Überschiebung der Pläner-
schichten hervorgerufen wurde. Im Gegensatze liiezu ist die
grosse Überschiebung und Verwerfung am Nordrande derselben
durch eine Bewegung der Masse des Riesen- und Isergebirges in
nordöstlicher Richtung erzeugt worden. Es erscheinen also die
Jura- und Krcideablagerungen, welche die Mulde erfüllen,
an den sie begrenzenden Massiven abgesunken, während die
Ränder der letzteren sich stellenweise über die gesunkene Scholle
Neue Beiträge zur Keuntiiiss der Juraablageruugen etc. 207
vorgeschoben haben. Das sächisch-böhmiscbe Kreidebeeken ist
demuacb als einSenkuiigsgebiet aufzufassen, welches mit den aus-
gedehnten Senkungsfeldern im Osten, Süden und Westen der
alten böhmisclien Festlandsmasse in inniger Beziehung steht.
Auch die Ränder dieser Senkungsgebiete zeigen ähnliche
tektonische Verhältnisse. So finden wir zwischen Regeusburg und
Passau Jura- und Kreideschichten, denen sich bei Donanstauf
auch noch Rothliegendes anschliesst, steil aufgerichtet. Bei Vog-
larn erscheinen sogar Juraschichten in einer Synklinalen Falte
überworfen, deren Mitte aus Gneiss besteht und welche von
Kreidegebilden uuterteuft wird. Die mesozoischen Schichten der
nach Südosten geneigten Sudetenscholle sind von den Karpathen
überfaltet worden. Dessgleichen kann die Bildung derkarpatischen
Juraklippenzüge darauf zurückgeführt werden, dass die meso-
zoischen Ablagerungen, die in bedeutender Mächtigkeit und Aus-
dehnung die Karpathen im Norden umsäumen, am Massive
derselben abgesunken seien und letzteres sich gegen Nord
bewegt habe. Hiedurch wurden dieselben in der Richtung von
Süd nach Nord zusammengepresst, was zur Folge hatte, dass sie
sich in parallel zum Gebirge gestellten Falten hoch aufwölbten,
welche stellenweise sogar aufbarsten.
Ebenso ist am Nordrande der Sudeten die Kreideformation
am Urgebirge abgesunken, und der Umstand, dass bei Wehrau
und Hermsdorf in Schlesien Muschelkalk als Hangendes der
Kreideglieder auftritt, beweist die Theilnahme noch älterer
mesozoischer Schiebten an dieser Bewegung.*
Die Ursache des fast allgemein zu beobachtenden Abbruches
der mesozoischen Ablagerungen an alten Festländern ist nach
Probst^ in der, durch die langandauernde Meeresbedeckung
bedingten, rascheren Abkühlung und der ebenfalls damit zu-
sammenhängenden stärkeren Contraction des damaligen Meeres-
grundes, gegenüber den hievon in geringerem Grade betroffenen
Landmassen, zu suchen.
Dort wo steilere Küstenbildungen geherrscht haben, also die
Gegensätze in den TTirkungen von Festland und Tiefsee einander
1 Beyrich, Lagerung- d. Kreidef. i. schl. Geb. p. 64 — (i5.
'•^ Probst, Natürl. Warmwasserheizung etc. Abhandlung der Senkeub.
nat. Gesellsch. Bd. XIIL p. 372— 3S0.
208 B r u d 0 V,
unvermittelt g-egenüber standen,' mussten umso bedeutendere
Spannungen auftreten, die hier allem Anscheine nach zumeist in
der späteren Tertiärzeit zur Auslösung kamen, und welche deut-
lich niarkirte Bruchlinien als Spuren hinterlassen haben. So am
Südfusse des Riesen- und Isergebirges, und am Westabhange
des Böhmerwaldes.
Wenn im Vorstehenden die Folgerungen dargelegt erscheinen^
zu welchen ich auf Grund meinerStudien derböhmisch-sächsischen
Juragebilde gekommen bin, so erwächst mir zum Schlüsse noch
die Aufgabe, dieselben mit den Resultaten zu vergleichen, welche
Herr Professor M. Neumayer in seiner erst vor Kurzem
erschienenen Abhandlung: „Die geographische Verbreitung der
Juraformation" (Denksch. d. k. Akad. Bd. 50, p. 1 — 86) ver-
öffentlicht hat. Es gereicht mir zur besonderen Befriedigung, das»
ein so ausgezeichneter Juraforscher im Wesentlichen zu derselben
Annahme über Vertheilung von Festland und Meer während der
jüngeren Jurazeit in dem in Rede stehenden Gebiete gekommen
ist, zu der auch ich mich veranlasst sah, und welche darin
besteht, dass der böhmisch-sächsische Meerestheil einerseits mit
jenem des nordwestlichen Deutschland, anderseits mit dem
mährisch-polnischen Becken in unmittelbarer Verbindung gestan-
den sein müsse. Hingegen wird abweichend von meiner Auffassung
angenommen:
1. Das Malmmeer habe sich auch längs dem Nordfiisse des
sächsischen Erzgebirges hingezogen, so dass, wie sich Herr Prof.
Neumayr ausspricht, der böhmisch-sächsische Jura ein Stück
Frankenjura sei (1. c. p. 9).
2. Sollen die Sudeten vollständig überfluthet gewesen sein
(1. c. p. 17).
Die Annahme eines ehemaligen Zusammenhanges der
böhmisch-sächsischen Juraablagerungen mit jenen von Franken
scheint in der That vom palaeontologischen Standpunkte gereciit-
fertigt, und habe ich diesbezüglich bereits ebenfalls darauf hin-
gewiesen^, dass die beiden Flügel der in einem gegen NW
geöffneten Bogen rings um das böhmische Massiv auftretenden
Juraablagerungen in Böhmen und Sachsen einerseits und in
1 Linien schwächsten Widerstandes nach Schiaparelli.
2 Brnder, Fanna v. Hohnstein, p. 14.
Neue Beiti-äge znr Kenntniss der Juraablagenmgen etc. 209
Frauken anderseits, eine merkwürdige Übereinstimmung- in der
Entwickehmg gleichaltriger Schiebten in Bezug auf ihre Facies
und somit auch hinsichtlich des Charakters ihrer Faunen erkennen
lassen. Ich wage jedoch nicht zu entscheiden, ob diese Überein-
stimmung nur durch den, von Herrn Neumayr angenommenen
Zusammenhang des fränkischen und böhmischen Beckens längs
dem Erzgebirge erklärt werden könne. Einige Thatsachen
scheinen sogar gegen denselben zu sprechen.
Zunächst erweisen sich die Sedimente der böhmisch- sächsi-
schen Juraablagerungen ihrer petrographischen Beschatfen-
heit nach in auffallender Übereinstimmung mit den äquivalenten
Jiiraschichten, die südlich und östlich des böhmischen Massives
angetroffen werden, eine solche besteht jedoch in gleichem Grade
mit jenen des fränkischen Jura nicht.
Schon die Eigentbümlicbkeit der sandigen Entwickelung des
oberen Doggers, mit einer ähnlichen Concentrirung der Fauna,
wie sie in den Macrocepha/us-Schichten des nordwestlichen
Deutschlands und des Krakauer Gebietes festgestellt wurde,
welche eine Trennung von Bathonien und Callovien nicht
gestattet, steht im Gegensatze zu den gleichalterigen Gebilden
in Franken. Die Oxfordschichten sind in Hohnstein gleich jenen
Mährens und Polens durch das Fehlen des Impressahorizontes *
ausgezeichnet, und ist für dieselben auch das Vorkommen grosser
Peltoceras-Arten bezeichnend, so dass sie hiedurch wesentlich
vom Typus der Biarmatus- und TratisversariusStufQ in Franken
und Schwaben abweichen. Auch die hellen, kieselige Concretionen
einschliessenden Brachiopodenkalke von Sternberg und Khaa
finden ihr Aualogum nur in den gleichalterigen Kieselnieren-
kalken, welche in Niederbaiern, Mähren, Polen und Oberschlesien
allgemeine Verbreitung gefunden haben. Selbst in palaeontologi-
scher Beziehung haben diese Schichten einen gemeinsamen
Charakter, welcher in dem häufigen Vorkommen feinrippiger
und hochgewölbter Rhynchonellen aus den Formenkreisen der
Rh. moravica, Rh. cracoviensis und Rh. subsimilis seinen Aus-
1 Die typische T. impressa findet sich nur im unteren Weissen des
südwestlichen Franken, im nordöstlichen dagegen wird sie durch eine sehr
nahestehende kleinere Form vertreten. Schürfer, Jura in Franken, p. 67.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. 1 i
210 Bruder,
druck findet. Ferner ersclieinen die Eingangs erwähnten soge-
nannten titlionisclien Arten; darunter T. njr/of/onin Z. (=7".
striativ(i) in Mähren bereits in den Kieselnierenkalken der
Schwedenschanze, während dieselben bei Kelheim erst in den
jüngeren Diceraskalken auftreten.
Die Ammonitenkalke zeigen allerdings in ihrer Petrefaeten-
führung eine überraschende Verwandtschaft mit den Tenuilobatns-
Schichten Frankens, doch muss es anderseits auffallen, dass
sie sich von denselben durch ihre blaugraue Färbung und
grösseren Thongehalt unterscheiden. Während der sogenannte
Kragenplanulaten - Horizont in der östlichen Schweiz,
Schwaben und Franken sehr viel Übereinstimmendes in seinem
Aussehen und in seinen Eigenschaften besitzt, nähern sich die
böhmisch-sächsischen Ammonitenkalke mehr jener Entwicklung
der unter Kimmeridgschichten, welche einerseits im nordwest-
lichen Deutschland, anderseits im Gebiete von Krakau durch
dunklere Färbung und reichlichen Thongehalt ausgezeichnet
sind. Erwägt man endlich, dass die TennHobatuH-HchiGhian in
Mähren ursprünglich vorhanden gewesen ^ und dieselben höchst-
wahrscheinlich nach dem Typus der Söldenauer Schichten Nieder-
baierns entwickelt waren, so dürfte das Vorkommen von zahl-
reichen Ammoniten der Gattungen Aspldoceras, Perisphi7icfes,
Olcostephanus, Oppelia, Ifaploceras etc. ^ nicht mehr befremden,
sondern geradezu bei der Übereinstimmung der Facies dieser
Gebilde erwartet werden. Umgekehrt spricht das gänzliche
Fehlen von entschieden norddeutschen Fossilien im mittleren
weissen Jura von Franken, wogegen solche in den Hohnsteiner
Mergelkalken ziemlich häufig vorkommen, nicht zu Gunsten der
Annahme, dass ein unmittelbarer Zusammenhang jener Mceres-
theile, in welchen sie gebildet wurden, gegen das Ende der
Malmperiode bestanden habe. Hiebei ist der Umstand noch beson-
ders zu berücksichtigen, dass sowohl in Franken als in Sachsen
und Böhmen, die in Betracht gezogenen Schichten in derselben
Facies entwickelt sind.^
1 Conf. Neiimayr 1. c. p, 7.
-' Animo n, Jiirjiabkg-erimi^-en zwisclieu Regeusburg uud Passau.
p. 155—157.
^ See b ach, Der hainiover'sche Jura. p. 70.
Xeue Beiträge zur Kenntniss des Juraal)lagerungen etc. 21 1
Der Ansicht einer Überfluthung- der Sudeten in ilirer Totalität
durch die Gewässer des Malmmeeres kann ich ebenfalls nicht
unbedingt beipflichten. Ist es auch gegenwärtig nicht mehr mög-
lich, in Folge der bedeutenden Denudation, welcher die Jura-
schichten sowohl vor als nach Ablagerung der Kreidesedimente
ausgesetzt waren, die Vertheilung von Festland und Meer zur
Malmzeit genau festzustellen, so dürfte das von mir entworfene
Kärtchen doch in den Hauptzügeu die tieferen Meeres-
regioneu jener Periode zur Darstellung bringen,
welche auch für die Verbreitung von Tiefseeorganis-
men in erster Reihe massgebend gewesen sein mussteu.
Augenscheinlich deutet die verschiedene Entwickelung,
welche Zechstein, Trias, Jura und Kreide ' diesseits und jenseits
der Sudeten erfahren, auf eine während dieser Perioden ununter-
brochen bestehende räumliche Trennung der beiden Becken hin,
in denen die einen und die anderen Absätze stattgefunden haben.
Die Verbindungen, die gewiss zwischen den Gewässern der
beiden Becken zur Jura und Kreidezeit vorhanden waren, dürften
kaum über die Sudeten hinweg erfolgt sein.
Wenn Herr Professor Neumayr ferner seine Annahme auf
das gänzliche Fehlen von Strandbildungen in den böhmisch-
sächsischen Juraablagerungen stützt, so muss darauf hingewiesen
werden, dass schon Cotta^ das Vorkommen von verkohlten Holz-
stücken und kleinen Partien Pechkohle aus der Lettenschicht ^
Hohnsteins erwähnt. Ja die Doggersandsteine, welche daselbst
Fragmente von Belemnites canaliculatus und CiV/«;7',«-Stacheln
enthalten, erscheinen, wie ich mich selbst überzeugte, dicht erfüllt
mit kohligen Partikeln, die innig gemengt sind mit dem nur lose
verbundenen sehr feinen Sandkörnchen. Kann man auch ein
solches Sediment wohl nicht als eine typische Littoralbildung
bezeichnen, so spricht das Vorkommen von eingeschwemmten
Hölzern doch kaum für eine allzugrosse Entfernung vom Fest-
laude, und die Zerkleinerung und gleichförmige IMischung der
Kohlenpartikel mit dem Sande scheint durch die mechanische
1 Conf. Beyrich, Lagerung der Kreideformation im scLlcsischen
Geb. p. 61 und Entwicklung des Flötzgeb. p. 6—74.
- Cotta, Geogn. Wanderungen, p. 22, p. 24 und p. 31. Bruder,
Fauna v. Hohnstein, p. 10.
14*
212 Bruder.
Wirkung der Brandung hervorgebracht. Übrigens hat Herr Gustos
Th. Fu ch s ^ gezeigt, dass bei einer Küste mit mittleren Neigungs-
winkel bereits in einer Entfernung von weniger als -y^ Meilen vom
Ufer schon ausgesprochene Tiefseefauna anzutreffen ist. Endlich
müssen die ursprünglich gewiss vorhandenen Strandbildungen,
nach Rückzug des Jurameeres vermöge ihrer leichteren Zerstör-
barkeit gegenüber den Kalken der Tiefsee und zufolge ihrer
höheren Lage am Eande der Mulde auch zuerst durch die Denu-
dation beseitigt worden sein.
B. Palaeontologisclie Notizen
zu dem auf Seite 194 — 195 augeführten Petrefactenverzeichniss.
Nr. 2. Simoceras sp. ind. (Bruder Fauna v. Hohnsteiu
p. 26.) Ein Fragment eines Glehäuses dieser Gattung lässt 7 Um-
gänge erkennen, dieselben sind sehr wenig involut und mit
geraden radial gestellten Rippen geziert.
Nr, 3. Oophyma Inbyrinfhica nov. gen. nov, sp. Diese neue
Spongiengattung hat eine eiförmige Gestalt (L=:70Mm., äquatoria-
ler D = 50Mm.) Die Centralhöhle ist röhrig, breit, im letzten
Drittheil der Länge in vvurzelförmige Aste sich spaltend. Die
Wand derselben mit vertical von einander abstehendenKreisen
dicht nebeneinander liegender Ostien besetzt. Diese führen in mehr
weniger horizontal verlaufende sich mehrfach theilende Haupt-
canäle, welche stets gleiche Stärke behalten. Die Hauptcanäle
sind verzweigt und durch Quercomndssuren verbunden. E in-
st römungscanä le dendritisch verzweigt von unten und innen
nach oben und aussen aufsteigend, treten mit den Hauptcanäleu in
Communication. Ob e r f 1 ä ch e auf der Oberseite dicht mit Grübchen
bedeckt, genarbt erscheinend. Unterseite glatt. Grübchen isolirt
oder unregelmässig verschmolzen. Gittergerüst feinmaschig.
Skeletelemente aus vier oder mehr glatten, in einem verdickten
Centrum zusammenstossenden Armen bestehend.
Nr. 4. Cylindrophyma lieteroporueea nov. sp. (L =: 110,
D =r 85 Mm.) Die Mündungen der Einströmungscanäle bilden auf
dem verdickten oberen Ende zerstreut stehende Ostien. Gegen
1 Fuchs, Tielseebilduugeu. Neues Jahrbuch 1885, II. Beihigeband,
p. 493— it4.
Neue Beiträge zur Keuntuiss der Juraablugerungeü etc. 213
die Mitte zu, und unterhalb derselben treten meist mehrere der-
selben zu kurzen, parallel zur Schwammaxe orientirten Reihen
zusammen, die meist am Grunde meridian gestellter Furchen
liegen, wodurch sich die in Rede stehende Art von C. milleporata
Goldf. sp. unterscheidet,
Nr. 2Q. Amaltlieus Uhligi nov. sp. (Amaltheiis temdserratus
Uhlig [non Oppel] Jura v. Brunn, p. 148, Tb. XIII, Fig. 1.) Von
dieser Art liegt ein unvollständiges Exemplar vor. Das Verhalten
der Sculptur stimmt vollständig mit obiger Abbildung Uhlig's
überein, nicht aber mit jener Oppel's. Uhlig's Annahme, dass
Oppel's Original sehr ungünstig erhalten gewesen sei, so dass
die Rippchen zweiter und dritter Ordnung nicht mehr sichtbar
gewesen, scheint dadurch widerlegt, dass ein vorzüglich erhaltenes
Schalenexemplar aus der Lettenschicht von Hohnstein vollkommen
die Sculpturverhältnisse, welche Oppel beschreibt und zeichnet,
erkennen lässt.
Nr. 27. Pecteii siff. paraphoros Böhm. Das böhmische Exem-
plar unterscheidet sich von jenem aus den Diceraskalken von
Kelheim (Palaeontogr. VIII. Bd., p. 183, T. XL, F. 7) durch
etwas spitzeren Winkel der Randrippen und durch einen weniger
markirten dreifachen Cyclus von Strahlen, welcher hier nur
durch sporadisches Auftreten einer zweiten kürzeren Secundär-
rippe angedeutet ist.
Nr. 29. H'mnites? Drei Exemplare eines Zweischalers
gehören höchst wahrscheinlich dem Geniia Hhmites an und dürften
allem Anscheine nach mit jenem identisch sein, welches Böhm
in seinen ßivalven von Stramberg unter Fig. 16 und 17. Tafel
LXVIII abbildet. Die Zahl der Rippen schwankt zwischen
14 — 20. Dieselben beginnen sehr fein, werden bald kräftiger und
nehmen einen schwach welligen Verlauf.
Nr. 30. Wuldheimia äff. psendoUnjeuaUs Mo es eh. (Aargauer
Jura p. 313, T. IV, F. 8.) Unterscheidet sich von der typischen
Form durch etwas gedrungenere Gestalt.
Nr. 31. Waldheimia mdgasiformis Zeuschn. Mehrere Exem-
plare liegen vor. welche theils der symmetrischen, theils der
unsymmetrischen Form angehören.
Nr. 33. Terebratula cervicida Quenst. (Brachiop. p. 389,
T. 49, F. 3.) Der schlanke Hals, der gekielte Rücken und die
214 Bruder, Neue Beiträge z. Kenntniss d. Juraablagerungen etc.
etwas unsymmetrische Gestalt stimmen g-ut mit Quenstedt's
Beschreibung und Abbildung Uberein.
Nr. 34. Terehratula cyclogonia Zeuschner. (Jurak. v. Inn-
wald p. 11, T. III, F. Id — 4^.) Zwei gut erhaltene Exemplare
liegen vor. Die Schale zeigt die charakteristische Ornamentik.
Nr. 37. Terehratula cf. suhbavarica v. Ammon. (Juraabi.
zw. Regensburg etc. p. 199, T. I, F. 1.) L = 22 Mm., Br. — \1 Mm.,
0 = 17. Stimmt in allen Merkmalen mit Ammon's Art gut
überein, ist aber etwas kleiner.
Nr. 39. Bhynchonella Laiibei Bruder. (Neue Beiträge p. 12,
T. II, F. 3.) Von dieser Art liegen nun mehrere Exemplare vor,
dieselben sind durchgehends etwas grösser als das erst be-
schriebene, welches eine Jugendform dieser neuen Art ist. Die
ausgewachsenen Individuen von Rh. Lanbci erinnern sehr an jene
Formen von Rhynchonella Astieriana, welche Zeuschner a. a.
0. p. 37, T. I, F. la — 9« als Rh. snhdepressa beschreibt und
abbildet. Den dreiseitigen Umriss, die abgerundeten Ecken, das
Überwiegen der Breitendimension über die der Länge und den
bogenförmigen Verlauf der Stirnlinie haben beide Arten mit-
einander gemein. Dagegen ist bei Rkynchonella La7(hei d\e Mehr-
zahl der 22 an der Stirnlinie endigenden Ri})pen durch dichotome
Theilung einfacher Rippen entstanden, welche etwas oberhalb
deren Mitte erfolgt. Durch letzteres Verhalten unterscheidet sich
selbe sehr wesentlich von Rh. sulxlepretim Zeus eh.
G.Bruder : Juraablagerungen im nördlichen Böhmen II .
MUHCHüM — '
Sitziingsb.d.kais.Akad dA\'. math natunr (lasse XCHI.Bd I.Abth.l8Bß.
SITZUNGSBERICHTE
DER
mm «1 M WISIMFFI
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
XOIII. Band. IV. Heft.
ERSTE ABTHEILUNG.
Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Botanik,
Zoologie, Geologie und Paläontologie.
217
IX. SITZUNG VOM 1. APRIL 1886.
Der Secretär legt den eben erscliieneDen I. Band des
von der kaiserlichen Akademie herausgegebenen Werkes : ,,Die
internationale Polarforschung 1882 — 1883, die öster-
reichische Polarstation Jan Mayen" und zugleich den zu
diesem Werke in; einer Separatausgabe erschienenen Vo r-
bericht, welcher den beschreibenden Theil der Expedition
bildet, vor.
Ferner legt der Secretär die als Separatausgabe aus den
Sitzungsberichten erschienene Publication: „Statistik der Erd-
beben von 1865—1885," von Prof. Dr. C. W. C. Fuchs in
Meran vor.
Das w. M. Herr Prof. E. Weyr überreicht im Namen des
Verfassers das Werk: ^Correspoiidance de Renö Frangois de
Sluse'-^, von Prof. Dr. C. LePaige an der Universität zu Lüttich.
Herr Hofrath Dr. A. B. Meyer, Director des königl. geolo-
gischen und anthropologisch-ethnogTaphischen Museums zu
Dresden, übersendet folgende mit Unterstützung der General-
direction der königl. Sammlungen für Kunst und Wissenschaft
in Dresden herausgegebene illustrirte Publicationen:
1. „Seltene Waffen aus Afrika, Asien und Amerika".
(V. Lieferung.)
2. „Abbildungen von Vogel-Skeleten". (VIIL und IX.
Lieferung.)
Herr Prof. J. V. Janovsky an der höheren Staatsgewerbe-
schule in Eeichenberg übersendet eine Abhandlung: „Über
Nitro azokörper und Bromsubstitutions-Producte".
Herr Prof. J. M. Eder in Wien übersendet folgende Notiz:
„Über die Wirkung verschiedener Farbstoffe auf das
Verhalten des Bromsilbers gegen das Sonnen-
spectrum".
15*
218
Der Secretär legte folgende eingesendete Abhandlungen
vor:
1. „Anatomisch - physiologische Untersuchungen
über die Keimpflanze der Dattelpalme", Arbeit aus
dem botanischen Laboratorium der technischen Hochschule
in Graz, von Herrn G. Firsch.
2. „Die höheren Sinus", von den Herren Dr. J. C. Kapteyn
und Dr. W. Kapteyn in Groningen.
3. „Über die durch die Fortpflanzung des Lichtes
hervorgerufeuenUngleichheiten in der Bewegung
der physischen Doppelsterne. Analyse derBahn ^
ürso majoris (Struve 1523)", von Herrn Dr. L. Birken-
maj er in Krakau.
4. „Zur Theorie der Thetacharakteristiken", von
Herrn A. Arnes eder in Wien.
Das w. M, Herr Prof. E. Weyr überreicht eine Abhandlung
von Herrn Regierungsrath Prof. Dr. F. Me rtens in Graz: „Über
die bestimmenden Eigenschaften der Resultante von
n Formen mit n Veränderlichen".
Das w. M. Herr Prof. Wiesner überreicht eine im pflanzen-
physiologischen Institute der Wiener Universität von Herrn Dr.
K. B. J. Forsseil aus Karlstad in Schweden ausgeführte Arbeit^
betitelt: „Beiträge zur Mikrochemie der Flechten".
Herr Prof. Dr. Franz Toula an der technischen Hoch-
schule in Wien überreicht eine von ihm redigirte Abhandlung
seines Begleiters auf den im Auftrage der kaiserlichen Akademie
der Wissenschaften in den Jahren 1880 und 1884 ausgeführten
Reisen im westlichen und centralen Balkan, des Herrn Georg N.
Zlatarski in Sofia unter dem Titel: „Beiträge zurGeologie
des nördlichen Balkan-Vorlandes zwischen den Flüs-
sen Isker und Jantra".
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht zuge-
kommene Periodica sind eingelangt :
S olered er, H., Über den systematischen AVerth der Holz-
structur bei den Dikotyledonen. München, 1885; 8".
219
Beiträge zur Mikrochemie der Flechten.
Von Dr. K. B. J. Forsseil,
Oberlehrer an dem Gjimnasiuin in KarJstad in Schweden.
(Arbeiten des pflanzen-physiologischen Institutes der k. k. Wiener Univer-
sität. XXXII.)
Innerhalb der beschreibenden Lichenologie spielen nunmehr
gewisse chemische Reagentieu z. B. KOH, Ca(0Cl)2, J+KJ eine
ebenso grosse als traurige Rolle, indem die oft unbedeutenden
Farbenreactioneu, welche bei Behandlung der Flechten mit
den genannten chemischen Körpern hervorgerufen werden, die
Begierde, „neue Arten" aufzustellen, nur unterstützen. Unzählig
sind schon die ,,Arten", welche nur durch die Einwirkung der
Jodlösung auf das Hymenium charakterisirt werden, und in jedem
Jahre wächst deren Anzahl in einem geradezu beunruhigenden
Grade.
Man sollte meinen, dass unter solchen Umständen die
Kenntniss von den chemischen Bestandtheilen der Flechten eine
besonders gute wäre. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Der
beschreibende Lichenolog bekümmert sich jetzt nicht um die
chemischen Bestaudtheile der Flechten; für ihn ist es voll-
ständig hinreichend, zu wissen, ob z, B. das Hymenium durch
gewisse Reagentien blau, roth, gelb oder erst blau und dann
roth gefärbt wird, damit allein werden ja schon die Charaktere
für vier „Arten" gegeben.
Als Lichenolog habe ich schon längst gewünscht, auf diese
Fragen meine specielle Aufmerksamkeit lenken zu können. Eine
passende Gelegenheit, mikrochemische Untersuchungen über
Flechten anzustellen, bot sich mir indess im pflanzenphysio-
logischen Institute zu Wien, wobei ich den grossen Vortheil
hatte, unter Anleitung des Professors Dr. J. Wies n er zu arbeiten.
220 Forsseil,
welcher mir das gTösste Entgegenkommeu bezeigte und mir
mit Eatb und Anregungen behilflich war, wofür ich ihm hier
meinen ergebensten Dank abstatte. Obgleich meine theilweise
auch die Pilze und Algen berührenden mikrochemischen Studien
noch nicht abgeschlossen sind, übergebe ich nachstehende unbe-
deutende Untersuchungen schon jetzt der Öffentlichkeit, da ich für
die nächsteZeit diese Studien fortzusetzen keine Gelegenheit habe.
1. Über das Vorkommen verholzter Membranen bei
Flechten und Pilzen.
Schon Schacht gibt an, dass die Membranen gewisser
Pilze * verholzen, und, obgleich er keine bestimmte Flechte
nennt, bei denen dies der Fall sei, sagt er jedoch, ^ dass auch
in dieser Gruppe bisweilen Verholzung der Membranen vor-
komme.
Durch Wies n er wurde später ein zuverlässigeres Rea-
gens auf „Lignin" in die Mikrochemie eingeführt. ^ Im Anilin-
sulphat fand er nämlich einen Körper, welcher, im Wasser
gelöst, Holz und verholzten Membranen (z. B. der Jutefaser,
Gefässe der gelben Rübe) eine höchst charai^teristische gelbe
Färbung gibt. Bei Behandlung mit diesem Reagens fand er auch
in den Membranen gewisser, nicht näher bezeichneter Flechten
eine schwache gelbe Färbung, welche von einer geringen Ver-
holzuDg der Membranen herrühren sollte.*
Alsdann hat Burger stein, der einen ausführlichen Bericht
über das Vorkommen der Verholzung im Pflanzenreich lieferte, ^
1 Poliiporus (p. 35), ein nicht näher bestimmter Parasitenpilz („wahr-
scheinlich verholzt" p. 162), Polyporus igniarivs („eine dem Holzstoif
verwandte Substanz" p. 168), Tnber cibariuiu (p. 169), HelveUa esculeiita
(„Holzstoff oder eine dem letzteren nahe verwandte Verbindung" p. 172).
Schacht, Anatomie und Physiologie der Gewächse. Berlin 1856.
2 L. c. p. 256.
3 Anatomisches und Histochemisches über das Zucicerrohr, p. 120
(Karsten, Botanische Untersuchungen. Bd. I. Berlin 1867). — Wiesner,
Technische Mikroskopie, p. 64, 219. Wien 1867.
4 Die Eohstoife des Pflanzenreiches, p. 30. Leipzig 1872.
s Untersuchungen über das Vorkommen und die Entstehung des
Holzstoflfos in den Geweben der Pflanzen, p. 4, 5 (Sitzungsber. der kais.
Akad. d. Wissensch. Bd. 70. Wien 1874).
Beiträge zur Mikrochemie der Flechten. 221
eine ziemlich grosse Anzahl von Pilzen und Flechten mit Anilin -
siilphat untersucht. Bei allen untersuchten Pilzen und bei den
meisten Flechten blieben die Hyphen ungefärbt, während die
Membranen einiger Flechten in geringem Grade gelb gefärbt und
daher als schwach verholzt angesehen Avurden.
Bald fand man eine Menge neuer Keagentien auf „Lignin":
Phloroglucin , Indol, Eesorcin, Phenol-Salzsäure, Paratoluidin,
Pyrogallin, Orcin und andere, von welchen jedoch ausser der
Phenol-Salzsäure nur das von "Wiesner* in die Mikrochemie
eingeführte Pbloroglucin und das von Niggl ^ empfohlene Indol
in Gebrauch gekommen zu sein scheinen.
Niggl, welcher mit Indol und HgSO^ die Verbreitung der
Verholzung im Pflanzenreiche studirte, hat in dieser Hinsicht
auch Pilze und Flechten untersucht und fand bei mehreren
Arten sowohl jener als dieser mehr oder weniger roth gefärbte
Membranen, woraus er das Vorkommen von Verholzung in den
Membranen der betreffenden Arten erschliesst.
Jüngst hat Harz, ^ offenbar ohne Niggl' s vorerwähnte
Abhandlung zu kennen, mit Anilinsulphat und Phloroglucin in
Verbindung mit HCl eine grössere Anzahl Pilze auf Verholzung
untersucht, aber in allen Fällen ein negatives Resultat erhalten,
ausgenommen hei Elaphoinyces cervmus H. K., bei welchem er
das Vorkommen von „Lignin'' in den Membranen gewisser Zellen
für unzweifelhaft hält.
Burgerstein, Niggl und Harz haben zum Theile diesel-
ben Arten untersucht, und stimmen die gewonnenen Resultate
allerdings im Allgemeinen überein, weisen jedoch in gewissen
Fällen keine gehörige Übereinstimmung auf, wie aus folgender
Zusammenstellung hervorgeht.
1 Das Verhalten des Phloroglucins und einiger verwandter Körper
auf verholzte Zellmembranen (Sitzungsber. der kais. Akad. d. Wissenseh.
Bd. 77. Wien 1878).
- Das Indol als Eeagens auf verholzte Membranen (Flora. Regens-
burg 1881). Auch separat als Inauguraldissertation erschienen.
3 Über das Vorkommen von Lignin in Pilzen (Botanisches Central-
blatt von ühlworm und Behrens. VI. Jahrg., Bd. 23. Kassel 1885,
p. 371j.
2'2'2 F
0 r s s e 1 1 ,
Burg-erat
ein Niggl
A. Pilze.
Ligninreaction
Mucor Mucedo Mich
keine
keine
Daedalea querchia Pers, . .
n
57
Polyporus sulphureus
„ fomentarius Fr...
„ officinaUs Fr. . . .
Aspergillus glaucus Liuk . .
Penicillium glaucum Link.
deutliche
keine
B. Flechten.
Harz
keine
Cladonia furcata (Huds.) .
„ graciUs (L.) „
„ deformis (L.) keine
„ rangiferina (^L.) ... „
Parmelia physodes ( L.) „
Physcia ciliaris (L.) „
schwache
keine
deutliche
keine
Bei Vergleich der von Bürger stein, Niggl und Harz
erzielten Resultate findet man: In mehreren Fällen, in welchen
durch Indol und Hg SO^ deutliche Färbung erzielt wurde, färbten
sich die Hyphen mit Anilinsulphat nur schwach; in einem Falle
gab Indol und HgSO^ schwache, aber Anilinsulphat gar keine
Reaction, und in einem dritten gab Indol in Verbindung mit
HgSO^ deutliche Reaction, aber weder Anilinsulphat noch Phloro-
glucin und HCl irgend eine solche.
Auch mag hervorgehoben werden, dass sowohl Cetraria
islandica (L.) als Cladonia rangiferina (L.), bei welchen bei-
den Arten der Thallus durchwegs aus Hyphen besteht, welche
mit Jod blau gefärbt werden, nach Burger stein und Niggl
schwach verholzte Hyphen besitzen. Bei diesen beiden Arten
würden demnach die Hyphen gleichzeitig aus jodblauendem Liche-
nin^ (Dextrolichenin Flückiger) und „Lignin" bestehen.
1 Unter den Botanikern scheinen die Untersuchung'en von Th. Berg
(Zur Keuntniss des in der Cetraria islandica vorkommenden Lichenins
und jodblauenden Stoffes. Inauguraldissert. Dorpat 1872) unberücksich-
tigt geblieben zu sein, wonach zwei Arten vonLichenin: „jodblauender
Beiträge zur Mikrochemie der Flechteu. 223
Unter solchen Verhältnissen scheint eine erneuerte Unter-
suchung der angegebenen Verholzung bei Flechten- und Pilz-
hyphen erwünscht zu sein, besonders da die Verholzung bei den
Flechten nicht unter Anwendung der für diesen Zweck jedenfalls
besten Reagens: Phloroglucin in Verbindung mit HCl studirt
wurde. Zuerst mögen jedoch einige allgemeine Bemerkungen
über das „Lignin" und dessen Keagentien vorausgeschickt
Averden.
Vor Langem schon waren die verholzten Zellenmembranen
Gegenstand der Untersuchungen sowohl der Botaniker als der
Chemiker, ohne dass jedoch die Natur der „Verholzung" ermit-
telt wurde. Man war der Ansicht, dass die verholzten Zellen-
membranen einen durch chemische Umwandlung gebildeten
hypothetischen Körper „Lignin'- enthielten. Bis jetzt ist es noch
Niemand mit Sicherheit gelungen, diesen Körper darzustellen,
Stoff" (Dextrolichenin, Flechteustärke , Lichenin-Cellulose , Stärke-Cellu-
lose) und nicht jodblauendes Licheuin bei gewissen Flechten vorkommen.
Das Vorhandensein des Dextrolichenins bei den Flechten sowohl im Hyme-
nium, als in den sterilen Theilen des Thallus ist freilich verhältuissmässig
sehr wohl studirt, aber von der Verbreitung des nicht jodblauenden
Lichenins scheint sehr wenig bekannt zu sein. Ebensowenig hat man
untersucht, in welchem Verhältnisse der bei vielen Flechten und Pilzen im
Hymenium vorkommende Körper, welcher mit Jod weinroth gefärbt wird,
zum Dextrolichenin steht. Nach Th. Berg's Methode habe ich von Cetraria
islandica {L.) sowohl das Dextrolichenin als das nicht jödblauende Liche-
nin dargestellt. — Im Zusammenhang mit der Frage von den chemischen
Bestandtheilen der Flechteuhyphen mag erwähnt werden, dass ich nach
C. Rieht er 's Methode (Beiträge zur genaueren Kenntniss der chemischen
Beschaffenheit der Zellmembranen bei den Pilzen. Sitzuugsber. der kais.
Akad. d. Wissensch. Bd. 83. Wien 1881) die Hyphen mehrerer Flechten
uud zweier Pilze von „incrustirenden Substanzen' mit KOH zu reinigen
versuchte, um nachher Cellulose-Reaction zu erhalten. Folgende Flechten
uud Pilze wurden untersucht: Cetraria islandica (L.), Evernia vulpina (L.),
Parmelia saxatilis (L.), Peltidea aphthosa (L.), Peltigera canina (L.), Raina-
lina pollinaria Ach., Usrwa longissima Ach., Xanthoria parietina (L.), Aga-
rrus i e oh] < f^tris P r. und ein l'v/iporvs. ^iii bei Fciti(/<ra cai/ina (L.) und Ag
ricus eampestris Fr. färbten sich die Hyphen freihch schon nach vier
Wochen, aber weder bei jener noch bei dieser Art wurden sie in Kupfer^:
oxydamoniak gelöst. Die beim Versuche angewandte KOH war die ersten
Wochen etwa 7— So^o stark, nachher 20— .30%.
224 Forssell,
welcher, wie es scheint, aus mehr Kohlenstoff imcl Wasserstoff
als Cellulose besteht, über dessen chemische Zusammensetzung
im Übrigen aber die Ansichten getheilt sind.
Indessen wurde in der letzten Zeit die Kenntniss der Natur
der Verholzung und der ., in crustir enden Substanzen" wesentlich
erweitert, speciell durch Untersuchungen, welche unter Wies-
ner's Anleitung von Singer ^ im pflanzenphysiologischen Insti-
tute in Wien ausgeführt wurden. Aus den Untersuchungen
Höhnel's^ und Singer 's geht hervor, dass in verholzten Mem-
branen ein Glycosid Coniferin, so weit bis jetzt bekannt ist,
constant vorkommt. Zudem Singer (1. c.) fand, dass auch
das aus Coniferin abspaltbare Aldehyd Vanillin nebst einem
von HCl gelb gefärbten, mit HgO extrahirbaren Körper von
unbekannter chemischer Zusammensetzung ein in Holzsubstanz
constant vorkommender Bestandtheil ist. Schliesslich hat
Thomson^ bei verschiedenen Holzarten eine „incrustirende
Substanz" Holzgummi gefunden, welcher nach Singer dem
Arabin nahe steht, und dessen Verbreitung sich anscheinend
auf alle verholzten Membranen erstreckt. „In welcher Bezie-
hung diese Körper zu dem hypothetischen Lignin stehen, kann
auf Grund der gemachten Untersuchungen nicht entschieden
werden. Allein die Art und Weise, wie sich dieselben einer nach
dem anderen aus dem Holze durch Wasser entfernen liessen,
macht es wahrscheinlich, dass das, was man Lignin nennt, ein
Gemenge von mehreren chemischen Individuen darstellt. Ob
diese Annahme richtig, und ob die „incrustirende Substanz" mit
den hier aufgezählten Körpern und demHolzgummi erschöpft ist,
bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten."*
Unter denjenigen Substanzen, welche zur Entdeckung von
„Lignin" angewendet werden, reagiren, wie Singer nach-
1
Beiträge zur näheren Kenntniss der Holzsubstanz und der verholz-
ten Gewebe. (Sitzungsber.d. kais.Akad. d.Wissensch. Bd. 85. Wien 1882.)
2 Histochemische Untersuchungen über das Xylophllin und das Coni-
ferin. (Sitzuugsber. der kais. Akad. d. Wissensch. Bd. 76. Wien 1877.)
3 Chemische Untersuchungen über die Zusammensetzung des Holzes,
p. 148. (Kolbe u. Meyer, Jouru. für praktische Chemie. Bd. 19. Leipzig
1879.)
■* Singer 1. c. p. 1)60.
Beiträge zur Mikrochemie der Flechten. 225
gewiesen hat, Aiiilinsulpbat, Phlorogiucin in Verbindung mit
HCl oder H^SO^ nnd ludol in Verbindung mit H^SO^ auf Vanil-
lin ^, wogegen Phenolsalzsäure auf Coniferin ^ reagirt. Singer
Aveist mit Recht darauf hin, dass die Farbenveränderungen,
welche durch die Behandlung reinen Vanillins mit „Ligniu"-
Reagentien entstehen, nicht immer vollständig übereinstimmen
mit jenen, welche diesen Stoff in verholzten Membranen oder in
wässerigen Holzextracten hervorrufen, indem nämlich Vanillin
mit Phlorogiucin mit HgSO^ eine ziegelrothe, mit Resorcin und
derselben Säure eine zinnoberrothe Farbe gibt, während verholzte
Gewebe durch das erstgenannte Reagens roth bis violett und
durch das letztere je nach der Menge der assistirenden Säure
violett oder violettroth gefärbt werden. Diese abweichende Fär-
bung kann jedoch durch das Vorkommen anderer Substanzen in
verholzten Glewebeu, welche bis zu einem gewissen Grad auf die
Färbung modificirend wirken, erklärt werden.
Nach Singer sind indessen die durch Phlorogiucin und
HCl, Anilin, Pyrol und Indol in Verbindung mit der zugehörigen
Säure mit Vanillin oder in verholzten Geweben hervorgerufenen
Reactionen vollständig gleich. Das ist auch richtig (mit Pyrol
habe ich keine Untersuchungen vorgenommen), aber es scheint
doch, als müsse die Färbung bei Anwendung reinen Vanillins
bedeutend intensiver sein, als wenn es verholzte Gewebe
betrifft, in welchen Vanillin in äusserst geringer Menge vor-
kommt; eher wird Holz intensiver als reines Vanillin mit den
genannten Reagentien gefärbt. Dieses unerwartete Verhältniss
tritt noch deutlicher hervor, wenn Vanillin in einer Flüssigkeit
gelöst wird. Eine wässerige, stark nach Vanillin riechende
Lösung gab nach Zusatz von Anilinsulphat keine gelbe Färbung;
auch nach Zusatz von Phlorogiucin oder Indol in Verbindung mit
1 C. Etti hat diejenige Verbindung, welche bei Einwirkung von
Phlorogiucin auf Vanillin erzeugt wird, und welche er Phloroghiciu-
vanillein nennt, näher untersucht. Siehe hierüber Etti, Über Verbin-
dungen des Vanillins mit Pyrogallol und Phlorogiucin (Sitzungsber. d. kais.
Akad. d. Wissensch. Bd. 86. Wien 1882j.
'•i Tb. H artig, Jahrb. für Förster. Bd. I, p. 2(33. 1861. — (Nach
Singer citirt.j Kugel im Journal für Chemie von Beilstein, Fittig
und Hübner. 1866, p. 399.
226 Forsse 11,
assistirender Säure konnte zuerst keine oder nur eine undeut-
liche Färbung wahrgenommen werden, welche aber (bei Anwen-
dung des Indols) nach einigen Stunden ersichtlicher wurde. Die
durch Anilinsulphat bei verholzten Membranen verursachte gelbe
Färbung und die durch Phloroglucin oder Indol in Verbindung
mit gehöriger Säure hervorgerufene rothviolette Färbung dürfte
demnach kaum allein dem Vanillin zuzuschreiben sein, sondern
die Färbungen dürften auch von anderen in den verholzten Mem-
branen vorkommenden, noch nicht näher studirten „incrustiren-
den Substanzen" erzeugt werden. Da indessen Vanillin und
Coniferin, so weit bis jetzt bekannt ist, constant in den ver-
holzten Membranen vorkommen, können die oben genannten auf
Vanillin und Coniferin reagirenden Körper für den Nachweis der
Verholzung angewendet werden.
Eine grosse Anzahl von Flechten, unter diesen alle oben
aufgezählten, sowie mehrere Pilze (z. B. Elaphomyus grannlatus
H. K., Trametes snaveolens und mehrere Polyporns- Arten) wur-
den theils mit Anilinsulphat, theils mit Phloroglucin und HCl
behandelt.
Was zuerst die Anwendung von Anilinsulphat betrifft, so
würde in keinem Falle „Lignin^-Keaction erhalten. Indessen
kann man bisweilen, z. B. hex Alectoria ochrolenca (Ehrh.) a ri-
gida (Vi 11.) eine gelbe Färbung wahrnehmen, aber es ist leicht
nachzuweisen, dass diese nicht auf Verholzung beruht. Überdies
scheinen bisweilen die Hyphen und Schnitte durch den Thallus
der Archilichenen schon an und für sich etwas gelb gefärbt, und
Täuschungen sind bei Anwendung des Anilinsulphats in solchen
Fällen erklärlich.
Grössere Vortheile bietet das weit empfindlichere Phloro-
glucin und HCl, aber auch damit konnte bei den geprüften
Flechten und Pilzen keine Verholzung wahrgenommen werden.
Nicht einmal bei Elaphomijces gra/ni/aiiis H. K., welcher beson-
ders erwähnt werden mag, da, wie bemerkt, Harz jüngst bei
diesem das Vorkommen von Verholzung behauptet hat. Das Peri-
dium besteht bei dieser Art aus zwei, deutlich verschiedenen
Schichten: die äussere ist aussen braun, innen gelb, die in-
nere ungefärbt, weicher und dicker. Nach Harz kommt in der
äusseren und mit ihr parallel verlaufend, in einiger Entfernung
Beiträge zur Mikrochemie der Flechten. 227
von der Oberfläche eine harte, gelbe Zone vor, welche durch
Aniliusulphat stark gelb gefärbt, durch Phloroglucin und HCl
lebhaft geröthet wird, and es liegt demnach nach dem erwähnten
Verfasser hier unzweifelhaft ein Fall von echter Verholzung bei
einem Pilz vor. Bei dem von mir mit Anilinsulphat untersuchten
Exemplar trat die Färbung dieser gelben Schichte nicht deutlicher
hervor, auch nahm dieselbe weder mit Phloroglucin uud HCl,
noch mit Indol und HgSO^ rothe Färbung an.
Allerdings fand Singer, dass Indol, auf 0-0007 7o ver-
dünnt, noch das Fichtenholz färbte, während für das Phloro-
glucin nach Wiesner die Empfindlichkeitsgrenze bei 0-001%
liegt, ' aber hieraus folgt nicht mit Nothwendigkeit, dass um-
gekehrt ein geringerer Grad von Verholzung sicherer durch Indol
als durch Phloroglucin nachgewiesen werden kann. Allerdings
wäre dies möglich, und dann wäre es erklärlich, warum Niggl
mit Indol undHgSO^ das„Lignin" nachweisen konnte, wo es mit
Phloroglucin und HCl nicht zu entdecken war.
Um darüber ins Klare zu kommen, ob Indol oder Phloro-
glucin ein empfindlicheres Eeagens auf Vanillin sei, verfuhr ich
auf folgende Weise. Einige dünne Späne von Fichtenholz wur-
den im Luftbad bis auf 220° C. erhitzt, wobei ein deutlicher
Vanillingeruch wahrgenommen wurde. Hernach zeigte Phloro-
glucin mit HCl deutliche, Indol mit H^SO^ äusserst undeutliche
Reaction. Die Temperatur wurde alsdann bis zu 228° C. erhöht.
Mit Phloroglucin konnte Vanillinreaction noch wahrgenommen
werden, mit Indol jedoch nicht. Demnach scheint Phloroglucin
ein empfindlicheres Reagens als Indol zu sein.
Die mit Anilinsulphat und Phloroglucin geprüften Flechten
wurden auch mit Indol und HgSO^ behandelt. Einige — z. B.
Loharia pulmonaria Hoffm., Lecanora pallesceus (L.) — färbten
1 Singer 1. c. p. 358. Schon Runge hat diese ausserordentliche
Empfindlichkeit der Anilin- und Pyrolsalze hervorgehoben. Nach ihm
(Annalen der Physik und Chemie von Poggendorff. Bd. 31, p. 66, 67.
Leipzig 1834) ist Fichtenholzfärbung durch Aniliusalze so stark, dass ein
Tröpfchen, welches nur V500000 Anilin enthält, noch eine bemerkbare
Gelbfärbung auf dem Holze hervorbringt. Noch empfindlicher sind nach
Runge (1. c. Bd. 32, p. 332) Pyrolsalze, indem mittelst des salzsauren
Fichtenholzes nur 0* 000001 Pyrol zu entdecken ist.
228 Forssell,
sich nach wenigen Minuten schwach roth und nahmen nachher
eine .starke rothe Färbung an, die übrigen färbten sich jedoch,
allerdings erst nach ungefähr 20 Stunden, durchwegs roth, ob-
gleich die Farbe bei verschiedenen Arten in Bezug auf Intensität
und Nuancirung wechselte. Dieselben Flechten wurden mit Indol
und HCl behandelt und auch hierbei trat früher oder später in
allen Fällen Rotlifärbung ein.
Schon aus Niggl's eigenen Untersuchungen geht hervor,
dass mit Indol und H^ SO^ auch in anderen Fällen, als da, wo
Verholzung vorhanden ist, Färbung eintritt. So wird nach ihm
der Zellinhalt in den Brennliaaren von Urtica mit Indol und
H2SO4 durchgängig roth gefärbt.^ Niggl gibt auch an, dass
die Cuticiila an sehr jungen Sprossen von Aesculus Hippocasta-
tium L., Acer Pseudoplat<inus L. und Hippuris vulgaris L. roth
gefärbt wird, aber „da in älterem Zustande diese Rothfärbung
nicht bemerkbar war, so kann wohl keine Verholzung angenom-
men werden, und die Färbung dürfte sich eher durch ein Durch-
dringen plasmatischer oder anderer Stoffe erklären lassen".^
Auch andere Substanzen als „Lignin" färben sich demnach
mit Indol und H2S0^ roth. Aus Anlass dieser Thatsache wurden
andere Körper: Kartoffelstärke, Weizenstärke, Gummi arabicum,
Baumwolle und Rohrzucker mit Indol und H^ SO^ behandelt, wo-
bei im Allgemeinen schon nach V4? bisweilen erst nach 1 Stunde
eine schwache rothe Färbung eintrat. Nach 20 Stunden waren
die beiden ersten Körper schön rosa gefärbt, Gummi schwach
und spärlich roth gefärbt, Baumwolle schwach, aber durchaus
gefärbt und der Rohrzucker in eine röthliche Flüssigkeit auf-
gelöst. Ja, eine verdünnte IndoUösung färbte sich sogar nach
Zusatz von H^SO^ allein schwach roth, aber die Farbe war in
diesem Falle schwächer als beiAnwesenheit der eben erwähnten
Körper.
Indol muss in Folge dessen als Reagens auf „Lignin" mit
grösster Vorsicht angewendet werden, da ja auch andere als
verholzte Steife mehr oder weniger lebhaft roth gefärbt werden.
1 Nigs'l 1- c. p. 560.
2 Niggl 1. c. p. 549, 5()2 Note.
Beiträge zur Mikrochemie der Flechten. 229
Die rothe Farbe, welche Flechten nach Behandlung mit Indol in
Verbindung mit Hg SO^ zeigen, braucht nicht auf Verholzung zu
beruhen, und die Behandlung dieser Flechten mit Phloroglucin
und HCl zeigte leicht, dass Verholzung in diesen Fällen nicht
vorkommt.
2. Das Verhalten der Zellwand zu Raspail's und
Millon's Reagens.
Dass Lichenin bei Behandlung mit einer Säure sehr leicht
in Zucker umgewandelt wird, ist durch Stenberg's Unter-
suchungen bekannt. * Man konnte demnach vermuthen, dass die
rothe Farbe, welche Flechten bei Behandlung mit Hg SO^ (ohne
Indol) zeigen, auf Raspail's Reaction beruhe. Es glückte mir
nämlich bisweilen, die Membranen der Hyphen von Cladonia
gracilis (L.) xmiiLobnria imlmoiiaria Hoffm. mit H^SO^ schwach
roth zu färben, wesshalb man vielleicht annehmen könnte, dass
die Säure das Lichenin in Zucker verwandelt, welcher mit der
8äure und Eiweisskörpern Raspail's Reaction gibt. Fort-
gesetzte Versuche in dieser Richtung gaben indessen nur nega-
tive Resultate, vielleicht darauf beruhend, dass ein passender
Concentrationsgrad der Säure nicht angewendet wurde. Ich
untersuchte daher mit Millon's Reagens mehrere Flechten,
Pilze und Algen. Von ersteren wurden besonders solche mit
dicken Membranen gewählt; bei den meisten konnte ich eine
mehr oder weniger deutliche Rothfärbung constatiren. Besonders
hei Lobaria pulmouaria Hoffm. undPeltigera canina (L.) wurden
die Membranen deutlich ziegelroth gefärbt.
Von den untersuchten Pilzen {Polyporus- und Agaricus-
Arten) wurde wohl der Zellinhalt gefärbt, aber deren Mem-
branen waren zu dünn, um eine Färbung hervortreten lassen zu
können. Prof. Wiesner hat mir indessen gütigst mitgetheilt,
dass er bei den Membranen von Polyporus fomentarius Fr. die
auf Eiweiss deutende Xanthoproteinsäure-Reaction deutlich ge-
sehen hat.
Von Algen wurden Gelidium cartilagineiim , Ecklonia bac-
cata undEuchema spinosum untersucht. Hier trat bei Anwendung
1 Flora 1869, p. 517.
230 Forssell, Beiträge zur Mikrochemie der Flechten.
von Millon's Keagens die rotbe Farbe in den Membranen sebr
deutlicb bervor ; speciell war dies der Fall in den äussersten im
Tballus liegenden Zellenscbicbten.
Inwieweit diese Reaetionen darauf berubten, dass in den
Membranen Eiweisskörper vorbanden waren, mag ein fort-
gesetztes Studium dieser Frage darlegen. Indessen steben meine
Untersuebungen im Einklänge mit den Resultaten, zu welcben
Wiesner^ in Betreff der Organisation der vegetabiliscben Zell-
wand gelangte, denen zufolge die letztere, zum mindesten so
lange sie wäcbst, Protoplasma entbält.
1 Untersuchungen über die Organisation der vegetabilischen Zell-
wand (Sitzungsber. der kais. Akad. d. Wissensch. Bd. 92. Wien 1886).
231
Über Einlagerung von Oalciumoxalat in die Zellwand
bei Nyctagineen.
Von Anton Heimerl,
Lehrer an der k. k. Staats- Ober rcajschule in Sechskaus fWienJ.
(Mit 1 Tafel.)
Bei Gelegenheit der Vorarbeiten zu einer monograpMsehen.
Bearbeitung der Nyctagineen war mir bei der nordamerikanischen
Gattung Acleisanthes Asa Gray die lichte grauweisse Farbe der
Stengel-Interuodien dieser Pflanzen, sowie die ganz besondere
Sprödigkeit des Hautgewebes aufgefallen^ und die weitere Unter-
suchung ergab als Grund für diese Eigenthümlichkeit den
Umstand, dass in den Aussenwänden der Epidermiszelieu des
Stengels Calciumoxalat in Körnchen massenhaft eingelagert war,
welches so die eigenthümliche Färbung, sowie die Sprödigkeit
der Epidermis von Acleisanthes bedingte. Die nächste sich hier
naturgemäss anschliessende Aufgabe musste wohl darin liegen,
die übrigen Gattungen und möglichst viele Arten der Nyctagineen
in vergleichender Hinsieht zu untersuchen, um so einestheils
überhaupt über die Vertheilung der Calciumoxalat-Einlagerung
in der Familie Thatsächliches zu bieten, andererseits etwas über
die vermuthliche Rolle, welche dieser Einlagerung zukommt,
erschliessen zu können.
Wie Graf Solms-Lanbach in seiner bekannten Arbeit^
über Einlagerung von Calcinmoxalatin Zellmembranen nachweist,
sind derlei Fälle bei den Angiospermen überhaupt als sehr
seltene zu bezeichnen und werden von ihm an der citirten Stelle
einige Mesembryanthemum-Aiten {M. stramineum, Lehmannif
rhombeurn, lacerum etc.), dann das Sempervivum calcareum
Jordan aufgeführt, in deren Blattepidermis, und zwar zum
1 Botanische Zeitung von Mohl und De Bary, 1871. pag. 51:3 ff.
SUzb. fl. matheni.-naturw. Cl. XCIII. Bd. 1. Abth. 16
232 Heimeil,
g-rösstea Theil in der Ausseuwaud der Epidermis-Zellen, das
Calciumoxalat iu Form von ungemein kleinen Körneben erscheint,
an welche Art des Vorkommens sich nun aufs engste unsere
Nyctagineen anschliessen.*
Es wurden von dieser merkwürdigen Familie, in deren
Umgrenzung und Gliederung wir uns an die treffliche Bearbeitung
der Gattungen in Bentham-Hooker: Genera pkmtarum III.,
pag. 1 — 11, balten wollen, neunzehn Gattungen näher untersucht,
während von den übrig bleibenden 6 Gattungen (Hermidmm
Watson, Timeroy a Montrousier, Andradaea Allemao,
Senkenbergia Schauer, Seluiocurpus Asa Gray, Ec/gersia
Hook er) der scliweren Beschaffbarkeit von Material halber
(diese sehr seltenen Gattungen fehlen beispielsweise den Her-
barien des Wiener Hofmuseums und des königlichen Museums
zu Berlin; Andradaea ist überhaupt nur aus einer Abbildung
bekannt) Abstand genommen werden musste. Von den nun in
Rede stehenden 19 Gattungen sind als für die weitere Betrachtung
gegenstandslos folgende, durchwegs strauch- oder baumartige
Gattungen auszuscheiden, bei denen weder in jungen, der Kork-
bildung noch entbehrenden Zweigen, noch iu den Blättern
Einlagerung von Calciumoxalat constatirt werden konnte; es sind
dies die Gattungen : Leucaster C h o i s y , Cephalotomatidra
Karsten et Trian., iV(?t^« Ruiz et Pavon, Plsonia Plumier,
Collignonia EndL, Boldoa Cav., Bougainvillea Co mm., Tricycla
Cav. , Phaeoptilum Radlk.,^ Cryptocarpus Kunth., Reichen-
1 Die übrigen mir bekannt gewordenen Vorkommnisse von solcher
Einlagerung- bei Angiospermen gehören folgenden Familien an: Haemodo-
raceae (Blattgewebe von Aletris fragrans; H. Molis ch in Österr. botanischer
Zeitung 1882, pag. 382), Smüaceae (Blattgewebe von Dracaena-Axie\i\
Pfitz er in Flora 1872, pag. 97 ff., H. Molisch \. c), Sapotaceae {^nme,Ti-
schale von Achras Sapota und Omplidlocarpimi proceniur^ ßadlkofer ex
Just, Botanischer Jahresbericht für 1882, pag. 483), Ni/mphaeaceae (innere
Haare, Zellwände des Schwammparenchyms der Blatt- und Blüthenstiele
von Njiniphaea alba miA Nuphar luteum. ; H. Moli seh 1. c.), Loranthaceae
(Steinzeiten der primären und s''cun(läreu Rinde einiger Loraiitfuis-ArU'Ai
nach Mentovich ex Just, Botanischer Jahresbericht für 1883, pag. 180).
'-i Radlkofer in Verhandlungen des naturwissenschaftlichen Vereines
in Bremen, VIII., pag. 435 (1881).
über Einlagerung- von Calciumoxalat etc. 233
bacliia Spreng-el/ woraus sich sofort der für den Systematiker
nicht uninteressante Schluss ziehen lässt, dass (abgesehen von
den nicht untersuchten hiehergehörigen drei Gattungen) hier
Calciumoxalat-Einlagerung und systematische Trennung gut
Hand in Hand gehen, indem von den drei Tribus der Nyctagineen
im Sinne Bentham-Hooker's die letzteren zwei Tribus, d. i.
jene der Pisonieae und Leiicasterae keine Einlagerung zeigen,
sowie ebenfalls zwei Subtribus des ersten Tribus der Mirabileae,
d. i. die Bougahivilleae und Boldoeae einer solchen entbehren und
daher nur die restirenden Subtribus: Boerhavieae und Abronieae
für das "Weitere in Betracht kommen .
Kachfolgende Tabelle gibt nun Aufschluss über das sehr
wechselnde Detail des Vorkommens bei den Mirabileae und
Abronieae. wobei A. W. : Aussenwand , I. W.: Innenwand,
endlich S. W.: Seitenwand der Epidermis-Zellen bedeutet.
Die Epidermis des Stengels der in vorhergehender Tabelle
angeführten Gattungen und Arten, welche der Hauptsitz des
Calciumoxalates ist, zeigt bei den untersuchten Ptlanzen einen
ziemlich gleichmässigen Bau, der in den meisten Punkten mit
der Schilderung, welche Graf Solms-Laubach 1. c. für
Mesembryanthemum gibt, übereinstimmt. Die im Querschnitt
flachen Zellen der Epidermis grenzen nach einwärts an ein
Rindenparenchym, welches an den Stengelkanten und Riefen
einem Collenchyme Platz macht und sehr häufig Rhaphiden-
Schläuche führt; die Aussenwand der Epidermis-Zellen ist nun in
mehr minderem Grade, oft (vergl. Fig. 1 von Acleisanthes) ganz
enorm verdickt, so dass dann das Lumen der Zellen (Fig. 1) auf
einen ganz unbedeutenden Raum reducirt erscheint. Bei Behand-
lung zarter Querschnitte mit Chlorzinkjod nimmt die Cuticula (c
in Fig. 1), sowie die meist ganz schmale darunter liegende Schichte
(s) intensiv rothbraune Färbung an, letztere documentirt sieb
1 Untersucht wurden Ncca lanceolata Horti Botauici Vindo-
bonensis. N. Caparrosa Schmidt, Pisonia aculeata L., cxcci a Blume,
Pacwrrtea Kunth, hirtella H. B. K., Olfcrsiana Lk. & Kitsch., ColUgnonia
parviflora Choisy, Baldoa lanceolata La gase a, BougaiuvilLa spectahilis
Willd. und B. stipitata Griseb., Cn/ptocarpus pyriformis Kunth.: die
übrigen Gattungen besitzen nur je eine Art.
234
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über Einlagerung von Calciumoxalat etc.
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rung; Unterseite mit sehr dünner
Lage in der A. W. der Ep.
Zerstreute Körnchen in der A.W.
der Ep. beider Blattseiten.
Sehr spärliche Einlagerung in
die Ep. A.W. beider Blattseiten.
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Körnchen; untere Blattseite mit
vielen Körneren in der A. W.
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I. W. der Ep. Zellen.
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Blattunterseite sehr sparsam
Körnchen führend, Blattüberseite
etwas reicher daran.
Blattoberseite frei von Körnern.
Blattunterseite mit reichlicher
Einlagerung in die Ep.
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In der Ep. A. W. beider Blatt-
seiten sehr sparsam auf der Ober-
seite, reicher auf der Unterseite.
A. W. der Ep. reichlich beider-
seits mit Körnern, spärliL-lie in
der 1. W.
Sehr wenige Körner in der Ober-
seite, mehr in der A.W. der Ep.
der Blattunterseite.
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Zellen und indeu darunterliegen-
den Rindenzellen.
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240 Heimerl,
somit als Cuticular-Scliichte, während, der übrige Theil der
Membran, zngleicli der weitaus mächtigere, (k, i) ein umso inten-
siveres Violett zeigt, je näher er dem Lumen der Zelle zu liegt;
die unmittelbar unter den oft sehr schwach entwickelten Cuticular-
Schichten liegenden Membran-Partien bleiben mit Chlorzinkjod
farblos oder nehmen blassgelbliche Farbe an, was wohl auf
einen geringen Grad von Cntinisirung derselben hindeutet. Die
Grenzlamellen der einzelnen Epidermiszellen (in Fig. 1), welche
in die Mittellamellen des darunter liegenden Parenchymes sich
fortsetzen, nehmen unter diesen Umständen blassgelbliche
Färbung an; endlich wäre noch anzufügen, dass Schwefelsäure
bei beginnender Einwirkung in der Aussenwand schwache
Schichtung hervorruft.
In jener Partie der Aussenwand der Epidermiszellen,
Avelche nach aussen von der Cuticula, nach einw^ärts von der
lunenlauielle (/) begrenzt wird, liegen nun ( vergl. die Abbildungen)
die Körnchen des Calciumoxalates, so dass die Einlagerung nach
aussen bis zur Cuticula reicht, während die körnerführende
Schichte gegen das Zelllumen hin von einer oft sehr breiten und
ungemein deutlichen körnerfreien Schichte (/, z. B. Fig. 2 und 5)
abgeschlossen wird. In solchen Fällen, wo die Einlagerung der
Körner in die Wand eine besonders massenhafte ist (Fig. 1),
kann man nur an den dünnsten Stellen der Präparate diese
körnerfrei Schichte erkennen, sowie andererseits, wenigstens bei
Acleiscmthes in den Trichomen dieser Pflanze leicht constatirt
werden kann, dass die Körnchen über die Cuticula hervorragen
und so lebhaft an die Einlagerung bei Nymphaea erinnern.
Die Seitenwände der Epidermiszellen des Stengels und der
Blätter führen nicht eben häufig — das Detail ist aus der Tabelle
zu ersehen, — in ihren massig dicken Wänden Kalktheilchen,
während hingegen bei vielen Arten eine reichliche Einlagerung
von Calciumoxalat in die Innenwände der Epidermiszellen
(Fig. 2) in oft sehr regelmässiger Anordnung zu constatiren ist.
(Fig. 5). Auch hier bleibt die Innenschichte der Epidermiszellen
frei von Körnchen und es erscheinen dieselben an den verdickten
Wandstellen, wo mehrere Zellen aneinander grenzen, besonders
reichlich vertreten (Fig. 2). Die eben gemachte Bemerkung, dass
in jenen Fällen, wo sehr reichliche Einlagerung erfolgt, die
über Einlagenmg von Calciumoxalat etc. 241
körnclienfreie Innenlamelle immer schwieriger sichtbar werde,
g'ilt auch hier und in den Blättern von Boerhavla- Arten scheinen
die Körner geradezu an das ZelUumeu anzugrenzen.
Bekanntlich zeichnet sich die Familie der Nyctagineae, wie
die verwandte Familie der Phytolaccaceae, durch die Menge von
Raphidenschläuchen aus, welche in fast allen Theilen der Pflanzen
(Stengeln, Blättern, Perigonen, Authocarpwänden etc.) anzu-
treffen sind, sowie besonders bei den strauch- und bäumchen-
artigen Gattungen (z. B. Bouf/ainvillea) grosse Einzelkrystalle,
dann auch Drusen von oxalsaurem Kalke im Parenchyme, neben
den Rhaphiden, nicht selten vorkommen. Bei der Untersuchung
der Zellwände der von der Epidermis umschlossenen Gewebs-
partien konnte ich auch bei Anwendung des Polarisations-
Mikroskopes nirgends mit Bestimmtheit eine Einlagerung in
andere Gewebstheile, als die vorstehend angeführten, con-
statiren. Vollkommen frei erscheint immer der Holzkörper und
nur manchmal (z. B. bei Boerhavia repens L.) treten im Piinden-
und Markparenchym spärliche, bei gekreuzten Nicols auf-
leuchtende Pünktchen auf, welche den Zellhäuten anliegen, doch
konnte ich bei den trockenen Exemplaren mir darüber nicht
genügende Sicherheit verschaffen, ob sie nicht etwa der Wand
mechanisch anhaftende Theilchen von Rhaphiden seien.
Das Calciumoxalat selbst, dessen Nachweis auf die bekannten
Reactionen gestützt (starkes Aufleuchten bei gekreuzten Nicols,
scheinbare Unveränderlicbkeit beim Glühen, Unlösliehkeit in
Essigsäure, leichte Löslichkeit in Salzsäure, Bildung von Gyps-
nadeln mit verdünnter Schwefelsäure) erbracht wurde, erscheint
in den Membranen in oft sehr dicht gedrängten körnerähnlichen
Partikeln, über deren Begrenzung durch scharfe Ecken und
Kanten bei den meisten untersuchten Arten, der ausserordentlichen
Kleinheit halber (sie messen kaum 1/j.) nichts weiter gesagt
werden kann. Xur in einigen wenigen günstigeren Fällen, so
z. B. bei Oxyhaphus ovatus H. B. Vind., wo die grösseren
Körner fast l-5rj. erreichen, konnte ich an denselben deutliche
Ecken, sowie auffallende Grössenunterschiede erkennen, indem
in buntem Wechsel grössere, 2 bis 3 mal längere als breitere
Körner und kleinere rundliche neben einander vorhanden
waren.
242 Heimerl,
Die beigeg-ebene Figur 5, entnommen der stidamerikanischen
Alliouia Mendochia Pliilippi, lässt deutlicli erkennen, dass hier
die Calciumoxalat-Körner längliche Form besitzen und dass der
längere Durchmesser fast genau parallel zur Oberfläche des
betreffenden Pflauzentheiles gerichtet ist, zugleich tritt bei dieser
Pflanze die schon früher erwähnte Regelmässigkeit der
Anordnung in parallelen Reihen sehr auffallend hervor. Gewisse
Stellen, die Grenz-Lamellen der Aussenwände der Epidermis-
zellen bleiben (bei x) hier ganz frei von Einlagerung, ein
Verhalten, welches auch bei Fig. 2., dem Steng-elquerschnitte
von Boerhavia repe7is L. , (bei x) wenn auch viel subtiler, bemerkt
werden kann. Von derlei etwas grösseren Körnern bis zu
ungemein kleinen, eben nur als Pünktchen erscheinenden (z. B.
bei Ahrotna turbinata Torrey ), gibt es nun alle Mittelstufen der
Grössenverhältnisse, wobei wohl unzweifelhaft bei der starken
Wirkung, welche allen diesen Ausscheidungen auf das polarisirte
Licht zukommt, diese Körner als Krystalle zu bezeichnen sind,
und der Ausdruck „Körner" eben nur der Kürze halber, mit
Bezug auf ihre äussere Erscheinung gebraucht werden möge.
Von besonderer Wichtigkeit erscheint mir der Umstand,
dass — wie übrigens schon Graf Solms- Laub ach 1. c.
angibt — die Schiiesszellen der Spaltöffnungen (Fig. 3) des
Stengels und der Blätter, in welchen sie zumeist auf beiden
Seiten vorkommen, völlig frei sind von jeder Einlagerung, so
dass, wenn die Aussen- und Innenwand der Epidermiszellen
Calciumoxalat führt, die Körnchen scharf an der Grenze von
gewöhnlichen Epidermiszellen und Schliesszellen aufhören und
nur die Cuticula sowie die Cuticularschichten über letztere
weiter verlaufen. Unzweifelhaft hängt dies mit den von den
Schliesszellen bei der Transpiration auszuführenden Bewegungen,
welche eine biegsame und nicht durch Calciumoxalat-Einlagerung
spröde Membran voraussetzen, zusammen. Die bei allen unter-
suchten Arten vorhandenen, meist kurzen, aus ein Paar Zellen
bestehenden Trichome stimmen meist in der Art der Einlagerung
des Calciumoxalates mit den unmittelbar angrenzenden Epidermi>!-
zelleu überein, docli sind sie bei eigenen Nyctagineen (z. B.
Okenin hypogaea Schiede, Ahronia mellij'erd Douglas etc.)
ganz frei von Körnern.
über Einlagerung von Calciumoxalat etc. 243
Da die meisten der im tabellarischen Verzeichnisse ange-
gebenen, beträchtlichere Einlagerung zeigenden Arten nur selten
in botanischen Gärten cultivirt werden, so gelang es nur von
einer einzigen, d. i. von (Nr. 18) Oxybaphus ocatns H, Vind.
(einer mit Oxybaphus violaceiis Choisy verwandten Pflanze)
nach Spiritus- Material die Entwicklungsgeschichte der in Rede
stehenden Verhältnisse zu untersuchen, Querschnitte junger
Stengel-Internodien von circa 5 Mm. Länge und kaum 1 Mm.
Dicke lassen beim Behandeln mit Chlorzinkjod eine sich scharf
abhebende, zarte Cuticula (c in Fig. 6\ die mit dem Reagens
die bekannte braune Färbung annimmt, sehr dünne Greuzlamelleu
der Seiten wände der Epidermiszelleu {x in Fig. 6), endlich
relativ mächtigere und besonders nach auswärts mehr verdickte
Innenschiebten [i in obiger Figur) der Zellen erkennen. Diese
letzteren färben sich unter dem Einfiuss des Chlorzinkjods violett
und zeigen hiebei zugleich Andeutungen von Schichtung.
Da die Innenschichten der Epidermiszelleu besonders nach
auswärts stark bogig gewölbt sind, die Cnticula hingegen als
wenig eingebogenes Häutchen über die Zellen hinzieht, so bleiben
unmittelbar unter der Cuticula zwischen je zwei Epidermiszeilen
(bei b in Fig. 6) Membranpartien von im Querschnitt ungefähr
dreieckiger Gestalt, welche sich an dünnen Stellen der Prä-
parate durch mehr schmutzig- violette Färbung, dann durch ab-
weichende Lichtbrechung deutlich bemerkbar machen. Von
Calciumoxalatkörnchen ist weder auf gewöhnliche Weise, noch
mit Hilfe des Polarisations-Mikroskopes auch nur eine Spur zu
bemerken.
Werden dann durch nächst ältere, ungefähr 15 Mm. Länge
und etwas mehr als 1 Mm. Dicke zeigende Stengel, Querschnitte
geführt, so erkennt man auf den ersten Blick, dass die Aussen wand
der Epidermiszeilen (Fig. 7) an Dicke bemerklich zugenommen
hat, während die Seitenwände und das angrenzende Collenchym
keine besonderen Veränderungen zeigen. An der uns nun
besonders interessirenden Aussenwand ist mit Chlorzinkjod vor
Allem die Ausbildung einer schmalen Cuticularschicbte [s inFig 7)
zu constatiren, welche sich sammt der Cuticula [c) durch inten-
sives Kothbraun sehr scharf von den darunter liegenden Schichten
abhebt, w^elch letztere schwache Violettfärbung (in der Zone 6),
244 Heimeii,
und in der innersten Lage (/) — wie im frUbereu Stadium —
starke Violettfiirbung annimmt.
In der eben erwäbnten Zone (h) zwiseben Innenscbicbte und
Cuticularscbicbten, welcbe Zone offenbar den in Figur 6 des
früberen Stadiums ebenfalls mit h bezeichneten Membranstellen
entspricht, sind nun punktförmige Körnchen zu bemerken, welche
offenbar die erste Ausscheidung des Calciumoxalates vorstellen,
wenn auch angeführt werden muss, dass bei der ausserordent-
lichen Kleinheit derselben, eben nur mit Hilfe des polarisirten
Licbtes und der leichten Löslicldceit in Salzsäure — die übrigen
Reactionen lassen uns hier im Stiche — auf diesen Körper
geschlossen wurde.
Von diesem Stadium bis zu dem Bilde, welches dickere Aste
und Zweige dieser Oxybnphns-kxi zeigt, ist nur ein kleiner
Schritt. Wie die Figur 8 zeigt, ist auch ohne Reageutien sehr
deutlich das Vorhandensein von gegen 3/ji messenden Cuticular-
schichten (.s) zu constatiren, darauf folgt die nun reichlich
Calciumoxalat führende Schichte b (Dicke 3— 5/ji.), endlich kommt
die körnerfreie circa 2 |l». dicke Innenschichte. In den Seiten-
wänden, dann den Grenzwänden von Epidermiszellen und
Collenchym finden sich hier nirgends Körner wie sie auch
dem übrigen Gewebe völlig fehlen.
Es ergibt sich nun aus allen diesen Befunden, dass
wenigstens bei Oxybaphus die Einlagerung des Calciumoxalates
relativ spät im Stengel nach völlig abgeschlossener Gewebe-
Differenzirung erfolgt, und dass innerhalb der des öfteren
erwähnten Zwischenschichte der Epidermis-Aussenwand die
Ausscheidung des Salzes vor sich gehen muss. An eine directe
Ausscheidung der Körner aus dem Protoplasma der Epidermis-
zellen, welcher Vorgang ja für andere Pflanzen constatirt ist
(vergl. Pfitzer's Untersuchungen über Bildung der schönen
Membrankrystalle von Citrus in Flora 1872, pag. 114 ff.), kann
hier, da das Calciumoxalat im Momente des Sichtbarwerdens
in der Membran selbst auftritt und fernerhin durch eine mehr
oder weniger breite, körnerfreie Lamelle vom Plasma geschieden
ist, wohl nicht gedacht werden. —
Die im vorhergehenden tabellarisch aufgeführten Daten über
Vorkommen des Calciumoxalates in der Epidermis einzelner
über Einlagerimg' von Ciilciumoxalat etc. 245
Gattungen und Arten von Nyctagiueen stehen nun in einem
deutlichen Zusammenhange mit den klimatischen Verhältnissen,
unter welchen sich die betreffenden Arten entwickelten. Vor
Allem constatirten wir, dass eine solche Einlagerung den
Blättern und Zweigen von bäum- und strauchartigen Nyctagiueen,
welche in den eigentlichen tropischen, d. i. feuchtwarmeu
Gebieten der alten und ganz besonders der neuen Welt
zu Hause sind (z. B. Neeo, Pisonia, Leucaster, Boiif/ainvillea)
völlig fehlt. Die beiden Gattungen Trkycla Ca van. und Phae-
optilmn Eadlk. , welche beide in heisseu und trockenen Gebieten
auftreten und ebenfalls einer solchen Einlagerung entbehren, sind
durch ihre kleinen in dichten Büscheln beisammen stehenden
Blätter, deren Epidermis stark cutinisirt ist, ebenfalls gut zum
Ertragen von Dürre und grosser Lufttrockeuheit befähigt.
Gehen wir nun aber zu den in der Tabelle vertretenen
krautigen Arten über, d. i. solchen, welche aus unterirdischen
Achsentheilen krautige, durch keine Korkbildung vor dem
Wasserverluste durch Verdunstung geschützte Stengel mit
Blättern und Blüthen emporsenden, so zeigt sich im Allgemeinen
die Thatsache bestätigt, dass die Calciumoxalat-Einlagerung um
so reichlicher stattfindet, je mehr die Arten aus solchen Gegenden
herstammen, in denen sie zur Entwicklungszeit bedeutender
Lufttrockenheit und Hitze, somit der hiedurch bedingten, besonders
energischen Verdunstung, ausgesetzt sind. Es wäre hiebei
besonders auf die Arten der Gattung Boerhavln aufmerksam zu
machen, welche das Wüstengebiet Nord-Afrika's und West-
Asiens (Nubien, Arabien, Persien etc.) bewohnen und sich schon
äusserlich durch grau- bis kreideweisse Stengel mit graugrünen
Blättern von den tropischen Arten (z. B. Boerhavla jjcuiiculata L.
und Boerhavia scmulens L.) auszeichnen und in der That ganz
bedeutende Mengen des Kalksalzes enthalten.
Zum Schlüsse möchte ich noch anführen^ dass die bekannte
anatomische Verwandtschaft, welche im Bau des Stengels
zwischen den Nyctagineen und Mesembryanthemeen sich kund
gibt, auch in der Art der Einlagerung des Kalkoxalates besteht,
und dass die Arten von Mescmbryantheynum, Semperirivum und
Ephedra, die alle Einlagerung zeigen, in Bezug auf das Vorkommen
246 Heimerl, Über Einlagerung von Calciumoxalat etc.
an dürren, wasserarmen Stellen mit den erwähnten Nyctagineen
übereinstimmen.
Von den Phytolaccaceen hingegen, deren systematische
Verwandtschaft mit unseren Nyctagineen des öfteren betont
wurde und die auch in dem massenhaften Vorkommen von
Khaphidenschläuchen eine anatomische Verwandtschaft erkennen
lassen, erwiesen sich die untersuchten Arten {Phytolacca pruinosa
Fenzl, Phytolacca decandra L., Giseckia rube/la Höchst.,
Giseckia pharnaceo'ides L., Limenm viscosum Fenzl, Semoiivillea
pterocarpa Gay) als frei von Calciumoxalat.
Übersicht der A b b i 1 d u n g- e n.
Fig. 1. Querschnitt eines circa 1-5 Mm. dicken Zweigchens von Acleisanthes
loiigifiora A. Gray (Lindheimer, Flora Tcxana). 570/1. Die sehr
verdickte Epidermis-Aussenwand ist fast ganz von den Kalk-
körnern ik) erfüllt; <?. .Cuticula, s .. Cuticnlarschicbte, A: .. Körner-
schichte, i. .Inuenlamelle, x. .Oreuzlamelle.
„ 2. Querschnitt eines St<ämmchens von circa 3 Mm. Dicke von Boerhai'ia
repens L. (Africa, Sip-ta Nitbica leg. Prinz Paul v. Würtemberg).
570/1. Bei «-Querschnitt eines Rhaphidenschlauches; in zweien
der sehr ungleich grossen Epidermiszellen bemerkt man grosse
Klumpen einer spröden rothbraunen Masse, welche starke Gerb-
stofifreaction gibt und au die in den Gerbstoifschläuchen der
Saxifragen oder in den Schläuchen der Markperipherie von
Sartibiiciis vorkommenden Inhaltskörper erinnert (vergl. De Bary
Anatomie pag. 155).
,, 3. Spaltöffnung mit den Nebenzellen von der oberen Blattflächc der-
selben Boerhavia. 570/1- Man erkennt deutlich das Fehlen der Kalk-
einlagcrung in den Schliesszellen.
„ 4. Epidermisquerschnitt von der oberen Blattfläche derselben Bof^-
havle mit den Gerbstoffharz-Schläuchen. 360/1.
„ 5. a) Rinde des Stengels von Allion ia mendocina Vh-iVi^^^'i {Mendoza,
leg. Philip pi) im Querschnitte. 570/1. Die reihenweise Anordnung
der Körner des Calciumoxalates, ihre längliche Form, das Fehlen
der Einlagerung in den Seitenwänden und in den Grenzschichten
(bei x) der einzelnen Epidermiszellen ist hier gut ausgesprochen.
„ 5. b) Partie vona- etwas stärker vergrössert; man bemerkt das unregel-
mässige Auskeilen und Verschmälern der einzelnen Körner-Lagen.
„ 6, 7, 8. Quei'schnitte junger Steugelinternodien von Oxi/baphus ovittu.
Horti bot. Vindob. 570/1. Erklärung im Texte; Bezeichnung wie in
den früheren Figuren.
A Heimerl •- Über Einlagerung von Calciumozakt in die Zellwand bei I^yctagmeen.
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Sitzunester.d -kaiserl. Akad.d.Mlss.matli.natunr. Cl.XCIlI.Bd.LAbtk.l886.
247
X. SITZUNG VOM 8. APRIL 1886.
Das w. M. Herr Regierungsrath Prof. L. Boltzmann in
Graz übersendet eine vorläufige Notiz über allgemeine Gleichun-
gen für die Elektricitätsbewegung.
Das w. M. Herr Regierungsrath Prof. A. Rollett über-
sendet eine Abhandlung der Herren Ernst Smreker und Oscar
Zoth, Assistenten am physiologischen Institute der Universität in
Graz: „Über die Darstellung der Hämoglobinkrystalle
mittelst Balsamen und einige verwandte Gewinnungs-
weisen".
Herr Professor Dr. Ph. Knoll in Prag übersendet eine Ab-
handlung: „Über die Druckschwankungen in der Cere-
brospinalflüssigkeit und den Wechsel in der Blutfülle
des centralen Nervensystems".
Der Secretär legt eine eingesendete Abhandlung von
Herrn Moriz Feil, Gewerbeschullehrer in Brunn: „Über Euler'-
sche Polyeder etc." vor.
Das w. M. Herr Hofrath Th. Ritter v. Oppolzer macht
eine Mittheilung über Beobachtungen an einem von ihm
construirten Apparate zur absoluten Bestimmung der
Hchwingungszahl einer Stimmgabel.
Ferner überreicht Herr Hofrath v. Oppolzer den von
Prof. E. Pasquier in Löwen ins Französische übersetzten
I.Band seines Werkes : „Lehrbuch zur Bahnbestimmung^
der Kometen und Planeten".
Herr Prof. Dr. Zd. H. Skraup, Professor an der Handels-
akademie in Wien, überreichte eine von ihm in Gemeinschaft mit
Herrn Dr. Ph, B runner ausgeführte Untersuchung, betitelt:
„Constitution einiger Chinolinderi vate".
Sitzt), d. mathem.-naturw. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. 17
248
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht zuge-
kommene Periodioa sind eingelangt:
E. Pasquier: Traite de la determination des orbites des Come-
tes et des Planetes par le Chevalier Theodore d'Oppolzer.
(Edition fran^aise publiee d'apres la deuxieme editiou alle-
maüde). Vol. I, Paris, 1886; gr. 8^
J. W. Mouehketow: Turkestau. Bd. I, St. Petersburg 1886;
gr. 8°.
249
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan und
in den angrenzenden Gebieten.
Beiträge zur Geologie des nördlichen Balkanvorlandes
zwischen den Flüssen Isker und Jantra.
(Mit 3 Tafeln und 1 Holzschnitte.)
Von Georg N. Zlatarski in Sofia.
(Vorgelegt in der Sitzung am 1. April 1886.)
Einleitung.
Als Herr Professor Fr. Toula im Jahre 1880 Vorbereitimgeu
traf für seine zweite Reise in den westlichen Balkan, erwirkte
Herr Professor Dr. Constantin Jirecek, damals Generalsecretär
im fürstlich biilg-arischen T'nterrichtsministerium, von Seite des
fürstlich bulgarischen Finanzministeriums für mich den Auftrag,
Herrn Pofessor Toula auf seinen Reisen zu begleiten, wodurch
ich in den Stand gesetzt wurde, die zu geologischen Aufnahmen
nöthigen Erfahrungen zu sammeln.
Für die Sommer- und Herbstmonate des Jahres 1884 hatte
ich mir die Aufgabe gestellt, mich mit der geologischen Be-
schaffenheit Mittel-Bulgariens bekannt zu machen. Als ich die
Erlaubniss meiner Behörde erhalten hatte, den zwischen den
Flüssen Isker und Jantra gelegenen Theil des Fürstenthums
Bulgarien zu durchforschen, traf von Seite des Herrn Professors
Toula die Mittheilung ein, dass er die Absicht habe, seine
geologischen Forschungen auf den centralen Balkan auszudehnen.
Auf seine Frage, ob ich ihn wieder begleiten wolle, sprach ich
ihm meine volle Bereitwilligkeit aus, worauf er mich aufforderte,
die Zeit vor seinem Eintreffen zur Bereisung des Balkan-Vor-
landes zu benützen, damit er seine ganze Reisezeit dem Gebirge
widmen könne. ^
1 Ein vorläufiger Bericht über die von Professor Toula ausgeführten
Reisen im centralen Balkan, auf welchen ich sein Begleiter war, findet
sich in den Sitzungsberichten der kaiserl. Akademie, 1884, XC. Bd.,
pag. 274 — 317.
17*
250 Zlatarski,
Ich überschritt das Gebirge zwischen Jelesnica und Orhanie
und führte eine grössere Anzahl von Touren im Balkanvorlande
aus, die sich auf der, dem angeführten Berichte beigegebenen
Karte eingezeichnet finden. Über die Ergebnisse meiner Reise
verfasste ich eine ausführliche Darstellung in bulgarisclier
Sprache, liess dieselbe ins Deutsche übersetzen und sandte die
Übersetzung an Herrn Professor Toula mit dem Ersuchen, eine
Durchsicht und die etwa nöthigen Änderungen vornehmen zu
wollen. Herr Professor Toula unterzog sich thatsächlich der
mühevollen und zeitraubenden Arbeit, wofür ich ihm meinen ver-
bindlichsten Dank sage.
In dem von mir bereisten Gebiete kann man folgende
Formationen unterscheiden:
Alluvium in Form von Lehm, der die Becken und Thal-
ztige an fast allen Flussläufen ausfülllt, so am Isker, Vid, Osam,
an der Jantra u. s. w.
Diluvium. Hierher gehört der Lüss, der den grössten
Theil der Donauebene bedeckt, sowie gewisse Schottermassen,
welche man in einigen Thalbecken vorfindet, in welchen auch
pliocäne Bildungen vertreten sein mögen.
Die sarmatische Stufe. Sehr schön ausgebildet sieht
man die Ablagerungen derselben am Unterlaufe des Isker, von
Devenci bis Gigeu-Mahala gegenüber von Moselievo, nicht weit
vom Flusse Osam, südwestlich von Nikopol.
Marinen Tegel der zweiten Mediterran stufe, ausgebildet
wie bei Baden im Wiener Becken, findet man nur am rechten
Ufer des Vid, westlieh von Pleven. (Vergl. die betreffenden Ab-
handlungen von Foetterle und v. Fritsch.)
Eocän mit Nummuliten findet sich nur in einer kleinen
Zone südlich von Trnovo. (Übersicht d. Reiserouten etc. I.e. S.277.)
Kreide -Ablagerungen bedecken den grössten Theil des
von mir durchforschten Gebietes. Obere Kreide: Senon und
Turon besteht in Bulgarien, sowie im nördlichen Europa aus
reiner Kreide und aus Kalkfelsen. Senon zeigt sich ausgezeichnet
bei Nikopol, Turon dagegen in der Gegend von Pleven. Dem
Cenoman und Gault entsprechen vielleicht gewisse Kalke und
fteolooische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 2ol
Sandsteine; in der unteren Kreideformation finden wir dagegen
nicht nur Aptien-Urgonien-Kalk, sondern auch Sandsteine
und sandigen Mergel, dazu noch Kalkmergel, der sehr reich ist
an Fossilien, (Besonders Ammoniten des unteren Neocom.)
Westlich von Trojan in der Gegend von Sipkovo bemerkte
ich ausserdem Ablagerungen der Jura-Formation (Lias?),
welche bei Teteven ihr Maximum erreichen.
In Hinsicht auf Eruptiv-Gesteine ist der von mir durchforschte
Theil sehr arm, da ich hier nur Andesit porphy rit mit Horu-
blenfle (Porphyrite (mdesitique ä Amphibole) und Basalt
gefunden habe. Die erstgenannten Gesteine sind im Thale der
Lakavica zwischen Pravee und Kalngerovo zu finden und die
basaltischen zwischen Osma und Jautra nördlich von Suhindol
bis Svistov.
Im Curjak-Balkan, auf meinem Wege von Sofia nach Orhanie,
fand ich Kreide-Sandsteine und mergelige Kalke, ähnlich wie
bei Lozen (SO von Sofia), die auf den rothen Sandsteinen und
Conglomeraten unmittelbar aufliegen. In diesem Profil des
Balkans fehlen ganz die dioritischen Gänge, die Toula östlich
im Orhanie-Balkan, nördlich von Araba-Konak nachgewiesen hat.
I. Ton Sofia über Curjakund längs des Isker nach der Donau.
1. Das Becken von Sofia. Dieses Becken liegt südlich
vom Balkan und dehnt sich (in der Richtung von NNW — SSO")
etwa 55 — 60 Km, in der Länge und 20 — 30 Km. in der Breite
aus. Umgeben ist es im Norden vom Sofia- und Murgas-Balkan, im
Süden von Lilin, Vitosa und dem Ichtimangebirge. Die östlichen
und die westlichen Gebirge sind unbedeutend.
Dieses breite Becken, welches eine mittlere Höhe von
566 Meter über dem Meeresspiegel erreicht, ist von Pliocänen,
Süsswasserablagerungen, Sand, Lehm und sandigem Mergel er-
füllt und nur oberflächlich mit diluvialem Geröll und mit alluvialen
Lehmmassen bedeckt.
Die diluviale Ablagerung breitet sich terrassenförmig um
die Gebirge aus und waltet im W und S vor; das Alluvium ist
mehr an den Isker gebunden. Das Material der quaternären
Formation bleibt sich in diesem Becken nicht an allen Orten
I
252 Zlatarski,
gleich; es hängt von der Beschaffenheit der Gebirgsstöcke ab,
um deren Fiiss es sich ausbreitet. So z. B. besteht die Ablagerung
im SW und S aus krystallinischen eruptiven Gesteinsmassen,
dagegen im K und 0 aus Quarzit, rothem Sandstein und
Phylliten; gegen NW ist dieselbe mehr sandig. Genaue Grenzen
zwischen diesen einzelneu Gebieten lassen sich jedoch nicht
ziehen, weil diese letzteren ihren Charakter oftmals verändern
und sehr gern in einander übergehen.
Ein anschaulicheres und geuaueres Bild von der Beschaffen-
heit des Beckens gewährt ein Aufschluss, der beim Abteufen eines
Brunnens für das Truppenlager im Jahre 1883 gewonnen wurde.
Der betreffende Punkt liegt rechts von der Strasse, welche nach
Knjazevo (Bali effendi) führt, drei Kilometer südwestlich von der
Kesidenz. Die Tiefe des Brunnenschachtes beträgt 21 Meter.
Von oben nach unten fand man:
1. Ungefähr einen Meter Ackerkrume;
2. gegen drei Meter Gerolle: die Grösse der einzelnen
Trümmer erreicht Faustgrösse. Die Rollstücke rühren meist von
Eruptivfelsen her, doch treffen wir auch Quarzite und rothen
Sandstein. Eine Art gelblich-schwarzer Lehm verkittet die ein-
zelneu GeröUe. In den unteren Lagen dieser Schichte und in den
oberen der folgenden findet man Stücke von Feldspath;
3. bläulichen, fetten, feuchten Thoumergel von ungefähr
2-7 Meter Dicke; in demselben kommen nur kleinere Stückchen
der obgenannten Gesteine vor;
4. gegen 3 Meter Flugsand, reich an weissem Glimmer, vor-
waltend aus feinen, weissen Quarzkörnchen zusammengesetzt;
5. 2 Meter festen Mergel mit unscheinlichen Sandlagen, in
denen Fischknochen gefunden wurden. ^ In dem Mergel selbst
sah ich kleine Gastropodenschalen (^Helix [?]);
6. 1 Meter feinen Flugsand ;
7. 1'5 Meter Sand mit Lehm vermischt;
8. 1 Meter grauweisse Thonerde;
9. 0-15 Meter feinkörnigen weissen Sand mit Glimmer; in
dieser dünnen Schichte findet man auch gelben Ocker ;
1 Prot. Toula konnte dieselben mit voller Sicherheit auf Sihirus
znrückt'ühren.
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc.
253
10. gegen 1-5 Meter sandig-en Thon-
mergel mit tveissem G-limmer, in dem sieh
Abdrücke von plioeänen Pflanzen finden
[Quercus u. and.); tiefer unten geht diese
Schichte in blauen Tlionmergel über;
11. 0-3 Meter weissen, feinkörnigen
Quarzsand;
12. 2-2 Meter desgleichen^ doch grob-
körnig; in dieser Schichte kommen abgerun-
dete und eckige Quarzit-, Andesit- und Quarz-
stücke vor ;
13. sandigen Thon, in dem man auf
Wasser stiess. (Yergl. Fig. 1. )
Vergleichen wir dieses Profil mit irgend
einem beliebigen anderen desselben Beckens,
so werden wir die nämliche Vertheilung
finden. Der Unterschied besteht nur in der
Mächtigkeit der Schichten. An der Strasse
nach Constantinopel stösst man auf grünlichen
Mer gelthon schon in einer Tiefe von einem
Meter, beim Truppenlager in vier Meter
Tiefe, dagegen bei Gornja-Bauja (Jokari
Banja) erst in einer Tiefe von circa 12 Meter.
Bei Dobroshivci (Iskrezer Kreis), Ger-
man (Kreis von Sofia), wie auch an anderen
Orten unseres Beckens findet man in diesem
Schichten- Complexe ausser Geröll, Thon und
Sand auch Lignit, doch ist dieser von gerin-
ger Qualität und dünnschichtig, desshalb
kann auch an seine Ausbeutung nicht gedacht
werden. ^
Weitere Details über das Becken von
Sofia enthalten meine in dem Organ der
Fi-. 1.
Mater
iZlatarski, Geologisches Profil von Sofia
über Saranci (Taskeseu), Orhanie und Etropole bis
zu den Höhen des Zlatica-Balkan. Periodicesko
Spisanije etc. Nr. IV, 1883, pag. 2. (Balg.)
254 Zlatarski,
bulgarischen literarischen Gesellschaften veröffentlichten Abhand-
lungen. ^
2. Von Sofia über Curjak nach Orhanie. Die dilu-
vialen Terrassen, die sich von den nördlichen Abhängen der
Yitosa in das Thal senken, reichen bis zur ersten Brücke der
Strasse nach Orhanie. Die Ebene, die hier beginnt und sich
gegen Osten ausdehnt, ist auf beiden Seiten des Isker mit allu-
vialen Ablagerungen bedeckt; sie wechseln in ihrer Beschaffen-
heit — bald sind sie sandig, bald lehmig — und erstrecken sich
ununterbrochen bis Novo-selo. (Viele Tumuli.)
Im allernächsten Grebiet des Isker ist das Alluvium sandig
nnd wenig fruchtbar, daher auch weniger cultivirt, als zwischen
Podujene und Vrazdebua. Dasselbe ist auch jenseits des Isker
der Fall, wo die Ebene mit fein- und grobkörnigem Sand bedeckt
ist und worauf ausser einigen ärmlichen Riedgräsern fast nichts
anderes gedeiht.
In einer Entfernung von IGYg Kilometern (von Sofia aus
gerechnet) verliess ich die Hauptstrasse und lenkte nach links
gegen Jelesnica ein, um einem Wunsche Professor Toula's zu
entsprechen, über die problematische Verbreitung der dioritischen
Gesteine nach W Gewissheit zu erhalten. Der Weg führte mich an
dem Südabhange einer Diluvialterrasse hin. Die Diluvialab-
lagerungen bestehen vorzüglich aus glatten, doch nicht voll-
kommen abgerundeten Phyllitstücken; bei einigen sind die Ecken
noch ganz unversehrt; Quarzit und Sand sind weniger vertreten.
Der Boden ist ausserordentlich arm an jeglicher Vegetation. Die
Bevölkerung sieht sich gezwungen, die Acker reichlich zu düngen,
um kümmerliche Ernten zu erzielen.
Die vom Balkan herabstürzenden Wildbäche haben tiefe
Furchen eingerissen und diese geben die beste Gelegenheit, sich
mit der Beschaffenheit der alluvialen Ablagerung genauer bekannt
zu machen. Zu oberst sieht man eine Art grauweisser, lockerer
Erde; dieselbe ist glimmerig, reich an Thon und arm an Kalk und
Sand. Unter dieser Erdschichte kommt wieder das oberwähnte
Phyllitgeröll, stark mit Thon vermischt, zum Vorschein; tiefer
1 a) Periodicesko Spisauije etc. etc. Nr. IV, pag-. 1—32. h) Petro-
graphische Untersucliimgen über die eruptiven und luetamorphischeu Felsen
Bulgariens. Period. Sp. Nr. IX, 188 i, pag. 52—82. (^Bulg.)
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 2o5
unten aschg-rauer Thon und zu Unterst vrieder das dunkelfarbige
Phyllitgerölle.
Der Weg führt zuerst im Thale des Baches in der Richtung
nach X hin, lenkt aber bald nach NO ein, indem er eine neue,
ziemlich hohe Terrasse erklimmt, die sich sehr schnell gegen das
Flüsscheu von Zeljava erhebt. Auf dieser Terrasse verschwinden
die Phyllite zu allererst unter dem prächtigen Humus, doch
zeigen sie sich bald wieder in südlicher Richtung von Zeljava.
In dem tiefen Thale des gleichnamigen Baches finden wir von
oben nach unten:
1. 0-5 Meter lockeren, röthlichen Ackerboden.
2. Zwei Schichten (0- 1—0-3 Meter) feines Phyllitgeröll.
3. Eine Schichte desselben Gerölls, die einzelnen Stücke
sind jedoch hier grösser; ausserdem bemerkt man unter den-
selben auch abgerundete Stücke von rothem und weissem Sand-
stein, wie auch von Quarzit und Dioritgranit.
4. Wieder ungefähr ein Meter Geröll, die weissrothen
Quarzite und der Sandstein walten vor gegenüber den Phylliten.
In dieser letzten Schichte findet sich auch ein Einschluss von
röthlichgelbem Thon.
5. Zu allerimterst waltet der Lehm vor; in diesem gewahren
wir graugrünliches Phyllitgeröll. ähnlich jenem von Araba-
Konak, weissen und rothen Sandstein und Quarzit.
Aus dem dargestellten Profil können wir sehr leicht eine
Andeutung erhalten von der geologischen Beschaffenheit jenes
Theiles des Balkangebirges, der sich nördlich von Zeljava er-
streckt. Weisser und rother Sandstein dürfte grauschwarze
Phyllitgesteine bedecken oder bedeckt haben, granitiscb-diori-
tische Gesteine müssen im Bereiche der Wasserläufe angenommen
werden. Das heutige Flüsschen freilich führt zumeist dunkle
Phyllite und nur hie und da auch Sandsteinstücke.
Einen Kilometer südlicher von Jelesnica gewahrt man plötz-
lich einen Gebirgsstock, der sich von SO nach NW erstreckt.
In seiner ganzen Ausdehnung sichtbar wird er erst am linken
Ufer des Jelesnica-Baches, wenn man auf die Terrasse steigt.
Das Material dieses Gebirgsgliedes besteht aus feinkörnigem
Quarzit, die Körnchen sind grauweiss oder röthlich, doch
erscheinen sie in Folge der Impräguirung mit wasserhaltigen
256 Zlatarski,
EiseDverbiuduiigeu öfters auch dunkelroth gefärbt. Der grössere
Theil dieser Gesteinsmassen lässt sich leicht blättern, doch finden
sich darunter auch ganz massige Partien wie echte Quarzite.
Diese letzteren enthalten auch zum Theil wohl ausgebildete
Pyritkrystalle ooOoo, . Zumeist wurden diese jedoch durch
äussere Einwirkungen umgewandelt und haben ihre ursprüngliche
Form und Farbe ganz eingebüsst. Manche erscheinen geschwärzt,
andere in rothe Farbe verwandelt. Der Pyrit hat sicher eine
Hauptrolle bei der Zerbröckelung dieser Gesteinsmassen gespielt.
So viel es ersichtlich ist, haben die Sandsteine und Quar-
zite keine beträchtliche Mächtigkeit (30 — 40 Meter) und reichen
dieselben hier nicht sehr weit nach W. Bei Zeljava verschwinden
sie und zeigen sich nur in den niedrigen Hügeln. So unklar die
Stratification dieses Gesteines auch sein mag, so massig es auch
erscheint, man kann dennoch sehen, dass seine Schichten nicht
dicker sind als 0-3 — 0-4 Meter. Sie verflachen mit 30° gegen NW.
Südwärts vonJelesnica treffen wir dieselben Felsarten an. Das
genannte Dorf liegt am Bächlein, eingeklemmt zwischen den felsi-
gen Wänden eines Defiles, welches den ganzen Gebirgsstock in der
Richtung von N nach S durchbricht. Die Dächer der Häuser sind
mit Ziegeln oder Ph3'llitplatten bedeckt, als Baumaterial werden '
meist thoniger Kalkstein und mergeliger Sandstein verwendet.
Mitten im Dorfe brechen die letzteren aus den anderen
Gesteinen unvermittelt hervor. Sie enthalten sehr viele Glimm er-
blättchen. Mit der Lupe kann man auch bläuliche Calcitadern
bemerken; schon mit freiem Auge aber wird man der bekannten
Hieroglyphen gewahr, wie sie dem Karpathensandsteine eigen
sind. Diese Saudsteine wechseln mit thonigem Kalk und dünnen
Mergelschichten ab und zeichnen sich durch ihre dunkelrothe,
aschgraue oder grünliche Färbung aus. Die rothen Kalkmergel
haben eine grosse Ähnlichkeit mit jenen, die in dem Hügel ober-
halb Lozen vorkommen, und die v. Höchst et ter für Gault hielt. *
Die hier erwähnten Felsen spalten sich sehr leicht in dünne
Platten und fallen nach S (h. 14) unter einem Winkel von 74°.
iDie geologischen Verhältnisse des östlichen Theiles der europäischen
Türkei; I. Theil, 1870. Jahrbuch der geologischen Eeichsanstalt, 20 Bd .
p. 439.
Geologische Untersuchungeu im ceutralen Balkan etc. 257
Die Kreideschichten, die bei Jelesnica beginnen, breiten sieh
auch ausserhalb des Dorfes in nördlicher Eichtung aus. Der
Bach durchbricht sie der Quere nach; die zwei felsigen Ufer, die
dadurch gebildet werden, weisen die grösste Übereinstimmung
auf. In den obersten Schichten bemerkt man Gllimmersandsteine
mit den oberwähnten Hieroglyphen, darunter auch sandigen Thon;
beide Gesteine gehen zuletzt in Glimmerkalkstein und Kalk-
mergel über. Gegen die Mitte des geschichteten Complexes zeigt
sich ein nicht besonders mächtiges Conglomerat, welches ausser
den gewöhnlichen Bestandtheilen auch Thon und Sand enthält;
dasselbe hat eine grünliche Färbung. Trotz der Armut dieser
Formation an Versteinerungen konnte ich in den untersten
Schichten eine reichliche Anzahl von grossen Ostreen entdecken,
die sich leider aus dem Gesteine nicht unversehrt herausschlagen
Hessen.
Diese Kreideschichten breiten sich östlich und westlich von
Jelesnica aus. Als südliche Grenze müssen wir das Dorf selbst
annehmen, als Scheide gegen N aber den Bach von Curjak, der
hier in der Richtung von 0 nach W fliesst. Bis wohin dieses
Kreidesystem nach 0 und W reicht, kann ich jetzt nicht be-
stimmen. Ebenso bleibt es mir unbekannt, ob dasselbe einstens
nicht einen grösseren Raum im südlichen Theile der Baikaukette
eingenommen hat. *
Bevor sich der Weg nach 0 gegen Potop wendet^ und die
Längsrichtung des Bächleins einschlägt, kommen unter den
thonig-kalkigen Kreideschichten schwarze Thonschiefer zum Vor-
schein, die sich blattförmig spalten lassen, aber sich sehr unregel-
mässig zerstückeln. Ihre Mächtigkeit übersteigt kaum zehn
Meter: ihre Lage ist ganz der Lage der kalkthonigen Schichten
concordant. Sie haben eine grosse Ähnlichkeit mit jenen
schwarzen Schiefern, die man südlich vom Kloster Trojan längs
1 In Betracht zu ziehen wären „die problematischen Thoumergel bei
Eonca" (am nördlichen Ende der Enge von Kurilo, nördlich von Sofia, am
Isker). M. vergl. Toula's Angaben darüber, Sitz. B. LXXVII. Bd. 1878
Am Schlüsse der Abhandlung.
2 Die Karte des österreichischen Generalstabes erweist sich hier als
ganz und gar unrichtig.
258 Zlatarski,
des schwarzen Vid antrifft und die Dr. Fritsch' als Neoeomien
bezeielinete, womit ich übereinstimme. ^
Unter den Thonschiefern kommen wieder jene sandigen
Quarzite zum Vorschein, die wir bei Jelesnica zu sehen Gelegen-
heit hatten; dieselben weisen jedoch auch diesmal keine beträcht-
liche Mächtigkeit auf. Weiter bemerkt man rothes Conglomerat
und rothen, festen quarzitähnlichen Sandstein. Alle diese Fels-
massen stehen in grosser Concordanz mit den obersten Gesteinen.
Der Weg wendet sich nun gegen 0 und geht auf die rechte
Seite des Baches Curjak über, dessen Thal mit Diluvium erfüllt ist.
Dieser Bach kann als Grenze zwischen der Dyas- und der Kreide-
formation angenommen werden; nördlich von demselben erstreckt
sich die Dyas-, südlich die Kreideformation. Nur bei Potop geht
die thonige Kreide auch auf die rechte Seite des Bächleins über,
jedoch nur in einer ganz unbedeutenden Ausdehnung.
Um Potop herum sehen wir nur weisse Sandsteine und
Quarzite; darunter sind manche Partien durch die Einwirkung
des in denselben eingesprengt sich vorfindenden Pyrites zersetzt,
bröcklig und röthlich gefärbt. Diese Felsmassen ragen an den
kahlen Abhängen des rechten Bachufers, wo die Einwirkung der
Atmosphäriliensich am stärksten bethätigen konnten, ruinenähnlich
steil empor. In den Tiefen der von den Sturzbächen ausgewühlten
Gräben bemerkt man hie und da unter dem rothen Conglomerat
auch paläozoische Phyllite. Zwischen Potop und Curjak herrschen
diese letzteren vor, doch zeigen sich auf dem Wege nach Curjak
vereinzelt auchQuarzitblöckc; so aufhalbemWege zwischen jenen
Dörfern. Die Phyllite sind meistentheils schwarz, doch weisen sie
in manchen Partien auch eine grünlichgraue oder aschgraue, ja
sogar weissliche Färbung auf. Die Hausdächer in Curjak, Potop und
zum grossen Theile jene in Jelesni ca sind mit Phyllitplatten bedeckt.
Curjak ist das höchst gelegene Dorf in diesem Theile des
Balkangebirges. Es zeichnet sich durch seine pittoreske Lage
aus. Wäre seine reizende Tlialmulde von höheren Gebirgsketten
umgeben, so könnte Curjak in Bezug auf die Naturschönheit mit
1 Beitrag zur Geognosie des Balkan, pag. 3.
- Geologische und paläontologische Notizen, aufgezeichnet zwischen
Pleven und Trojanski Balkan. — Periodicesko Spisanije, Nr. X, Jahrg. 1884,
pag. 72. (Bulg.)
Geologische Uutersuchimgen im centralen Balkan etc. 259
dem wegen seiner malerisclien Lage berühmten Eilokloster wett-
eifern.
Mitten durch das Dorf fliesst der gleichnamige, krystallhelle
Bach, in welchen sich die Metlikovica ergiesst, welche ihre Quellen
auf der Zla-poljana hat.
Drei Saumwege führen von Curjak nach Orhanie : der erste
an Baba und Svadbaruik vorüber, über den Hügel von Curjak,
längs des Flüsschens Orla bis zur Chaussee von Klissura; der
zweite über den Kamik, an Radin-Kladenec, Oseuov-preslop vor-
bei, längs der Osenica nach Vraces und der dritte über Eayovo,
Ljubena, Jocova livada, Murgas, Zla-poljana, Novo-sel grb, längs
der Osenica über Vraces nach Orhanie.
Ich wählte den dritten Weg. Dieser führt erst im Thale der
Metlikovica, biegt aber bald uach rechts und schlägt über den
Pobit-kamik die Richtung gegen Murgas ein. Dieser Weg ist
felsig, steil und ausserordentlich beschwerlich, besonders zu
Regenzeiten, doch wird man für die Mühseligkeiten andererseits
vielfach durch die Schönheit der Gegend entschädigt.
Die paläozoischen Schiefer fallen bei Curjak mit 65 — 75°
nach S undSW; sie haben also fast den nämlichen Neigungs-
winkel und dieselbe Richtung wie die rothen Sandsteine und die
sandigen Glimmerschiefer des Malinabaches, oder wie die Schiefer
von Araba- und Baba-Konak. ^
Jenseits Curjak haben die Phyllite eine mehr dunkelgraue
oder schwärzliche Färbung und unterscheiden sich fast in keiner
Beziehung von dem Carbouschiefer bei Ljutidol, im Iskerthale.^
Die grauschwarzen Platten, die wir hier sehen, sind Thonschiefer
(Phyllite); sie haben eine ziemlich feste Structur, lassen sich
leicht in dünne Blätter spalten, in denen reichlicher Glimmer in
Form von winzigen Blättchen enthalten ist, sind ziemlich schwer
und hart und geben beim Anschlagen einen hellen Klang; Wasser
saugen sie nicht auf, Säuren wirken auf sie fast gar nicht ein, in
grosser Hitze werden sie fester und härter, weisse Quarzadern
sind spärlich vorhanden.
1 Fr. T Olli a, Grundlinien etc., S. 15.— Period.spis.Nr. IV,pag.llu.l5.
'^Fr. Toula, Grundlinien der Geologie des westlichen Balkan. Denk-
schriften. 44. Bd. 1881, pag. 16.
260 Zlatarski.
Gegen die Höhen des Balkan gehen die Phyllite in Thou-
schiefer über; diese letzteren zeichnen sich durch ihre grünlich-
aschgraue Farbe aus und dadurch, dass sie nach N unter einem
Winkel von nur 45° fallen. Manche Partien dieses Thonschiefers
ragen steil empor und weisse zerklüftete^ zerbröckelte Quarzite
und Sandsteinmassen füllen den Weg so aus, dass man nur mit
grosser Mühe fortkommen kann.
Im Cnrjakbalkan, wie auch in der Nähe von Potop stiess ich
auf ansehnliche Haufen von Eisenschlacken, von denen mir die
umwohnende Bevölkerung jedoch nichts zu berichten wusste. Die
Frage, ob hier Eisenerze vorkommen, oder ob Eisenerze zur Ver-
hüttung hierhergebracht, dem Brennmaterial zugeführt wurde,
ist eine offene.*
Nordwestlich von Curjak liegt im Murgasgebirge der Ort
Ljuben. Der hier vorkommende Thonschiefer ist aschgrau, spaltet
sich leicht in dünne Platten und scheint glimmerreieher zu sein,
als die schwarzen Phyllite. Ahnliche Schiefer sahen wir auch
früher.
Eine wunderschöne Aussicht geniesst man von Ljuben aus:
vor allem in weiter Ferne das imposante Rilogebirge mit seinen
gigantischen (obwohl schon Ende Mai) noch immer schnee-
bedeckten Höhen.
Gegen Jocova-livada werden die Thonschiefer intensiver
blau, ebenso wie auch die von Zla-poljana. An dem letzten
Orte kommen über den paläozoischen Schiefern auch mächtige
Quarzsandsteine in Form von ruinenartigen Felsen zum Vor-
schein. Die Schieferschichten streichen von SO nach NW und
fallen mit 17° nach SW (h. 16). Sie enthalten graue, festere
Schiefer und echte glimmerige Kieselschiefer, welche wider-
standsfähiger riffartig aufragen,^
Von Zla-poljaiia führt der Weg in nordöstlicher Richtung
weiter; er senkt sich über einen ziemlich steilen Abhang in das
1 Mau vergl. über das Vorkommen von Manganerzspuren etwas östl.
von dieser Stelle: Denksclir., Grundlinien etc., S. 15.
- Man verg-l. Fr. Toula, Grimdlluien etc. 1881, p;ig. 19 ff. über die
überaus ähnlichen Verhältnisse auf der westlich gelegenen Profilstrecke
Osenovlak-Ogoja, sowie Sitzungsb. 1878 über die paläozoischen Thon-
schiefer mit Qiuirziteiulageruugen im Isker-Defilö nördlich von Ronca.
Geologische Untersuchimgen im centralen Balkan etc. 261
Thal der Ceskovica niid verfolgt die bezeichnete Richtung"
zwischen diesem Bache nnd seinem Nebenflüsschen Ossenica,
welches sehr bald erreicht wird. Wir befinden uns hier schon auf
dem Nordabhange des Balkan, immer noch im Gebiete derselben
Schieferformation mit den bläulichen Kieselschiefern. Von anste-
henden Eruptivgesteinen fand sich auf dieser Strecke nicht die
geringste Spur, auch bei Vraces nicht. Es herrsehen demnach auf
derEoute Jelesnica-Vraces ganz ähnliche Verhältnisse wie sie Prof.
Toula in seinen unten citirten Profilen constatiren konnte. Die
Eruptivgesteine („Grünsteine"), die auf der Route Baba-Konak-
Orhanie von Prof. Toula angetroffen wurden (Grundlinien etc.,
pag. 15), reichen jedoch nicht so weit nach W, wie auf der
Karte hypothetisch angenommen wurde. Dies wird uns am
klarsten durch den Umstand bewiesen, dass die Eruptivfelsen
im Defile von Etropoie die Phyllite in Form von Gängen durch-
brechen, und dass sie sich keineswegs ununterbrochen in östlicher
und westlicher Richtung vom genannten Defile erstrecken.
Somit herrscht auf der Nordseite des Balkans eine grössere
Monotonie als auf der südlichen, wo wir auch Überreste von
Ablagerungen der Dyas und Kreide fanden. Im N walten aus-
schliesslich die Thonschiefer vor; dieselben fallen unter
wechselnden Neigungen nach S und SW. Erst gegen Ossenica
hin verflachen sie nach N, um jedoch bei Vraces wieder südwärts
einzufallen (mit 20—30°).
Der Bach Ossenica durchbricht die Thonschiefer ; sie sind
hier von dunkelgrauer Färbung, blättern sich unregelmässig und
zeigen die dem Karpathensandsteine eigenthUmlichen Hiero-
glyphen; der weisse Glimmer ist nicht gleichmässig vertheilt,
bald erscheint er gehäuft, bald fehlt er ganz und gar.
3. Von Orhanie über Hubavene und Karlukovo
nach Lukovit. Orhanie liegt in der Mitte der südlichen
Hälfte des gleichnamigen Beckens, welches in vielen Beziehungen
dem Becken von Sofia ähnlich ist. Es ist wie dieses letztere
von hohen Gebirgsketten eingeschlossen, die sich nach 0 immer
mehr und mehr nähern, bis sie sich bei Pravec vereinigen.
Auch dieses kleine Süsswasserbecken weist einen ausser-
ordentlich fruchtbaren Ackerboden auf. Die Feuchtigkeit, die
demselben niemals ermangelt, wie auch die sorgfältige Pflege,
262 Zlatarski,
die ihm seitens der fleissigen Bevölkenmg zu Theil wird, bringen
es mit sich, dass seine Fluren selbst während der heissesten
Sommer in saftigem Grün prangen.
Das Becken von Orhanie weist in seinen obersten Schichten
einen schönen, grauweissen Lehm auf, der hier zur Fabrikation
von vortrefflichem Geschirr verwendet wird. Der Diluvialschotter
beschränkt sich meist auf die Terrassen, die sich von dem um-
gebenden Gebirgsgürtel aus von verschiedenen Seiten allmählich
in das Thal senken.
Bei den Pravecer Herbergen erblicken wir zu allererst
Thonglimmerschiefer, die ihrer Schichtung und ihrer Beschaff'en-
heit nach dem Glimmerschiefer sehr ähnlich sind. Der Fels ist
grünlich und reich an Glimmer, Felds}Dath und Quarz; ausserdem
gewahren wir in diesen Schiefern rein weissen, feinkörnigen
Kalkstein (Kieselkalk'?) in Form von gTösseren und kleineren
Adern.
Diese Thonglimmerschiefer halten jedoch nicht lange an und
schon bei Lakavica kommt ein halbkrystallinisches Gestein zum
Vorschein, in dem fast gar keine Schichtung oder plattige Ab-
sonderung bemerkt werden kann. In Dünnschliffen und unter
dem Mikroskope betrachtet, weist es ausser Quarz- und Feld-
spathkörnchen noch Eisenoxydhydrat in kleinen Bröckchen
und unregelmässigen Einlagerungen auf. Der Quarz ist rein und
durchsichtig, der Feldspath unrein und trüb.
Höchstwahrscheinlich sind auch die Felsen von Lakavica,
die bald weisslich und grobkörnig, bald grünlich und talkähnlich
sind, nichts anderes als durch die Einwirkung der benachbarten
Eruptivgesteine umgewandelte Schiefer. Ahnliche Felsarten trifft
man sehr oft in Südwest-Bulgarien an, besonders in den Grenz-
gebieten gegen Macedonien (um Kjustendil herum).
Der Weg nach dem Dorfe Lakavica trennt sich von dem
Ablanica-Weg bei der Drvniker Brücke. Bis hieher ersti-ecken
sich die Schiefer und die halbkrystallischeu Gesteine. Im weiteren
Verlaufe weichen sie einem ziemlich harten Quarzsandsteine
mit kalkigthonigem Bindemittel. Die Saudsteinschichten wech-
seln mit Mergel und Thonlagen, sowie auch mit blaufärbigen
Kalksandsteinen ab. Dieser ganze Complex fällt nach SO (mit
45°) ein.
Geologische Unter suchungeu im centralen Balkan etc. 263
Die stratigraphisch-tektonischen Verhältnisse dieser Ge-
steine habe ich an anderer Stelle ausführlich beschrieben.
Bevor wir noch den ersten Hauptzufluss der Lakavica, der
aus der Gegend der Weiler von Ossikovica herabstürzt, erreichen,
gewahren wir den ersten Andesitgang, welcher hier eine Dicke
von 7 — 10 Metern aufweist, und die Sandstein- und Mergel-
kreidefelsen durchbricht und bis an die Oberfläche gelangt.
Die diesem vulkanischen Durchbruch benachbarten Gesteine
haben bedeutende Veränderungen erlitten; sie sind schwarz,
schieferig und haben eine grosse Ähnlichkeit mit schwarzen
Thonschiefern. Die Schichtung ist nicht au allen Stellen gleich
klar ersichtlich. Wo sie wirklich beobachtet werden kann, sind
die Schichten fast vertical aufgerichtet und blättern sich in der
Richtung von SO nach NW. Ein zweiter Andesitgang, ungefähr
ebenso stark als der erste, zeigt sich in einer Entfernung von
drei bis vier Metern an dem Bache selbst, doch durchbricht der-
selbe nicht alle Schichten und kommt nicht bis an die Oberfläche ;
mau kann ihn nur im verticalen Durchschnitt am rechten Lakavica-
ufer sehen. Auf dem Wege nach Lakavica passiren wir noch
drei ziemlich mächtige und zwei weniger mächtige Eruptivgänge.
Bevor man das Dorf selbst erreicht, findet man am Bache körnigen
Feldspathfels mit Markasiteinschlüssen. Durch die Verwitterung
dieses Minerals wird das Gestein aufgelockert, es bilden sich
Ocker und Vitriole, welche jedwede Vegetation verhindern. Ahn-
liche Markasit enthaltende Felsarten finden sich auch in der
Gegend von Celopec, in dem Kreise von Zlatica. ^
Die eruptiven Ganggesteine können nach mikroskopischer Unter-
suchung folgendermassen unterschieden werden:
a) Gesteine mit weissgrauer Grundmasse, iu der kleine, dunkelgrüne bis
schwarze Amphibolkrystalle und etwas grössere, weisse Feldspath-
krystalle eingesprengt erscheinen.
h) Gesteine mit dunkelgraugrüner Grandmasse, mit kleineren Feldspath-
und grösseren Amphibolkrystallen. Hiebei gibt es noch einige
Übergänge.
1 Geologisches Profil von Orhanie über Ablanica, um Dragovika,.
Panega, Goljama, Bresnica, Dermanci bis Pleven. Per, Spis. VII. 1883. (Bulg).
2Man vergl. F. Toula, Grundlinien etc., pag. 22. Prof. Toula be-
spricht dieses Eruptivgebiet auf der Route Pravec-Osikovo in den Grund-
linien etc., pag. 26.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. 18
264 Zlatarski,
Ihrem Äusseren nach tragen diese Gesteine die Hauptmerkmale der
Porphyre; auf dem grauen oder grünen Grunde sieht man zierliche, weisse
Feldspathkrystalle und grüne oder schwarze Amphibolprismen. Die anderen
Elemente kann man nicht mit freiem Auge unterscheiden. Unter dem
Mikroskop erscheint als vorwaltendes Mineral der Feldspath; derselbe
kommt meist in Krystallformen, aber auch in Körnern vor, diese letzteren
machen hauptsächlich die Grundmasse aus. Der Feldspath ist trüb, unrein
und oft so weit kaolinisirt, dass man kaum den Plagioklas vom Orthoklas
unterscheiden kann. Die grösseren Krystalle sind häufiger vertreten als die
Mikrolithe. Polygonale Durchschnitte sind häufiger als rechteckige. Den
zonalen Aufbau mancher Krystalle kann man auch mit freiem Auge unter-
scheiden. Der Plagioklas waltet über dem Orthoklas vor; das letztere
Mineral erscheint in einzelnen Krystallen oder in Zwillingen nach dem
Karlsbader Gesetz; sehr klar ist die polysynthetische Structiir der Plagio-
klase. Einschlüsse von Magnetitkörnchen, Trümmer von Amphibol und
kleinen Apatitnadeln etc. sind häufig. Das zweite Hauptmineral ist die
Hornblende. Sie kommt meistens in säulenförmigen Krystallen vor, in
welchen jedoch die Zersetzung sehr weit vorgeschritten ist. Von den
grösseren Krystallen gewahrt man sehr oft nur noch die Umrisse und einige
grüne, netzartige Flecken, um die sich Magnetitkörnchen gruppiren. Ihrer
Farbe nach ist die Hornblende grasgrün oder braun; ihr Dichroismus ist
sehr matt; man gewahrt sie auch in der Grundmasse eingesprengt in Form
von unregelmässigen Bruchstücken. Ausser diesen beiden Mineralien finden
wir noch Magnetit, selten krystallisirt oder in grösseren Körnern. Ausser
in Mikrolithen erscheint der Apatit auch in prismatischen Krystallen.
Ausserdemfinden wir noch: Quarz, Calcit, Chlorit und Limonit. Der Quarz
kommt vor in Körnern und in Krystallen, deren Kanten entweder schwach
abgerundet oder scharf sind. Dieses Mineral findet sich gewöhnlich neben
Calcit, von dem es jedoch sehr leicht unterschieden werden kann: die
Quarzkörnchen zeichnen sich nämlich auch hier durch ihre Durchsichtigkeit
und Reinheit aus. Der gi-össte Theil der Hornblende ist in Chlorit umge-
wandelt, der Magnetit hingegen geht in Limonit über. In der mikrofel-
sitischen Basis, die in dünnen Schliffen ganz farblos erscheint, erblickt
mau meistens Magnetitkörnchen und Bruchstückchen von Hornblende,
Chlorit oder Limonit, die der Basis ein ganz eigenthümliches Aussehen
verleihen.
In Anbetracht der inneren Beschaffenheit dieser Gesteine
und der Minerale, die in denselben enthalten sind, können wir
nur zu der Überzeugung kommen, dass man dieselben entweder
zu den Andesiten oder zu den Porphyriten zählen muss. Die
Eruption kann unmöglich in einer Zeit vor der Kreideformation
geschehen sein, weil die Neocommergel und die Kalksandsteine
durchbrochen werden; um wie viel sie aber jünger sind als das
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 265
Neocom, dies lässt sich nicht einmal annähernd bestimmen. Ich
bin zu der Annahme geneigt, dass die Eruption in der Kreide-
periode vor sich gegangen ist und desshalb nenne ich diese Fels-
art nach der Classification von Fouque und Levj Audesit-
porphyrit mit Hornblende (Porphyrite andesitique ä
Amphibole). ^
Diese Plagioklasamphibolgesteine kommen sowohl bei Ossi-
kovica^ als zwischen Ossikovica und Vidrari^ vor, doch sind die
Oesteinsbestandtheile an diesen Stellen sehr verwittert, so dass
eine genauere Bestimmung derselben unmöglich ist. Professor
Toula hat sie als „Trachyte mit Porphyrstructur" bezeichnet.
Von der Drwniker Brücke bis zum Dorfe Lakavica und
weiter nördlich haben die Sedimente, soweit die Eruptivgesteine
reichen, bedeutende Veränderungen erlitten. Sie erscheinen
schwarz, schieferig-sandig, thonig oder sandig-kalkig und unter-
scheiden sich in keiner Beziehung von jenen Gesteinen, die wir
bei der Brücke von Ossikovica sehen können. Aufschlüsse finden
sich nur auf dem rechten Ufer, die linke Seite ist mit dichtem
Gebüsch und mit jungem Walde bedeckt.
Unweit Lakavica, in dem Thale, welches sich rechts vom
Dorfe hinzieht, finden wir Trümmer von Conglomeraten und
rothen Sandsteinen, die wahrscheinlich aus den Gebirgshöhen
hergeschwemmt sind; mit diesen zusammen kommt noch eine
Art grauschwarzen Mergelkalksteins vor, der eigentlich nichts
Anderes ist als umgew^andelter kalkiger Kreidesandsteiu. Mitten
im Dorfe bemerkt man wieder einen Eruptivgang von derselben
Felsart; dieselbe erstreckt sieb auch über den Fluss.
Mit dem Verschwinden der vulkanischen Gesteine geht auch
die Spur der schwarzen, leicht veränderlichen Gesteine verloren,
die neben denselben vorkommen. Beim nördlichen Ausgang des
Dorfes Lakavica gewahrt man schon aschgraue Mergelschiefer,
welche weiter nach N in bläulichen, für unser Neocom ausser-
1 Mineralogie micrographique, Roches eruptives ti-an^aises. Paris 1879,
p. 156, 166.
■^ Fr. Toula, Grundlinien etc. etc. p. 26. — Zlatarski, Periocl. Spis,
IX, p. 59.
3 Period. Spis. IX, p. 60.
18*
266 Zlatarski,
ordentlich charakteristischen Mergel übergehen. Sowohl die einen,
als die anderen schliessen einen Winkel von 30° ein und fallen
nach S.
Unweit Lakavica, auf dem Wege nach Kalugerovo, an der
Stelle wo der Bach eine genau nördliche Kichtung einschlägt,
beginnen über den blauen Mergeln die Kalksandsteine, Sandkalk-
steine und Schieferthone. Dieselben unterliegen einer fort-
währenden Veränderung und enthalten eine Menge von Fossilien.
Diese Gesteine verflachen ungefähr in der Richtung von 0 nach W
und fallen, anfangs ziemlich steil, nach N (li. 23) unter einem
Winkel von 72—78°.
Schichtenfolge von unten nach oben:
Über dem bläulichen Mergel liegen:
1. Eine meterdicke Schichte von sandigem Kalkstein, der in
frischem Zustande blau gefärbt erscheint und neben anderen
eine grosse Menge von genauer nicht bestimmbaren Ostreen
enthält.
2. Eine 2-5 Meter dicke Schichte von Thon und sandigem
Mergel.
3. Kalkstein mit dünnen Lagen von Mergelsandstein.
4. Grau röthlicher, dichter, sandiger Kalkstein, der ausser-
ordentlich hart und reich an Fossilien ist. Leicht kenntlich sind
die Ostreen und eine Lima. Dieser Kalkstein hat eine grosse
Ähnlichkeit mit dem unter 1 beschriebenen.
5. Aschgrauer, fester Kalkmergel und mergeliger Sandstein.
6. Eöthlicher Kalkstein, reich an Ostreen, ähnlich dem
unter Punkt 4 erwähnten, jedoch olme Sandsteineinlagerungen.
7. Röthlich-blaue Kalksteine.
8. Aschgrauer sandig-thoniger Kalkstein mit Fossilien,
darunter auch Ostrea. In dieser Schichte finden wir noch eine
Eufjyrü, die eine sehr grosse Ähnlichkeit hat mit Eiigyra
interrupta E. de From. (Palöontol. frangaise, Terrain crötace,
T. VIII, p. 444, pl. 115, Fig. 3.) Diese Korallenart fand S. Gras
bei Sault (Vaucluse) in Frankreich vor. * Ausser Eugyra kommen
noch Cidariten-Stachel vor.
1 Das kleine Koralleustöckchen, ein schlecht erhaltenes Bruchstück,
Btimmt nach Prüf. Toiila recht gut überein mit den schönen Stöcken einer
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 26 <
9. Gvauröthlicher, fester Kalkstein mit dünnen Calcitadern,
reich an schlecht erhaltenen Versteinerungen. Es kommen
Korallen, Bivalven etc. A'or.
10. Eine Schichte grauen Mergelthons, reich an Gastropoden
und Bivalven {Cyprina, möglicherweise Cyprina rostrata Fitton,
Nation [Ampullina?] etc.).
11. Blauer, fester Mergelkalk; derselbe enthält grössere
Mengen von Ostreen und anderen Bivalven; hier fand ich ein
schönes Exemplar von Cidaria cfr. Lardyi Desor und von Rhyn-
chonella lata d'Orb.
12. Feinkörniger, thoniger Sandstein mit nicht genaubestimm-
baren Bivalven.
13. Aschgrauer Kalksandstein; in demselben finden sich
Cidaritenstacheln.
14. Dichter, grauer Mergelkalk.
15. Dichter Kalk, mit Fossilien, Bryozoen, Gastropoden und
Bivalven überfüllt; derselbe sieht dem unter 6 beschriebenen sehr
ähnlich. ^
In derselben Reihenfolge erstrecken sich die Schichten auch
gegen N. Zum Zwecke der Altersbestimmung wird es geboten
sein, das Profil des Gebirgssattels, der zwischen Orese und Bjelinci
unweit dieses letzteren Ortes in nordöstlicher Richtung liegt, zu
einem Vergleiche herbeizuziehen.^
Gegen Kalugerovo hin kommen unter den obgenannten
Felsen auch noch Mergel, Thon und verschiedenartige Sand-
steine zum Vorscbeiu. Diese Schichten fallen nach N unter einem
Winkel von nur 15°.
confluenten Koralle, welche er im Jahre 1875 bei Pirot sammelte, und als
Maeandrina Pirotensis n. sp. beschrieb und abbildete (Sitz. Ber. 88. Bd.,
pag. 1317, Taf. VI. Fig. 1—3), ein Vorkommen, das auch in Bezug auf die
Facies sonst in Übereinstimmung stehen dürfte imd durch das Zusammen-
vorkommen mit Orbitolina lenticularis nach Prof. Toula's Meinung auf
oberes Neocom hinweist.
1 Das mir vorliegende Stück erinnert mich lebhaft an die Kalke mit
Exogura columba am Kosmaticarücken bei Kremeua (Grundlinien etc., S. 35
nd 3 0). Eines der Fossilieu von Lakavica dürfte als Exogip-a columba zu
bestimmen sein und auch die grösseren Cidaritenkeulen sind vorhanden.
(Toula.)
2 Fr. Toula. Grundlinien etc., p. 28 und folg.
268 Zlatarski,
Die Gegend zwischen Lakaviea und Kalugerovo gewährt
einen imposanten Anblick; das Thal verengt sich zwischen den
hohen, mit saftigem Grün bedeckten Gebirgen.
Unweit Kalugerovo bemerken wir blauen Mergelkalk, der
ziemlich reich an Fossilien ist. Ausser kleinen hochgewundeuen
Gastropoden und Bryozoenstöckchen finden sich viele Bivalven.
Unter diesen sind am besten erhalten kleine Astarten und eine
Nerinea, die einer neuen Art angehört. Mit diesen gemeinsam
finden wir noch Neaera sehr ähnlich der Ä'.sabandicma'Pict. et
Camp. (Pal.Suisse,IV.s.p.40,pl. 100,Fig.5 — 7). Im Gestein einge-
sprengt findet sich auch Markasit in Form von kleiuenKörnchen.
Auf den oberen Kalkstein folgt eine ungefähr vier Meter
dicke ThoE- und Mergelschichte, in welcher auch einige bis zu
zwei Centimeter dicke Braunkohlenschmitzchen bemerkt werden.
Über dieser Schiebte nun liegt ein sandiger fester, bläulich- oder
grünlichfarbiger Kalk (Kalksaudstein). In der Nähe des Dorfes
gewahren wir nur Sandsteine, welche die bekannten Hieroglyphen
und viele weisse Glimmerblättchen führen. In dem blauen Mergel
glaube ich auch Orbitoline n gesehen zu haben.
Das Dorf Kalugerovo liegt an der Mündung der Lakaviea in
den kleinen Isker, der seine Quellen auf den Höhen des Etropol-
und des Zlaticabalkan hat; es ist auf der Nordseite des letzteren
Flusses, mit der Aussicht auf das Gebirge erbaut.
Von Kalugerovo bis Svode sind nur etwa drei Viertelstunden.
Das Thal des kleinen Isker wird allmälig breiter, als das Thal
der Lakaviea; längs des rechten Ufers zieht sich ein bequemer
Fusspfad hin. Die Gehänge sind hier mit Ackerboden bedeckt,
und nur an manchen Orten kommen die anstehenden Gesteine
zum Vorschein, vorzüglich auf dem rechten Ufer des Isker, mit
einem Neigungswinkel von kaum 5 — 10°. An einigen Stellen
liegen die Schichten vollkommen horizontal, manche erscheinen
auf den Oberflächen wellenförmig gerunzelt. Ausser Flyschsand-
steinen und dünnen Lettenschichten ist nichts zu sehen.
Die bläulichen und die grauen Sandsteine breiten sich auch
im N von Svode aus. Bis zu einer Entfernung von vier Kilometern
fallen die Schichten unter 6° nach SW, doch variiren sie ausser-
ordentlich stark; bald sind sie dick, bald dünn, bestehen bald
aus Mergel, bald aus echten Sandsteinen — an manchen Stellen
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 269
kommen auch Lettenschichten vor, an anderen ausschliesslich
Sandsteine. Die Richtung der Schicliten ist übrigens nicht
constant; bald fallen sie gegen N, bald nach S.
Im ersten rechtsseitigen Querthal des kleinen Isker (drei
Viertelstunden von Svode) finden v^ir feinkörnigen, grauen Sand-
stein mit kalkig-thonigem Bindemittel. Die Bruchflächen desselben
sind reich an Glimmer und schwarzen, kohligen Theilchen. Doch
findet man in dem nämlichen Thale auch Trümmer von bläu-
lichem Sandmergel, der gewiss aus den nahen Gebirgshöheu
stammt. Derselbe ist mit Orbitolinen, Korallen, Nerineen,
Ostreen und anderen Bivalven überfüllt. Die aus den östlichen
Höhen stammenden blauen Mergel haben die grösste Ähnlichkeit
mit jenen von Kalugerovo (unweit der Braunkohlenschmitzchen),
nur dass in den letzteren der Kalkstein, in den ersteren aber
der Mergel vorwaltet.
Von den Petrefacten konnte ich folgende bestimmen:
Orbitolina bulfjaricaDesh.-^ diese hochgewölbte Form findet sich an
vielen Orten Bulgaiiens; am häufigsten kommt sie jedoch vor in dem Thale
der Lukavica — unweit Caribrod — bei Lovec, dann bei Hubavene u. s. w.
Daneben findet sich auch ebenso häufig die flache Orbitolina lenti-
cularis Blum.
Trochosmilia sp.
Trigonia lonija Agass. (Mater, p. 1. pal. 8uisse I. p. 102, pl. XIV,
Fig. 3). Von dieser Muschel fand sich nur die rechte Schale, die ziemlich
wohl erhalten ist; sie unterscheidet sieh in keiner Beziehung von jenen
Arten, die man im gelben und bläulichen Mergel aus dem Aptien iuferieur
bei Perte du Ehöne findet.
Turbo sp.
Nerinea n. sp. stimmt mit der oben erwähnten Form vollkommen
überein. i
Die Sandsteine breiten sich auch weiter gegen die Karaski-kolibi aus,
hier haben dieselben eine mehr südUche Richtung h. 17 (Neigungswinkel
= 8°). Unter ihnen liegen ganz concordant bläuliche imd aschgraue, sandige
Mergel, in welchen eingewachsen folgende Fossilien bemerkt werden :
Orbitolina lenticularis Blum.
Verschiedene Korallen.
Pecten, vielleicht P. Cottaldinus d'Orb.
1 Die Übereinstimmung auch des Nerineen- Gesteines ist nach Prof.
Toula eine vollkommene. Es ist nach seiner Meinung nicht zu bezweifeln,
dass die betreffenden Schichten mit den Orbitolinenschichten bei Vraca
(Sitz. Ber, 77. Bd. pag. 30, Schichte 9) und bei Kalnia Karaula (Sitz. Ber.
75. Bd., pag. 70) übereinstimmen.
270 Zlatarski,
Panopaea cf. plicata S o w. (Pal. Suisse I, Fossiles du terrain aptien,
p. 57, pl. VI, Fig. 4, 5). Nur bei einem von den drei vorliegenden Exemplaren
kann man die Form und die concentrische Streifung genau sehen, i
TurritcUa cf. helvetica Fi ct. et Camp. (Pal. Suisse I, Fosa. d. terr.
aptien, p. 28, pl. III, Fig. 2 a, b, c) zwei Exemplare,
Einige Nerineen stimmen mit der obigen Form tiberein.
Nach Prof. Toula etwas an N. palmata P. ii.C, 8t. Croix, Taf. 69,
Fig. 2, erinnernd, ist die Form der Schale jedoch weitaus stumpfer
und an der Spindel finden sich nur zwei Falten, so dass die
Figur des Röhrenschnittes mehr an N. esserteiisis erinnert. Wir
haben es auf jeden Fall mit einer neuen Art zu thun.
Der sandige Mergel enthält auch dünne Schichten von bläu-
lichem Sandstein, der reich an weissem Glimmer ist. Unweit
Karas bemerken wir im letzteren Gestein auch einige von den
oberwähnten Fossilien. Die Schichten fallen von neuem nach NW,
doch unter verschiedenen Winkeln.
Ich verliess nun das Thal des Isker und indem ich einen
hohen und steilen Berg überstieg, sah ich mich schon vor Karas.
Auf einer der Höhen liegen die Ruinen einer Veste: „Kriv-
grad". Von Kriv-grad aus überblickt mau alle Krümmungen und
Windungen des kleinen Isker.
Dieselben mergeligen und glimmerigen Sandsteine mit
denselben Fossilien treffen wir auch hei Karas an, wo die
Schichten einen Neigungswinkel von 12° (Richtung NO) haben.
Eine viertel Stunde von Karas bei Hubavene, an der Strasse
die zum nahegelegenen Meierhofe führt, fanden sich Orbitolina
bulgarica Desh., Orbitolina lenticularis d'Orb., Orbitolina
concava var. und Östren sp.
In dem Thale unterhalb des Meierhofes enthalten die
Mergel- und Sandsteinschichten gleichfalls Orbitolinen. Die
Schichten fallen auch hier nach N (h. 1 — 2) und sind steil auf-
gerichtet (<$ 50°). Unter ihnen liegen concordant gegen 0
bläuliche Mergel.
Der Landstrich zwischen dem Meierhofe und Karlukovo ist
mit Humus und schönem, jungen Wald bedeckt. Die Beschaffen-
heit der Felsen kann desshalb nur in den Thalrissen beobachtet
1 Nach Prof. Toula scheint das vorliegende Stück kaum von Panopaea
iieocomicnsis d'Orb. abzuweichen.
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 271
werden. Im zweiten Querthale finden sich Cong-lomeratsandsteine,
und unter denselben sehr bald die nämlichen blauen, sandigen
Mergel; Orbitolinen und andere Fossilien konnten hier jedoch
nicht aufgefunden werden.
Von den Höhen aus erblickt man die gelblich weissen,
zerklüfteten Kalksteinufer des Isker oberhalb Kunino.
Einen Kilometer südlich von Karlukovo verschwinden die
Sandsteine; nun kommen unter denselben thonige Kalkfelsen zum
Vorschein, die einen grossen Keichthum an dunkelgrauen oder
aschgrauen Feuersteinen aufweisen, und sich durch ihre weisse
oder gebliche Farbe, ihre Härte und ihren muscheligen Bruch
auszeichnen; sie sind echte obere Kreide. Die gesammte Kalk-
zone erstreckt sich von 0 nach W. Man gräbt hier an einigen
Orten auch weisse, schöne, lockere Kreide aus, die in grösseren
Tiefen eine bläuliche oder röthliche Färbung annimmt. Die Ge-
steine liaben eine undeutliche Schichtung, hie und da erkennt
man nördliches Einfallen (h. 23 — 24).
Die Grenze zwischen den sandigen Mergeln und den Kalk-
steinen ist scharf bestimmt. Das Land bis wohin sich die ersteren
erstrecken, ist fruchtbar und mit Grün bedeckt, so wie man aber
in die Kalkregion eintritt, wird das Terrain plötzlich steril. An dem
ziemlich hohen Hügel, der sich in SW von Karlukovo erhebt,
finden wir auf dem SW-Abhange schöne Weingärten, Frucht-
bäume und üppigen jungen Wald, im NO dagegen kahles Kalk-
gestein, echte Karstscenerie.
Unweit Karlukovo findet man auch halbkystallinische, nicht
vollkommen reinweisse Kalksteine, welchen 0 — W streichen
und mit 10° nach N fallen. Gegen Osten (1 Km.) von Karlukovo
aus gerechnet, kommt man auf weissgrau oder gelblich gefärbten
halbkrystallinischen, fossilienreichen Kalk. Die Fossilien sind
mit dem Gesteine so fest verwachsen, dass man sie kaum heraus-
schlagen kann. Wir haben es dabei offenbar mit demselben
Formationsgliede zu thun, welches wir, Professor Toula und ich,
im Jahre 1880 zuerst im Westen von Kunino (1. c. pag. 35) und
später nördlich von Vraca bei Marmoreni (1. c, pag. 37) antrafen.
Das bezeichnendste Fossil ist &iü.eE.vof/yra^ welche Professor
Toula als Östren (Exogyra) spec. aus der Foriuenreihe der
Exogyra columba Gldf. (am ähnlichsten der Exogyra conica
272 Z 1 a t a r s k i,
d'Orb.) bestimmte und zur Abbildung- brachte (1. c. Taf. IV,
Fig. 20). Als ich im Jahre 1882 das Vidthal zu geologischen
Zwecken bereiste, constatirte ich das Vorkommen ganz und gar
übereinstimmender Gesteine auch bei Aglen und bei Mirovec,
unweit Swinar. Der Kalk dieser letzteren Ortschaft enthält eine
glaukonitähnliche Chloritmasse; an Fossilien ist er ebenso reich
wie die Kreide von Karlukovo. *
Was die Altersfrage dieser Kalke anbelangt, so ist festzu-
halten, dass im Liegenden die Sandsteine and Mergel mit Orbi-
tolinen auftreten, während über denselben, wie wir später sehen
werden, tlionige Kalksteine sicher turonen Alters folgen. Professor
Toula^ stellt die betreffenden Kalke mit dein Caprotinen-
Horizont in gleiches Alter.
Um Lukovit herum walten die nämlichen Gesteine vor; die
Gegend ist felsig und fast vollständig kahl, und zeigt vollkommenen
Karstcharakter. An vielen Orten kommen trichterförmige Boden-
einsenkungen vor; einige sind mit Erde, andere mit Wasser
angefüllt; manche wieder sind leer und erreichen beträchtliche
Tiefen. Nur hie und da erblickt man unansehnliche junge Wald-
complexe. Die felsigen Ufer des Isk er sind fast vertical und erheben
sich hoch über das Flussniveau. Die Gesteinsschichten sind nach
Norden geneigt und versehwinden zuletzt unter dem fruchtbaren
Boden.
In dieser Kalkzone kommen vielfach Höhlen vor; manche
darunter sind leer, andere wieder mit Knochen und Zähnen an-
gefüllt. Eine solche geräumige Höhle findet sich unweit des
Klosters St. Gregorius, drei Kilometer nördlich von Karlukovski
Monastir, am linken Ufer des Isker. Die Knochen, welche in
dieser Höhle vorkommen, sind sehr porös und zerbrechlieh,
liegen in einem braunrothen Lehm und durch Kalk fest ver-
bunden, so dass sie sich nur schwierig unzerbrochen freimachen
lassen. Die meisten Knochen und Zähne rühren von fossilen
Pferdearten her, und zwar entweder von Equns Stenonis ajfinis
1 Period. Spisanije VII, pag. 88.
Auf das Vorkommen von Kalken mit Exogyren, Eudisten etc. im
Vidgebiete hat schon Foetterle im Jahre 1869 hingewiesen. Verh. d. k. k.
geol. R. Anst. 1869, S. 374.
- F. Toula, Grundlinien etc., pag. 42.
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 273
Woldr. oder vonE. cabalhtsf'ossilis'RütimejQT. Am besten sind
die Zähne erhalten. Ich besitze einige Mahlzähne ans dem
Ober- und Unterkiefer und ein Bruchstück von dem Vordertheile
eines Unterkiefers mit etlichen Zähnen. Von anderen Knochen
sammelte ich nur: Femur, Humerus, Tibia, Radius und
Cubitus,
Jenseits des Waldes (zwischen Karlukovo und Lukovit)
erscheinen dieselben Kalke, die wir auch bei Karlukovo
gewahrten; sie sind fast schneeweiss und halbkrystallinisch
(zuckerkörnig). In denselben fanden sich, wenn auch sehr selten,
unbestimmbare xlbdrücke , bei welchen man an Inoceramns
denken möchte. Ich verglich diese Gesteine mit jenen aus der
Umgebung von Marmoreni (nördlich von Yraca') und konnte
petrographisch kaum einen Unterschied herausfinden. ^
Vor Lukovit sind die weissen Kreidefelsen nur ganz leicht
geneigt. In denselben kommen viele, leider schlecht erhaltene
Fossilien (zumeist Bivalven) vor, darunter auch kleinere und
grössere Exemplare von Exogyra spec.
4. Von Lukovit nach Glava Panega (Quellen der
Panega). Sowie man Lukovit verlässt, gewahrt man sogleich,
dass hier die weissen fossilienreichen Kalkfelsen etwas dichter
sind als jene, die man vor dem Doile erblickt.
Nach 2 Yg Kilometern (von Lukovit ausgerechnet) erreicht man
die Strassenhöhe ; der Weg senkt sich sodann sehr rasch gegen das
Flussbett der Panega. Hier lässt sich der Kalk ziemlich leicht in
Platten spalten, der Farbe nach ist er weiss ,• seine Festigkeit ist
nicht besonders gross. Das Terrain ist nicht so kahl und vegetations-
los, wie dies östlich vor Karlukovo der Fall ist. Die Kalkfelsen
erschliessen sich am schönsten und deutlichsten an den Ufern der
Panega, und zwar westlich von der Strasse. Sie erheben sich
hier an beiden Seiten des Flusses schroff und steil bis zu
1 Unter den Kalken bei Marmoreni finden sich auch echte Caprotinen-
kalke mit C. ammonia G 1 d f. und grösseren Orbitolinen (Orbitolina concava D i.)
m. vergl. F. Toula Grundlinien etc., pag. 37. Auch oolitische Kalke, ganz
ähnlich jenen, welche Professor Toula seinerzeit im Iskerdefile bei
Ljutibrod beschrieb. Sitzb. (1877, Bd. 77, pag. 42 und 43). Die Inoceramen-
schichten von Celopec (Vraca SO.) und Kvmina sind nach Professor Toula
dichte merffelisre Kalke.
2~4 Zlatarski,
zehn Meter hoch und liegen fast horizontal (fallen unter 3° nach
SO, h. 9).
Einen Kilometer vor Petrovene verschwinden die Kalk-
felsen und unter denselben kommen nun Mergel zum Vorschein.
Weiter südlich sieht mau mergeligsandige Schichten, Vielehe
nach oben kalkreicher v^erden. In diesen Hangendlagen finden
sich viele Hieroglyphen auf den Schichtflächen, sowie verkohlte
unscheinbare Pflanzenreste vor. Unweit Petrovene bemerkte ich
einen verzweigten gerunzelten Wulst, bei dem man etwa an
Caulinites denken könnte. Die Kalksandsteine werden
gebrochen und nach Lukovit und Umgegend zu Brücken-
bauten trausportirt. Die Schichten fallen concordant unter den
Kalkstein nach SO, h. 9, in derselben ganz geringen Neigung
(3°!)ein.
Bei Blasnicevo fallen die Mergelschi chteu nach N (h. 1
unter 11°). An dem südlichen Ende des Dorfes kommt wieder
der Kalkstein von Lukovit zum Vorschein, doch führt er hier
keine Fossilien; seine Schichten werden gegen S steiler.
Zwei Kilometer südlich von Blasnicevo gewahren wir unter
den nach N steilabfallenden Kalkfelsen die obenerwähnten
Mergel in Gemeinschaft mit Kalksandstein; doch fallen hier die
Schichten wieder nach SO (h. 10), zuerst steil (40°), im weiteren
Verlaufe werden sie aber immer flacher. Zwischen den Sandsteinen
und den Mergeln treffen wir hier auch ein oolithisches Gestein.
Bei der Mühle des alten Marko finden wir in den Mergel-
und Sandsteinfelsen reichliche Mengen von Fossilien. Vor allen:
Orhitolina lenticularis d'Orb., C/^ar<.s - Stacheln und Ostren.
Die Schichten sind steil aufgerichtet und fallen (mit 79°)
nach N (h. 2). *
Der Kalkstein, den wir auf den Höhen gegen die Bresnica
gewahren, ist höchstwahrscheinlich Caprotiiienkalk. Über dem-
selben sehen wir Orbitolinenschichten, unter demselben aber nur
Sandsteine und Mergel, bei denen die Fossilien ganz fehlen, und
die sehr schnell in neocome Kalkmergel übergehen.^ Hier fallen
1 Es sind dies nach Professor Toni a offenbar dieselben Schichten,
wie sie nahebei in dem von ihm beschriebenen Profile zwischen Orese und
Belince auftreten. Grundlinien etc., pag-. 27.
2 Grundlinien etc. 1. c.
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 275
sie wieder nach N h. 272, ^*^^^ schliessen sie einen kleineren
Winkel ein (18—20°).
Die kleine Thalmulde bei den Quellen der Panega ist mit
fruchtbarem Alluvium ausgefüllt; erst gegen das südliche Ende
derselben, bei den Quellen selbst, erblicken wir wieder die
ueocomen Gesteine. Diese bestehen hier aus bläulichen Kalk-
mergeln, die sich in dünne Platten spalten lassen, und deren
Schichten nach NO fallen (h. 3 mit 10°). Die wenigen Fossilien,
die ich hier sammelte, genügen wohl zur Feststellung des Alters
dieser Felsart. Es sind: Ammonites, Aptychus, Belemnites und
Scaphites.
In den Abhängen selbst, bei den Quellen der Panega,
kommen unter den Mergelschiefern dichte, kalkig- thonige eben-
falls neocome Gesteine zum Vorschein. Dieselben sind von feinen
Calcitäderchen netzartig durchzogen. Gegen Ablanica hin findet
sich in diesen Felsen sehr häufig Spirophyton; ^ andere Ver-
steinerungen sind selten. Der dichte Kalkstein ist reich an
Höhleu; eine derselben, die nur einige Meter von den Quellen
der Panega entfernt liegt, dehnt sich nach Osten aus und ist beim
Eingang 1-5 Meter breit und 2*5 Meter hoch. Es besteht unter
der Bevölkerung die Ansicht, dass sie sich sehr weit erstrecke.
Über die Quellen der Panega, wie auch über die geologische
Beschaffenheit ihrer Umgebung habe ich seinerzeit ausführlich
berichtet. ^
5. Von Lukovit über Cerveni-breg Oumakovci,
längs des Isker zur Donau. In und um Lukovit sieht man
noch den weissen Kalkstein; gegen Radomirci jedoch ver-
schwindet jede Spur eines festen Gesteines; fruchtbarer Boden,
mit Kalkscliotter gemengt, bedeckt das Land und bildet ausge-
zeichnetes Ackerland. Auf den steilen Abhängen aber und auf
den nächsten Höhen erblicken wir zahlreiche junge Wald-
complexe.
In einer Entfernung von drei Kilometern nördlich von Luko-
vit gewahren wir in einem sterilen Thale einen 4 — 5 Meter tiefen
Aufschluss. Unter dem cultivirten Boden folgt sandiggelb-
1 Grundlinien etc., pag. 26.
- Period. Spiaanije, VII, pag. 84, 85.
276 Z 1 a t a r s k i,
lieber Lehm (ungefähr 1 Meter), sodann eine dünne Schichte
(0*20 Meter) kalkreicher Thon mit Sand gemengt. Weiter unten
mürber Mergelsandstein (0-35— 0-40 Meter), Thon (0-10— 0-15
Meter), glimmeriger Mergel und mürber, mergeliger Sandstein
(0-80 Meter) und so fort bis zur Tiefe. In den dünnen Mergel-
schichten, welche zwischen den Sandsteinen auftreten, finden
sich unscheinbare Lagen von weisser mehliger Kreide; im Sand-
steine selbst aber finden wir ockerige Einschlüsse. Alle diese
Schichten fallen unter einem Winkel von 6° nach N (h. 27^).
Ein flüchtiger Blick in die Runde überzeugt uns, dass
das Gebiet des Panegabeckens von Radomirci westwärts nur
von Mergel und Sandstein eingenommen wird.
Das Thal der Panega ist mit Alluvium erfüllt; an den
Gehängen finden sich die Mergel und Sandsteine. Links und
rechts liegen an unserem Flusse die hübschen Dörfer Rubci und
Cerveui-breg. Die steilen Abhänge ziehen sich nach Norden
und Süden hin; auf ihren Höhen erheben sich weisse und bläu-
lichweisse Kalkfelsen, die vollkommen concordant über den
mergeligen Sandsteinen liegen, ^ wie zum Beispiel nördlich im
Markova- und Devenska-Mogila, und südlich über jene Grenze
hinaus, die wir von Lukovit als Ausgangspunkt, nach NW über
den Isker zwischen Rosselec und Gornik und von da über Gabri
Tlacene, Bukovec etc. ziehen könnten.
Der Kalkstein ist thonig, erinnert theilweise an Kreidetuff
und enthält gelbliche Kieselsteine. Hier kann man auch eine Art
halbkrystallisirter, körniger Gesteine erblicken; doch weder in
diesen noch in den vorerwähnten konnte ich eine Spur von Ver-
steinerungen finden.
Werfen wir von Markova-Mogila aus einen Blick nach dem
Iskerthale, so werden wir gewahr, dass sich auf beiden Seiten
des Flusses breite Alluvialflächeu ausdehnen, die im 0 und W
von hohen und steilen Kalkgehäugen begrenzt erscheinen.
1 Verg'l. F. Toula's Darstellung in den Grundlinien etc., pag. 36
und 37, Fig. 20 und 22.
Es ist nach Professor To ul a's Meinung nun ziemlich klar, dass die von
ihm in der Karte aufgenommene Kalkzone des Kosmatica-Rückens über
Konina sich in das Pauegagebiet hinüber erstreckt.
Geologische üntersuchuug-eu im centralen Balkan etc. 277
Die Kalkzone erstreckt sieh auch jenseits des Isker nach W
hin. Nördlich von Marko va-Mogila verschwindet hier die Kreide
und es finden sich nur mehr tertiäre und quateruäre Ab-
lagerimgen.
Am Markova-Mogila kommen sowohl am Kord- als auch am
Südgehäug-e unter den Kalken die Mergelsandsteine zum Vor-
schein. Diese fallen hier unter 14° nach K (h. 2 — 3).
Cumakovei liegt ungefähr 80 Meter über dem Meeresspiegel
und ist erbaut über den erwähnten Kalken, die sich so tief senken,
dass man sie am Isker kaum mehr gewahrt.
Genau östlich von Cumakovei liegt Devenci, und diesem
Dorfe gegenüber , am linken Iskerufer , erhebt sich Kojnare.
Devenci liegt am Fusse der Miova-Mogila in einer Entfernung
von 3 — 3^/2 Kilometer vom Hauptarme des Isker. Hiertheilt sich
nämlich der Fluss in zwei Arme, von denen der kleinere au
Devenci vorbeifliesst, der mächtigere aber Kojnare berührt;
zwischen denselben breitet sich eine ziemlich grosse vegetations-
lose Insel aus.
Ausserhalb der AUuvialflächeu kommt man auf Lehmabla-
gerungen. Der Lehm ist mürbe, seiner Farbe nach aschgrau, und
enthält Bruchstücke von Granit, Diorit und Andesit, so wie auch
von Sandstein und Quarzit, die sämmtlich aus dem Balkan
stammen. In diesem Lehm, der in Löss übergeht, hat sich die
Bevölkerung von Devenci wohnlich eingerichtet. Also auch hier
wie in den Kreisen von Lom, Rahova, Nikopoli und überhaupt
im nächsten Gebiete des Douauthales finden wir Trogloditeu.
Seit dem letzten Kriege hat man auch einige den menschlichen
Verhältnissen angemessenere Häuser gebaut.
Fast alle unsere Flüsse, die ihren Ursprung im Balkan haben
und sich in die Donau ergiessen, unterwühlen ihr rechtes Ufer
und verlanden das linke; dies ist auch im unteren Laufe des
Isker der Fall, wo das östliche Ufer unausgesetzt eingerissen
und weggeschwemmt wird, während das westliche durch die
fortwährenden Ablagerungen anwächst. Der Isker bewegt sich
somit langsam nach Osten, ohne Anzeichen von Oscillationen.
Wir sahen oben, dass bei Devenska- und Markova-Mogila
(Hügel) die Kreidefelsen verschwinden, indem sie sich nur nach
0 und W von diesen Hügeln ausdehnen, Miova-Mogila, welcher
278 Z 1 a t a r s k i,
mit der Devenska zusammenhängt, besteht nicht mehr aus Kreide,
sondern aus einem weichen, mergelig- lehmigen und sandigen
Materiale, welches ausschliesslich der tertiären Periode, respective
den Miocänformation angehört.
Zwei Kilometer nördlich von diesem letzteren Dorfe erheben
sich am linken Iskerufer einige ziemlich hohe gelbliche Berge,
die von den Sturzbächen sehr unregelmässig und wild zerrissen
erscheinen. Dieselben Gewässer, welche die Zerbröckelung der
Felsen bewirkten, haben auch unzählige SchalenstUcke von Bucci-
num, Cerithium, Cardium, Mactra etc. vom sarmatischen Gesteine
abgelöst, fortgetragen und anderswo zur Ablagerung gebracht.
Die Lagerungsverhältiiisse sind die folgenden:
1. Cultivirter Ackergrund.
2. Gelblicher Thon. Derselbe enthält in seinem unteren
Theile Cerithien.
3. Bläulicher Mergel mit vielen Fossilien in seinen tieferen
Lagen.
4. Sandig-oolithische Schichten, an Versteinerungen ausser-
ordentlich reich. Der Sandstein ist grobkörnig und besteht aus
weissen und schwarzen Quarzkörnchen, die mit Kalkcement
verbunden sind. Manche von diesen Sandkörnern sind mit dünnen
Kalkhäutchen überzogen, so dass man das Gestein mit Recht
Oolithsaudstein nennen kann. Hierin finden sich: MoiUola Vol-
hynica Eichw., Mactra Podolia Eichw., Cardhnn ohsoletum
Eichw., Bnccinum, Cerithium etc. Die Fossilien sind in diesem
oolithischen Sandstein nicht gleichmässig vertheilt; am häufigsten
treten sie in den dünneren Schichten auf (5 — lOCtm.), wo sie eine
Art Conglomerat mit den Sandkörnern bilden. Die Mächtigkeit
dieser Schichten erreicht nahezu 30 Meter.
5. Zu Unterst erblicken wir eine Art bläulichen, fettig anzu-
fühlenden Mergel (sehr arm an Fossilien). Morphologisch unter-
scheidet er sich nicht im geringsten von jenem Mergel, der sich
am Vid, unweit der Brücke von Pleven findet. Es scheint mir
erlaubt, die Vermuthung auszusprechen, dass dieser Mergel am
Isker eine Fortsetzung der Mergel des Vidthales ist, der durch
das Vorkummen mediterraner Fossilien ausgezeichnet ist (Foet-
terle und v. Fritsch), und dass sonach diese marinen Bildungen
weit über das Plevnaer Becken hinaus reichen.
Geologische üntersuchmigen im centralen Balkan etc. 279
"Weiter nördlich (3 Km. von Devencr) erblickt man das
nämliche sarmatische, sandig-oolithische Gestein. Dasselbe ist
hier porös, weist aber reichlichere Mengen von Kalkcemeut anf,
als der vorherbeschriebene Sandstein und erreicht demnach eine
ziemlich bedeutende Festigkeit. Am häufigsten finden sich hier
Mactra, Cardium und Ceritliium. Unter den Sandsteinen sind hier
nirgends Spuren des Mergels zu sehen.
An den obgenannten zwei Orten sammelte ich:
]ietepora pusiUa'Eiichw. (Eichwald, LethaeaRossicalll, p. 33, pl. II,
Fig. 21, iJ2 a. b. c). Nur einen kleinen Zweig, der etwa 4-5 Mm. lang ist;
derselbe verzweigt sich nur an einer Stelle, besitzt eine ziemlich glatte
Obei-fläche und ist mit sehr kleinen Poren bedeckt. Clm Sandsteine zwei
Kilometer von Devenci.)
Modiola VolhynicaY.ich'w. (Eichwald, op. cit. III, p. 67, pl. IV,
Fig. 16 a, b.)
Cardium obsolctum Eichw. (Eichwald, op. cit. III, p. 37, pl. IV,
Fig. 10.) Reichlich in dem Sandstein bei Devenci, nach N seltener werdend.
Mactra Podolica Eichw. (Hörnes. Die fossilen Mollusken des
Tertiärbeekens von Wien. II, p. 62, Taf. 7, Fig. 1 — 8.) Die meisten Exem-
plare klein und dünnschalig. An beiden Orten häufig.
Bulla Lajonkaireana Bast. (Hörnes, op. cit. I, p. 624, Taf. 50, Fig. 9
a, b, c. d.) Nur drei kleine Exemplare vom zweiten Fundorte.
Helix sp. Ziemlich grosse und schöne Exemplare, leider sämmtlich
unvollständig und nicht näher bestimmbar.
Rissoa iiiflata Andrz. (Hörnes, op. cit. I, p. 576, Taf. 48, Fig. 22.)
Diese Art kommt, nach Hörnes, in den untersten Schichten des brakisehen
Tegels, im brakischen Sande bei Gaya gemeinsam mit den Cerithien vor.
Im Iskerthale wird sie an dem zweiten Orte und beim dritten Kilometer
(nördliche Richtung von Devenci) gefunden.
Nerita picta Fer. (Eichw. sp.) (Hörnes, op. cit. I, p. 535, Taf. 47^
Fig. 14.) Entfernt erinnert sie an Hörnes' iV(?/-jVa von Ebersdorf, vollkommen
aber an das in der Lethaea Rossica aus Kremionne in Podolien (Eichwald,
op. cit. III, Tab. 10, Fig. 40.) Nur ein Exemplar vom zweiten Fundorte.
*Natica helieina Br o cc. (H örnes, op. cit. I, p. 525, Taf. 47, Fig. 6—7)
hat vollständige Ähnlichkeit mit der Nadca von Baden und dem Vidthale
(Brücke von Pleven;; kommt gemeinsam mit der Rissoa inflata vor; nur ein
Exemplar.
Trochus sp.
Monodonta angulata Eichw. (Hörnes, 1. c. I, p. 439, Taf. 44. Fig. 9,
10.) Beide Varietäten dieser Art, wie sie bei Steiuabrunn vorkommen,
werden auch im Iskerthale gefunden.
Monodonfa mammillata An dvz. (Hörnes, op. cit. I, p. 488, Taf. 44,
Fig. 8.) lu Gemeinschaft mit M. angulata beim dritten Kilometer von Devenci
ausserordentlich häufig.
Sitzb. d. raathem.-naturw. Cl. XCIIl. Bd. I. Abth. 19
280 Z 1 ii t a r s k i,
Cerithuim nodoso-plicatum Hüru. fHörnes, op. cit. I, p. 397, Taf. 41,
Fig. 19, 20.) Sehr charakteristisch, wie auch
Cerilhium pictum Bast. (Höraes, op. cit. I, p. 394, Taf. 41, Fig. 15 bis
17.) Reichlich am zweiten Fundorte vertreten.
Mnrex sitblavatns Bast. (Hörn es, op. cit. I, p. 23G, Taf. 24, Fig. 14
"bis 16.) Dies ist der erste Ort, wo in Bulgarien Min-ex sublavatus gefunden
worden. In der Gegend von Vidin kommt er nicht vor.
Bnccinum sp. in festem Sandstein.
Die Oolithsandsteine dehnen sich abwechselnd mit Thon-
lagen, bis nach Pisavovska - Mahala aus; nur sind sie nicht
überall sichtbar, weil sie meistentheils von Bäumen überwachsen
sind. Wo manche Partien kahl vorliegen, bemerkt man zu oberst
eine Art weisslichgelben Thon. An der rechten Seite des Isker
«rheben sich die steilen Ufer bis zu 60 Meter über das Fluss-
niveau. Dieses Höhenausmass ist jedoch nicht für die ganze
Strecke giltig; manche Uferpartien sind terrassen- und hügel-
förmig und gehen allmälig und unmerklich in die Alluvial-
^bene über. In dem fruchtbaren, aschgrauen Boden, der das
Iskerthal erfüllt, kommen Überreste von allen den oben genannten
Fossilien vor; dieselben stammen selbstverständlich von den
benachbarten Höhen her.
Das linke Ufer des Isker ist ganz eben und breit ausge-
dehnt. Die Terrassen heben erst in der Entfernung von einigen
Kilometern an; in den höheren derselben, wie in der Gegend von
Branica, Strupen, Jenica, Kneza, Dolnij Lukovit etc. kommt das
sarmatische Gestein zum Vorschein.
Nördlich vonPisarovska-Mahala beginnen die cerithienführen-
den Kalkfelsen, die folgeudermassen eingetheilt werden können:
a) weisslichgraue, dichte Gesteine mit spärlichen Fossilien
(Cardium und Cerithium) ;
h) gelblichaschgraue Gesteine, sehr dicht erfüllt von Cerithien
und anderen Formen; und
c) röthlichgelbliche Gesteine mit grossem Reichthum an
Cerithien.
Die sarmatischen Bildungen beschränken sich nicht allein
auf das rechte Iskerufer, sie dehnen sich auch nach 0 und W aus,
liegen aber nicht an allen Orten offen vor, weil sie grösstentheils
Ton aschgrauem Löss bedeckt sind. Nur an jenen Stellen ragen
<lie Cerithienschichten aus dem Boden hervor, wo der Löss von
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 281
den Fltisseu oder dem atmosphärischen Wasser weggeschwemmt
worden, wie zum Beispiel bei den obgenannten Ortschaften
Stnipen, Branica, Jenica etc. oder au den Ufern der Flüsse Gosti-
liea, Skit, Ogost, Lom uudTimok, sämmtliche westlich vom Isker.^
Von dem Pisarovska-Mahala ans, in der unmittelbarsten
Nähe des Flusses, sieht man bei der Grotte, die gegenüber der
kleineu Insel {V/], Km. nördlich vom Dorfe) liegt, ein sehr
hübsches Profil, das etwa 7 — 8 Meter in der Breite einnimmt.
Der Isker fliesst unmittelbar au demselben vorbei und führt
der Saumweg über den steilen Abbang; obwohl die Felsen hier
mehrfach gelöst sind, ist doch die normale Reihenfolge der
Schichten an vielen Stellen noch recht deutlich sichtbar.
Unmittelbar an dem Flusse, das heisst in der untersten
Partie des Ufers, bemerken wir einen mürben, fettigen Mergel,
der aus kalkigem Lehm, sehr feinen, durch blosses Befühlen
nicht wahrnehmbaren Sandkörnehen und kleinen Glimmer-
schüppchen besteht. Dieser Mergel ist bläulich, so lange er feucht
ist; in trockenem Zustande hat er eine grauweisse Farbe. In dem-
selben finden wir dünne Schichten von grauweissem Lehm und
fettigem, dunkelrothem Ocker. Auch Krystalle undKrystallgruppen
von Gyps kommen vor. Li den tieferen Lagen ist der Mergel
intensiver blau; lehmiger und lichter gefttrbt ist er nach oben zu.
Gegen das nördliche Ende der kleinen Insel kommt wieder
derselbe Mergel zum Vorschein und über demselben eine andere
Art gelblichen Kalkmergels, der ausserordenthch reich an Fossilien
ist; diese letzteren meistentheils in Form YOnSte'mkQi'nen (Cardium
ohsoletum. Cardhtm plicatum, Tapes gregaria, Trochus, Cerithien).
Aus dem Gebiete des erstgenannten Mergels sammelte ich in einer
kurzen Zeit:
Modiola VoUu/nica Eichw.
Cardhim obsoletinn Eichw., stark verbreitet und charakteristisch;
manche Exemplare erinnern an Cardium TYwioÄ-/ Toula. (Die sarmatischeu
Ablagerungen zwischen Donau und Timok, p. 15.)
1 Toula, Grundlinien etc. etc. pag. 3.
Toula, Die sarmatischeu Ablagerungen zwischen Donau und Timok.
Zlatarski, Geologisches Profil von Vidin, über Bojnica, Vrska-
6uka, Makres, Belogradcik nach Goraij-Lom und von Dolnij-Lom. über
Prevala. Ciparovci, Jelovica nach Berkovica, pag. 13 — 14. (Period.
spis. VI, 1883.)
19*
282 Z 1 a t a 1- s k i,
Cardium cfr. pUcatum Eichw. (Hörn es, op. cit. II, p. 202, Taf. 30,
Fig. 1.) Nur einige Bruchstücke von Schalen und ein Steinkern.
Topes gregaria Partsch. (Hörnes, op. cit. II, p. 115, Taf. 11,
Fig. 2.) Gleich stark vertreten wie Cardium obsoletum, gesammelt habe
ich sowohl alte, als auch junge, dünne, als auch dickschalige Exemplare.
Donax lucida Eichw. (Hörnes, op. cit. II, p. 103, Taf. 10, Fig. 2.)
Bulla LaJonkaireanaB ast., erreicht hier die grösste Länge; reichlich
vertreten.
Helix sp. Ich zog die von Hörnes angeführten Arten zum Vergleiche
herbei, konnte jedoch bei ihm eine übereinstimmende Form nicht finden ;
die gesammelten Exemplare sind nur unvollständig erhalten.
Trochus qiiadristrialus Dub. (Hörnes, op. cit. I, p. 456, Taf. 45,
Fig. 11.) Nur ein Exemplar.
MoHodoHta angulata Eichw. Nur sechs Exemplare.
Phasianella cfr. Bai/emi R. Hörnes (Jahrbuch der k. k. geologischen
Eeichsaustalt 1874, p. 37, Taf. II. Fig. 8). Nur ein unvollständiges Exemplar.
Cerithinm disjunctum Sow. (Hörnes, op. cit. I, p. 406, Taf. 42,
Fig. 10, 11.) Weniger häufig.
Cerithinm plicatum Brug. (^Hörues, op. cit. I, p. 4U0, Taf. 42, Fig. 6.)
Nur ein unvollständiges Exemplar.
Cerithinm nodoso-plicutum Hörnes. Einige junge Exemplare.
Cerithium rubiginosum Eichw. (Hörnes, op. cit. I, p. 396, Taf. 41,
Fig. 16, 18.) Häufiger als im Timok-Gebiete.
Murex subluvntiis Bast. Drei dickschalige Exemplare.
Bucciimm Verneuilii d'Orb. (Hörnes, op. cit. I, p. 158, Taf. 13,
Fig. 10.) Erinnert am meisten an die Arten von Gaudenzdorf bei Wien.
Biiccimtm duplieatum Sow. (Hörnes, op. cit. I, p. 156, Taf. 13,
Fig. 6—9.) Häufig.
Der Mergel, iu dem die aufgezählten Versteiuerungen vor-
kommen, erinnert theilweise an jenen von Bojnica; ' er ist mehr
oder weniger saudig, lehmig und mergellehmig, weisslieh, gelb-
lich, aschgrau etc. und arm an Fossilien. Er ist wohl geschich-
tet und fällt mit 15° nach N. Weiter nördlich fand ich in
einem sandigen Mergel eine bedeutende Menge von Bulla, grosse
und dickschalige Exemplare von Tapes, Bncchittm, Cardium
und HeUx.
Auf dem höchsten Hügel, der sich hier bis zu 100 Meter
erhebt, erblickt man in dem weissen oder grauweissen, mürben,
kalkigen und ein wenig sandigen Mergel dünne Schichten mit
Cerithium, Buccinum, Bulla, Tapes und Cardium. Sodann gewahrt
1 Fr. Toula, Sarm. Abi. zw. Donau und Timok. Sitzb. 1877, Bd. 75,
pag. 17 ff. Period. Spisanije VI, pag. G3.
Geologische Untersiichuugen im centralen Balkan etc. 2(83
man Schichten von härterem, bläulichem Thon, in dem Abdrücke
von Modiola Volhynica Eichw., Cardium obsoletum Eichw.,
Bulla Lajonkaireana Bast. Trochus etc. vorkommen. Tiefer unten
sehen wir einige röthliche, dünne Schichten, darunter und
dazwischen liegen drei Gypslag-en.
Gegen Brest-Cesma erscheinen über den Mergelschichten
sarmatische Kalkbänke. Die letzteren sind gelblich, schwach
nach N geneigt und von den Sturzbächen scharf eingerissen.
Dasselbe bemerken wir auch bei Pukalnica — eine Ebene
gegenüber von Dolni-Lukovit — wo die schönsten tertiären
Kalksteine zu Bauzwecken gebrochen werden. Hier sind die
sarmatischen Felsen terrassenförmig gelagert und ihre Schichten
fallen unter (5 — 8°) nach N. In ihren obersten Partien sind die-
selben porös und niclit besonders fest; unter denselben liegen
dünne und weiter unten dickere Bänke; unter den oberen
erblickt man stellenweise sandige Mergel.
Gegen Staroselci verschwindet der Kalkstein unter dem
Ackerboden, und ist nur noch an den Höhen längs des Flusses
zu erblicken. Wie bei Brest-Cesma erscheint der hiesige Kalk-
stein gelblich gefärbt, doch unterscheidet er sich von jenem
dadurch, dass er Cerithmm rubif/inosum ^iehw. und andere Ver-
steinerungen enthält. Weiter nördlich wechseln die Schichten mit
oolithähnlicheu , porösen Kalksteinen, in welchen Cardium,
Modiola und Trochus vorkommen. Dieser Pseudo-Oolith, wenn ich
ihn so nennen darf, ist zum grössten Theile aus Gehäusen von
gewundenen und länglichen Foraminiferen zusammengesetzt und
weist eine besondere, für Ungarn, die Krim, Volhynien und
Podolien aber sehr gewöhnliche Structur auf. ^
Kalkterrassen bemerken wir auch am linken Ufer des Isker,
bei Dolni Lukovit, nur sind sie viel niedriger als jene, welche
sich am rechten Ufer ausbreiten. Die sarmatischen Kalkfelsen
nehmen auch im W vom Isker ein ziemlich bedeutendes Gebiet ein.
Um Staroselci herum liegen die sarmatischen Bildungen
fast horizontal. Der Kalkstein ist porös und ziemlich weich; die
Felsen sind hier nicht au allen Orten sichtbar, sondern nur hie
1 Verhandlungen d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1867, pag. 3.
E. Favre, Etüde stratigraphique de la partie sud-ouest de la Crimee,
1877, pag. 39.
284 Z 1 :i t a 1- s k i,
und da, wo die Gehäuge steiler sind. Gegen 0 entfernen sie sich
auf 3 — 4 Kilometer vom Isker, und verschwinden sodann unter
dem aschgrauen Löss, ähnlich so wie bei Devenci. In Staroselci
sind die meisten Häuser in den Löss eingehauen — echte Trog-
loditenwohnstätten. Rings herum erheben sich pseudo-oolithische
Felsen, die aus Myriaden von Thiergehäusen zusammengesetzt
sind. Mit der Lupe erkennen wir : Nodosnria, Rosaüjia, Polysto-
mella; von Mollusken finden sich Cei itliium ruhiginosum Eichw.,
Cardium obsolet nm Eichw., Trochus etc.
Südwestlich vom Dorfe, an der Strasse nach Pleven,
gewahren wir einen kleinen See, rais dem das Wasser, wie aus
einem unversieglichen Quell, herausrieselt. Man erzählte mir,
dass sich dieser See vor etwa 15 Jahren plötzlich von selbst
gebildet und hiebei eine grosse Überschwemmung im Dorfe ver-
ursacht habe.
Von Staroselci aus verfolgte ich den Lauf des Isker bis
Svirca, von wo ich über ein Querthal zu einer Quelle gelangte,
und nach kurzer Rast den Weg über die Höhen einschlagend,
Cengene-Seraj (jetzt in Trümmern) passirte, um nach Oreovica
zu gelangen. Bei jener Quelle sind die sarmatischen Felsen stärker
oolithisch, als die früheren; die Schichten sind fast horizontal.
Bei Svirca finden wir eine Art gelblichrothen Sandstein
von ziemlicher Festigkeit, der fast ausschliesslich aus Fora-
miniferen zusammengesetzt ist; diese sind so dicht aneinander-
gedrängt, dass man sie kaum mit der Lupe unterscheiden kann.
Dieser Sandstein bildet die obere Partie der oolithischen Felsen,
und wird in schönen Platten gebrochen.
Der Landstrich zwischen Svirca und Oreovica erscheint
infolge der vier Hügel, die ihn durchziehen, wellenförmig. Die
festen Gesteine verlieren sich unter der fruchtbaren mit mürbem,
Löss vermengten Ackererde. Von dem letzten und höchsten
Hügel aus erblickt man die Mündung des Isker in die Donau und
die gegenüberliegenden Flächen rumänischer Ufer. Auch hier
treffen wir auf dieselben Kalkfelsen wie bei Svirca, und auch
hier sind Cardium, Tapes (in geringerem Masse Cerithien) die
gewöhnlichsten und am reichlichsten vertretenen Versteinerungen.
Grössere Platten von sarmatischem Gestein bricht man in
der Umgebung von Oreovica.
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 28&
Vor Slavovica, gegenüber von Kruseven, konnte ich das
folgende Profil aufnehmen:
1. Zu Oberst Löss.
2. Fettiger, lehmiger Mergel (7 — 8 Meter), verschieden
gefärbt: bläulich, grünlich, röthlich oder gelblich. Gegen die
Mitte erblickt man eine dünne Schichte (etwa 10 Ctm.) mit
Fossilien und darüber Gyps bis zu einem Meter; derselbe wird
Ton der Bevölkerung fleissig abgebaut. Unter der dünnen Fos-
silienschichte liegt eine andere noch dünnere (2 — 3 Ctm.) von
braunem Tegel und unmittelbar darauf folgt lehmiger Mergel.
3. 0-40 Meter dicke Sandschichte.
4. 4 — 5 Meter Tegel und lehmiger Mergel mit Gyps; in den
unteren Partien reichliche Mengen von Versteinerungen.
5. 1 — 2 Meter oolithischer Kalkstein. Derselbe ist hier in
zwei Formen vertreten; die eine besteht, wie der weiter oben
beschriebene Kalkstein, aus den Gehäusen verschiedener Fora-
miniferen, die andere aber ist ein pisolithischer Oolith, dessen
einzelne Kerne gleich gross sind, und die Stärke eines Hirse-
kornes erreichen. Sowohl in der ersten, als auch in der zweiten
pseudo-oolithischen Felsart findet man grosse Mengen von Fos-
silien, und zwar: Modiola Volhynica Eichw., häufig; Card'mm
nbsoletum Eichw., sehr häufig; Bulla Lajonkaireana Bast.^
Trochus quadristriatus Dub.
6. Zu allerunterst liegt eine dicke Schichte von bläulichem,
fettigem ]\rergel, der sich im Flussbette des Isker verliert.
Ausser den genannten Fossilien finden sich:
Cardium plicatmn Eichw. (Nur ein unvollständiges Exemplar.)
Tapes gregaria Part seh. Alle mögliche Formen, dickschalige Exem-
plare. (Häufig.)
Mactra Podolica Eichw. (Kommt auch bei Slavovica vor.) Sehr
häufig.
Solen sitbfragilis Eichw. i Hörn es, op. cit. II, p. 14, Tat'. 1, Fig. 12,
13.) (Nur zwei unvollkommene Exemplare.)
Trochus quadristriatus Dub.
Trochus pictus Eichw. Sehr häufig.
TrucliHS Poppelacki Part SC h. (Wohl kaum von Tv. quadristriatus vai
unterscheiden.) Haben ihre rothbräunlichen Farbenzeichnungen bewahrt.
Trochus Podolicus Dub. (Hörnes, op. cit. I, p. 447, Taf. 45, Fig. 2.)
Bei Slavovica, im Iskerthale, finden wir verschiedene Varietäten von dieser
286 Z 1 ii t a r s k i,
Schnecke. Manche sind länglich, andere zusammengedrückt. Die Knotung
ist überaus variabel. Unsere Formen nähern sich in Gestalt und Grösse
jenen von Bessarabien.
Cerithium disjunctiim Sow. Ausserordentlich häufig.
Cerithiuin plicatuin Brug. Einige schöne Exemplare.
Cerithiim Üitboisi Hörn es. Nur eine kleine Anzahl, doch sind die
Individuen prächtig erhalten.
Cerithium uodoso-plicatiim Hörne s. (Kommt häufiger vor als die vor-
hergehende Art.)
Cerithium ruhiginnsum Eichw. (Ein einziges Exemplar.)
Cerithium jiictum Bast. In geringer Anzahl.
Buccinum duplicatum Sovr. var. Schwer von dem Y'\A\nav Buccinum
zu unterscheiden.
An diesem Orte findet sich demnach am häufigsten Cerithium dis-
junctum vor, und am seltensten Cardium piicatum, Solen subfragilis und
Cerithium ruhiginosum.
Südwestlicli A'on Gigeu-Mahala erstreckt sich ein Hügel bis
zum Isker. Derselbe besteht in seinen obersten Partien aus Löss,
der ungefähr 5 — 7 Meter stark ist und unregelmässige Kalkcon-
cretionen aufweist; allmälich gebt derselbe in Sandstein über,
und zwar zu allererst in Schotter und sodann in grobkörnigen
schwacbzusammenhängenden Sandstein, der auch Eruptivgesteine
enthält. Anfangs hat dieser Sandstein das Gefüge eines Conglo-
merates, später wird er psammitisch und zu allerunterst ist er bläu-
lich und mergelig. An dem Flusse kommen unter dem Sandsteine
oolithische Kalkfelsen zum Vorschein. Dieselbe Reihenfolge
constatiren wir auch am linken Iskerufcr.
Ein wenig nördlicher erblickt man vor Gigen-Mahala den-
selben Löss mit den Concretionen und darunter eine Schichte
(5 — 10 Ctm. dick) von Kreidekalkschotter; sodann folgt grün-
licher, sandiger Mergel (etwa 25 — 30 Ctm. stark), in dem eben-
falls Kreidebruchstücke vorkommen. Zu unterst breitet sich auch
hier oolithischer Kalkstein aus, und zwar u) dichter Oolith,
dessen einzelne Körner kaum mit der Lupe erkannt werden
können; erinnert stark an jenen von Svirca; b) Oolith, der seiner
Structur nach mehr einem Muschelconglomerate ähnlich sieht;
zusammengesetzt ist derselbe aus den Gehäusen unzähliger
kleiner Thierchen und geringen Mengen von Lehm. In dem-
selben kommen am häufigsten vor: Trochus pictua, Tr. quadri-
strialus, Tapes greguria,Cardium obsoletum VLndßlodiola Volhynica.
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 287
Fassen wir das Gesagte in Kürze zusammen:
Die sarmatischen Ablagerungen beginnen im Süden unweit
Devenci mit einem bläulichen Mergel, den man von jener bei
der Vidbrücke vorkommenden Art gar nicht unterscheiden kann.
Über dem Mergel liegen Sandschichten, Sandmergel und zu oberst
Kalkschichten. Alles concordant zu der oberen Kreideformation
und leicht nach N geneigt. Einer ähnlichen petrographischen
Vertheilungbegegnen wir in Westbulgarien im Gebiete des Timok ^
und östlich von diesem Flusse gegen St. Peter, Bojnica etc.
Die sarmatische Stufe ist im Iskerthale durch ihre untersten
Schichten vertreten ; sie ist hier, wie im Wiener Becken, durch
Mure.v suhlavafus, Cerithium pictum, Cerithium rubiginosum und
Cerithium nodoso-pUcaturn charakterisirt. Formen, welche im
östlichen Theile Bulgariens und in der Dobrudza, Krim, in Süd-
russland ^ fehlen, dagegen aber westwärts davon häufig vor-
kommen. Die sarmatische Stufe kommt wohl auch an einzelnen
Orten im östlichen Bulgarien zum Vorschein, so zum Beispiel bei
Tropcilar und Bajram-Bunar, zwischen Sojakli und Srnebe-köj
(sämmtlich im Kreise von Silistra), sowie an den Ufern des
Schwarzen Meeres bei Balcik und Varna; doch gehören diese
Schichten zu der oberen Abtheilung derselben. Bei Balcik
zeigen sich unter den Kalkbänken mit Mactra Podolica und
Ervilia Podolica keine cerithiumf Uhren den Ablagerungen,
sondern ein weisser, kreidiger Mergel, der einen ausserordent-
lichen Eeichthum an dickschaligen Exemplaren von Mactra und
von einer Helis^ aufweist, und meines Wissens im westlichen
Europa, noch nirgends gefunden worden ist. Man könnte den-
selben für gleichwerthig mit den unteren Partien der sarmatischen
Ablagerungen ansehen.* E. Favre erwähnt ähnliche Vorkomm-
nisse aus der Dobrudza und Krim. '^
1 Fr. Toula, Die sarmat. Ablag, zw. Donau und Timok etc. pag. 3.
M. vgl. auch Period. Spisanije VI, pag. 63.
- E. Favre, Op. cit. pag. 40.
3 Es ist Helix cincta Müll., die bis auf den heutigen Tag auf der
Balkauhalbinsel lebt.
■i G. Zlat arski. Geologisches Profil von Vidin über Bojnica etc.
pag. 14.
ö E. Favre, Op. cit. pag. 40.
288
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290 Z 1 a t a r s k i,
Von Grigen-Mahala aus erweitert sich das Iskertlial in eine
umfangreiche mit dickem Löss bedeckte Ebene. Dieselbe erstreckt
sich nach N bis zu den Ufern der Donau, nach W bis zu den
sarmatischen Felsen, die sich zwischen Kriiseven und Beslij
erheben, und nach 0 bis zum rechten Vidufer, Der Fluss Isker,
der hier besonders ruhig- und gelassen dem Donauthale zufliesst,
macht noch vor seiner Mündung einige bedeutende Windungen.
Das mangelnde Gefälle bedingt die Entstehung von, zum Theile
ziemlich umfangreichen Lachen, deren einige während des
Sommers austrocknen, andere aber selbst der grössten Hitze
trotzen, und sich in wahre Pestherde verwandeln. Im östlichen
Theile dieses Thaies erblicken wir auch einige ansehnliche
Fischteiche. Nur in der unmittelbarsten Nähe des Isker und
nördlich von Gigen sind einige kleinere Complexe von jungen
Weidenbüschen zu sehen, der übrige Theil des weiten Thaies ist
nur mit Riedgräsern und Schilf bedeckt. Das Donauufer ist in
dieser Gegend niedrig, im Gegensatze zum walachischen, wo es
ziemlich hoch und mit einigen hübschen Städtchen besetzt ist:
Cilej, Korabia etc. Westlich von Beslij erhebt sich wieder das
rechte Donauufer. Unter dem mächtigen Löss erblicken wir hier
an vielen Orten Bänke sarmatischer Bildungen.
In Gigen werden viele römische Alterthümer ausgegraben;
fast in einem jeden Hause kann man archäologische Gegenstände
gewahren : Steinplatten mit Inschriften, Sarkophage, Reliefpfeiler
aus Marmor etc. Die alte römische Stadt, deren Trümmer zu
Tage gefördert werden, hiess Ulpia Oescus und lag nördlich von
Gigen. Man deckt noch immer hie und da kolossale Gebäude auf.
Eine grossartige Wasserleitung aus dem Iskerthale zieht an der
Mahlenska-Mogila, später auch an Gigen selbst vorbei; dieselbe,
schon an einigen Stellen durchbrochen — bei Mahala und bei
dem Dorfe — weist hier eine bedeutende Breite aui'; in Gigen
beträgt sie 2 Meter, bei einer Höhe von nur 1-5 Meter; aufgebaut
ist die betreffende Wasserleitung aus tertiären Gesteinen aus dem
Iskerthale. Zu den Bauten der alten Stadt wurden ausser sarma-
tischen Steinen noch Kreidefels und schöner Marmor vei*wendet;
der erstere stammt aus dem Vidthale, der zweite aber ist gewiss
aus sehr weitentfernten Orten hergebracht worden. (M. vergl.
Taf. III.)
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 291
II. Ton (xigeu längs des Flusses Yid nach Pleven.
1. Von Gigen über Brest, Zlakuciiio, Kacamunica
nach Pleven. Der Landstrich zwischen Gigen und Brest ist von
ermüdender Monotonie; links von der Strasse erheben sich unweit
der Lachen sieben Tumuli, rechts aber sieht man einige Terrassen
im Löss. Bei Brest hebt ein ziemlich bedeutendes Plateau an,
das manche Hügel und Thäler aufweist, und in allen Aufschlüssen
und Wasserrissen nichts als Löss ei'kenuen lässt. Über dasselbe
stieg ich in das Vidthal hinab.
Von den Höhen, die Brest von Zlakucino trennen, sieht man
sehr deutlich die Windungen des Vidflusses, sowie auch die Donau
und die oben beschriebenen Lachen, die sich im W bis zum erst-
genannten Fluss erstrecken. Östlich vom Vid gewahrt man in der
Ferne weisse Kalkfelsen, die sich bei Somovit ziemlich hoch und
steil über das Niveau der Donau erheben. Die Schichten dieser
Felsen liegen fast horizontal und können sogar von Weitem genau
unterschieden werden. Wie wir uns später überzeugen konnten,
gehören diese Felsen der Kreideformation an.
An den Abhängen gegen Zlakuceni findet man hie und da
Kreidekalke mit Hemipneustes stinato-radiatus d'Orb., Ostrea
vesicularis Lam., Janira cfr. quadricostata Sow. u. a,, wie sie
auch in der Umgebung von Pleven (Kajalyk) und im Vidthale
gefunden werden. So viel ich ersehen konnte, ist dies jedoch kein
anstehendes Vorkommen, sondern höchst wahrscheinlich beim
Bau der nahen Strasse aus dem östlichen Gebiete des Vidflusses
hieher transportirt worden. Diese Strasse datirt gewiss aus den
Zeiten, da Llpia Oescus noch florirte, rührt also von den Eömern
her und nicht von den Türken, wie die Tradition wissen will.
Gegenüber von Komarevo sind die weissen Kreideschichten
fast horizontal gelagert: das Gestein ist nicht besonders fest. Aus
den vom anderen Ufer herübergebrachten Gesteinen sammelte ich
folgende Fossilien:
Ostrea vesicularis Lam. in grossen Exemplaren, i
Pecten cfr. virgattis Nils. (Zittel, Die Bivalven der Gosaugebikle,
p. 109, Taf. 17, Fig. 8.) Das einzige kleine Exemplar in meinem Besitze
erinnert sehr an die von Zittel beschriebene Art.
1 Eines der an Prof. Toula eingesandten Exemplare scheint nach
seiner Angabe mehr an Ostr. Hippopodium Nils, auzuschliessen.
292 Z 1 a t a r s k i ,
Lima sp. Nur einige Bruchstücke einer grobrippigen Art.
Auf eine kurze Strecke hin treten bei Komarevo, am Süd-
ende des Dorfes, einige horizontale Schichten von aschgrauem,
dichtem und sehr festem Kalkstein hervor, aus welchem ich
folgende Fossilien herausschlagen konnte:
Neitliea (Janira) cfr. qimdricostata Sow.
Inoceramus cfr. mi/tüoides Maut. Erinnert an den Inoceramiis aus dem
Plänersaudstein bei Trziblitz.
Panopaea sp. nähert sich der Form nach am meisten der Panopaea
frequens Zitt., doch unterscheidet sie sich andererseits von derselben durch
ihre bedeutendere Grösse. Erstere wird 50 — 60 Mm., unsere Form dagegen
90—100 Mm. hing.
Steinkerne von Circe (?) hat grosse Ähnlichkeit mit C. disciis Math,
sp. (Zittel, op. cit. p. 24, Taf. III, Fig. 7.)
Pecten vielleicht P. Nilsoni Goldf. i
t^ber den fossilienreichen Kalkbänken liegt ungefähr ein
Meter conglomeratförmiges Greröll (wachsgelblicher Kiesel, Sand-
und Kalkstein etc.), mit kalkigem Cement verkittet. Über dem
Conglomerat breitet sich gelblichgrauer Löss aus.
Dieselben Kreidekalkgesteine wie bei Komarevo stehen
auch in Kajalyk bei Pleven an und erstrecken sich von hier
sicher nach 0 hin, sind jedoch unter dem weichen und weissen
Gestein verborgen. Bei Komarevo wurden sie infolge einer Schatz-
gräberei aufgeschlossen.
In der Gegend von Ribiua beginnt der gelblichgraue, lehmige
Kalk; derselbe enthält grosse Stücke von schwarzem Kiesel, und
gehört wohl zum echten Plänerkalk. Dasselbe Gestein gewahren
wir auch bei Kacamunica, wo viele Cidaritenstacheln, die die
grösste Ähnlichkeit mit Cidaris Fanjas'i Desor. haben, und ver-
schiedene Bryozoen, Sei-pula (?), Lima etc. vorkommen.^
1 Das Gestein dieser letzteren Vorkommen unterscheidet sieh etwas
von dem der anderen Formen, es ist grau gefärbt und dicht.
2 Die lichten, mehr weniger erdig-kreidigen und mürben Kalke, wie
sie hier und bei Komarevo auftreten, stimmen nach Toula's Meinung
ohne Zweifel mit den von Foetterle zwischen Ütchündol und Beklesch
angeti'oifenen überein. Sogar das Vorkommen von „schwarzem Hornstein"
findet sich erwähnt. (Verhandl. 1869, p. 192, wo sie für Eocän u. 1. c. p. 373,
wo die Altersbestimmung richtig gestellt und die betreffenden Abi. für
obercretacisch erklärt werden. M. vgl. auch Hochstettcr, Jahrb. d. k. k.
g. R. 1870, p. 402.
Geologische ÜDtersuchimgen im centralen Balkan etc. 293
Bei Bivolari ging- ich auf die rechte Seite des Vid. Noch
bevor wir dieses Dorf erreichen, erblicken wir auf den umliegen-
den Höhen Leithakalk, der anzeigt, dass wir nunmehr in das
Gebiet der Mittelmeerstufe eintreten.
Es finden sich hier besonders wohl erhalten Korallen, ein
wahres Korallriff bildend,^ worauf übrigens gleichfalls schon
Foetterle aufmerksam gemacht hat (1. c. p. 374). Zwischen
Bivolari und der Mühle Zlatan's kommt unter dem Leithakalk
bläulicher Mergel zum Vorschein, der mit jenem bei der Vidbrücke
übereinstimmt (man vergleiche weiter unten).
Das Becken von Pleven öffnet sich in der Richtung von 0
nach W zwischen den Hügeln von Opanec und den nahegelegenen
Weinbergen. Inmitten dieses Beckens fliesst der Bach Tucenica,
der unweit Opanec sich in den Vid ergiesst. Dieses kleine Becken
ist mit Alluvium bedeckt und von bläulichem Mergel, den ich für
miocän halte, erfüllt. Dort, wo die kleinen Querthäler sich durch-
kreuzen, sieht man diesen letzteren ganz deutlich. Er erschliesst
sich noch an einigen Stellen der Ränder des Beckens, doch ist er
im südlichen Gebiete nirgends zu gewahren, weil er hier unter
dem Tegel liegt, der sich in den Weinbergen bis an die Vidbrücke
ausdehnt. Dies alles zeigt, dass die miocäne Mediterranstufe sich
im N gegen Opanec und Bivolari hin ausbreitet, im S aber bis
Trnina reicht. Die Stadt Pleven erhebt sich im südöstlichen
Theile des Beckens.
2. Von Pleven bis zur Vidbrücke, längs des Flusses
nachTrnica;sodannüberKartazabeni,ücindol,Bogot,
Tucenica, Radisevo nach Pleven zurück. In der
unmittelbaren Nähe der Vidbrücke erschliessen sich auf der
1 Herr Prof. Toula theilt mir über einen grösseren, ihm zur Ansicht
zugesendeten Korallen-Stock mit, dass er mit der im österreichischen Miocän
verbreiteten /Te/ias^raeö Äewsseöwa M. Edw. et H. vollkommen überein-
stimmt und im Erhaltungszustande von den Stücken von Lapugy in Sieben-
bürgen nicht unterschieden werden könne. (Reuss, Denkschr. d. k. Ak. in
Wien XXXI. Bd. 240, Taf. IX, Fig. 2.) Liegt auch als Steinkem vor. Ein Stock-
Bruchstück einer Form mit grösserem Zellendurchmesser lässt sich nach
'J'oula mit ziemlicher Sicherheit als Heliastraea Defrancei M. Edw. et H.)
fl. c. Taf. IX, Fig. 3 u. X, Fig. 1, pag. 239) bestimmen. In einem serpula-
reichen Kalke liegt auch ein Steinkern von Cypraea sp. vor.
294 Z 1 a t a r s k i ,
rechten Flussseite Mergel- und Lehmschiclitenj über welchen man
eine zerbrochene Bank von Leithakalk gewahrt. In den untersten
bläulichfarbigen Mergelschichten, die an dem Flusse zum Vor-
schein kommen, finden wir keinerlei Versteinerungen; sie unter-
scheiden sich in keiner Beziehung von den Mergeln aus dem
Becken von Pleven, Opanec oder Bivolari. In dem fettigen grau-
weissen Tegel kommen hingegen sehr viele Fossilien vor, die,
wie schon Foetterle zeigte, ganz und gar jenen von Baden bei
Wien ähnlich sehen. In den oberen Partien des Tegels finden wir
Bruchstücke von „Nulliporen- oder Leithakalk" und krystallisirten
Gyps. In Faserform erfüllt dieser Gyps die Sprünge und Risse
des Tegels, der wieder infolge seiner starken Imprägnirung mit
schwefelsauren Salzen unablässig weitere Gypsmassen pro-
ducirt. 1
Den bläulichen Mergel sieht man auch südlich von der
Brücke, an dem rechten Vidufer, den Tegel jedoch nur zuweilen.
Unweit Plasigas kommt dieser letztere wieder zum Vorschein;
über ihm liegt Leithakalk, der jedoch auch hier keine compacte
Masse bildet. In zusammenhängenderen Massen finden wir den Kalk
nur an den höher gelegenen Orten; in den Niederungen kommt
er nur in Form von grösseren oder kleineren Bruch- und Roll-
stücken vor. Gegenüber von Plasigas^ stossen wir nochmals auf
Tegel mit Gyps und Fossilien und weiter unten auf bläulichen
Mergel. Ein prächtiges Profil erschliesst sich den Augen des
Beschauers an den Stellen, wo der Vid das rechte Ufer immer
mehr und mehr unterwühlt und auswäscht. (Man vergleiche auch
V. Fritsch.)
Auf den Hügelhöhen um Desivica und Trnina herum finden
wir den nämlichen Leithakalk, den wir auch bei Bivolari zu
betrachten Gelegenheit hatten.
Bei der Vidbrücke und gegenüber von Plasigas wurden
gesammelt:
1 Näheres im VII. Bd. des Period. Si)isaiiije, pag. 93 — 94, Jahrg. 1884.
2 Dieses Dorf hig noch vor dein letztem russisch-türkischen Kriege
am rechten Ufer des Vid; erst später übersiedelten dessen Einwohner auf
das linke Ufer. Unter den Euinen des frühereu Plasigas finden wir nur
fossilienreichen Tegel.
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc.
295
Nr.
Name
Bei der
Vid-
b rücke
Gegen-
über von
Plasiffas
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
U
15
16
17
18
19
20
21
2-2
23
24
25
26
27
28
Conus Diijar (Ulli De sh
Ancillaria civ. obsoletaD Qsh.
Riiigicula biiccinea Desh
Colutnbella sithulatn Bell
Ter ehr a bistriala Grat
Buccinum Badi'iiseVsiVisch.
Buccinum semistriatiiin B r o c c
Buccmum costulatum Brocc
Cassis Sabitronham
Chenopus pes pelicaiii Vhi\
Pleitrotoma hirricola BroGC
Pleurotoina spinescens Pa.vtsc\i
Ceritliium spiita Bartsch
Turräella siibangulaia Bvonu
JS'atica helicma Jirocc
Chemnitzia Reiissi Harnes
Dentalium Badense Bartsch
Corbida gibba 0\\Y\
Venus multilamella Lam
Venus plicata Gmel
O/therea Pedemontana A g
Curdita Partschi Goldf.
Cardita trapezia Bvng
Leda fragilis Chemmn
Limopsis anomalalhiG\i\y
Area diluviiljaiii
.flrfa^/s;/m Bartsch
Pecten cir. Kokeni Fncha
Im Ganzen
+
+
24
11
Foetterle erwähnt noch folgende Fossilien, die ich hier
nicht finden konnte: Conus Noe Brocc, Pleurotoma asperulata
Lam., Anciliar ia glandiformis Lam., Cypraea pyriim Gmel.,
Turbinolia duodecimcostata und Flabellum cimeatum Mich.^
An der rechten ^Seite des Bächleins Cernelka erschliessen
sich neue Kalklager, deren eigenartige Fossilien den Beweis
dafür liefern, dass unweit Cernelka das tertiäre Gestein aufhört
und nun die Eegion der oberen Kreide und des Turou beginnt.
Au diesem Orte unterscheiden wir zweierlei Felsarten: aj f^andi-
gen grauweissen Kreidekalk mit spärlichen glaukonitischen Körn-
chen und ziemlich häufigen Bryozoen; bj weissen, feinkörnig-
1 L. c. pag. 374.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Gl. XCIII. Bd. I. Abth.
20
296 Z 1 a t a r s k i ,
dichten Kreidekalk, reich an Discoporen (Discopora simplex
Reu SS [Reuss: Die Versteinerungen d. böhm. Kreideform.
II. Abth., p. 69, t. 15, Fig. 8). Gleichen vollkommen der Discopora
aus dem Plänerkalke bei Biliu, Hunsdorf und Kutschling in
Böhmen. Ausserdem findet sich auch ein Pecten (vielleicht der
cenomane Pecten cretosus Defr., Brongiart: Geolog, des
environs de Paris, p. 383, pl. III, fig. 7), eine flache, breite und
radialgestreifte Form und andere unbestimmbare Bivalven. Der-
selbe enthält auch den Eisenkies, der zum grössten Theile in
Eisenoxyd und Melanterit umgewandelt ist. Mit der Lupe erkennt
man auch hier die Glaukonitkörnchen. Bei dem Steinbruche auf
dem rechten Ufer der Cernelka ist von einer Schichtung nichts
ersichtlich.
Bei Kartazabene erheben sich an den beiden Seiten der
Cernelka bis zu einer Höhe von 10 — 15 Meter einige dünn-
geschichtete und fast horizontal liegende Kalke. Bemerkenswerth
ist es, dass dieselben nicht eine gleichmässige Höhe bewahren,
sondern dass sie in sehr verschiedenen Niveaus auftreten. Zu
oberst liegen die erst erwähnten; dann folgt bläulicher, mürber,
thoniger Kalk. In den unteren Partien finden wir auch Concretio-
nen von härterem Material; zu allerunterst ist der Fels bläulich
und viel härter als in den oberen Schichten.
In Kartazabene entbehrt die Cernelka eines eigentlichen
Flussbettes; sie fliesst über kahles Gestein und zwischen steilen
Felsen. Aus dieser Partie sammelte ich in kurzer Zeit folgende
Fossilien:
Pholadonuja sp.
Venus sp.
Isocardia cfr. Cnrantonensü d'Orb. (D'Orbigny, Pal. fr. terr. cröt.III,
p. 48, pl. 252, Fig. 1 — 4.) Nur in Steinkerneu, entspricht fast vollkommen
der d'Orbigny 'sehen Fig. 1. Kommt vor im Turouien und in der Etage de
V Ammonites Rhotomagensis.
Pecten cfr. cretosus Defr. in einigen flachen Abdrücken.
Pecten membrunaceus Nils. (Goldfuss, Petrefacta Germaniae II,
p. 71, Taf. 99, Fig. 7.) Diese flache und glatte Form in mehreren zumeist
zerbrochenen grossen Exemplaren, die sich an die grossen ungefiilteten
Formen, wie sie z. B. Geinitz (Eibthalgebirge I, Taf. 34, Fig. 8) als Tcrc'
hratula hiplicata Sow. od. 1. c. Fig. 6 als Ter. dcpressa Lam. aus dem Unter-
pläner von Plauen abbildet. (Im Plänerkalke.)
Terebralula sp.
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 297
In der Nähe von Karaguj macht die Cernelka einige sehr
starke Windungen und fliesst in einem ungemein engen Bette,
das von den oberwähnten^ vertical in die Höhe ragenden Felsen
begrenzt ist. An vielen Orten kommen hier Höhlen und Klüfte
vor, in welchen unzählige Eaubvögel horsten.
Auf dem flachen Hochplateau von Brestovec verschwindet
der Fels unter dem fruchtbaren Ackerboden. Die Ebene ist
wellenförmig und hat nur wenige Thaleinsenkungen. Bei Ucindol
verliess ich die Hauptstrasse und gelangte über ein kleines
unbeuanntes Thal zu den Weinbergen von Bogot, wo in einem
kleinen Steinbruche der nämliche Kalk wie bei Kartazabene
gebrochen wird. Auch die Fossilien sind dieselben: Discopora
simplex Reuss, Pecten und andere.
Nur ein Hügel trennt Bogot von Tncenica. Dieses letztere
Dorf liegt in einer Thaleinsenkung an dem gleichnamigen Bache,
an dem sich Aufschlüsse finden.
Die Ackererde ist hierorts sehr fruchtbar, röthlich oder braun,
mürbe und bröcklich, und erreicht eine Tiefe von 1 Meter. Unter
dieser sieht man eine Art aschgrauer Erde mit weissen hasel-
nussgrossen Kalkconcretionen; dieselbe wird nach der Tiefe zu
kalkreicher, bis sich zuletzt Kalkfels einstellt.
Das Dorf Tucenica liegt am linken Ufer, steilen Felsen
gegenüber, die sich auch nach 0 erstrecken, aber nicht mehr
dieselbe Höhe erreichen wie westlich unweit Pleven in dem wild-
romantischen Thale der Tucenica, dem sogenannten „Kajalyk",
auf bulgarisch „Kamenec".
Gegenüber der Tucenica kann man das folgende Profil
beobachten:
1. Weissen, halbkrystallisirten, mittelkörnigen Kalkstein,
unvollkommen spaltbar; enthält Pecten sp. Ungefähr 5 Meter
mächtig,
2. Denselben Kalkstein, nur ein wenig thonhältig; beiläufig
4 Meter.
3. Bis zu 20 Meter thonigen Kalkstein; derselbe wird je
tiefer um so thonreicher. In demselben Verhältnisse wächst auch
sein Fossilienreichthum. Die untersten Partien dieses Gesteines
sind thouig-mergelig, der Farbe nach bläulich und enthalten
bedeutende Mengen von schwarzen Kieselstücken,
20*
298 Z 1 a t a r s k i ,
4. 7 — 8 Meter weissen, dichten Kalkstein mit weissen Spatb-
adern, in dem wir, wie auch bei Svinar und Kajalyk, eine grün-
liche glaukonitische Materie gewahren. Aus den tieferen Tlieilen
dieser Kalksteiuschichte entspringen vier mächtige Quellen.
Die oberen Schichten, welche ziemlich viele Petrefacten
enthalten, erscheinen horizontal, fallen jedoch wenig geneigt nach
K. In den mergeligen Kalkschichten, die am meisten dem Pläner
ähnlich sehen, fand ich folgende Fossilien:
Cerilhium sp. viell. Cer. stibfasciatum d'Orb. (Fric. Belohorske a mal-
nicka vrstvy, p. Iil6, Fig. 59.) Besitze nur ein Bruchstück von einem
Steinkerne.
Natica lamellosa Rom. (Reuss, Verst. d. bölim. Kreideform. I, p. 50,
tab. 10, Fig. 22.) Dieselbe Art, die Reuss als Natica vulgaris beschreibt,
kommt in grossen, doch unvollkommenen Exemplaren vor.
Dentalimn und Teilina (nicht näher bestimmbar).
Cytherea sp. ähnlich der Cißherea Ilörnesi Zitt. (1. c. pag. 72, Taf. III,
Fig. 5.) Nur im Abdruck.
Inoceramus Crlpsi Maut. (Reuss, op. cit. II, p. 25, Taf. 37, Fig. 12.)
Inoceramus latus Mant. (D'Orbigny, Pal. fr. terr. cret. III, p. 513,
pl. 408, Fig. 1 — 2.) Kommt in der Tucenica in grossen Mengen vor.
Inoceramus problematicus d'Orb. (D'Orbigny, op. cit. III, p. 510,
pl. 406.) Nur ein Exemplar, dem der Wirbel fehlt, mittlerer Grösse. Ausser
den aufgezählten kommen noch andere Inoceramen vor, doch können die-
selben nicht genauer bestimmt werden.^
Pecten cir. misoiii Goläf. (Goldfuss, op.cit.II, p. 71, Taf 99, Fig. 8.)
Diese Muschel ist platt zusammengedrückt, dünnwandig und fast ganz glatt.
Die Ohren haben mittlere Grösse.
Pecten cfr. cretosus Defr. Sehr charakteristisch und jenen von Karta-
zabeni ausserordentlich ähnlich.
Pecten cfr. Rhotomagensis d'O rb. Platt zusammengedrückte, jedoch mit
schönen nicht gleich weit von einander abstehenden Radialstrahlen ver-
zierte Art; auch einige concentrische Furchen sind ersichtlich, die Ohren
sind ziemlich gross und unsymmetrisch.
Verschiedene andere Pecten-¥ ovmew.
Lima (?). Em Abdruck ist ebenso breit als lang, hat eine fast qua-
dratisch rundliche Form, ist schwach gewölbt und eben.
Plicatiila cfr. aspera Sow. (Zittel, op. cit. p. 120, Taf. 19, Fig. 1.)
Nur in unvollkommenen Exemplaren vorliegend.
Ausserdem finden sich noch einige Austern in kleinen, am
Eande leicht gefalteten Formen.
1 Nach Tonla lassen die ihm vorliegenden Inoceramen kaum eine
Gattungsbestimmung zu.
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 299
Der Weg von Tucenica nach Radisevo fvilirt über zwei Hügel ;
in der dritten Thaleinsenkimg liegt das zweitgenannte Dorf.
Alles umher ist mit aschgrauer Erde bedeckt, die auch Kalk-
concretionen enthält; von festem Gestein ist weit und breit keine
Spur. Beim Abstieg zur Tucenica in der Nähe des Monumentes
„Bratska mogila" (Bruderhügel) gewahren wir zunächst die
nämlichen mergeligen Kalksteine, die wir bei dem Dorfe Tucenica
zu sehen Gelegenheit hatten. Hier wie dort zeichnen sich die
Schichten durch ihren aussergewöhnlichen Reichthum an Fossi-
lien aus:
Pecten, Lima, Exogyra finden sich in Steinkernform und
Ostrea hippopodium Kils. (Reuss, op. cit. II, p. 39, Taf. 21,
Fig. 1, 2, 3) in jungen Exemplaren. Auch Terebrateln kommen vor.
Unter diesen Kalkmergeln gewahren wir, wie auch bei
Tucenica, ein weisses halbkrystallinisches Gestein ohne deutliche
Schichtung. Die Mergel sind fast vertical durchbrochen und erheben
sich mauerartig, verschieden hoch über das Niveau der Tucenica.
Sie sind vielfach zerklüftet und höhlenveich.^
Hier können drei Etagen unterschieden werden:
a) Die oberste, welche thonmergelig ist, und in welcher sich
Feuerstein eingesprengt vorfindet;
b) die mittlere, ein weisser zuckerartiger Kalk, in welchem
man hie und da glaukonitische Körner findet, enthält viele
Fossilien: Hemlpneustes, Ostrea, Pecten, Janira, Cardlum,
Pholadomya etc., die wir weiter unten betrachten werden;
c) die unterste, die bläulich ist, in welcher man Fliuttheilchen
bemerkt. Sie ist arm an Versteinerungen.
In der Nähe der grossen Höhle, die sich links vom Bache
erstreckt, sieht man sehr gut die mittlere Stufe, reich an Ver-
steinerungen. (Zumeist als Steinkerne erhalten). Dieser Stufe folgt
mergeliger Kalk. In der Nähe der Mühle, nicht weit von der
Strasse nach Lovec, ragen die an Fossilien reichen, weissen, hier
zuckerkörnigen Kalke hervor, gehen aber in einen harten und
dichten Kalkstein über, der gleichfalls reich an Versteinerungen
ist. Vor Pleven verschwinden auch sie unter den thonmergeligen
1 Zlatarski, Geologische und palaeontologische Untersuchungen
zwischen Pleven und Trojan-Balkan. Period. .Spisauije, X, 188i, p. 59, 60.
300 Z 1 a t a r s k i ,
Schichten, die wie ein Mantel die unteren Theile, die wir oben
betrachteten, bedecken. Die Schichten fallen hier mit 5—6°
nach N.
3. Fossilien ans den mittleren Schichten des
Tucenicathales:
Pletirotoma sp. (cfr. perspectiva Mant. sp.) (D'Orbigny, op. cit. II,
p. 525, Taf. 196.) Kommt mir in Form von Steiukeruen vor.
Phasianclla cir. pusilla Sow. (Sowerby, Observations on some of the
strata etc. p. 343, pl. 18, fig. 13.)
Dentalium mediitm Sow. (Sowerby, Mineral Conchology of Great
Britain, pl. 79, fig. 5, 6.)
Pholadomya aequivalvis Gold f. sp. (D'Orbigny, Prodrome de Pale-
outologie stratigr. iiuivers. II, b. 234) hat eine Länge von 22 Mm. und eine
Breite von 21 Mm. Von dieser Art besitze ich zwei Exemplare in Stein-
kernen.
Teilina seniicostata Eeuss (Reuss, op.eit.II, p. 19, Taf. 36, Fig. 11,12.)
Unsere Art ist niedriger, doch auch länger als die böhmische. Liegt nur in
einem Abdrucke vor.
Cytherea civ.polijmorpha Zittel (neue Form). Unter allen am häufigsten,
jedoch nur in Sternkernen vorkommend; hat eine rundliche, ungleichseitige
und schwachgewölbte Form; der Vordertheil ist abgerundet und um die
Hälfte kürzer als der Hintertheil. Die äussere Oberfläche ist glatt. Die linke
Schale trägt drei divergirende Schlosszähne, von denen nur die zwei
vorderen stark und gut entwickelt sind; der hintere steht ihnen an Stärke
weit nach. An derselben Schale bemerken wir auch einen ziemlich starken
Lunularzahn, der eine fast horizontale Lage hat; ihm entspricht auf der
rechten Schale eine längliche Vertiefung.
Cardium alternatinn d'Orb. (D'Orbigny, op. cit. III, p. 30, pl. 246.)
Cardimn productum Sow. (D'Orbigny, op. cit. III, p. 31, pl. 247.)
Bei unseren Steinkernen kann man die dem kegelartigen Zahn auf der
linken Hälfte entsprechende Vertiefung ganz genau unterscheiden. Die
Länge des Kernes beträgt beiläufig 48 Mm., die Höhe aber 62 Mm.
Sphaeridites sp. viell. Sph. Stjiriacus Zitt. (Zittel, op. cit. p. 75,
Taf. 26, Fig. 5, 6, 7.) Der Abdruck, den ich in meiner Sammlung habe, ist
sehr unvollkommen. Kommt mit Janiru (Ne.'uhea) quadricostata im Chlorit-
kalk des Tucenica Thaies vor.
Eriphijla lenticularis Goldf. sp. (Palaeontographica, XX, 2, p. 62,
Taf. 17, Fig. 12; Taf. 18, Fig. 1, 2) ist viel länger als breit; die Schale ist
gleichseitig, fast oval und endet in einen Wirbel, der nur ein wenig nach
vorne gewunden ist und fast in der Mitte steht. Länge 36 Mm., Höhe 33 Mm.
Pectimculina sp. viell. P. Giicrangeri d'Orb. (D'Orbigny, op. cit. III,
p. 183. pl. 305, Fig. 1 — 4.) Diese kleine j\Iuschel, deren Höhe nur um ein
Geringes das Ausmass der Länge übertrifft, ist fast kreisrund, wenig
gewölbt und fast vollkommen glatt. Nur in Abdrücken vorliegend, bei
Geologische Untersuchimgeu im centralen Baikau etc. oOl
welchen man nach Toula's ^Meinung' auch an Limopsis calvus Sow. sp.
denken könnte. Von den zwei Abdi'ücken, die ich besitze, ist der eine
IJMm., der andere mir 8 Mm. lang. Limopsis sp. Ein vorliegender Steinkem
lässt nach Toula's Angabe die Bandgrube und die grosse Zahl (15 — 18)
schräg gestellter Zähne deutlich erkennen.
Pecfunculus sp. viell. P. obsoletus (Goldfuss, op.cit.II, p.löO,Taf. 126,
Fig. 4) oder P. Marrotianus d'Orb. eine oval-rundhehe Form; nur in einem
Steinkerne vorliegend. Der Wirbel ist spitzig imd hakenfönuig gebogen :
die Bandüächen unter demselben sind sehr gut erkennbar, sie sind ziemlich
stark und acht an der Zahl. Länge 30 Mm., Breite fast ebensogross.
Pinna cfr. cretacea Schloth. (D'Orbigny, op. cit. III, p. 256, pl. 333,
Fig. 4, 5.)
Gervillia sp. Von dieser Art besitze ich nur ein Bruchstück, dessen
Breite 23—25 Mm. beträgt. Die Oberfläche der Schalen ist glatt und mit
concentrischen Linien bedeckt. Hat grosse Ähnlichkeit mit G. solenoides
Defr.
Neithea (Janira) aequicostata Lam. sp. (Palaeontographica XX, 1,
p. 200, Taf. 45, Fig. 5—7.) In beiden Schalen vorliegend. Die oberen sind
gewöhnlich gut erhalten, nur die Ohren fehlen ihnen. Nach d'Orbigny ist
die Neithea aequicostata charakteristisch für die unteren Schichten des Turon
sowohl des Pariser- als auch des mediterranen Beckens.
Neithea quinqiiecostata Sow. sp. (Palaeontogr. XX, p. 201, Taf 45,
Fig. 8—9.)
Neithea quadricostata Sow. sp. (Zittel, op. cit. p. 39, Taf. 18,
Fig. 4 a — h). Unterscheidet sich von der N. quinqiiecostata durch ihre sechs
weniger stark convexen Hauptrippen.
Spondiliis sp. (nur ein Bruchstück).
Änomia truncata Geinitz (Reuss, op. cit. II, p. 45, Taf. 31, Fig. 13) .
Grösser als die Exemplare aus dem böhmischen Plänerkalke.
Exogyra sp. ind.
Ostrea cfr. ungulata H. Coquand (Monographie du geure Ostrea,
p. 58, pl. 31, Fig. 4 — 15). Diese längliche, zusammengedrückt rundliche
und gebogene Ostrea kommt sehr häufig in dem Thale der Tucenica bei
Pleven voi*.
Serpula gordialis Schloth. (Palaeontogr. XX, 1, p. 283, Taf. 63
Fig. 2-9.)
Serpula conjuncta Gein. (Geinitz, Nachtr. zur Charakt. IV, p. 7,
Taf. 4, Fig. 6 — 9), glatt, cylindrisch, beiläufig 1-5 Ctm. im Durchmesser. (Im
unteren Plänerkalk.)
Serpula Ootatoorensis Stol. iPal. Ind. Cret. F.iuna, IV. p. 65, pl. 29,
Fig. 9, lOj hat ein längliches, rundlich-elliptisches, glattes, ebenes und sehr
oft gewundenes Gehäuse. Der grösste Durchmesser misst bis zu 7 Mm.
Hemipneustes striato-r ad latus d'Orb. (D'Orbigny, op. cit. VI, p. 113,
pl. 802, 803.) Eine der verbreitetsten Fossilien aus der Umgebung von
Pleven; unterscheidet sich von der d'Orbigny 'sehen Art nur durch die
302 Z 1 a t a r s k i ,
beträchtlichere Grösse. Unsere Stücke erreichen eine Länge von 95 Mm.,
eine Breite von 80 und eine Höhe von 60 Mm.; folglich übertreffen sie die
französischen in der Länge nm 17 Mm.
III. Von Pleyen nach Nikopol.
Gegen das uördliclie Ende von Pleven, sowie auf dem Wege
nach Bukovlek wirdLelim 7a\ Ziegeln verarbeitet. Er verschwindet
€rst am Fusse des Gebirgsabhanges, wo er einem bläulichen,
undeutlich geschichteten, bröckeligen Mergel, ähnlich jenem, den
wir früher bei Opanec, Plasigas und Dessivica sahen, Platz macht.
Dieser Mergel ist die Fortsetzung des obgenannten Beckens.
Auf der Höhe des Abhanges, zwischen Pleven und Bukovlek,
von wo aus man das ganze Becken und einen Theil vom Balkan
übersehen kann, finden wir denselben Mergel.
In dem Bache, der auf den Grivicahöhen entspringt und
durch Bukovlek fiiesst, kann man nichts gewahren, was den Bau
des Hügels verrathen könnte. Erst gegen die Abhänge des zweiten
Hügels sieht man au zwei bis drei Stellen weissen, theilweise
gelblichen oder gelblichblauen Mergel, von derselben Art, wie der
früher erwähnte, nur dass er einen grösseren Gehalt an Kalk
aufweist. In der grauröthlichen Ackererde, die über dem Mergel
liegt, finden wir viele Kalkconcretionen.
Der kalkige Mergel oder Mergelkalk ist seinem Alter nach
(ob tertiär oder cretacisch) kaum zu bestimmen.
Fast genau in der Mitte des Weges, zwischen Pleven und
Brsljanica, in dem Grundstücke, das „Pravitelsten suvat" genannt
wird, wurde unlängst ein Steinbruch eröffnet, in dem wir die
obere Kreide aufgeschlossen finden. Die Gesteine sind weiss,
stellenweise grau oder gelblich und kreidig- erdig. In frischem
Zustande ist der Fels der Farbe nach gelblich und besitzt nur
eine mittelmässige Härte; wird er aber einige Zeit der Luft aus-
gesetzt, so erhält er eine schneeweisse Farbe und vdrd in hohem
Masse bröckelig. In demselben finden wir grauen, gelblichen und
schwarzen Feuerstein, der jedoch selten grosse Concretionen
bildet; verkieselte Spongien, Belemniten etc. kommen häufig vor.
Diese Kreidescbichteu beginnen, ohne eine deutliche Stratification
aufzuweisen, unter dem Ackerboden, der hier kaum 15 Ctm.
erreicht. Von Thierresten finden Avir am häufigsten: Eschara und
Geologische Untersiichungeü im centralen Bnlkau etc. 303
andere Bryozoen, und zwar in grosser Menge und Mannigfaltigkeit.
In der lockeren weissen Kreide sind noch folgende Fossilien
reichlich vertreten :
Te7'ebrati/la, meist zerdrückt und entstellt. Einige darunter sind sehr
gross und erreichen eine Länge bis zu 80 — 90 Mm. Bei einer aufmerk-
sameren Betrachtung werden wir gewahr, dass manche Exemplare an
T. senilglohosa Sow. erinnern, andere wieder an T. Carnea Sow., mit einem
Schlosskantenwinkel von 90 — 100°. Schafliäutl beschreibt eine grosse
Terebraüila aus Teisenberg, die sehr au unsere Art erinnert, unter dem
Namen T. ohesa Sow.i Die in der Paläontologie frangaise abgebildete
T. obesa unterscheidet sich aber wesentlich von der bayerischen;- ich
glaube, dass SchafhäutTs T. obesa eigentlich eine T. semiglobosa oder
T. carnea ist.
Pecten sp. viell. P. cnlosus Defr. radialrippig, mit vielen feinen con-
centrischen Linien. Sein Vorkommen ist an jene Partien der Kreide
gebunden, wo der Feuerstein unregelmässig vertheilt ist und gleichsam als
Bindemittel des Grundgesteines fungirt. Dieses letztere ist aschgrau oder
gelblich und ist überaus reich an Bryozoen und Spongien etc. deren
Bestimmung ich mir für später vorbehalte. Auch Belemnüclla cfr. mucronota
d'Orb. findet sich mit der Kreide verwachsen und so stark von Kiesel
durchdrungen, dass man sie nicht unversehrt herausschlagen kann. Nach
dem Querschnitte zu urtbeilen, hätten wir es eher mit B. mucronata als mit
B. quadrata zu thuu.
Zwischen Pleven und Brsljanica dehnt sich eine Plateau-
fläche aus, welche die Beschaifenheit des Kreideuntergrundes
nirgends verräth. Der kleine Bach, der durch Brsljanica fliesst,
entsteht aus mehreren (4 — 5) Quellen, unweit des Dorfes selbst,
und nicht, wie es in der Karte des russischen Generalstabes
gezeichnet ist, in der Gegend von Vrbica; der hier gemeinte Bach
erreicht nämlich Brsljanica gar nicht.
Der Fels in dem letztgenannten Dorfe ist mit einer mächtigen
Lösslage bedeckt; wie überall ist diese letztere auch hier grau,
locker und reich an Kalkconcretionen. Der weitaus grössere Theil
der Einwohner hat sich im Löss wohnlich eingerichtet. Da in
Brsljanica selbst keinerlei festes Gestein zu Tage tritt, ist man
gezwungen, Bausteine aus weiten Fernen, aus Kreta und Kaca-
munica, zu bringen. Die ersteren haben einige Ähnlichkeit mit
jenen von Kajalyk, doch sind sie durch ihre geringere Festigkeit
davon unterschieden. Die Kalke von Kreta sind so reich an
3 Süd-Bayerns Lethaea geoguostica, p. 132, Taf. 26, Fig. 1, a—c.
2 Terrain cretace IV, p. 101, pl. 513, Fig. 1—4.
304 Z 1 n t a r s k i ,
Bry 0 zo eil, dass sie als Bryozoenkalk bezeichnet werden können.
Hier sieht man noch: Pecten,Neithea qumquecostata,Hem{pneustes
striato rudiatus, sowie ausserordentlich schöne Exemplare von
Exogyra Matheroniana d'Orb. Ausser schwarzem Feuerstein
gewahrt man in den Felsen von Kreta auch etwas Glaukonit.
Der Fels von Kacamunica, der zu derselben Kreideetage gehört,
lässt sich sehr leicht schneiden und färbt ab. In demselben sieht
man unregelmässige Adern, erfüllt mit bläulichem Thon (auch
Quarz findet sich ausgeschieden); Bryozoen, Pecten u. a. m.
kommen vor.
In der Nähe von Kopriva, nordwestlich von Brsljanica,
gräbt man auf der rechten Thalseite einen etwas glimmerhältigen
Quarzsand aus. Am Ufer lesen wir von oben nach unten Folgendes
ab: 30 — 40 Ctm. graue, lockere Ackererde, darunter Gllimmer-
sand; je tiefer, desto freier von Thon ist der Sand; in einer
Tiefe von 4 — 5 Metern kommt ein sehr reiner Quarzsand zum
Vorschein. Die Ablagerungen sind infolge der verschiedenen
Farbennuancen der einzelnen Schichten sehr deutlich gegliedert;
sie sind röthlich, bläulich, gelblich, blutroth, weisslich und zu
Unterst wieder gelblich. Es ist kein Zweifel vorhanden, dass
dieselben Sandschichten sich auch gegen Kopriva erstrecken.
Von Brsljanica aus erklomm ich in einer kurzen Zeit ein
Plateau (198-5 Meter) und stieg sodann in das Thal des Osam
(Osma) hinab. Der felsige Abhang und das terrassenförmige
rechte Ufer gewähren einen hübschen Anblick. Erst in jenen
Hügeln, die sich auf der linken Seite des Flusses, gegenüber von
Moselievo, erheben, konnte ich einen porösen, aber festen ter-
tiären Kalk erblicken; derselbe ist von Cerithien und Cardien
erfüllt; doch lassen sich weder die einen noch die anderen näher
unterscheiden, weil sie nur in Steinkernen vorkommen. Der Fels
hat eine gelbliche oder gelblichgraue Färbung, seiner Structur
nach ist er körnig, halbkrystallinisch oder dicht. Mit Hilfe der
Lupe erblickt man hie und da auch Glimmerschüppchen und
weisse, mikroskopisch kleine Thiergehäuse. Die tertiären, sar-
matischen Bänke (Felsen), um die es sich handelt, sind an einigen
Stellen auf der linken Seite des Osam sichtbar; sie überschreiten
jedoch diesen Fluss nicht und verschwinden in der Richtung nach
der Donau zu unter dem Löss.
Geologische Untersuchungeu im ceutralen Balkan etc. öOo
Der Fluss Osam fliesst sehr ruhig- in einem wenig* breiten
Thale, macht viele Windungen, unterwühlt, wie schon erwähnt,
das rechte Ufer und setzt das Material auf dem linken ab, wo
sich eine fruchtbare Alluvialebene gebildet hat.
Von Moselievo aus erstieg ich den letzten Hügel vor dem
Donau-Ufer; derselbe erhebt sich auf der rechten Seite des Osam
zu einer Höhe von 45 Meter, er besteht ausschliesslich aus
weisser Kreide, in welcher sich unregelmässige Stücke von
Feuerstein finden. Die obersten Felsen sind härter und w'ie eine
Decke schützen sie die unteren weichen Schichten vor dem Zer-
fall. Das linke Osamufer ist niedrig, anstehendes Gestein ist
nicht zu finden.
An der Osammündung ist der Fluss nicht breiter als 6 bis
8 Meter.
Östlich vom Osam erhebt sich das Donau-Ufer bis zu der
beträchtlichen Höhe von 20 — 30 Metern über das Flussniveau
und besteht ausschliesslich aus flinthaltiger Kreide. Der Feuer-
stein erscheint meist in runden, unregelmässigen, ja bizarren
Stücken, und zwar gewöhnlich in Schichten g-elagert, wobei die
einzelnen Knollen lose neben einander liegen oder, was seltener
vorkommt, zu zweien oder mehreren verbunden sind. Ich konnte
an dieser Stelle jedoch von Feuersteinplatten, wie sie im Pariser
Becken und auch in den Steinbrüchen von Menden vorkommen,
nichts gewahren. Der Flintgehalt nimmt mit der Tiefe ab.
In der Richtung nach Nikopol sehen wir zu unterst weisse
und sodann bläuliche Kreide, die des Flintes ganz ermangelt;
diese Kreidebänke lassen sich leicht schneiden oder regelmässig
spalten; manche Schichten davon sind weich, andere wieder hart
und hellklingend. In dieser Kreide sind die Fossilien sehr reich
vertreten, gehören jedoch nur wenigen Gattungen und Arten an.
Es fanden sich hier:
Echinoconjs vulgaris Breyn (D'Orbiguy, op. eit. YI, p. 82, pl. 804
bis 806, 808, Fig. 1 — 3) vielmehr imter dem Jsamen Ananchißes ovata Leske
sp. bekannt, wird am Donau-Ufer häufig und in schönen Exemplaren
augetrofien, doch kommen auch plattgedrückte, und sogar ganz formlose,
zerquetschte Einzelstücke vor. Viele sind mit Kreide, andere mit Flint aus-
gefüllt, sie sind mehr oder weniger stark gewölbt, haben eine flache Unter-
seite oder sind wohl auch wenig gewölbt, so dass sie gewissermassen das
Aussehen von Echinoconjs semi-globus d'Orb. gewinnen. Diese Art charak-
306 Z 1 a t a r 8 k i ,
terisirt in Böhmen den oberen Plänerkalk und in Frankreich die 22. Etage
des Senon.
Ostrea vcsicidaris Lam. (D'Orbigny, op. cit. III, p. 742, pl. 487)
ist das häufigste Fossil. Erscheint zuerst bei Dzoruovo (am Flussufer) und
erreicht das Minimum der Verbreitung in der Nähe der Donau. Am rechten
Ufer des Osam fand ich nur diese Muschel vor. Der Form nach ist Ostrea
vesicularis auch hier überaus variabel.
Belemnitclla mucronata Schloth. sp. (D'Orbigny, op. cit. I, p. 63,
pl. 7.) Diese für die obere Kreide so charakteristische Belemnitella ist auch
in der Kreide des unmittelbaren Donaugebietes reichlich vertreten. Ganze
vollständige Exemplare findet man nur selten. Die meisten Individuen sind
kegelförmig und schwach zusammengedrückt , die jungen Exemplare
herrschen vor. Ein typisches cylinderförmiges, in einen Stachel endigendes
Exemplar fand ich südlich von Nikopol, unweit Dzornovo.
Ausserdem finden wir noch Spongien, Bryozoen, Foraminiferen etc.
Manche von diesen mikroskopischen Thierresten kommen auch im Flint
vor; man kann sie hier mit der Lupe ganz gut unterscheiden.
An der Donau in der Nähe des Hafens von Nikopol zeigen
diese Bildungen deutliche Schichtung und fallen unter einem
Winkel von 12° nach N (h. 2 — 3). Die Kreide ist hier gelblich,
mürbe und enthält wenig Flint. Die grünliche Färbung mancher
Schichten rührt von feinen Glaukonitkornchen her. Etwas weiter
östlich kann man folgende Übereinanderfolge wahrnehmen: Zu
oberst weisse, weiche oder härtere, klingende und flinthaltige
Kreide, darunter weichere Kreide ohne Feuerstein und zu unterst
compacte, härtere Kreide als oben.
Die atmosphärischen Gewässer und die Winterfröste machen
das Gestein mürbe und verursachen auch öftere Erdabrutschungen
und Felsstürze. So zum Beispiel hat sich erst zu Anfang des
Jahres 1884 ein grosser Felsblock abgelöst, glücklicherweise
ohne Jemanden zu treffen.^
1 Prof. Toula theilt mir diesbezüglich mit, dass „die Übereinstimmung
dieses obercretacischen Schichtencomplexes mit jenem im Osten am See
voll Kanara und am Karasu gross sei. Peters (Dobrudscha II, 48, Denk-
schriften, Bd. XXVII, p. 192) erwähnt daselbst gleichfalls Kreide mit Feuer-
stein, reich an Ostrea vesicularis und er führt daselbst auch das Vorkommen
von Belemnitclla viucronata an. Die Foraminii'eren und Ostracoden hat
bekanntlich Reuss, Sitzber. LH, p. 445 beschrieben, v. Fritsch erwähnt in
seinem Vortrage ('Beitrag zur Geognosie des Balkan, Halle 1874) nur bei-
läufig das Vorkommen von Senonbildungen bei Nikopol".
Geologische Untersuchimgeu im centralen Balkan etc. 307
IT. Von Nikopol längs des Osam nach Lovec.
1, Die Stadt Nikopol ist auf beiden Seiten eines Thaies
gelegen, das sich von S nach N erstreckt und von festem Gestein
keine Spur aufweist. Der Boden besteht zumeist aus Löss.
An dem Abhänge, über welchen der Weg nach Vabel und
Dzornovo führt, bemerkt man hie und da unter dem Löss auch
weisse Kreidefelsen. Die Stärke der Lössschichten variirt zwischen
1 und 10 Meter. Auf dem Plateau verschwindet wieder jegliches
feste Gestein und erst dort, wo sich der Weg nach dem Osmathal
senkt, kommen die Felsen von Nikopol mit ihren charakteristi-
schen Versteinerungen (Ostrea vesicularis Lam. und Belemnitella
mucronata Schloth. sp.) nochmals zum Vorschein und erstrecken
sich bis oberhalb Moselievo. Die Ebene zwischen diesem letzteren
Orte und Dzornovo ist mit Alluvium bedeckt.
Die rechte Seite des Osam ist felsig und besteht aus Kreide
mit Flint. Die obersten Schichten sind härter, die unteren wie
auch die an der Donau dagegen bestehen aus weicher Kreide;
desshalb sind auch nur die obersten Partien der Ufer von der
Zerbröckelung bewahrt, dagegen erscheinen die unteren Theile
vielfach ausge wühlt. Die Bäche Mrsevska und Lohvicka sind es,
die das Kreidematerial an die Oberfläche tördern.
Vor Novaceni sieht man unter den hier zu Ende gehenden
weissen Kreidefelsen sandigen, grünlichen, unter dem senonischen
Kalk concordant liegenden Mergel. Die Schichten dieses Gesteins
sind verschieden an Härte, doch durchwegs von dem nämlichen
Material; sie lassen sich in ziemlich dünne Platten spalten und
enthalten fein krystallisirten Markasit, der infolge seiner Auf-
lösung und Umwandlung seiner Umgebung eine röthliche oder
gelbliche Farbe verleiht.
Der Weg von Novo-Novacene nach Boceva Mahala führt über
eine mit Löss bedeckte Ebene. Hier ist das linke Ufer des Osam
felsig und reicht dicht an den Fluss. Bei Boceva Mahala führt
der Weg nach Trncevica quer über den Osam. Hier trifft man am
rechten Ufer nur blaue Mergel; dasselbe ist kaum 1 Meter höher
als das Niveau des Flusses.
Im Paulikianer-Dorf Trncevica sind die meisten Hausdächer
mit Sandsteinplatten bedeckt, die aus einer Entfernung von
308 Z 1 a t a r s k i ,
3 — 4 Kilometer aus NO hergebvaclit werden. An demselben Orte
bricht man dort: a) gelblich-röthlicben, dichten Kalkstein^ der
Quarzkörner in grösseren oder in kleineren Mengen enthält und
demnach bald mehr und bald minder sandig erscheint. In diesem
Gestein finden sich Versteinerungen in Form von Steinkernen,
so unter anderen Trigonien, Pecten, kleine Inoceramen
u.a.; b) buntgraueu, grobkörnigen Sandstein mit weissen Glimmer-
blättcheu und ausserordentlichem Reichthum an Petrefacten. Vor
allen häufig ist Orbitolinn cojicava Lam.; diese Felsart ist hart
und kann zu Mühlsteinen verwerthet werden; c) grauen, auch
Sand enthaltenden Kalkstein oder Kalksandstein. Von den in ihm
vorkommenden Fossilien sind Trigonien und unbestimmbare
Bivalven zu erwähnen, auch verkohlte Pflanzenreste kann man
hie und da ganz deutlich gewahren.
Über das stratigraphische Verhältniss dieser Felsarten ist
mir nichts Näheres bekannt.
Dieselben Orbitolinenscbichten finden wir auch bei Peti-
Kladenci, Tatari und Ores; auf der kleinen Halbinsel aber, welche
der Osam westlich von Trncevica bildet, erblicken wir nur gelb-
lichen, thonigen, sandhaltigen Kalk, ähnlich jenem aus der Gegend
von Pleven, Kacamunica und Suvatlyk.
Auch in Dervisko-selo bedient mau sich wie in Trncevica
anstatt der Dachziegel oder sonstigen Deckmaterials der aus
weiter Ferne transportirten Kalksaudsteinplatten mit Orbito-
linen.*
Auf der Strasse, die von Pleven nach Ruscuk führt, fand
ich zum ersten Male in Bulgarien Basaltstücke, die aus Ovca-
Mogila, Cervena und der Umgebung von Slomer stammen. (Man
vergleiche weiter unten.)
Das rechte Osma-Ufer ist auf der Strecke Balgareni-Kozar-
beleni vielfach zerrissen. Wir erblicken in demselben bläuliche
Mergel mit dünnen Ockerlagen. Ein hübsches Profil bietet sich
uns dar bei der Brücke, wo wir auf den Abhängen des hoben
Ufers auch abgeschliffene und abgerundete Stücke von wachs-
1 Wir liätten es dabei, wie Toula meint, offenbar mit Äquivalenten
fler Orbitolinensandsteine und Orbitoliuenkalke zu tliun, welche er in den
Grundlinien zur Geologie des westlichen Balkan (p. 47) als oberurgonen
Alters oder als unteres Apt annahm.
Geologische Uutersuchuugeu im ceutraleu Baikau etc. 309
gelbem Fliut finden, wie auch eckige Brocken von hartem Sand-
stein.
Die linke Seite des Osam ist ganz eben und nur mit Löss
bedeckt. Das Flussbett hat sich bis zu einer Tiefe von 2 Metern
in das weiche Material eingegraben. Der Lössuntergrund ist
nirgends sichtbar. Unmerklich hebt sich die Ebene in der Richtung
nach W gegen Pleven hin. Erst unweit Pelisat zeigen sich im
Thal unter dem Löss mergelige Kalkt'elsen, deren Beschaffenheit
mit jenen von Tucenica ziemlich genau übereinstimmt.
Lazene, Orta-kjöj, Kara-ac, Kalugerovo und Letnica liegen
in der fruchtbaren Ebene des Osam, auf der linken Flussseite.
Gegenüber von Letnica unweit Krusin erblicken wir zum ersten
Male weisse Kalkfelsen, die folgendermassen eingetheilt werden
können: a) Vollkommen weisser, dichter Kalk, der spä^hige
Calcitkörnchen enthält. Im felsen Felsen gewahrt man schöne
Orbitolinen, wahrscheinlich Orh. concava; h) körniger, bunter
Kalkstein, meist von gelblich-grau-weisser Färbung, weist eben-
falls grosse Mengen von Orbifolina cfr. concava und anderen
Fossilien auf; die hiesigen Orbitolinen sind stärker gewölbt und
dickwandiger als jene, die wir gelegentlich bei Trncevica
betrachtet haben. Denselben Orbitolinenkalksteinen werden wir
später auch östlich von Suhindol begegnen.
Die Felsen von Krusiu sind nur in der Nähe des Dorfes
selbst sichtbar, im weiteren Verlaufe nach S verschwinden sie
unter den Waldcomplexen und erscheinen erst wieder, wenig
aufgeschlossen, bei Lazene und bei Karahasan. In dem Juruci,
zwischen Karahasan und Kojovci, werden graue, thonig-sandige
Steine gebrochen, die ziemlich reich an Orbitolinen sind.
Einige Kilometer südwestlich von Karahasan gewinnen die
Kalkfelsen eine grössere Entwickelung. Sie erstrecken sich auch
auf das linke Osraa-Ufer und ragen hier an vielen Stellen mitten
aus dem Wald hervor; auch hier enthalten sie Orbitolinen, doch
erreichen sie in Bezug auf die Menge bei weitem nicht die unter
ihnen liegenden Schichten. Diese letzteren treten am deutlichsten
hervor, wenn man den Hügel von Karahasan übersteigt und nun
nuch der Ebene zulenkt. In den harten und bunten Kalksteinen
kommen ausser Orbitolinen auch Korallen und andere Fossi-
lien vor, wie sie in den Orbitolinenschichten oder im Aptien nicht
310 Z 1 a t a r s k i ,
selten sind. Die einzelnen Schichten liegen concordant und fallen
unter einem Winkel von 8 — 10° nach NW.
Vor Iglav sieht man noch die Orbitolinenschichten; bei
Setovo und Zalkovo werden dieselben sandig und nehmen au
Orbitolinenreichtlium zu, gerade wie vor Lovec.
Der Fluss Osam bespült bis Omarelo das rechte Ufer, doch
wendet er sich in seinem weiteren Laufe nach S von diesem ab
und streicht nun näher an das felsige linke Ufer, während sich
auf der rechten Seite eine Alluvialebene auszubreiten beginnt.
Das Gestein ist hier kalkig und röthlichgrau, manche Partien
sind körnig, andere wieder ganz dicht, die letzteren sind ausser-
dem von feinen, bläulichen Calcitadern durchzogen, doch enthalten
weder die einen, noch die anderen Spuren von Fossilien.
Auf dem linken Osma^Ufer kommt ein Conglomerat mit
kalkig- thonigem Bindemittel zum Vorschein. Die abgeschlitfenen
Einzelstücke erreichen Faustgrösse und bestehen meist aus Ober-
kreide, aschgrauem und rothem Sandstein, sowie auch aus Eruptiv-
gesteinen. Ähnliche Conglomerate finden wir auch in der Jantra
unweit Tirnovo.
Bei der Mühle sind beide Ufer felsig und weisen echten
Requienienkalk auf; dieser letztere zieht sich nach Lovec hin,
ist in seineu obersten Partien bläulich, buntgrau, halbkrystalli-
nisch und geht allmälig in thonigen und mergeligen Kalk über;
zu allerunterst erblicken wir bläuliche, sandig-mergelige Schichten,
reich an OrbitoUna lenticularis, Orb. bulgarica, Orb. concava und.
verschiedenen Korallen, die man am deutlichsten auf der
rechten Seite der Landstrasse, noch vor dem Erreichen der Stadt
Lovec (Loftscha) (wo die Schichten unter einem Winkel von
4—6° nach N fallen) sehen kann. Der nämlichen Felsart be-
gegnen wir auch im S von Lovec, hier fallen sie mit 10° nach S;
in der Mitte der Stadt sind sie fast horizontal gelagert. So hätten
wir denn hier eigentlich einen Sattel vor uns, dessen mittlere
Partie von den Wässern abgetragen und zu einer Mulde um-
geschaffen worden ist. Inmitten dieser Mulde erhebt sich nun
Lovec.
Um die Vertheilung der Schichten besser zu charakterisiren,
erlaube ich mir an dieser Stelle ein Profil anzuführen, das ich der
Ortschaft Stratis (auf der rechten Seite des Flusses) entnehme:
Geologische Untersiicliimgen im centraleu Balkan etc. 311
a) Zu Unterst erscheint bläulicher mergeliger Kalk mit Rhyn-
chonella] derselbe geht allmälig in harten und dichten,
bläulich -rothen, orbitoliuenhältigen Kalk über. Hierauf
folgen in der Eichtung nach oben
()) bläulicher Mergel (1 — 1 -5 Meter) mit dünnen Schichten von
bläulichem Kalk und Orbit oliuen;
c) eine dicke Schichte von aschgrauem, ziemlich hartem, tho-
nigem Kalk mit Requienia oder Caprotina;
d) harter, röthlich-blauer, fein krystallinischer Kalk, weniger
reich an Orbitolinen;
e) Knollenkalk mit weissen Calcitadern und grossen Nerineen,
geht nach oben in röthlichen compacten Kalk über, enthält
aber nicht viel Orbitolinen. Auf dieser Schichte ist das erste
Kriegerdenkmal errichtet. Weiter verzeichnen wir:
f) Eine Schichte von bläulichem Mergel, reich an allen jenen
Petrefacten, die wir in unmittelbarster Nähe der Stadt
fanden;
<l) thonig-mergeliger und kalkiger Sandstein; enthält verkohlte
Pflanzenüberreste ;
h) eine Schichte von röthlichem Gestein, worin die Orbitolinen,
Latimaeandra und andere vorwalten.Oben sind die Kequienien
die vorherrschende Art.^
In der Nähe des Hügels „Krali Markov Kaipak" finden wir
in den obersten Schichten, sowie in dem röthlichen thonigen
Kalk reichliche Mengen von Nerineen, Eequienien, doch sehr
wenige Orbitolinen.
2. Fossilien aus der Gegend von Lovec.
Turbo /n?/mV«s Forbes(Fossües du terr, aptien, p.38, pl.IV, Fig. 1—2).
^ur ein kleines, junges und schön erhaltenes Exemplar ; dasselbe fand ich
in der Nähe von Lovec in den ilergelschichten, und zwar mit verschiedenen
Korallen und Orbitolinen. Diese Schnecke, obwohl nicht vollkommen ent-
wickelt, zeigt alle die charakteristischen Zeichen der Arten von Perte du
Rhone und St. Croix.
1 Dieses Profil steht, wie Prof. Toula meint, „in bester Übereinstim-
mimg mit jenem, welches wir v. Fritsch (1. c. p. 3) verdanken, wobei die
Glieder c, d und e dem als ,, drittes Glied" bezeichneten Complex bei
Fritsch, /" und ^ aber dem „vierten Gliede" entsprechen würden. Für das
oberste Glied (hl) hielt es v. Fritsch für nicht unmöglich, dass wir es
dabei mit einem verworfenen älteren Gliede zu thun haben könnten".
Sitzb. d. mathem.-natunv. Gl. XCllI. Bd. I, Ablh. 21
312 Zlatarski,
Nerinea cfr. Renauxiana d'Orb. (D'Orbiguy, op. cit.II, p.76, pl.l57.)
Kommt in kleineu Exemplaren mit Requienien zusammen in dem zuletzt
erwähnten Hügel vor. N. Renauxiana gehört zu den Arten mit einer breiten,
konische Räume besitzenden Spindel, sie nähert sich dagegen den ebenfalls
lU'gonen Arten : N. Coquandiana d'Orb. und N.travernensis VictQt et Camp.
Die grösste Ähnlichkeit zeigen N. Renauxiana und N. Coquandiana \ nicht
selten werden deswegen beide miteinander verwechselt-, nur bei einer
grösseren Aufmerksamkeit gewahrt man folgende Unterschiede: a) N. Co-
(juandiana besitzt stärker gewölbte, weniger zahlreiche Knoten; b) der Nabel
der N. Renauxiana ist breiter als bei der N. Coquandiana und c) ist die Höhe
der Umgänge im Verhältniss zum Durchmesser beider ersteren geringer.i
Requienia Loveensis n. sp. (Taf. II), Durchmesser 12*5 Ctm., Höhe
11-3 Ctm. Diese grosse, dickschalige Bivalve hat eine dreieckige, herz-
förmige Gestalt. Die linke oder untere Klappe ist fast ebenso lang als die
obere, an einer Seite zusammengedrückt und endigt mit einer kurzen, runden
Spirale. Die obere oder rechte Schale ist sehr stark gewölbt, ihr höchster
Punkt liegt in dem vorderen Drittel. Der Wirbel der kleineren Schale ist
schwach gewunden, der grössere etwas stärker. Die vereinigten Mund-
ränder der beiden Klappen sind aufgeworfen. Die rechte Schale ist glatt,
mit unmerklichen concentrischen, ungleichweit von einander abstehenden
Linien; die linke dagegen hat sehr grobe und tiefe Furchen und zeigt einen
lamellareu Bau der äusseren Schichte der Schale. Die anderen zwei Schichten
sind glatt und ganz dünn.
Die allgemeine Form, die fast gleich grossen Schalen und deren
Sculptur deuten auf eine neue Art hin und reichen wohl aus, um sie von
den ähnlichen Arten, etwa //. Archiaciana d'Orb. und R. subaequalis d'Orb.
zu unterscheiden. Diese besitzen wohl ähnliche Klappen, doch sind die
Schalen der ersteren höher als breit und gleich stark gewölbt. R. subaequalis
hat ganz glatte, symmetrisch gewundene Klappen, ausserdem ist ihre Form
fast kugelförmig und nicht kantig, wie bei unserer Form. R. subaequalis
bleibt überdies viel kleiner (7 Ctm.).
Requienia Drinovi nov. form. Tat". III, Durchmesser 13 — 16 Ctm.,
Höhe 10 — 11 Ctm. Form länglich. Diese Bivalve besteht aus zwei ungleichen
Schalen; die obere ist kleiner imd kürzer als die untere und endigt mit
einer kurzen Spirale; beide sind glatt, mit feinen concentrischen Linien.
Der vordere Theil der Schale ist zusammengedrückt, der hintere aufgebläht.
Die obere Klappe ist stumpf, kegelförmig gewölbt imd ihr Wirbel nur
schwach seitwärts gebogen. Das Schloss hat einen gut entwickelten, schief
nach aussen gekehrten Zahn. Die Dicke der Schalen ist beträchtlich. Die
untere Hälfte der R. Drinovi ist nur gegen den Wirbel zu scharf gekielt. Die
eine Hälfte dieser Schale ist nur schwach gewölbt, die andere stark convex.2
1 Prof. Toula erklärt das ihm zugesendete Stück für eine etwas
stumpfere Form der typischen N. Renauxiana d'Orb.
2 Die vorliegende neue Form von Requienia schliesst sich nach
Toula ziemlich innig an die Requienia Lousdalii{iiOV7.) d'Orb. an, doch ist
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 313
Beide Requienien stammen aus Urgon-Schichten bei „Krali Markov
Kaipak^, zwei Kilometer südöstlich von Lovec, sie kommen auch in der
Umgebung von Tirnovo vor (in Kamenec), auf dem Wege nach Orehovica. i
Ich benenne sie zu Ehren des bulgarischen Historikers Professor
Martin St. Drinov.
Die Orbitolinen-Schichten bei Lovec enthalten auch viele Korall en.2
Von Ci/clolites liegen zwei schöne Exemplare vor; dieselben haben
eine entfernte Ähnlichkeit mit Fimgia discoidea Goldf. (Petrefacta Ger-
maniae I, p. 47, Taf. 14, Fig. 9) und kommen mit den obenerwähnten Re-
quienien zusammen vor.
Orbitulina biilgarica, Orh. lenticularis und Orb. concava var. sind
unmittelbar vor der Stadt Lovec neben den Korallen am reichlichsten
vertreteu.3
T. Ton Lovec über Novoselo^ Trojan, Sipkovo nach
Sevlievo.
1. Von Lovec über Biiil, Debnevo längs der Vidima
nach Novoselo. — Wir wollen zuerst der Hauptstrasse, die
nach Sevlievo führt, folgen, und sodann bei Gorni-Pavlikeni
(Ober-Pavlikeni) nach S einlenken.
Sobald man den Kamm des im 0 von Lovec gelegenen
Gebirges (man vergl. oben) ersteigt, gewahrt man auf der
rechten Seite der Landstrasse röthlichen urgonen Kalk, dessen
sie viel grösser, weniger scharf gekielt und sind die Furchen der Bandgrube
weniger scharf ausgeprägt, so dass diese gegen den Schalem-and hin fast
Acrschwindet. Ganz ähnliche grosse Requienien fand Toula seinerzeit (187.5)
auch an der Botunja bei Vraca und hatte die betreifende Form (Sitzber.
LXXVII. Bd. 1878, p. 26) als wahrscheinlich zu Bequienia Lonsdalii d'Orb.
gehörig bezeichnet.
1 Diese beiden sind in der X. Lieferung der Zeitschrift der bulg.-
liter. Gesellschaft beschrieben worden.
2 Darunter finden sich nach Toula sowohl Einzelkorallen, wie:
Lophosmilia, Axosmilia als auch, und zwar noch häufiger, Stockkoralleu, wie:
BhabdophjiUia, Porites (Actinacis) , Latomaeandra und Hi/dnophora, je in einem
grossen Stücke. Von Hydnophora (?) liegen auch kleinere Stücke vor,
Astraeideen in mehreren Stücken. Der Reichthum an Korallen in diesen
Schichten ist sehr gross und würde seiner Zeit gewiss reiches Material für
eine Bearbeitung liefern können. Auch Bryozoen fehlen nicht.
3 Es unterliegt nach Prof. Toula wohl keinem Zweifel, dass diese
orbitolinenreiche Korallen etage übereinstimmt mit den betrefi'enden Schich-
ten von Kalnia-Karaula, Pirot, an der Luberasda, und vor allen mit jenen
bei Orese.(M. vergl. Toula, Sitz. Ber. 1877, Bd. LXXV, 1880; Bd. LXXXL
1884; Bd. LXXXVII ; Denkschriften 1881, Bd. XLIV.)
21*
314 Z 1 a t a r s k i ,
Schichten nach SW fallen und eine grössere Menge von Ver-
steinerungen enthalten, die sich leider nicht unversehrt heraus-
schlagen lassen. Weiter östlich sieht der nämliche Fels grauweiss
aus und ist von w^eissen Calcitadern durchzogen; auch ist er an
Fossilien ziemlich reich {Rynchonella, Cidariten-Stacheln etc.),
doch bald weicht dieser Kalk einem dichteren, festeren, bläu-
lichen und versteineruugslosen Kalke. Derselbe nimmt auch
die Höhen ein, die sich rechts und links von der Strasse
erheben.
Oberhalb Pavlikeni, oder genauer dort, wo sich der Feld-
weg nach diesem Orte von der Hauptstrasse abzweigt, finden
wir einen röthlichen oder bläulichen, dichten, mergeligen Kalk
ohne Fossilien, der allmälig in Dolomit übergeht. Die Schichten
dieses Kalkes fallen wenig geneigt nach N und erheben sich
wandartig über das Dorf, von wo aus sie ganz gut gesehen
werden können, während man sie von der Chaussee aus nur
undeutlich unterscheiden kann. Es ist wohl kein Zweifel, dass
diese Schichten als Fortsetzung der Felsen von Loveß ebenfalls
zum Urgon gehören.
Unter diesem Kalksteine kommt an der Strasse nach Biul
ein bunter, kalkiger Sandstein zum Vorschein, der sehr häufig mit
dünnen thonig-sandigen Lagen abwechselt. Die Schichten fallen
zuerst nach NO, unweit Gorni-Biul aber nach SW, und zwar
unter verschiedenen Winkeln gerade wie oben. Der zweite
Sattel ist bei Vraca, wo die Sandschichten wieder ihre ursprüng-
liche Fallrichtung einnehmen (nämlich NO). Diese kalkigen
Sandsteine sind, meist mit Thon gemengt, nirgends ganz rein ;
Fossilien enthalten sie nur stellenweise (meist Ostred). Sie
wechseln sehr oft mit Thonlagen ab und zeigen mannigfache
Farbentöne.
Von den Höhen um Vraca herum kann man die höchsten
Partien des Balkangebirges ganz genau unterscheiden —
Jumrukcal, Ostra-Mogila etc., die sich steil, wnndartig über das
vorbalkanische Gebiet erheben. Die höchsten Gipfel sind, wie
z. B. die Vitosa, während der Dauer des ganzen Sommers mit
Schnee bedeckt.
In dem Thal unterhalb Vraca zeigen sich auch mergelige,
feinkörnige Sandsteine, reich an Glimmer und kohligen Spuren,
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 315
sowie auch echte Mergel. Weiter südlich erblickt man nur
sandige Mergelschicbten, die unter einem Winkel von 14 ° nach
N fallen, und darunter bläuliche Mergel mit Korallen,
Pecten, Rynchoyiella lata, Trigonia cfr. ornata und anderen,
so wie auch mit unscheinbaren Kohlen spuren. In den mergelig-
sandigen Schichten zeigen sich auch die Hieroglyphen
des Flysches. Die nämlichen Felsen erstrecken sich bis zum
Flussbett des Vidimo, wo die kleinen Querthäler so stark von
den Sturzbächeu zerrissen sind, dass man einen sehr guten Ein-
blick in die Stratification des bläulichen Mergels, wie auch der
Sandsteine gewinnt. So sehen wir zum Beispiel, dass bei dem
DorfeDebnevo dieSchichten fast vertical stehen (unter 75° — 85°),
von NO nach SW streichen und nach NW fallen ; au den Ufern
der Vidinia kommen nur bläuliebe Mergel und Sandsteine vor.
Das Dorf Debnevo ist zweifach getheilt, erstens von der Vidima
in der Richtung von W nach 0, zweitens von dem Thal
Cervestica von N nach S.
Bei der Fürth sind die Mergelschichten der Farbe nach
schwärzlich, lassen sich spalten und fallen unter einem Winkel
von 36° (h. 14°) nach Süd. Zwischen denselben sehen wir dünne
Lagen eines bläulichen, harten und feinkörnigen Kalkes. Am
linken Ufer der Vidima zeigen sich ausser schwärzlichen Mer-
geln auch röthlich und gelblich gefärbte.
Wendet man sich nach Süd, so kommt man in ein Wald-
gebirge. Aufschlüsse finden sich nur in den Thalgründen, Saud-
steine mit Hieroglyphen, Mergeln in viele Falten gelegt, stellen-
weise wie gekräuselt, halten an.
Vor Skandale, nämlich dort, wo sich die Vidima von 0
nach N wendet, stehen die Schichten fast vertical. In den hier
kalkigen Sandsteinen finden wir Algenabdrücke u. dergl. In
einem feinkörnigen Sandsteine, zwischen Skandale und dem
landschaftlich herrlich gelegenen Novoselo auch verkohlte
Pflanzenüberreste. ^
1 Es ist dies nach Prof. Toula die im nördlichen Balkauvorlande
so weit verbreitete Sandsteiuformation mit Mergeleinlagerungen, welche
sich sowohl südlich von Tirnova als auch weiter westlich in der Gegend
von Yraca im Iskergebiete findet. Auch südlich vom Balkan-Kamme, etwa
316 Zlatai-ski,
Von Novoselo aus geiiiesst man nach Süden bin einen
schönen Anblick der Hochregion des centralen Balkan auf
die kahlen felsigen Höben, Krivjanite, Jumrukcal (2379 M.),
Mara-gidik, Kademlijtc,Zelenika etc., deren Abhänge mit schönem,
grünem Walde bedeckt sind. Viele wasserreiche Flüsse haben
ihren Ursprung auf diesen Höhen und ergi essen sich entweder
in die Donau oder in die Marica. Die Vidima entsteht aus zwei
Quellbächen, deren einer auf dem Prskalo entspringt, zwischen
Mara-gidik und Jumruk-cal, der andere aber auf den Krivjani.
2. Von Novoselo über Trojan nach Sipkovo. — Um
Novoselo findet man in dem bläulichen, sandigen Mergel, sowie
auch in den mergeligen Sandsteinen Kohlenschmitzen, auch Pyrit
und Markasit kommen vor, worauf wohl die Schwefelwasser-
stoff-Entwicklungen, die man hie und da an den Gewässern wahr-
nimmt, zurückzuführen sein werden.
Längs der Vidima bis zum Schlosse des Gerdzik (auf der
russischen Karte ist es als Ciflik bezeichnet) oder genauer nach
dem Tbal des Baches Kopen, der auf dem Zdravcec entspringt,
sodann an dem Branevski-dol vorbei bis zum Kloster von Trojan
treffen wir die nämliclien Gesteine wie bei Novoselo, nur die
Lagerungsverhältnisse derselben sind andere; beim Schlosse
erheben sie sich fast vertical und fallen bei dem Kloster
Sv. Bogorodica unter einem Winkel von 30—40° nach SW.
Das Trojan-Kloster ist über den flyschartigen Sandsteinen
im Hintergrunde einer Ebene, im Thale des schwarzen Osam
erbaut.
Unter den Rollsteiuen des reissenden Flusses finden wir
ausser den Sandsteinen, die sich auch im unteren Laufe des
schwarzen Osam vorfinden, auch Conglomerate, Granit und
rothen Quarzporphyr. (Auch Plagioklas hältig.)
Die Conglomerate stammen höchst wahrscheinlich vom
Zornov-Rt, sie bestehen aus weissen, bläulichen oder schwarzen
ziemlich groben Körnern, die mit kalkig-thonigem und sandigem,
weisse Glimmerschüppchen enthaltendem Cemcnt verbunden
bis Isvor. Im Sveti-Nikola-Balkan, hier aber sicher über dem Orbitolinen-
horizonte, treten petrographisch davon nicht zu unterscheidende Gesteine
auf. M. vergl. Toula, Grundlinien etc., \r.\g. 41.
Geologische Untersuchungen im centralen Bcalkau etc. 317
sind. Dieses Conglomerat bescliränkt sich auf einige Fundorte
im Thal des schwarzen Osam; es erscheint, wie ich erwähnt habe^
in der mittleren Region des Zornov-Et und verschwindet dort
wo sich der Bach Krajeva in den Osmafluss ergiesst, und wo das
Ufer der Gluska anhebt; ^ es ist neocomen Alters.
Neben diesem Conglomerat hat der schwarze Osam noch
verschiedene Breccienconglomerate abgelagert, die röthlich,
grau, kalkig, dolomitisch und thonig und oft mit quarzigen Sand-
körnern verkittet sind.
Die betreifenden Gesteine finden sich westlich von Sipkovo,
wo sie unter jenen neocomen Schichten liegen (Lias?). Vor zwei
Jahren, als ich das Thal des schwarzen Osam in der Richtung
nach dem Balkan durchforschte, bemerkte ich, dass die merge-
ligen Sandsteine am Fnsse des Zidov-Rt abbrechen und dass unter
denselben zuerst Kalk und sodann grobkrystallinischer Dolomit
mit grossem Eisenoxydulgehalte zum Vorschein kommt. Die
letztere Gesteinsart ist bunt, weiss, roth und sehr reich an
Belemnites, Terebratida, Rhyuchonella, worunter Mhynchonella
cfr. polyniorpha Suess am deutlichsten zu erkennen ist. Mit der
Tiefe und der Ausbreitung nach Süden nimmt der Eisenge-
halt zu.^
In einem Artikel „Geologische und paläontologische Auf-
zeichnungen auf dem Wege von Pleven nach dem Trojan
Balkan" ^ habe ich die Verhältnisse beschrieben, hier sei nur die
Thatsache hervorgehoben, dass die erwähnten Brecciencon-
glomerate ihrem Alter nach derselben Epoche angehören, wie die
eisenerzführenden Dolomite.
Auf dem Wege vom Kloster nach Trojan fand ich nichts
Bemerkenswerthes. Überall dieselben bläulichen Mergel und
mergeligen Sandsteine, die fast genau von 0 nach W streichen
und sehr steil, beinahe vertical aufragen. Die Vertheilung der
Schichten ist besonders deutlich an den Ufern des weissen Osam,
sowie um Trojan herum. Dieses Städtchen liegt auf der linken
Seite des soeben genannten Flusses, und breitet sich von N nach
1 Period. Spisaulje X, pag. 73.
2 G. Zlatarski. Die Mineralien von Bulgarien, p. 26. (Bulgarisch.)
3 Period. Spisanije X, p. 75—77.
318 Zlatarski,
S aus. Am reclilcu Ufer, ihm gegenüber, erhebt sich ein nicht
sonderlich hoher, aber ziemlich steiler Hügel, namens Kapince,
im N — Bukovec, und im S — der hohe Abov-Et (in der russi-
schen Karte als Bergalov Yok bezeichnet). Vor Trojan selbst ist
das Bett des weissen Osam breit, aber seicht, die Strömung des
Wassers ist hier nirgends so gross, wie beim schwarzen Osam, ja
selbst der felsige Grund fehlt ganz und gar, so dass sich der
Unterschied zwischen den beiden Flüssen als beträchtlich
erweist.
Sobald man Trojan verlässt, gewahrt man in dem soge-
nannten Trni (Dorngebüsch') eine Art bläulicher und grauer,
kalkiger und thoniger Schichten; dieselben streichen von
0 (h. 19 Yg) nach"W(li. 7 Y3), erheben sich fast senkrecht und neigen
sich nur an wenigen Stelleu nach N; sie lassen sich auch in
dünne Schiefer spalten, haben in morphologischer Beziehung eine
Ähnlichkeit mit den Criocerasschichten, doch sind sie anderer-
seits jeder Versteinerung bar; zwischen denselben bemerken wir
weiter Kalkschichteu von feinkörniger halbkrystallinischer Structur
und röthlich-grauer Färbuug, Diese letzteren erreichen selten eine
Stärke von 1 Dm. Das vorwaltende Gestein sind die kalkig-
mergeligen Schiefer, die allmälig in feinkrystallisirteu bläulichen
Kalk übergehen.
Sowie mau das nächste Gebiet des weissen Osam betritt
nimmt man wahr, dass der bläuliche Kalk sich hier in com-
pacterer Form vorfindet, seine Schichten sind stärker und durch
dünne Lagen mergeligen Kalksteines von einander getrennt. An
dieser Stelle fallen die Schichten in entgegengesetzter Rich-
tung nach W und zwar anfangs unter einem schwachen und
sodann unter einem ziemlich starken Winkel (40—60°). Etwas
weiter nach Süden erscheinen die Schichten wieder in ihrer
gewöhnlichen Richtung (NO).
An dem südlichsten Punkt des Flusses, dort nämlich wo
der Osam ein V-förmiges Knie bildet, finden wir hie und da in
Gestein eingeschlossene Rollstücke von Quarzit. Die einzelnen
Quarzkörner sind vorherrschend klein und erreichen selten die
Grösse einer Wallnuss.
Nach W gehend, erreichte ich bald den Fluss Kneza, der
auf der Porta Trojana entspringt und ziemlich wasserreich ist;
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 319
"Über eine hohe, von einem einzigen Pfeiler unterstützte Stein-
brticke ging ich auf das rechte Ufer des Flusses über, um mich
bald nachher bei Babina-Läka, an der Mündung der Razdavica
von Neuem aufs linke Ufer zu begeben. Hier fallen die Schichten
nach SW (20 — 30°) und enthalten unbedeutende Linsen von
Braunkohle.
Nach Norden hin treffen wir dieselben Schichtfolgen, wie
längs des weissen Osam, südlich von Trojan. Die Kalke gehen
in mergelige Gesteine und bei Grncezite in mergeligen bläulichen
Kalk ohne Fossilien über. Beim letztgenannten Orte erblicken wir
dieselben thonigen Schiefer, wie in dem Trni beim Ausgange
von Trojan. Unweit Grncerite fallen die Schichten nach N.
Bis nach Gorne-Sipkovo herrschen um' graue, mergelig-
kalkige Gesteine.
3. V 0 n S i p k 0 V 0 n a c h V a s i 1 j 0 V. — In einer Entfernun g von
einem Kilometer von Sipkovo erreichen die sandigen und merge-
ligen Neocomfelsen ihr Ende und es zeigen sich nun in der Tiefe
jurassische oder liassische grauschwarze, dichte, nach S unter
einem Winkel von 25 ° fallende Kalkfelsen, die von weissen
Oalcitadern durchzogen sind und ausserdem mit Calcitkrystallen
ausgefüllte Hohlräume aufweisen. Dieses Gestein geht bald in
dunkeln, grauen, mikrokrystallisirten, gleichfalls von Oalcit-
adern durchzogenen Kalk über, um sodann einem blaugrauen,
feinkörnigen, theilweise porösen unregelmässig sich spaltenden
dolomitischen Kalke Platz zu machen. Weiter sieht man grauen
halbkrystallinischen Kalkstein mit undeutlichen Fossilien.
In westlicher Richtung kommen thonig-kalkige, buntfarbige
Gesteine, zumeist rothgefärbt, zum Vorschein. ^ Die äussersten
Ausläufe derselben bestehen aus halbkrystallinischem, grau-
röthlichem Kalk, in dem eine grosse Menge von Belemniten
enthalten sind. Hier finden wir auch kalkige conglomeratähn-
liche Breccien; dieselben bestehen aus kalkigen, grauen oder
blauen und auch dolomitischen mit Thoncement verbundenen
Bruchstücken.
1 Nach Prof. Toula ist es ganz dasselbe Gestein, ^yie er es ander
Hauptstrasse über den Berkowica Balkan (öitzb. G. LXXVII. Bd. 1878) und
auch bei Teteven, westlich von der berührten Stelle (Toula, Sitzber. XC.
Bd. 1884, pag. 303) angetroffen hat.
320 Z 1 a t a 1- s k i ,
Unweit Krusev-Dol zeigen sich rotlie eisenhaltige Thon-
gesteine, die mit unzähligen grauen und gelblichen mergelig-
kalkigen Schichten wechseln; auch lichtgraue, dichte, quarzit-
ähnliche Sandsteine kommen vor. Die Schichten fallen hier nach
S (h. 10).
Ähnliche Felsarten treffen wir auch südlich vom Trojan-
Kloster und westlich von Sipkovo, gegen Teteven (cfr. Toula
Sitzb. XC. 1884. pag. 304).
Bei Krusov-Dol findet man im Thale auch weisse sandige,
rothe Quarzite und rothe Kalkgesteine.
Das kleine Flüsschen, in dessen Thale sich unser Weg hin-
zieht, kann als Grenze zwischen dem dunkelgrauen und dem
röthlichen, mergeligen Kalk angesehen werden; diesen letzteren
sieht man nur nördlich vom Flusse, jenen nur südlich. Das
nördliche Ufer erscheint infolge der Zersetzung der Felsen roth
gefärbt; aus derselben Ursache erscheint auch der Fiuss nach
heftigem Regenwetter blutroth und führt dann ganz gewaltige
Wassermassen. Der Name Razdovica (von razda =z roth)
dürfte auf diese Färbung des Wassers zurückzuführen sein.
4. Von Sipkovo über Koman, Dlbok-Dol, Vrabiu
nach Sevlicvo. — Sobald man Sipkovo verlässt, gewahrt man
gegen die Mitte des ersten Hügels, sowie im nächsten Thale kohl-
schwarze, sandig-thonige und glimmerige Schichten, deren Bruch-
flächen rostroth oder gelb gefärbt sind; Neigung 16° nach S.
Die nämlichen, mit Wülsten bedeckten Gesteine, worin
man auch dünne aschgraue Kieselschiefer bemerkt, findet mau
auch um Teteven, sodann nördlich von Tekija, gegen den Pass
von Trojan. Obwohl dieselben eine grosse Ähnlichkeit mit den
Carbonschieferu des Iskerthales aufweisen, so dürfte man es
dabei doch mit Ablagerungen des unteren Jura zu thun haben.
In demselben Thale, das den Namen Mljavor führt, gewahrt
man über dem schwarzen Gestein thonige, feinkörnige Saudsteine
aber von aschgrauer Färbung; weiter oben, gegen die Spitze des
Hügels, stossenwir auf die uns wohlbekannten neocomen, sandigen
Mergel und auf die bläulichen kalkigen Mergel, die sämmtlich
nach Norden fallen; über diesen breitet sich dichter, merge-
liger Kalk mit muscheligem Bruch und von graugelblicher
Färbung aus; auf diesen folgt ein gleichfalls dichter, thoniger,
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 321
aber der Farbe nach bläulicher und röthlicher Kalk, dessen
Ähnlichkeit mit dem Kalk aus dem Urgonien von Lovec und
Pavlikeni bemerkenswerth ist, dessen Ausbreitung hierorts aber
nur gering ist. Fast will es uns seheinen, dass man es hier nur
mit kümmerlichen Überresten eines mächtigen Felsgürtels zu
thun habe. Lagenweise sind die thonigen Schichten des Mljavor-
hügels sehr eisenschüssig.
Zu Oberst liegt Thon vermischt mit Glimmer und Sand.
(Fallen nach NO mit 28°.) Auf der Strecke Koman-ßorimo
gewahren wir dieselben Gesteine, nur die Fallrichtung ändert
sich infolge der vielfachen Schichtfaltungen. Beim letzteren
Dorfe sieht man am deutlichsten die bläulichen Mergel, die
mehrere Male mit bläulichen Kalksteinen abwechseln. In Dlbok-
Dol kommen ausser diesen auch saudige Mergel zum Vorschein;
sie fallen unter einem Winkel von 45° nach SW. Die Sandsteine
enthalten keine Fossilien, ihre Schichtflächen sind mit Hiero-
glyphen bedeckt.
Gute Aufschlüsse in den untercretacischen Mergeln und
Sandsteinen finden sich am Petrov-Dol. Der Bach Petrov-Dol ent-
springt auf dem Hügel Kurubasina und nimmt unweit seiner
Quellen links den Bach Ledov-Dol auf. Die Umgebung der
Quellen besteht aus mergelig und kalkig-sandigen dickbankigen
Felsen, die unter einem Winkel von 41 ° nach N (hora 23)
fallen. Infolge der in ihnen enthaltenen w^eissen und schwarzen
Quarzkörner erscheinen die Gesteine zum Theil bunt
gefärbt.
Da die hiesigen Sandsteine sehr hart sind und sich in
schöne Platten spalten lassen, verwendet man sie als Dachdeck-
material. Gewöhnlich ist ihre Färbung graugelblich und nur in
frischem Zustande sind sie bläulich. Manche thonartige Schichten
sind ganz mürbe, andere wieder sind conglomeratartig, sandig
und unter den Conglomeratsandsteinen, in w^elchen ich eine
Bivalve (Punopuea?) fand, zeigen sich bläuliche Mergel und
mergelige Sandsteine. Zwischen den letzteren finden wir an
einigen Orten auch etwas Steinkohle in Linsenform. Die Mergel
und die Sandsteine erstrecken sich bis zur Vidima.
In den Mergeln, im Piazdoli-Dol bei Vrabiu, kommen
folgende Fossilien vor:
322 Z 1 a t a r s k i ,
Fanopaeu plicata (Sow.) Forbes. (Mat. p. 1. pal. Suisse I, Fossiles du
terrain aptien, p. 57, pl, VI, Fig. 4, 5) nähert sich mit ihrer länglichen Form
und ihren tiefen concentrischen Furchen vollkommen der Panopaea aus
Perte du Rhone.
Trigonia carinata Agassiz. (D'Orbigny, Terr. cretac6 III, p. 132, pl.
286.) Diese Trigonia fand ich in Bulgarien zum ersten Mal bei Caribrod in
den Apt-Schichten mit der OstreaCouloni und anderem. i
Unser Exemplar ist nicht vollständig erhalten, doch lässt es sich
noch ganz gut bestimmen ; diese Trigonia- Art ist besonders für das obere
Neocom charakteristisch.
Trigonia ornata d'Orb. (Orbigny, op, cit. III, p. 136, pl. 288, Fig,
5 — 9.) Stärker vertreten als die soeben beschriebene. In Perte du Rone
und St. Croix ist sie ganz gewöhnlich.
Ostrea Couloni (De fr.) D'Orb. (D'Orbigny, op. cit. III, p. 698. p. 466
und 467, Fig. 1 — 3) Nur ein einziges besser erhaltenes Exemplar, das sich
von jenen aus Caribrod und aus der Dragomanschlucht in keiner Beziehung
unterscheidet.^
Es kommen hier auch Korallen vor, die an Menge sogar alle
anderen Fossilien übertreffen. 3
Von Vrabiu bis Sevlievo führt der Weg am Fusse eines
Berg-abhauges bin, längs der nördlichen Seite des Kessels, und
übersetzt einige wasserarme Thäler. Von Gesteinen finden sich
nur Mergel und Sandsteine.
Auf der Strecke Damjanovo-Irevo trifft man nur Sandsteine
und bläulichen Mergel; gegen 0 und SO erheben sich über
flieser Formation v^eisse Kalkfelsmassen, die auch gegen SW
ein imposantes Aussehen gewinnen; sie fallen leicht geneigt
gegen NO ein. Die erste Partie dieser Gesteinsmassen erhebt sich
über Serbegli, unweit Kajobas, Vlajcovci, parallel mit der Strasse
von Gabrovo; die andere — über Kamenec, Muzega, und
IM. vergl. Fr. Toula, Sitzber. Bd. LXXXVII 1883, p. 2 flf. —
G. Zlatarski, Geologische Excursionen im südwestlicheu Bulgarien. 1885,
p. 7. — Period. Spisanije XVI.
2 Frauz Toula, Sitzber. 1883, p. 7, Taf. IV, Fig. 5.
3 Es sind vorwaltend Einzelkorallen : Montlivaultien, Trochosmilien
und dergl. von Stockkorallen liegt ein hübscher halbkugeliger Stock einer
Lalimaeandra vor. Prof. Toula glaubt annehmen zu dürfen, dass die Schich-
ten von Vrabiu mit jenen von Dragomau-Caribrod thatsächlich in Überein-
stimmung stehen, (Toula. Sitzber. 18ö3,LXXXVIII;. Die Korallen erinnern
übrigens lebhaft an jene der Korallen-Facies von Orese-Belince (Toula
Griindl. 1881, pag. 28, Taf. II), welchen freilich seiner Meinung nach ein
etwas höheres Alter zukommen würde.
Geologische Untersucliimgeu im centralen Balkan etc. 323
Debeldjal und zieht sich nach der Südseite Gabrovos hiu. Dieser
zweite Felsgilrtel erreicht nicht die Ausdehnung des ersteren,
der sich in nördlicher Richtung bis nach Duandzo, Adamovo,
Kajadzik und in östlicher bis DrjanoYO, wo er mit dem Namen
Straza bezeichnet wird. Beide Kalkzonen sind urgonisch (Re-
quienienkalke).
Von den Höhen oberhalb Cadirli kann man nur einen
Theil des Beckens von Sevlievo überblicken. Sevlievo (200 Meter
über dem Meeresspiegel) ist von einem hohen Hügel (380 Meter)
geschützt, der sich von 0 nach W erstreckt, so dass die Aussicht
auf das hübsche Städtchen, welches sich im östlichen Winkel des
länglichen Thalkessels erhebt, ganz verdeckt wird.
VI. Von Sevlievo nach Svistov.
Im Nordosten von Sevlievo erheben sich an der Rossica steil-
abstürzende bläulich-graue Mergelfelsen, deren Schichten unter
einem Winkel von 20° nach N fallen und öfters mit ganz
dünnen Lagen von Eisenocker abwechseln.
Auf dem Wege nach Krusovo breiten sich über den echten
Mergeln grau-bläuliche Kalkmergel aus, die auch von thonigen
und mergelig-sandigen Schichten unterbrochen sind, gegen die
Höhen aber stellt sich ein bunter (meist röthlicher) körnig-
sandiger Kalk ein, der reich ist an Korallen. Bryozoen, Echi-
niden etc. Auf diesen letzteren folgt nach oben licht röthlichweisser,
oder, aschgrauer, feinkörnig-sandiger Kalk, der gleichfalls eine
ziemlich grosse Menge von Korallen, Echiniden, Rynchonellen
und Ostreen enthält. Die obersten Felsschichten, dem urgonischen
Kalk vollkommen entsprechend, breiten sich wie eine Decke
über dem höchsten Theile des Bergkegels aus und erreichen hier
eine Höhe von 546 Meter über dem Meeresspiegel.
Aus den soeben beschriebenen Schichten konnte ich nur
folgende Fossilien herausbringen:
Pseudocidaris cfr. clunifera Ag. (P. de Loriol), Ripichonella irregidaris
Pictet und eine Terebratida.
Tembratula (nov. sp.?) hat eine grosse Ähnlichkeit mit Ter. Collinaria
d'Orb. (D'Orbigny.op. cit.VI, p. 81, pl. 507, Fig. (3. — P. de Loriol, Terr.
cretaee de St. Croix p. 107, pl. 20.5, Fig 15 und IG) aus dem Valang. (Länge
18-8 Mm. Breite 17*8 Mm. der Höhe 10 Mm.) Die grösste Breite erreicht
diese Form etwas weiter unten als es bei T. Collinaria der Fall ist.
324 Z 1 a t a r s k i ,
Das Dorf Krusevo liegt unmittelbar unter dem Hü gelrücken.
Der Abhang ist steil, doch keineswegs felsig, im Gegensatz zu
dem gegenüberliegenden Ufer der Rossica, wo die Requienia-
(Urgon) Gesteine einen ausgedebnten Platz einnehmen. Steigt
man in das Thal hinab, welches in jenes der Rossica aus-
mündet, so gewahrt man einen dichten, massiven Requienien-
kalkstein von graii-röthlicher Färbung und vielen weissen
Calcitadern, Die Bänke fallen hier ganz flach (5 — 8°) nach NO.
Unter diesem massiven Kalkstein liegen am Flusse bläu-
liche Kalke und darunter bläuliche Mergel. Die Ufer der Rossica
und die anliegenden Höhen weisen ausschliesslich Requienien-
kalk auf, in dem sich die Rossica in einer engen Schlucht mit
grossem Gefälle hindurch wälzt.
Die Scenerie hält an bis zu der Ebene von Bara. Erst
hier treten die Caprotineu oder Requienienfelsen zurück und
sind nur auf den Höhen zu erblicken^ während in der
fruchtbaren Thalebene der Rossica, bläulicher, sandiger Mergel
auftritt.
Nachdem ich die Thalenge passirt hatte, stieg ich über
Kramolinski-dol auf eine Anhöhe, die Kramolin von Kojovci
trennt. Links von der Strasse erscheinen die Caprotinenf eisen
vertical durchschnitten und fallen nach den Weinbergen von
Suhindol ab, wo sie unter anderen Kalkfelsen von zum Theile an-
scheinend oolithischer Structur verschwinden; diese letzteren
lassen sich in dünne Schichten spalten.
Das ziemlich grosse und hübsche Dorf Suhindol (239 M.),
in N und W von hohen Bergen umgeben, liegt im Hintergrunde
eines fruchtbaren Thaies, an der Grenze zwischen der oberen
und der unteren Kreide. Hier ist das nördlichste Vorkommen
auch der Caprotinenkalke in diesem Theile des Balkanvor-
landes und es folgen nun auf grauem thonigem Kalk, der durch
seinen Reich thum au OrbitoUna letiticularis, Korallen, ver-
schiedenen Cidarisstacheln (Pseudocidaris clnnifera Ag.^, Brj'o-
zoen, Requienien sp., von Fimbria corrufiata (Sow.,) Forhes,
Nerinen sp. ausgezeichnet ist, dünne feinkörnige Conchylienkalke,
oolithische Gesteine, und über diesen breitet sich dichter Kalk
mit OrbitoUna concava Lam. (?) aus; den Schluss bilden
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 325
oolitliiscli-pisolithisclie Gesteine, die ebenfalls Orb. concava zu
enthalten scheinen. ^
Bei Suhindol beginnt das Basaltterrain. Der erste und
südlichst gelegene Basaltkegel liegt im Südwesten von Suhindol
und führt hier den Namen Vrha. Er hat 480 M. absolute Höhe
und erhebt sich 241 M. über das Dorf. Seine höchsten
Partien sind bewaldet, während die Abhänge ganz kahl sind;
diese Erscheinung verräth am deutlichsten, wo die Grenze
zwischen den eruptiven und den sedimentären Gesteinen zu
suchen ist. Die letzteren (oolithisch u. Orbitolinen führend) liegen
fast horizontal und zeigen keinerlei Veränderung. Erst wenn man
das Wäldchen betritt, bemerkt man hie und da zerstreut Bruch-
stücke von schwarzem Basalt; von anstehendem Gestein ist
nirgends eine Spur zu sehen. Der Bergkegel endet oben mit einer
Einsenkung von 8 — 10 M. Durchmesser und V/^ M. Tiefe. Von
der Höhe aus geniesst man eine herrliche Aussicht nach allen
Seiten; östlich überblicken wir den ganzen unteren Lauf der
Rossica bis zu ihrer Mündung in die Jantra, sowie auch die
kalkig-sandigen Felsen oberhalb Dragonovo, die sich nach N
allmählich, nach S aber jählings senken. Als Grenze der festen
Caprotinenkalke kann man annähernd die Rossica annehmen: sie
finden sich nur südlich von ihr. Nach NO und N erblickt
man eine ganze Reihe von basaltischen Hügeln. Unter ihnen
ragen an Höhe besonders hervor: Kara-tepe westlich und Catal-
tepe südlich von Vrbovka.
Die Basalte von Suhindol haben eine dunkelgrauschwärzliche
Färbung. In der dichten Basis gewahrt man sehr oft kleinere und
grössere, mit Olivinkrystallen ausgefüllte Geoden. Der Olivin
kommt auch in der halbkrystallisirten Basis vor. Der Fels ist
hart und widerstandsfähig.
Von Suhindol senkt sich die Ebene allmählich bis Gruhcova-
mahala; an der Rossica selbst gewahren wir hier nur blauen
Mergel; kalkige Urgonienfelsen bilden die Höhen. Bei Mahala
liegt unmittelbar unter dem Mergel eine Art von buntem
oolithischen Kalk, der auch bei Mihalci (am rechten Ufer der
1 Dieses Profil wird mit jenen von Vraca und am Iskrec bei Öerepis
(Sitzber. 1878) zu vergleichen sein.
326 Z 1 ;i t a r s k i ,
Eossica) vorkommt. Der bläuliche Mergel enthält Pyrit, der durch
seine Zersetzung- Anlass zur Bildung von Melanterit gegeben hat.
Auf der Strecke Mahala-Vrbovka kommt festes Gestein nicht
zum Vorschein, erst im Thale vor dem letzteren Dorf erblickt man
sehr feinkörnig oolithischenröthlichgelben Kalk, eine Fortsetzung
jenes von Suhindol.
Der zweite ßasalthügel findet sich WNW von Vrbovka und
heisst Kara-Tepe, das heisst .Schwarzer-Hügel (381 M.); er ist
auf seiner Abdachung bewaldet und ganz oben von einer
Wiese bedeckt. Das Gestein stimmt vollkommen mit dem Basalt
von Suhindol tiberein.
Nordöstlich davon erhebt sich ein dritter Hügel, bekannt unter
dem Namen Catal-tepe; derselbe hat eine grosse Ähnlichkeit mit
einem türkischen Pferdesattel und ist nur auf seiner Westseite
felsig, während der östliche Abhang mit Gestrüpp bedeckt ist.
Der Basalt dieses Kegels erscheint an der kahlen Lehne bläulich-
grauschwarz gefärbt und ist seiner Structur nach körnig.
Der vierte Basaltkegel, der „Kalvak", liegt südöstlich von
Butovo. Der Basalt ist dicht und enthält kleine Olivineinschlüsse.
Olivin und Augit erscheinen eingesprengt in der dunkelgrau-
schwarzen Basis.
Der fünfte Basaltkegel liegt zwischen Butovo und Nedan
und führt den Namen Dracevec; er ist der kleinste unter allen.
Das Gestein desselben ist noch körniger als jenes von Catal-tepe.
Von Butovo schlug ich den Weg längs des Lomeabaches ein
und gelangte über eine ausgedehnte, mit Lehm bedeckte Ebene,
nach Slomer. Sobald man auf das rechte Ufer derLomea übergeht
und die Ebene verlässt, bemerkt man links vom Wege drei
Basaltkegel, einen unbedeutenden, namenlosen, und zwei
beträchtlichere: Ilandzik und Ostra-Mogila, dieser 188 M., jener
153-5 M. ; von ihnen nehmen die Einwohner von Slomer ihr Bau-
material.
Auf der Höhe jenes Bergrückens, der Butovo von Slomer
scheidet, kommen horizontal lagernde, fossilienfreie, bläulich-
graue Mergel vor. Zwischen den Schichten bemerkt man gelben
Ocker. Dieses Gestein hält an bis über Slomer hinaus, nach
N, wo es zuletzt unter dem Löss versehwindet. Östlich von Lipni-
cite, Patres, Daskot, Paskalevik bricht man klingende Kalk-
Geologische Untersiichimgen im centralen Balkan etc. 327
platten, die theilweise tlionig und saudig sind und sowohl als
Bau- als auch als Dachdeckmaterial verwendet werden; sie sind
turonisch oder genauer gesagt senon-turonisch und breiten sich
nach NO aus. Bei der Brücke von Beleni werden wir die Gele-
genheit haben, sie näher zu besehen.
Kleinere Hügel in Form und Grösse an Tumuli erinnernd,
sieht man um Slomer und Varena, doch kann ich nicht ent-
scheiden, ob auch sie vulcanischen Ursprungs sind, da sie noch,
nicht eröffnet sind. '
Bemerkenswerth ist der Basaltkegel Kara-tepe (^217 M.)
zwischen Cervena und Slomer von dem die meisten in diesem
letzteren Dorfe verwendeten Steine herrühren. Ob der Hügel
östlich von Cervena auch basaltisch ist, kann ich nicht sagen,
doch constatirte ich Basaltfelsen noch vor Ovca-Mogila und nörd-
lich davon. Man erzählte mir, dass ..abgebrannte Steine" (so
nennen bei uns die Bauern den Basalt) noch zwischen Delisjule
und Kozlovec, sowie auch in der Nähe dieses letzteren Ortes
vorkommen, ich habe diese Localität Jedoch nicht selbst gesehen.
Von Slomer bis Tri-Mogili ist alles mit fruchtbarem Ackerboden
bedeckt. Der Löss beginnt dort, wo sich die Anhöhe gegen die
Hauptstrasse senkt. Er zeigt eine grosse Ähnlichkeit mit jenem
des unmittelbaren Donaugebietes ; er enthält auch weisse Kalk-
concretioneu. Nur an solchen Stellen, wo er von den Giessbächen
weggetragen ist, zeigt sich bläulicher Mergel darunter, ebenso
auch im W unweit der Brücke, die über den Osam führt. In der
Richtung nach der Donau zu herrscht Löss und nur hie und da
treten ältere Gesteine an die Oberfläche.
Vor Ovca-Mogila ist links vom Wege ein BasaHkegel ge-
öffnet worden. Hier kann man die Wirkung der Eruptivgesteine
auf die sedimentären sehr genau beobachten. Die Kalkschichten
zeigen wohl nicht die geringste Veränderung, dagegen sind die
thonigen und sandigen graugrünlichen Gesteine in eine dichte
Masse umgeschmolzen, worin man dunkle Flecken bemerkt. Die
Umwandlung ist übrigens nur in unmittelbarer Nähe des Basaltes
1 Auch auf der Strecke Svistov-Pavel (besonders bei Sarijar) findea
sich nach Professor Toula ähnliche Hügel in grosser Zahl.
Sitzb. d. mathem.-naturvv. Gl. XCIII. Bd. ]. Abth. 2 2
328 Z 1 a t a r s k i ,
erfolgt. In diesem Aufschlüsse findet man auch weissen kaolin-
artigen Thon und weissen sandigen Kalk.
Rechts vom Wege nach Delisjule bemerkt man auf der An-
höhe einen Hügel, der, nach seiner Configuration zu schliessen,
ein Basaltkegel sein dürfte, ausserdem ist sein Gipfel, wie der
des Catal-tepe felsig.
Bevor icl) Delisjule erreichte, gelangte ich über einen mit
Löss bedeckten Hügel nach Kozlovec, wo in dem Ufer, das nach
W ausschaut, einige Steinbrüche geöffnet sind. Die Reihenfolge
der Schichten ist folgende: Ganz oben reiner Löss, darunter san-
diger Löss mit Kalkconcretionen, sodann folgen nach unten:
einige 10 — 35 Cm. starke Thonschichten, ebenfalls Kalkcon-
cretionen enthaltend, sandige Quarzitschichten mit weissem
Glimmer und Lagen von hartem, bläulichem Quarzsandstein, der
sich vortrefflich zu Mühlsteinen eignet. In diesem Sandsteine
kommen ausser Exo(iyra und Ostrea keine anderen Fossilien
vor. Seinem Aussehen nach erinnert dieser Sandstein an jenen
von Trucevica. Sowohl im Osmathale als auch hier, liegt unter
dem Sandstein bläulicher sandiger Mergel. Die Schichtung ist un-
deutlich. (Scheint mit 15° nach S einzufallen.)
Bei Carevec verliess ich die Hauptstrasse und schlug den
kürzeren Weg über den Hügel ein. In der ersten Einsenkung
rechts liegt das Kloster Sv. Bogorodica (Heilige Maria) und links
dehnen sich Weinberge aus. Nachdem ich nun auch über den
zweiten vor Svistov situirten Hügel setzte, dessen Lössdecke
gegen N von den Sturzbächen sehr tief ausgegraben ist, erreichte
ich nun die Stadt selbst. Erst an der Donau kommen Sandstein-
felsen des Aptien mit Trigonia, Ostrea und anderen zum Vor-
schein,
TU. über die bulgarischen Basaltfelsen im Allgemeinen.
Basalte finden sich in Donaubulgarien nur zwischen den
Flüssen Osam und Jantra. Sie erstrecken sich von SSW nach
NNO, stehen im Allgemeinen fast auf einer und derselben zur
Balkankette transversalen tektonischen Linie, in einer Länge
von 40 Kilom. zwischen Suhindol und Delisjule; Gruppen bilden
sie nicht. Die Höhe der einzelnen Kegel Catal-tepe und Kara-
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 329
tepe bei Brbovka ausgenommen, ist keine bedeutende; nach der-
selben kann man sie folgendermassen anreihen: 1. Der Basalt-
kegel oberhalb Suhindol mit 480 M. absoluter Höhe; 2. Kara-
tepe bei Vrbovka mit 382 M.; 3. Catal-tepe mit 286 M.; 4. Kara-
tepe bei Slomer mit 217-5 M.; 5. Ostra-Mogila mit 188 M.;
6. Ilandzik mit 153*5 M. Ausserdem noch sieben Basaltkegel,
darunter Ovca-Mogila und Dracevec, zwischen Butovo und Nedan.
Sie sind annähernd kegelförmig mit entschiedener Neigung der
Abhänge, die zum Theile mit Triften oder Wald bedeckt, auch
ganz kahl sind. Die Spitzen sind verschieden gestaltet. Manche
ragen steil empor, andere sind ganz abgeflacht; Catal-tepe weist,
wie gesagt, die Form eines türkischen Sattels auf.
Die vulkanischen Gesteine durchbrechen bei Suhindol die
kalkigen, an Orbitolinen reichen, oolithischen Gesteine und gegen
Norden die blauen Mergel.
Bei Ovca-Mogila liegen die Schichten fast horizontal. Die
Eruption hat die Lage der sedimentären Gesteine nicht gestört.
In Serbien bei Nis unweit Ostrovica, am rechten Ufer der Nisava,
durchbricht das einzige Vorkommen von Basalt in Serbien das
Neocom, ^ während in Bulgarien sicher mittelcretacische Schichten
durchbrochen werden.
Der Basalt ist dicht oder körnig, grauschwarz oder bläulich-
dunkelgrau; in seiner homogenen Grundmasse kann man mit
unbewaffnetem Auge die grossen Krystalle undKörnerdes Olivins
unterscheiden. Dieses Mineral ist in manchen Basaltpartien stärker
vertreten als in anderen, in den körnigen Varietäten sieht man es
auch kleine Hohl- und Zwischenräume ausfüllen; solche Vor-
kommnisse findet man vielfach: Vrh, Kara-tepe, Catal-tepe und
Ovca-Mogila. Die schönsten, frischesten, dichtesten und härtesten
Basalte von fein mikrokrystallinischer Basis finden wir amKalvak,
au den Ostra-Mogila und am Ilandzik; die in den übrigen Hügeln
enthaltenen Basalte sind mehr oder minder körnig. ^
1 J. Zujovic, Materialien zur Geologie des Königi-eichs Serbien.
I. Geologie von Süd-Ost Serbien. Belgrad 1884, p. 9.
- Prof. Toula hat südöstlich von Svistov Basalte mit deutlich
säulenförmiger Absonderung unter den Findlingen angetroffen. (Sitzber
XC. Bd.. 1884, pag. 275.)
22 *
330 Z 1 a t a r s k i ,
In Dünnschliffen unter dem Mikroskop betrachtet, erscheint
in dem Basalt vom Kalvak der Feldspath (Plagioklas) in der
Grundmasse in Form von mikrolithischen Prismen. Grosse Feld-
spathkrystalle kommen nicht vor.
Reich vertreten ist der Augit; derselbe findet sich meistens
in kleinen Krystallen von gut erhaltenen Umrissen, doch auch in
Form von Körnern, die unter den gekreuzten Nicols durch ihre
schönen Farben auffallen. Die dem Orthopinakoid (cxd^^oo, 100)
und dem Klinopinakoid (oo Poo, 010) parallelen Schnitte sind am
häufigsten zu erkennen. Die Krystalle sind frisch und erscheinen,
bei gewöhnlichem Lichte betrachtet, fast farblos ; im polarisirten
Lichte dagegen zeichnen sie sich durch ihre lebhaften rothen und
gelben Farben aus. Die kleinen Krystalle herrschen vor. Die
gewöhnlichsten Einschlüsse in diesem Mineral sind Magnetit-
körner.
Eines der constanten und reich vertretenen Minerale in unse-
rem Basalt ist der Olivin, welcher sowohl in grossen Krystallen
als auch in Krystallkörnern vorkommt. Er unterscheidet sich leicht
vom Augit durch seine rauhe Oberfläche, durch seine unregel-
mässigen Spalten und durch seine lebhaften Farben zwischen den
gekreuzten Nicols. Die Spalten unseres Olivins sind mit einer
grünlichen Materie, wahrscheinlich Serpentin, ausgefüllt. Magnetit
ist in demselben weniger häufig als im Augit. In dünnen Schliffen
erscheint er farblos.
In der Grundmasse zerstreut findet sich Magnetit, der in
kleinen Körnern oder octaedrischen Krystallen auftritt. Grössere
Krystalle sind selten. Gewisse hexagonale Durchschnitte
scheinen auf Titaneisenerz zu deuten, ich habe diesbezüglich je-
doch keine weiteren Untersuchungen angestellt.
Mit dem Apatit in Gemeinschaft kommt auch Nephelin vor,
das erste Mineral in Form von Nadeln, das zweite in kurzen und
ziemlich starken hexagonalen Säulen ; beide zeigen im polarisirten
Licht dieselbe Farbe.
Was die Basis anbetrifft, so ist sie schmutziggrau, halbglasig
und sowohl mit Feldspath- als auch mit Augitmikrolithen und
Magnetitkörnern erfüllt.
Geologische Untersuchimgen im centralen Balkan etc. 331
Till. Ton SvistoY nach Trnovo.
In dem ziemlich hohen und steilen Donauufer bei Svistov
sind die Schichten, so weit sie sichtbar sind, folgendermassen ver-
tbeilt: die Decke bildet reiner Löss, darunter fol^ sandiger Löss
und unter diesem Sandstein mit Kalkcement. Dieses letztere
harte Gestein wird als Baumaterial verwendet und wechselt oft
mit Schichten von mürbem Saudstein ab, welcher uach den in ihm
vorkommenden Fossilien Osfrea, Trigonia, Ammonites und anderen
zum Aptien gerechnet werden kann. ^
Gegen Vardiu nimmt die Stärke der obersten Lössscbichte
ab und an vielen Stellen, sowobl am Wege, als auch an der
Donau, zeigen sich die Sandsteine.
Östlich von Vardin breitet sich bis zur Jantra eine Ebene
aus; rechts vom Wege erheben sich etliche mit Löss bedeckte
Anhöhen. Die Quarzsandsteine haben hier gröberes Korn als bei
Svistov, und fallen unter einem Winkel von 22° nach NO. Über
einen Morast gelangt man uach Novgrad. Dieses Dorf liegt auf
Löss am linken Ufer der Jantra.
Gegen Biljaiiov gewahrt man auf beiden Seiten dieses
Flusses weissgelbliche Kalkfelsen, die sehr reich an Orbit olinen,
Korallen, Bryozoen und anderem sind. Manchen Partien
fehlen die Orbitolinen. Diese Gesteine sind theils fein, tbeils
grobkörnig oolithisch; die ersteren sind weiss und aus feinen
Körncben zusammengesetzt, sie enthalten wenig Orbitolinen und
sind ziemlich fest; die anderen (pisolithisch erscheinenden) haben
nicht durchwegs runde, sondern auch längliche Körner und
bestehen fast ausschliesslich aus Resten von Bryozoen und ande-
ren niederen Thierchen. Wenn sie nicht Orbitolinen aufweisen
würden, würde man sie ohneweiters für tertiär halten, denn sie
haben petrographisch eine grosse Ähnlichkeit mit dem oolith-
pisolithischen Cerithienkalken aus dem Isker- und Timokthaie.
Die Orbitolinen erinnern stark an jene von Suhiudol und anderer-
seits an die Orbitolinen, die gegenüber von Karahasan am
1 Man vei'gl. den Bericht, welchen Professor Toula über die Reise
im Jahre 1884 erstattet hat. Sitzb. XC. (1884), p. 275.
332 Z 1 a t a r s k i ,
Osam in dem oolithischen Kalke vorkommen.^ Die nämlichen
Kalke finden sich auch bei Krivina und Batin an der Donau,
südlich und nördlich von Novgrad. Auch an der Jantra, sowie
an allen aus dem Balkan in die Donau mündenden Flüssen,
ist nur das rechte Ufer felsig und steil.
Gegen S sind die Felsen weiss und theilweise ausschliess-
lich oolithisch, sie sind ausserdem dichter und härter als die
vorigen und enthalten hie und da Orbitolinen.
Von Novgrad ging ich nach Dzuljunica und Cansevo. Vor
diesem letzteren Ort erblickt man dieselben Felsen wie bei
Dzuljunica. nur sind dieselben reicher an Orbitolinen.
Südlich von Cansevo und westlich von Dolnja-Studena er-
hebt sich ein kleiner Hügel, der aus mergeligem, bläulichem
oder grauem, sich leicht spaltendem Kalkstein besteht. Diese
Felsart bildet einen beträchtlichen Theil des Jantrasteilufers,
und tritt auch bei Bela auf.
Gegen die Brücke hin treten die fast horizontal gela-
gerten, thonigen Kreidekalksteine auf, die hier mit Flint in
Form von schwarzen Knollen, oder in dünneu Lagen (10 bis
20 Ctm.) erfüllt sind. Ausserdem finden wir hier auch bläulichen
Mergelkalk, der sich von ersteren sehr wenig unterscheidet.
Petrefacte sind in diesen Mergelkalken nicht eben häufig.
Folgende Fossilien, habe ich in der letzten Zeit gefunden:
Inoceramvs spec. Mant. Einige Abdrücke einer kleinen Art. Von den
sonstigen Bivalven- Abdrücken könnten gedeutet werden, das eine als
Limopsis spec. ind. (ähnlich L. calvatiis Sow. sp. Zittel, op. cit. p. 61,
Taf. IX, Fig. 8). Erreicht eine Länge und eine Breite bis zu 10 Mm., ist fast
kreisrund und schwach gewölbt. Die feineu conceutrischen Linien an ihrer
Oberfläche sind kaum sichtbar. Sie kommt mit anderen undeutlichen
Bivalven im bläulichen Mergelkalk bei der Brücke vor. Besitze nur einen
Steinkern.
Panopaea sp. Ein unvollständiges Exemplar, das die grösste Ähnlich-
keit mit P. frequens zeigt. Diese Muschel ist wie Limopsis calvatus charak-
teristisch für Turon oder unteres Senoii.
1 OrhitoUna concava in den grossen typischen Formen findet sich nach
Toula neben einer häutigeren kleinereu Form, die sich au gewisse
Fonnen der 0, lenticidnris innig anschliesst.
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 333^
Ammonites sp. In hartem grauem Mergelkalk fand ich nur ein einziges ^
aber gut erhaltenes Exemplar.i
Die Kreidefelsen von Bela verschwinden dem Anscheine
nach bei der Brücke, doch zeigen sie sich nochmals in südlicher
Pdchtimg- bei Kosovo. Sowie oben ist auch hier der Kalk thonig*
oder mergelig-, lässt sich in dünne Platten spalten und enthält
undeutliche Fucoiden. Die Abhänge um Kosovo, an dem Wege
und längs des rechten Flussufers weisen das nämliche Gestein auf.
So viel man ersehen kann, streichen die Schichten von W nach
0. Auch nach S gegen Kocina, in der Nähe der Rosica, kann mau
ihre Spuren unter dem fruchtbaren Boden verfolgen.
Aus dem hohen rechten Ufer der Jantra bricht man gegen-
über von Kocina thonigen Kalkstein, der mit jenem von Bela ganz^
identisch ist. Das linke Ufer ist flach und alluvial. Gegen W
kommen solche steile Felsen, wie man sie östlich von der Jantra
sieht, nicht mehr vor, trotzdem herrscht auch dort die Kreide-
periode vor. Thonige Kalksteine bricht man westlich von Patres,
Lipnicite, Dskot, Paskalevic und noch an einigen Orten.
Von den Höhen, die Polekrajste von Samovodeni trennen,
erblickt man die ersten (nördlichsten) Vorgebirge der Balkan-
kette; dieselben erstrecken sich bei Trnovo von 0 nach W und
bestehen hier ausschliesslich aus Urgon.
Im Bett der Jantra kommen bei Samovodeni unter der allu-
vialen Ablagerung bläuliche sandige Mergel zum Vorschein, die
das Liegende des Urgon bilden. Im Defile vor Trnovo bemerkt
man über denselben ziemlicli feste Kalksandsteine, die zu Bau-
material vortrefflich geeignet sind. Die tiefer gelegenen Schichten
sind nicht nur compacter, sondern auch fester als die oberen, die
mehr sandig-mergelig erscheinen. Die Felsen fallen hier unter
einem Winkel von 10° nach N (h. 3). Etwas höher breitet sich
1 Herr Dr. V. Uhlig, dem Herr Prof. Toula das betreffende Stück,
das einzige, auf das sich vielleicht eine sichere Bestimmung gründen Hesse,
zusandte, theilte ihm mit, dass es in Bezug auf Berippung, Einschnürungen,
Einrollung und die gesammten Formverhältnisse sehr gut mit Lytoceras
(CoscidiscusJ recticostatiim d'Orb. übereinstimme, einer bezeichnenden
Form des Barremien; es wäre dies die erste Barremeform im Balkanvor-
lande. Das Mitvorkommen der kleinen Inoceramen spricht nicht dagegen,
auch in den Wemsdorfer Schichten finden sich Inoceramen.
334 Z 1 a t a r s k i ,
über den oberen Schichten bunter Kalkstein mit Orbitolinen aus und
auf diesen folgt reiner, weisser oder röthlicher, halbkrystallinischer
Kalk mit Eequienien oder Caprotinen. Dieser letztere bildet die
mau erartigen Abhänge in der Jantra Schlucht unterhalb Trnovo und
nimmt die Gipfel der Passhöhen ein. Er beschützt wie ein unver-
wüstlicher Panzer die unter ihm gelegenen, mit jungem, aber
dichtem Wald bedeckten Saudsteine und sandig - mergeligen
Schichten vor der Zerstörung.
Im Engthale folgt der Weg nach Trnovo dem linken Ufer
der Jantra.
Die Scenerie in dem Engthale der Jantra hat schon H. Barth
überaus anschaulich beschrieben.
Vor Trnovo bemerken wir rechts von der Landstrasse zu
Unterst bläulichen Mergel mit weissem Glimmer und kohligen
Pflanzenspnreu ; derselbe enthält auch röthliche und gelbliche
Lagen von Ocker und ganz dünne Schichten von rothem oder
buntem Kalksandstein. Die Felsen fallen hier unter einem Winkel
von 13° nach S. Über dem Mergel breitet sich bläulicher Kalk-
sandstein mit Hieroglyphen aus, der reich ist an Ostreen, Tere-
b r a t e 1 n , R h y n c h 0 n e 1 1 e n , S e r p u 1 e n, Pseudocidaris-Stsic\ie\n
und Bryozocn. Die Sandsteinschichten gehen allmälig in tho-
nige über und in echten Knollenkalk aus. Dieser ist seiner
Farbe nach röthlich oder grauweiss, theil weise auch thonig,
besitzt eine ziemlich bedeutende Härte und bricht unregelmässig.
Das sogenannte Kartalufer weist keinen Rcquienienkalk auf,
er zieht sich nach den Höhen zurück; doch trifft man ihn wieder
in der Nähe des Schlossberges (Hissar), zwischen Trnovo und
Dolnja-Mahala, sodann bei Sulnar an der Jantra und Kamenec
unweit Arbanasi. In der letzten Ortschaft hat man einige Stein-
brüche geöffnet, wo man eine grosse Anzahl von Eequienien,
meist R. Lonsdnlii (Sow.) d'Orb. und die grosse B. Drinovi
Zlat. bemerkt. In Arbanasi selbst findet man beim Kloster
Sv. Nikola über dem Rcquienienkalk Sphärulitenkalk, der sich
von dem vorerwähnten recht wohl unterscheidet. Am häufigsten
kommen hierorts Sjjhat'rulites Bhmienbachli Studer vor.^
J Der Kalk mit Sphaendücs stimmt nach Prof. Toula auf das beste
übereiu mit dcu Kiffkalk iu der südwestlichen Kreidezoue bei Akpalauka
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 335
Im Hügel von Kartal, der sieh gegen Marnopolje gelinder
senkt als gegen den Pass (Dervent), fand ich so viele Fossilien,
dass ich in einer kurzen Zeit folgende reichhaltige CoUection
zusammenstellen konnte : ^
Pleitroloma tnmcata Pictet et Camp.
Aporrhais cfr. marginata Sow.
Ti/lostoma depressum Pictet et Camp.
Natica cfr. Suerii Pictet et Camp.
Lilhodomus oblongus d'Orb.
Lithodornus avellana d'Orb.
Neithea (Janira) atava (Roem.) d'Orb.
Lima longa R o e m e r.
Ostrea sp.
Terebratula cfr. Dutempleana d'Orb.
Terebratiila cfr. praelonga Sow.
Terebratula (WaldheimiaJ tamarindus Sow.
Terebratula (Waldheimia) semistriata Defr.
Rht/nchonella irregnlaris Pictet.
Rhynchonella lata d'Orb.
Ehj/nchonella Gillieroni Pictet.
Bhi/ncfionella Gillieroni var. longirostris Pictet.
Heteraster oblongus (de Luc) d'Orb.
Heteraster Couloni {Ag.) diOrh.
Echinobrissus Olfersii Ag. sy). '
Goniopiigus peltatus Ag a s.
Cjiphosoma cfr. Perroni Cott.
Pseudodiadema cfr. Rhodani (A g.) D e s 0 r.
Pseudocidaris chmifera (Ag.) F. de Loriol.
Cidaris Lardyi D e s o r.
Korallen sp.
Was Sainte - Croix, welches uns die schätzens-
werthesten Daten über die Stratigraphie und Palae-
ontologie der Kr ei de periode liefert, für die Schweizer
Alpen ist, dasselbe bedeutet Trnovo für die vorbalka-
nischen Felsgegenden.
und Nis (Ostravica) (Sitzb. 1879, Märzheft, 79. Bd., p. 197 ff. Denkschriften
1881, Bd. 48, p. 43 d. Sep. Abdr.).
1 Au derselben Localität sammelte nach einer Mittheilung Prof.
Toula's, dem diebetreffenden Stücke zukamen, Hen- Ing. A. Pelz schon
vor mehreren Jahren eine Anzahl von Brachiopodeu und Cidariten.
336 Z 1 a t a r s k i
IX. Ton Trnovo westwärts an die Riisica.
"Wir wollen noch einen kleinen Ausflug nach dem W von
Trnovo unternehmen, und zwar über Samovodeni, Michalei, Bjela
Cerkva (Turöetata), Dobromirka, Malkocevo, Balvanska-Mahala,
Pusevo und Colakova-Mahala.
Die Urgonkalke erreichen, wie wir gesehen haben, hier
nördlich bei Saniovodeni ihr Ende. Sie breiten sich jedoch in
östlicher Richtung bis nach Orehovica, Leskovec und Dragizevo
aus. Nach W sind sie weithin bekannt: sie übersetzen die Rossica,
Osma und auch den Vid und erscheinen auch noch jenseits des
Isker.
Ich verliess Samovodeni und erreichte in kurzer Zeit das
Dorf Hotnica. Die hier als Baumaterial verwendeten Steine rühren
von den weissen grobkörnigen Kalkfelsen bei Kajabunar her,
einem Orte südwestlich von Hotnica und enthalten Rhynchonellen,
Korallen und in den dichteren Partien auch Requienien.
Die Kalkzone zieht sich südlich von Zolari hin nach W.
Zwischen Mussina und der Rossica erhebt sich eine zweite
nördlichere Felspartie.
Bei Mihalci finden wir eine deutliche Schichtenfolge: Ganz
oben bläulicher oder röthlieher Kalksandstein, der auch grosse
Quarzkörner und dunkelrothen Ocker enthält. Von Versteinerungen
fanden sich Pentacriniten, Ostreen und Stacheln von Echiniden.
Auch Hieroglyphen treten auf den Schichtflächen auf. In grösserer
Tiefe geht er in oolithischen, au Bryozoen, Trigonien etc.
ziemlich reichen Sandstein über und noch weiter unten in dichten
Mergel, ähnlich jenem von Samovodeni und Trnovo.
Westlich von Mihalci dehnt sich an diesem Flusse eine
Alluvialebene aus, auf welcher das grosse und hübsche Dorf
Bela Cerkva (Turcetata) liegt.
Bei Visovgrad gewahrt man einige Steinbrüche in bunten,
sehr feinkörnigen, oolithischen Kalksandsteinen. Dieser Oolith
ist hart und hat deutlich gelagerte, nach N (h. 2Y3) unter einem
Winkel von 18 — 25° fallende Schichten, die einstens in Contact
mit jenen von Mihalci gewesen sein müssen.
Geologische Untersuclmngen im centralen Balkan etc. 337
Südlich von Plnzna zeigen sich mürbe Kalkfelsen, die mit
mergeligen Schichten, reich an Korallen, Pterinella,^ Terebra-
tiila {T. tamarindus d'Orb. und T. acuta Qiienst,), Cidaris-
Stacheln etc. abwechseln. Die mergeligen Gesteine treten auch
gegenDobromirka hin hervor und fallen, wie die vorher erwähnten
Sandsteine, aber noch flacher geneigt, nach N. Weiter südlich
erblickt mau röthlichen und grauen grobkörnigen Kalkstein, im
Thale vor Dobromirka aber bläulichen Mergel. Bei der Mühle
fallen die Schichten unter einem Winkel von 45 — 55° nach S.
Dobromirka selbst liegt auf einem grauen, dichten, theilweise
thonigen und an Ostreen reichen Gesteine.
In Kalna-Koria erscheint unweit der Hauptstrasse dichter
Urgonkalk mit denselben Fossilien, die wir auch bei Trnovo
sahen; unter den zahlreichen Rhynchonellen ist R. irregularis
Pictet am deutlichsten kenntlich.
Bei Malkocevo kommt man endlich in ein Sandsteinterrain
des Urgon. Das Grundgestein ist feinkörnig und bläulichgrau.
Die Schichten fallen nach NW (39°). Der Sandstein wechselt im
Thale mit dünnen Lagen von Mergel ab.
Zwischen Malkocevo und Gostilica finden sich Sandsteine
mit kohligen Spuren und Hieroglyphen und dieselben Mergel.
Vor dem letzteren Dorfe fallen die mergeligen Gesteine nach S
(50°). In Gostilica selbst findet sich nur Sandstein, der hier mit
nur 19° nach S geneigt ist.
Eine zweite urgonische Kalkzone erstreckt sich parallel zu
jener, die wir soeben verlassen haben, von Serbegli nach Dre-
novo und führt den Namen Straza. Von der Anhöhe zwischen
Malkocevo und Gostilica betrachtet, sieht Straza wie eine weisse,
steile Mauer aus, die von der Jantra in der Richtung von S nach N
durchbrochen wird.
1 Die Pterinellen liegen in grossen Exemplaren vor, welche nach Prof.
Toula vollkommen mit jenen aus den sandigen Neocom-Mergeln oberhalb
Oiese (Grundlinien, Tat". III) übereinstimmen. Auch der Erhaltungszustand
ist derselbe. Von der Form mit geripptem Wirbel (Prof. Toula nannte sie
Pt. crassüenta 1. c. Taf. III, Fig. 3) liegt ein grosses flaches Exemplar vor,
bedeckt mit Serpula filiformis Sow. Es sind sicher dieselben Schichten wie
bei Orese nördlich von Jablanica und von Srutina Kanara bei Tniova
(Sitzber. XC, 1884, p. 276 ff.).
338 Z 1 a t a r s k i ,
Beim ersten Thal auf der Strecke Gostilica-Balvanska
Mahala kommt man wieder in nordwärts fallende Sandsteine und
Mergel (60—75°).
Bei Balvanska Mahala kommen die kalkigen Urgongesteine,
die coneordant unter den Sandsteinen liegen, nochmals zum Vor-
schein. Dieser Kalk hat dieselbe Beschaifenheit wie jener von
Trnovo und der westlichen Umgebung dieser Stadt und ist mehr
dicht als körnig. Von Versteinerungen sieht man hier am häufigsten
Rhynchonella ci'\:irreffularis Bietet und verschiedeneKorallen.
Bei der Brücke liegt über diesen Kalksteinen ein anderer von röth-
licher, grauer oder blauer Färbung, dichterem Gefüge und grossem
Reichthum an Requienieu, der mit nur 19° nach N fällt. Hier
verläuft eine Dislocation. Über dem Requienienkalke zeigen sich
ganz deutlich thonige und mergelige Schichten und dazwischen
Kalksandstein; weiter nördlich folgen auf diese die oben erwähn-
ten dichten Kalksteine, in welchen der Knollenkalk eine grössere
Ausdehnung hat. In den letzteren konnte ich ausser Ostrea und
Korallen nichts finden.
Die Jantra durchbricht hier die Kalkzone von S nach N;
im W zusammenhängend ist sie im 0 mehr gegliedert und zeigt
viele kleine Hügel und Sättel. Im Flussbett sieht man hie und da
auch blauen Mergel.
Bei Pusevo ist das niedrige rechte Ufer mit Alluvium
bedeckt, das linke dagegen, welches aus blauem Mergel besteht,
erhebt sich ziemlich hoch über das Niveau der Jantra und weist
gleichfalls auf eine Dislocation hin.
Vor Semsevo liegt über dem kalkigen Urgon thoniger, mürber
Sandstein, der, wie wir uns später überzeugen werden, eocän ist.
Derselbe hat eine weissliche Farbe und spaltet sich regelmässig.
Diese Felsart ist hier unter dem Namen „Bjela prst" (weisse
Erde) bekannt und wird zum Tünchen der Wände gebraucht.
Sie erstreckt sich gegen die Weinberge von Trnovo, wo sie meist
weiss, lichtblau, grauweiss oder grünlich gefärbt erscheint. Die
nämlichen Schichten constatirten wir, Prof. Toula und ich, auch
östlich von Trnovo. Nach meinen Untersuchungen erstreckt sich
die eocäne Formation von Semsevo bis nach den Weinbergen von
Trnovo, verschwindet 1 Kilometer vor dem Erreichen der Jantra
und zeigt sich wieder in einer Entfernung von 2 Kilometern östlich
Geologische Untersuchungen im centi-alen Balkan etc. 339
von der Stadt. Die Eocänformation, die sich auch bei Dragizevo
und Merdaua zeigt, dehut sich höchstwahrscheinlich auch noch
weiter nach 0 hin aus.
Bei Semsevo setzte ich über die Jautra und ging zwischen
den Weinbergen nach Colakova-Mahala. Doch bevor ich noch
dieses Dorf erreichte, verschwanden die eocänen Schichten, die
concordant über den Kreideschichteu liegen und es zeigte sich
nun dieselbe Reihenfolge des Urgon, wie wir sie schon einmal
bei Balvanska-Mahala sahen; auch die beiden Dislocationen in
der Eichtung von 0 nach W wiederholen sich hier. Dieselbe
Erscheinung kann man im Durchbruche der Jantra bei Trnovo
genauer beobachten.
Colakova-Mahala liegt am Flusse südlich von denKaikfelsen.
Beim Eingange in die Jantraengen bei Belcos-Mühle fallen
die Urg-onschichten nach N (h. 1 — 2, 26°). Zu unterst erblickt
man Thonmergel, sodann 20 — 30 Ctm, dicke Schichten von
kalkigem Sandstein und darüber dünne Sandschichten (1 bis
0-5 Ctm.). Unmittelbar darauf folgen grauweisser, dichter Kalk
und ebensolcher von röthlicher und bläulicher Färbung. Die Reihe
beschliesst aschgrauer Kalkstein mit Rhynchouellen (15— 18 Meter
mächtig;).
Erste Dislocation. Es treten wieder auf: Grauer, dünn-
schichtiger, etwas sandiger und glimmeriger Thonmergel, er wech-
selt sehr oft mit dünnenSchichten(0*3— 0*1 Ctm.) von kalkigem
Sandstein, mit Hieroglyphen auf den Schichtflächen, ab. Die
Stärke der mergelig-sandigen Schichten erreicht 25 — 28 Meter.
Darüber breitet sich bläulicher Kalksandstein aus [S Meter), in
dem man ausser Quarzkörnern auch kohlige Spuren und Markasit
bemerkt. Auf die compacten Sandsteine folgen nochmals Thon-
mergel und kalkig- mergeliger Sandstein, der anfangs mürbe ist
und allmälig fest und hart wird. Zuletzt finden wir wieder den
Requienienkalk; derselbe ist zu unterst grau-weisslich oder röth-
lich, nimmt aber nach oben eine bläuliche Färbung an, indem
zugleich sein Reichthum an Fossilien wächst (circa 50 — 70 Bieter
mächtig); fällt nach N (19°).
Die zweite Dislocation bemerkte ich bei Kosta Ljud-
skauov's Fabrik, vor dem sogenannten Ustije, wo, gerade wie
oben, Thonmergel und kalkiger Sandstein zum Vorschein kommen.
340 Z 1 a t a r s k i ,
Bei der gTossen Karagiozov'scheu Fabrik, bei den an der
Jantra eröffneten Steinbrüclien erblicken wir Sandsteine mit
Bhynchonella, Terebratitla^ Crassatella u. a.; dieselben erstrecken
sich jedoch unter Marno-pole, und erst bei Sulnar kommen
Knollenkalk und Eequienienkalk zum Vorschein. Den nämlichen
Eepräsentanten des Urgon begegnen wir auch im Walde, jenseits
der Jantra, sowie auch in dem Hügel, auf dem Trnovo erbaut ist;
da sich aber dieser letztere sehr hoch über Marno-pole erhebt,
sind wir gezwungen, hier eine dritte Dislocation anzunehmen.
INHALT.
Seite
Vorwort 249
I. Von Sofia über Ötujak, längs des Isker nach der Donau .... 251
1. Das Becken von Sofia 251
2. Von Sofia über Curjak nach Orhanie 254
3. Von Orhanie, über Hubaveue und Karlukovo nach Lukovit . 261
4. Von Lukovit nach Grlava-Panega (Quellen der Pauega) . . . 273
5. Von Lukovit über Öerveni-breg, Öiimakovci, längs des Isker
zur Donau 275
IL Von Gigen längs des Flusses Vid nach Pleven 291
1. Von Gigen über Brest, Zlakiicino, Kacamunica nach Pleven . 291
2. Von Pleven bis zur Vid-Brücke, längs des Flusses nachTrnica;
sodann über Kartazabeni,Ucindol, Bogot, Tucenica, ßadisevo
nach Pleven zurück 293
3. Fossilien aus den mittleren Schichten des Tucenica-Thales . 301
IIL Von Pleven nach Nikopol 302
IV. 1. Von Nikopol längs des Osam nach Lovec 3U7
2. Fossilien aus der Gegend von Lovec 311
V. Von Lovec über Novoselo, Trojan, Sipkovo nach Sevlievo . . 313
1. VonLovec überBiul,Debnevo längs der Vidima nachNovoselo 313
2. Von Novoselo über Trojan nach Sipkovo 316
3. Von Sipkovo nach Vasiljov 319
4. Von Sipkovo über Koniau, Dlbok-Dol, Vrabiu nach Sevlievo 320
VI. Von Sevlievo nach Svistov 323
VIT. Über die bulgarischen Basaltfelsen 328
VIII. Von Svistov nach Trnovo • . . 331
IX. In der Uniffebune- von Trnovo 336
(i.X Zlatarski : BeilriioV zui- ( ioolooi(> dor nördliohpii Ball^anA orlande z\\isclien don Flüssen Js-kor und Janlra .
Taf.l.
(ili.'c'tü'oi.'««:ltc.> {5*i.cFiC \icti. c>'cii(X utbet Cutialc , C:'clva.ivljc , .^Vcvfjcvv-'iCtX.CVcVtiX^ .cH.tvt-Ui.ric'vc luxclv \.i.i,r-vCoiL
Figl.
Fig.
t'lL.'aSv.^a £Ux.
MtziuiU.'iiMl.kais.i\kad.d.n'.iiw(hiialurw.riasN(>I('lII.]M.I,Abliilö(S6.
Zlatarski:ßalka II Vorland.
Tat'.K.
3A
KScMnM. Retfi/iniia Lorrc'isisZfa/.
Silzunssbd k .\kad dW. math Ralui-w Classe XCnrBd. I Abfli . 1886.
Klüicrii Staätsdiiicliers
Zlatai'slxi:BalkjiiVor];!ii(]
Tafffl.
%
5chÖRlitii. KMof-Ti Staatsäracferei
Itt^ifincinii nri/iKvi Z.lal.
Silzuiigsb.d. k Akadd^r.iuafli natm-w Oasse XCIffBd I AbÜi . 1886.
Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 341
Erklärung- der Tafel I.
Fig. 1. 1. Alluvium. 2. Diluvium. 3. Weisser Kreidekalk mit
Exogyren, Inoceramen etc. (Cenomau?). 4. Mergelig-sandige
Gesteine mit Hieroglyphen; thonig-sandige und thonig-
kalkige Schichten (Gault?). 5. Thonige Sandsteine und
Mergel mit Orbitolinen etc. (Aptien). 6. Urgonien. Sandiger
Kalk, thonige und mergelige Schichten mit Exogyra interruipta E. de
From., Cjipr ina rostrata¥ itt., Cidaris Lardyi Desor. lihi/nchonella
lata d'Orb. etc. 7. Neocomien. Mergelige und thonige Sandsteine.
8. Rother und weisser Sandstein mit Conglomeraten, und
quarzaderiger Sandstein. 9. Palaeozoische Phyllite. 10. An-
desit- und Porphyrit- Gänge.
Fig. 2. 1. Diluvium-, Löss. — 2. Sarmatische Stufe: bj Grobkörniger
Sandstein, unten mergeliger Sandstein, aj Oolithische kalkige
Schichten mit Cardium obsoletum, Modiola Volhynica, Trockus pictus,
T. quadristriatus, Tapes gregaria. 3. e) Fetter Thou mit Gyps.
d) Dünne, sandige Schichte, c) Thon mit Gyps. b) Oolithischer
Kalk, a) Bläulicher fetter Thon. 4. Oolithischer Kalk. 5. Cerithien-
kalk (auch oolithisch). 6. Fetter Mergel, ganz unten weiss, bläu-
lich , sandig und ohne Versteinerungen , weiter oben gelblich
und voll mit Steinkernen von Cardium obsoleUim, C. plicatum,
Tapes gregaria; noch weiter oben grauer Tegel, ganz oben harter
Thou mit Abdrücken von Bidla, Modiola, Trochus,Mactra, Carditim.
7. Grobkörniger Sandstein verkittet mit kalkigem Cement, theil-
weise oolithisch, reich an Modiola Volhynica, Mactra podolica, Car-
dium obsoletum, Buccinum etc. 8. Bläulicher Mergel, ähnlich wie bei
der Vid-Brücke. — C e n o m a n : '.). aj Bläulicher dichter Kalkstein
mit Feuersteiutheilchen. bj Grobkörniger weisser Kalkstein,
cj Zuckerartiger Kalkstein in dünnen Schichten. — Gault:
10, a) Glimmeriger, mergeliger, mürber Sandstein und bläulicher
Mergel. bJ Sandiger Mergel, mit dünnen, sandigen Schichten.
Aptien: 11. Sandsteine und Mergel mit Orbitolinen. — Urgonien:
12, Sandiger Mergel. 13. Caprotineu (Requienien) -Kalk.
Neocom: 14. Kalkig-mergeliger Schiefer mit Belemnites, Ammo-
nites, Aptychus etc.
342
Anatomisch-physiologische Untersuchungen über die
Keimpflanze der Dattelpalme.
VoD Georg Firtsch in Graz.
(Aus dem botanischen Laboratorium der technischen Hochschule in Graz.)
(Mit 1 Tafel.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 1. April 1886.)
Einleitung.
Von den Keimpflanzen der Palmen i.st jene der Dattelpalme
bisher am genauesten bekannt geworden, Malpighi, Mirbel,
Treviranus, Mohl^ in Martins Palmenwerk, und in neuerer
Zeit Sachs^ haben derselben ihre Aufmerksamkeit zugewendet.
Eine genauere Darstellung der anatomischen Verhältnisse ist
jedoch bisher noch nicht mitgetheilt worden. Im Folgenden habe
ich versucht eine solche zu geben, und zwar vom physiologischen
Standpunkte aus.
Zur Orientirung schicke ich eine kurze morphologische
Beschreibung des entwickelten Keimlings voraus. Der Cotyledon
desselben besteht aus zwei Theilen; sein oberes Ende bildet das
im ausgewachsenen Zustande sattelförmige, den Samen mebr
oder minder ausfüllende Absorptionsorgan, von Mohl „Caput
cotyledoneum", von Sachs „Haustorium" genannt. Dieses geht
an der Durchbruchstelle der Samenschale in eine halsförmig
verengte Partie über, den Haustoriundials. Der zweite, aus der
Samenschale heraustretende Theil des Cotyledonarblattes, der
Haustoriumstiel, Mohl's „chorda germinalis", beginnt mit einer
auf den Haustoriumhals folgenden verdickten Partie, die Mohl
„tumor chordae" nannte. Nun folgt der eigentliche solide Hau-
storiumstiel, der bei meinen Keimlingen, welche in Sägespänen
J Martins, Historia naturalis palmarum. Bd. I, pag. 153.
1 Sachs, Zur Keimung'sgeschiclite der Dattel. Botan. Zeitung 1862,
p.g. 241.
Anatomisch -physiologische Untersuchungen etc. 343
und in mit Sägespänen vermischter Erde gezogen waren, durch-
gehends bedeutend länger wurde, als dies, nach den Abbildungen
zu urtheilen, bei den Keimlingen Mohl's und Sachs' der
Fall war.
Der solide Haustorinmstiel geht nun in seinem unteren Theile
in die seitlich offene oder mehr oder minder verwachsene Keim-
blattscheide ,, Vagina cotyledonea" über. Das erste blos scheiden-
förmig entwickelte Blatt durchbricht die Cotyledonarseheide und
dringt mit seiner starken Spitze im Boden aufwärts; es erreicht
knapp die Oberfläche, ragt oft aber auch 2 bis 3 Ctm. hoch aus
dem Boden heraus. Nunmehr bricht das erste, gefaltete grüne
Laubblatt, welches von linealer Gestalt ist, mit seiner starken
Spitze durch. Erst nachdem der Cotyledonarstiel nahezu aus-
gewachsen ist, beginnt die Hauptwurzel sich rascher zu strecken,
und erreicht sehr bald eine ziemlich beträchtliche Länge. ^
Vorliegende Arbeit wurde im botanischen Laboratorium der
k. k. technischen Hochschule zu Graz im Wintersemester 1884/85
ausgeführt und spreche ich hier meinem hochverehrten Lehrer^
Professor Dr. G. Haberlandt, für seine Unterstützung meinen
verbindlichsten Dank aus.
I. Das Haustorium.
Der obere Theil des Cotyledons, welcher im Samen stecken
bleibt, fungirt als Absorptionsorgan. Dasselbe schwillt anfangs^
kugelförmig an, sich imEndosperm durch Auflösen der Zell waud-
verdickungen und Absorption der gelösten Massen Raum schaffend ;
später bekommt es dann eine mehr abgeflachte Form und, indem
es allmälig sich ganz der Form des Endosperms anschliesst, eine
sattelförmige Gestalt (Fig. 1). Die Oberfläche ist reichlich mit
Leisten und Höckern versehen, wodurch die absorbirende Fläche
wesentlich vergrössert wird.
Im ersten Jugendzustand des Keimes fungirt die gesammte
jugendliche Epidermis desselben, welche aus stark radial
gestreckten Elementen besteht, als Absorptionsgewebe. Dasselbe
bleibt dann nur dem Haustorium erhalten, während es am
Cotyledonarstiel in eiue typische Epidermis umgewandelt wird.
1 Vergleiche .auch: Pfitzer, Über Früchte, Keimung und Jugend-
zustände einiger Palmen. Ber. d. deutscheu bot. Gesellsch. 1885, pag. 32 ff.
Sitzb. d. raathem.-naturw. Cl. ilCIlI. Bd. I. Abth. g5
344 F i r t s c h ,
Aber auch am Haustoriiim zeig't es eine verschiedene Aiisbildimg- ;
während es in der Nähe des Cotyledouarstieles aus sehr hohen,
schmalen Zellen besteht, ist es an anderen Stellen, wie an der
Seite und auf der oberen Fläche des Haustoriums, aus relativ
viel kürzeren Zellen gebildet.
Das Meristem des g-anz jungen Haustoriums besteht aus
vollkommen isodiametrischen Zellen, später strecken sich diese,
und schon im halb erwachsenen Haustorium beobachtet man ein
aus ziemlieh lauggestreckten Zellen bestehendes Leitparenchym
mit grossen Intercellularräumeu. In den inneren Partien des Hau-
storiums convergiren die gestreckten Leitparenchymzellen gegen
den Haustoriiimhals, in den Eandpartien aber bildet das stoff-
ableitende Leitparenchym ein- bis zweischichtige Scheiden,
welche die Gefässbündel umschliessen. Die Zuleitung der absor-
birten Baustoffe von dem Absorptionsgewebe zu den genannten
Scheiden erfolgt durch Reihen aus gleichfalls gestreckten Zellen,
welche häufig bogig gegen die Leitparenchymscheiden verlaufen
(Fig. 2). So kehren hier in Folge gleichartiger Stoffleitungs-
yerhältnisse dieselben Anschlusseinrichtimgen wieder, welche
sich, wie Haberlandt^ gezeigt hat, so häufig in den grünen
Laubblättern vorfinden und für die Richtung der Pallisaden zell-
reihen massgebend sind.
An Schnitten, welche die Gefässbündel der Länge nach
treffen, sehen wir, dass diese pallisadenförmigen Zuleitungszellen
unter einem spitzen Winkel gegen das Gefässbündel einfallen.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass diese Schiefstellung auf
Wachsthumsverschiebung beruht (Fig. 3).
Was die allgemeine Anordnung der Gefässbündel im
Haustorium betrifft, so strahlen dieselben an der Eintrittsstelle in
das Haustorium radienförmig aus, gabeln sich und laufen der
Oberfläche desselben genähert in ziemlich gerader Richtung bis
an den Rand des sattelförmigen Gebildes. Von da an beginnen
sie einen geschlängelten Verlauf zu nehmen und nähern sich dem
Mittelpunkte der oberen Haustoriumfläehe, der morphologischen
Spitze des Organs, wo sie sich im ausgebildeten Zustande wieder
in unregelmässiger Weise vereinigen,
1 Hub er lau dt , Verg-leicliende Anatomie des Assimilationssystems.
Prinyh. Jahrl)., Bd. XIII, pag. 136 u. 143.
Anatomisch-physiologische Untersuchungen etc. 345
Der Leptomtheil überwiegt relativ den Hadromtheil des
Gefässbüudels, eine Erscheinung, welche indem geringen Wasser-
bedarf des eingeschlossenen Haustoriums ihre Erklärung findet.
Mechanische Verstärkungen des GefässbUndels kommen nicht vor.
Auffallend ist das stark ausgebildete Durchlüftungs-
system des Haustoriums; dasselbe dürfte nicht mit der Trans-
spiration, sondern mit der Athmung zusammenhängen. Es kann
keinem Zweifel unterliegen, dass das functionirende Haustorium
sehr sauerstoffbedürftig ist. Da der erforderliche Sauerstoff von
der Oberfläche des Samens aus durch das Endosperm hindurch
gewiss nicht zugeführt werden kann, wenigstens nicht in genü-
gender Menge, so muss die Sauerstoffzufuhr von dem Cotyledonar-
stiel aus erfolgen. Das Durchlüftungssystem des Haustoriums
muss also auf diesem Wege mit der atmosphärischen Luft, respec-
tive der Bodenluft, communiciren. Thatsächlich treten, wie wir
später sehen werden, unterhalb des Haustoriumhalses am
Cotyledonarstiel Spaltöffnungen auf, welche die Communication
vermitteln.
II. Der Cotyledonarstiel.
Die Epidermis des Cotyledonarstieles besteht am Hals-
theile aus Zellen, welche noch radial gestreckt sind, ähnlich den
Absorptionszellen des Haustoriums (Fig. 4). Nach unten zu
nimmt ihre Höhe ab. Wahrscheinlich im Zusammenhange mit
der Einwirkung des radialen Druckes, welchen das Endosperm
und die Samenschale auf den Haustoriumhals ausüben, steht die
Thatsache, dass die radialen Wände stärker verdickt sind als
die Aussenwände der Epidermiszellen. Einzelne dieser letzteren
sind durch Querwände getheilt.
Ausserhalb des Samens besitzen die Zellen der Epidermis
die typische Form. Letztere lässt sich beim ausgebildeten Keim-
ling noch eine Strecke weit abwärts verfolgen; weiter nach unten
zu löst sie sich jedoch in grösseren oder kleineren Fetzen ab
(Fig. 5). Eine solche Häutung ist von Klebs^ auch au
den jüngeren Theilen der Hauptwurzel des Dattelkeimliugs
beobachtet worden. So wie die Epidermis des Cotyledonarstiels,
1 Beiträge zur Morphologie und Biologie der Keimung, Untersuchungen
nus dem bot. Institut zu Tübingen, I. B. p. 536.
23*
346 F i r t s c h ,
welche im jugendlichen Stadium richtiger als Absorptionsgewebe
zu bezeichnen wäre, besitzt nach dem Abstossen derselben auch
die darunter liegende Zellschicht vereinzelte kurze Wurzel-
haare (Fig. 6).
Auf der Anschwellung des Cotyledonarstiels unterhalb des
Haustoriumhalses treten Spaltöffnungen auf, und zwar in einer
schmalen, höchstens 2 Mm. breiten Zone. In der Regel sind die
Spaltöffnungen beträchtlich über das Niveau der Epidermis
erhoben. Im unteren Theile der erwähnten Zone bleiben die
Spaltöffnungen aber zum grössten Theile im Niveau der Epidermis.
Bezüglich des Baues der Spaltöffnungen verweise ich auf die
Abbildungen (Fig. 12). Hin und wieder begegnet man Zwillings-
sj)altöffnungen sowie auch abnormen Bildungen, welche sich
durch stark in die Quere gezogene Spalten (Fig. 13) oder
iS-förmig gekrümmte Bauchwände charakterisiren. Die Bedeu-
tung der Spaltöffnungen für die Durchlüftung des Haustoriuras
wurde oben hervorgehoben.
Das mechanische System des Cotyledonarstieles besteht
erstens aus einem schwach gebauten mechanischen Hohlcylinder,
und zweitens aus den C-förmig verdickten Schutzscheiden der
Gefässbündel mit ihren innenseitigen, aus Bastzellen bestehen-
den Verstärkungen.
Der mechanische Hohlcylinder tritt unter den äusser-
sten Rindenzellschichten auf. Er beginnt erst ungefähr in der
Höhe, in welcher die Epidermis anfängt, sich abzulösen und
besteht hier in der Regel blos aus einer einzigen Zellage
(Fig. 6) ; weiter unten zu wird er mehrschichtig. Seine Zellen
besitzen verhältnissmässig nur sehwach verdickte Membranen,
sind von der Länge der angrenzenden Parenchymzellen * aber
entschieden prosenchymatisch zugespitzt (Fig. 11). Im oberen
Theil dieses Hohlcylinders treten häufig Durchlasszellen
auf, welche weiter unten fehlen- Die mechanische Bedeutung
dieses Hohlcylinders als Einrichtung gegen den radialen Druck,
welchen der Cotyledonarstiel im Boden erfährt, ist wohl
unzweifelhaft.
1 Hieraus ergibt sich auch, dass dieser mechanische Ring- grund-
pareuchymatischeu Ursprunges ist.
Anatomisch-physiologische Untersuchixugen etc. 347
Bevor ich die Schutzscheiden und ihre Verstärkungen
bespreche, muss ich auf den Bau der GefässbUudel und ihren
Verlauf eingehen.
Die Gefässbündel des Cotyledonarstieles und der Scheide
sind auf dem Querschnitte annähernd kreisförmig gelagert.
Der Durchmesser dieses Kreises ist im Halstheil des Hau-
storiums relativ am grössten, im Cotyledonarstiel rücken die
Gefässbündel immer mehr gegen das Centrnm zu, so dass
der Durchmesser des Gefässbündelkreises bis fast zu einem
Drittel des Durchmessers des Stieles herabsinkt (Fig. 5). Die
Anzahl der Gefässbündel beträgt im Cotyledonarstiel und der
Scheide gewöhnlich unter zehn. In ihrem Verlaufe nach oben zu
gabelt sich die Mehrzahl der Gefässbündel. So zählte ich bei-
spielsweise im unteren Theil des Cotyledonarstieles 9, im Hals-
theil 15 Gefässbündel auf dem Querschnitte. Die Gabelung der
Gefässbündel erfolgt in der Weise, dass die Schutzscheide mit
ihrem innenseitigen Bastbelege von der Leptomseite aus eindringt
und zunächst das Leptom, später auch den Hadromtheil in zwei
Theile spaltet (Fig. 8).
Was den Bau der Gefässbündel betriift, so wäre zu
erwähnen, dass der nach auswärts gekehrte Leptomtheil ziemlich
stark entwickelt ist, und dass sich der Hadromtheil durch ver-
hältnissmässig sehr enge Gefässe kennzeichnet. Dafür befindet
sich in dem gegen das Centrum gekehrten Theil des Hadroms ein
weiter, auf dem Querschnitt unregelmässig geformter Inter-
cellulargang (Fig. 8). Es zeigt sich hierin eine Annäherung au
den Gefässbüudelbau verschiedener monocotyler Wasser- und
Sumpfgewächse [Sagittaria sagittuefoHa Blattstiel, Butomus
nmbellatus Blatt, AUsma Plantafjo Blattstiel, Heleocharis palustris
Halm, Scirpus silvaticus Halm u. a. m.).^
Die Schutzscheiden der Gefässbündel sind in aus-
gesprochenster Weise C-förmig verdickt (Fig. 8, 9). Wie schon
erwähnt , besitzen sie auf ihren Innenseiten Verstärkungen,
welche aus typischen stark verdickten Bastzellen bestehen. Die-
selben bilden 1 bis 3 Lagen; auf der Leptomseite ist der Bastbeleg
1 Westermaier, Untersuchimg-en über die Bedeutung- todter
Röhren etc. Sitzungsber. der Berl. Akad. 1884, pag. 1107.
•>48 Firtsch,
dicker als auf der Hadromseite. Eine derartige verstärkte Schutz-
scheide wurde bisher blos in der Wurzel von Bestio sulcatus
beobachtet.^
Die Schutzscheide selbst mit ihren kurzen Zellen uud
typischen Querwänden ist gruudparencbymatischen Ursprunges
(Fig. 10). Die Verdickung ihrer Wände beginnt später als
die Verdickung der sie verstärkenden Bastzellen; diese letzteren
werden auf der Leptomseite früher differenzirt als auf der Hadrom-
seite, so dass in einem gewissen Entwickluiigsstadium das
GefässbUndel blos eine Bastsicbel zu besitzen scheint. Durch-
lasszelleu fehlen diesen Schutzscheiden.
Ich glaube nicht, dass diese so mächtigen Verstärkungen
der Schutzscheiden blos eine localmechanische Bedeutung be-
sitzen, dasheisst, blos die G-efässbündel vor zu starken Zerrungen
bewahren. Sie repräsentiren hier vielmehr zweifelsohne das zugfeste
mechanische System des Cotyledonarstiels. Wie wir schon oben
gesehen haben, sind ja thatsächlich die einzelnen GefässbUndel
dem Centrum näher als der Peripherie.
DasGrundparenchym des Cotyledonarstieles und der Scheide
wird von sehr zahlreichen ungleichweiten und auf dem Quer-
schnitt unregelmässig geformten Luftc analen durchzogen.
Dieselben treten nicht nur ausserhalb, sondern auch innerhalb
des Gefässbündelkreises auf. Diese Luftgänge werden meist in
der Querrichtung von annähernd radial gestellten Zellen durch-
zogen, deren unverdickte Wandungen vollständig collabirt sind.
Die beiderseitigen Enden dieser Zellen sind oft unregelmässig
erweitert (Fig. 7). Zw^eifellos handelt es sich hier um eine
ähnliche Aussteifungseinrichtung, wie sie in den Luftgängen ver-
schiedener Cyperaceen in Form von ausgespannten Zellfäden
besteht.^
III. Die Hauptwurzel.
Das Absorptionsgewebe besitzt in der Regel keine Wurzel-
haare, blos hin und wieder wachsen einzelne Zellen zu
kurzen Haaren aus. Diese Zellschichte wird, gleichwie beim
1 Schwendener, Die Schutzscheiden und ihre Verstärkungen.
Abhandlungen der Berl. Akad. 1882, pag. 34.
- Vergl. Schwendener, Das mechanische Princip, pag. 91.
Anatomisch-phj^siolog-isehe Untersuchimgen etc. 349
Cotyledouarstiele, frühzeitig- abgestossen. Die Wandungen der
darunter liegenden 4 bis 5 Zellageu verkorken und bilden so
eine äussere Schutzselieide.
Darunter liegt nun, so wie beim Cotyledonarstiel, ein zwei-
bis dreischichtiger mechanischer Ring (Fig. 15) , dessen
prosenehymatische Zellen mit spaltenförmigen links-schiefen
Tüpfeln versehen sind. Interessant ist, in welcher Weise die
Neben würze In diesen mechanischen Hohlcylinder durch-
brechen (Fig. 16, 17). Führt man in einer Entfernung von 3 bis
4 Ctni. von der Spitze Querschnitte durch die Hauptwurzel, so
beobachtet man an einzelnen Schnitten, dass stellenweise der
mechanische Eing in einer Breite von ungefähr 0-3 Mm. im
cambialen Zustande verblieben ist, während die angrenzenden
Partien des Ringes schon ziemlich stark verdickte Membranen
besitzen. Dieser cambialen Ringpartie genau opponirt beob-
achtet man im Centraleylinder die ersten Anlagen der Neben-
wurzeln: eine Reihe von Pericambiumzellen, 8 bis 10 auf dem
Querschnitte, haben sich radial gestreckt und tangential getheilt.
Damit ist auch schon eine leichte Ausbuchtung der Schutzscheide
gegen die Rinde zu gegeben. Untersucht man ältere Stadien, so
sieht man, dass thatsächlich die jnngen Nebenwurzeln durch die
cambialen Lücken des mechanischen Hohlcylinders dringen.
Wie erklärt sich nun die genaue Opposition der jungen
Wurzelanlagen und dieser cambialen Lücken?
Nach Untersuchungen Vonhöne's ^ über das Hervorbrechen
von Nebenwurzeln aus der Mntterwurzel, welches er bei zwei
Orchideen, Laelia Barkeri und Oucidiiim spec. genauer studirt
hat, werden sowohl die verdickten Wände der inneren, als auch
jene der äusseren Schutzscheide durch ein von der jungen Wurzel
ausgeschiedenes Lösungsmittel (zweifellos ein Ferment) gelöst, so
dass der mechanische Widerstand der Scheiden beträchtlich ver-
ringert wird. An den Rhizomen von Carex hirta und den Wurzeln
einer Bumbusa beobachtete er eine so frühe Anlage der Seiten-
wurzeln, dass der Ring durchbrochen wird, bevor er ausgebildet ist.
1 Vouhöue. Über das Hervorbrechen endog'ener Orgaue aus dem
Mutterorgan. Flora 1880, pag. 270.
350 Firtsch,
„Kommt eine Wurzel in die Nähe von Zellen, die immerbin
schon einige Verdickungen zeigen, so verschwindet aus denselben
die Verdickungssubstanz ganz so wie bei den Scheidenzellen der
Orchidee."
Bei der Dattelwurzel liegt das Auffallende darin, dass die
Lücke im mechanischen Ringe schon zu einer Zeit vorhanden ist,
in welcher die Nebenwurzelu sich noch im ersten Anlagestadium
befinden. Nachdem zweifellos die Anlage der Wurzel der Bildung
der Lücke vorausgeht, so erscheint es mir am wahrscheinlichsten,
dass bereits von der jungen Wurzelanlage ein lösendes Ferment
ausgeschieden wird, welches, radial in der Rinde sich verbreitend,
an der opponirten Stelle die Verdickung der Wände des
mechanischen Hohlcylinders unmöglich macht.
Das Rindenparenchym der Wurzel wird von einem Kranze
von Luftcanälen durchzogen, welche auf dem Querschnitte in
radialer Richtung gestreckt sind. Aus collabirten Zellen bestehende
Zugbänder, wie sie in den Luftgängen des Cotyledonarstieles auf-
treten, fehlen hier. Der Centralstrang besitzt eine un verdickte
Scheide, deren radiale Wände verkorkt und wellig verbogen
sind; an sie grenzt nach innen das Pericambium. Im Bau und in
der Anordnung der Hadromplatten und der dazwischen liegenden
Leptomstränge zeigt sich nichts AutFallendes, von dem bisher
Bekannten Abweichendes.
Dei- mittlere Theil des Centralstranges besteht aus einem
starken Bastbündel, welches nach aussen zu mit vorspringenden
Leisten versehen ist, die sich zwischen die Hadromplatten ein-
schieben. Die Mitte des Bündels wird von einem ganz dünnen,
auf dem Querschnitt nur wenigzelligen, parenchymatischen Mark-
strange durchzogen.
IT. Die ersten Blätter.
Das erste blos scheidenförmig entwickelte Blatt
des Keimlings hat nur die Aufgabe, als Durchbruchsorgan zu
dienen; es ist, wie aus der Anordnung seiner mechanischen
Stränge auf dem Querschnitte hervorgeht, entschieden biegungs-
fest gebaut. Knapp unter der Aussenseite treten in unregelmässigen
Abständen isolirte Bastbündel und ganz kleine stark reducirte
Oefässbündel auf, welche auf ihren Aussenseiten starke Bastbelege,
Anatomiach-jDhysiologische Untersuchimgen etc. 351
oder ringsherum Bastscheiden besitzen. Die grösseren, weiter
innen gelegenen Gefässbündel besitzen beiderseits Bastbelege, von
welchen die äusseren aus sehr stark verdickten englumigen Bast-
zellen, die inneren aus schwächer verdickten mechanischen
Elementen mit fast doppelt so grossem Querdurchmesser bestehen.
Die kegelförmige Spitze dieses scheidenförmigen Blattes, mit
welcher es den Boden durchbricht, besitzt einen dem entsprechen-
den festen Bau. Die Wandungen der Epidermiszellen sind
bedeutend stärker verdickt als weiter unten, und auch die
darunterliegenden zwei bis drei Zellschichten haben sich als
mechanisches Gewebe, das man als eine Art Hornparenchym
bezeichnen könnte, ausgebildet. Die gestreckten Zellen desselben
besitzen nicht unbeträchtlich s^erdickte Wandungen mit zahl-
reichen Tüpfeln (Fig. 19).
In dieser Blattspitze vereinigen sich die Hadromtheile der
Gefässbündel, welche ihre Bastbclege schon früher verloren
haben, zu einem Complex von kurzen, theilweise isodiametrischen
Tracheiden, über welchen in der Epidermis Wasserspalten auf-
treten. Übrigens besitzt dieses Blatt auch gewöhnliche Spalt-
öffnungen, welche namentlich gegen die Spitze zu häufiger sind.
Das nunmehr folgende Laubblatt besitzt bekanntlich eine
lineale Form; seine Spitze ist gleichfalls als kegelförmiges
Durchbrucbsorgan ausgebildet (Fig. 18) , welches fast genau
denselben Bau zeigt, wie die vorhin beschriebene Spitze des
ersten scheidenförmigen Blattes. Die Schliesszellen der Wasser-
spalten sind blos im jugendlichen Zustande erhalten, später
sterben sie ab und es sind jetzt nur mehr rundliche Löcher vor-
handen. Die Zahl der Wasserspalten steigt bis auf zehn.
V. Der anatomische Bau des Dattelkeimlings in seinen
Beziehungen zu Klima und Standort.
Die Dattelpalme ist bekanntlich eine ausgesprochene
Wüsten pflanze, sie ist der einzige Baum, der in der Sahara
seine ursprüngliche Heimat hat.* Nichts desto weniger bedarf sie
zu ihrem Gedeihen, wie Cosson gezeigt hat und Grisebach
wiederholt ausdrücklich hervorhebt, beträchtlicher Wassermengen.
1 Griesebach, Die Vegetatiou der Erde. IL Aufl., Bd. IL, pag. 82.
352 F i r t s c h ,
„Sie entwickelt sieh nur da, wo ihre Wurzeln mit den uner-
schöpflichen Wasservorräthen in Verbindung stehen, die allein
die Wüste befeuchten." Nur in jenen Theilen der Wüste, wo die
Wurzeln das höher stehende Grundwasser erreichen können,
konnte die Dattelpalme ohne künstliche Bewässerung- von jeher
sich erhalten.
In der inneren Organisation des Dattelkeimlings macht sich
nun, wie wir gesehen haben, eine ganze Reihe von Eigeuthümlich-
keiten geltend, welche sich überraschenderweise auf Anpas-
sung an sehr feuchten, mit Wasser durchtränkten
Boden zurückführen lassen.
Im Bau des Co tyledonar Stieles sind diese Eigenthümlich-
keiten folgende:
1. Die über das Niveau der Epidermis hervorragenden
Spaltöffnungen; 2. die zablreichen Luftcanäle der Rinde; 3. der
mechanische Hohlcylinder der Rinde ; 4. die Intercellularcanäle
in den Hadromtheilen der Grefassbündel.
Eine besondere Besprechung verlangt der Umstand, dass die
C-fÖrmig verdickten Schutzscheiden des Cotyledonarstieles, wie
wir gesehen haben, sehr beträchtlich verstärkt sind. Wie
Schwendener gezeigt hat, sind derartig verstärkte Scheiden in
der Regel eine Anpassung an periodischen Wechsel zwischen
reichem Wasserzufluss und anhaltender Trockenheit. Ahnliche
Verstärkungen finden sich auch bei manchen hydrophilen
Gewächsen, deren Standorte zeitweilig austrocknen. Diese
letzteren Verhältnisse werden wohl auch für den in den obersten
Erdschichten befindlichen Cotyledonarstiel massgebend sein und
zur C-förmigen Verdickung der Scheiden geführt haben. Die
beträchtlichen innenseitigen Bastverstärkungen dieser Scheiden
dürften aber wohl von einem anderen Gesichtspunkte aus zu
betrachten sein, nämlich als das zugfeste mechanische System
des Cotyledonarstieles.
Was die Wurzel betrifft, so zeigt dieselbe durchgehends
anatomische Eigenthümlichkeiten, welche auf das Vegetiren in
beständig feuchtem Boden hinweisen. Diese Eigenthümlichkeiten
sind: 1. Das fast vollständige Fehlen der Wurzelhaare, welches,
Anatomisch-physiologische Untersuchungen etc. 353
wie Schwarz* gezeigt hat, für die Wurzeln der Sumpf- und
Wasserpflanzen charakteristisch ist; 2. die zaldreichen weiten
Luftcanäle der Rinde; 3. der mechanische Hohlcylinder der
Rinde; 4. die unverdickte Schutzscheide des Centralstranges.
Auf reichliche Wasserzufuhr weist endlich auch das Vor-
kommen von Wasserspalten auf den Spitzen der beiden ersten
Blätter hin.
Alle diese Orgaiiisationsmerkmale sprechen also sehr ent-
schieden dafür, dass die Keimung der Dattelsamen und die ganze
erste Entwicklung des Keimlings bei Gegenwart beträchtlicher
Feuchtigkeitsmengen stattfindet, das heisst auf die Dauer der
Regenzeit beschränkt ist. In dieser Hinsicht schliesst sich also
die Keimpflanze der Dattelpalme jenen Wüstenpflanzen an, welche
ihre ganze Entwicklung von der Keimung bis zur Fruchtreife
während der Regenzeit durchmachen. Wie Volkens^ in seiner
interessanten „Skizze zur Flora der ägyptisch-arabischen Wüste"
hervorhebt, haben diese „ephemeren Wüstenpflanzen" gut ent-
wickelte Blätter von zartem Bau, sie bleiben saftig und krautig,
und ihre Wurzeln dringen nicht tiefer in den Boden, als die der
Wald- und Wiesenpflanzen regenreicherer Zonen.
In letzterer Hinsicht unterscheidet sich allerdings der Dattel-
keimling von diesen ephemeren Wüstenpflanzen dadurch, dass er
gleich bei seiner ersten Entwicklung bestrebt ist, durch beträcht-
liche Streckung des Cotyledouarstieles und der Scheide den
Stammvegetationspunkt, welcher ja regenlose Zeitperioden über-
dauern soll, in eine möglichst grosse Tiefe einzupflanzen.
1 Fr. Schwarz, Die Wnrzelhaare der Pflanzen etc. Unters, des bot.
Inst, zu Tübingen. Heft 11.
2 Sitzungsberichte der Berl. Akad. 1886.
Erklärung- der Abbildungen.
Fig. 1. Haustorium eines Dattelkeimlings zu Beginn der Entfaltung des
ersten Laubblattes; herauspräparirt (3: 1).
„ 2. Theil eines Schnittes durch das Haustorium senkrecht auf die
Gefässbündel; dadurch wird die bogige Anordnung der Leit-
parenchymzellen ersichtlich (100 : 1).
354 Firtsch, Anatomisch-physiologische Untersuchungen etc.
Fig. 3. Theil eines Schnittes durch das Haustorium purallel einem Gefäss-
bündel. Die Leitparenchymzellen schief gestellt; der Pfeil zeigt
die Ableitungsrichtung der absorbirten Stoffe an, die Wachsthums-
richtung ist entgegengesetzt (100 : 1).
„ 4. Theil eines Querschnittes durch den Halstheil des Haustoriums
(300 : 1).
„ 5. Querschnitt durch den Cotyledonarstiel, 15 Mm. vom Hauatorium-
hals entfernt (30 : 1).
„ 6. Theil eines Querschnittes durch den Cotyledonarstiel, 3 Ctm. vom
Haustoriumhals. Einfacher mechanischer Ring mit Durchlasszellen,
äussere Eindenschicht verkorkt; Epidermis abgestossen (300:1).
„ 7. Theil eiues Querschnittes durch den Cotyledonarstiel, 15 Mm. vom
Haustoriumhals. Die Lufträume sind durch radial gestellte colla-
birte Zellen versteift (550 : 1).
„ 8. Theil eines Querschnittes durch den Cotyledonarstiel, 5 Mm. vom
Haustoriumhals. Ein sich gabelndes Gefässbündel ; im getheilten
Hadromtheil die Intercellularcanäle (300 : 1).
„ 9. Ein Gefässbündel des Cotyledonarstiels im Querschnitt; zeigt die
C- förmig verdickte Schutzscheide und den starken inneren Bast-
beleg derselben. Gefässbündel bis auf den Leptomtheil reducirts
(550 : 1).
„ 10. Theil eines radialen Längsschnittes durch die Schutzscheide und
den daran grenzenden Bastbeleg (550 : 1).
„ 11. Theil eiues Längsschnittes durch den Cotyledonarstiel (300 : 1).
„ 12. Querschnitt einer Spaltöffnung des Cotyledonarstieles (400 : 1).
„ 13. Eiue stark in die Breite gezerrte Spaltöffnung (300 : 1).
„ 14. Theil eines Querschnittes durch den Cotyledonarstiel 5 Mm. vom
Haustoriumhals; die Epidermis beginnt sich abzulösen (300:1).
„ 15. Querschnitt durch die Hauptwurzel (25 : 1).
„ 16. Theil eines Querschnittes durch die Hauptwurzel ; über der Gefäss-
platte die Anlage einer Nebenwurzel (200 : 1).
„ 17. Theil eines Querschnittes durch die Hauptwurzel; die obiger
Wurzelanlage opponirte Stelle der Rinde und des mechanischen
Ringes zeigend, welcher an der künftigen Durchbruchstelle der
Nebenwurzel in cambialem Zustande verblieben ist (200 : 1).
„ 18. Kegelförmige Spitze des ersten Lanbblattes (3 : 1).
„ 19. Längsschnitt durch diese Spitze; unter der Epidermis das Horn-
parenchym (550 : 1).
(I.Firlsc
h: ,-, .o-iTOScli physiologische Untersuchungen über die Keimpflanze der Datielpalme
5 Witsch d?:
lith.Ajist- v.Th.Banawartli.-'
Sitzimäsber.d.kaiserl.Akad.d."Wiss.iuath.natun»'.n.XCIff.Bd.I.AtK.1886.
SITZUNGSBERICHTE
DER
miiü iiiii M wiss
L
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
XOm. Band. V. Heft.
ERSTE ABTHEILUNG.
Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Botanik,
Zoologie, Geologie und Paläontologie.
357
XI. SITZUNG VOM 6. MAI 1886.
Der Vorsitzende gedenkt des Verlustes, welchen die Aka-
demie und speeiell diese Classe durch das am 24. April d. J. er-
folgte Ableben des wirklichen Mitgliedes Herrn Professor Dr.
Eduard Linnemann in Prag erlitten hat.
Die Anwesenden geben ihrem Beileide durch Erheben von
den Sitzen Ausdruck.
Herr Director Dr. A. B. Meyer in Dresden übermittelt im
Namen des Verfassers das Werk: „De Sluik-en Kroesharige
Rassen t usscbe 11 Selebes en Papua", von I. Gr. F. Riedel,
vormals Resident von Timor und Amboina in niederländ. Ost-
indien, d. Z. in Utrecht.
Das c. M. Herr Prof. F. Lippich in Prag übersendet ein
Manuscript aus dem literarischen Nachlasse weiland des w. M.
Herrn Prof.E. Linnemann, welches den Titel führt: „Austrium,
ein neues metallisches Element".
Das w. M. Herr Regierungsrath Prof. A. Rollett übersendet
eine Abhandlung des Privatdocenten Herrn Dr. Otto Drasch in
Graz: „Zur Frage der Regeneration und der Aus- und
Rückbildungsformen der Epithelzelleu".
Ferner übersendet Herr Regierungsrath Rollett eine Ab-
handlung des Herrn Prof. Dr. Rudolf Klemensiewicz in Graz:
„Experimentelle Beiträge zur Kenntniss des nor-
malen und pathologischen Blutstroraes".
Das c. M. HeiT Prof. R. Maly in Graz übersendet eine
in seinem Laboratorium von Herrn Rudolf Andreasch, Privat-
docenten, ausgeführte Arbeit: „Über die Chloressigsulfon-
säure und einige andere halogensubstituirte Sulfon-
säuren".
358
Der Se cretär legt folgende eingesendete Abhandlungen vor:
1. „Beobachtungen über Entstehen und Vergehen
der Samenkörper bei Triton", von Herrn Dr. Gustav
Kitter v. W i e d e r s p e r g.
2. „Über die Maassverhältnisse der Pyramide von
Gizeh", von Herrn A. Jarolimek in Hainburg.
3. „Über eine Classe von algebraisch auflösbaren
Gleichungen fünften, sechsten und siebenten
Grades", von Herrn Dr. Max Man dl in Wien.
4. „Der Pohlke'sche Lehrsatz der Axonometrie und
eine Verallgemeinerung desselben*, von Herrn Julius
Man dl, k. k. Lieutenant in Krakau.
5. „Über das verallgemeinerte C o rr espo n d en z-
princip", von Herrn Dr. Karl Bobek in Prag.
6. „Über die Einwirkung von Acetessigäther und
Acetondicarbonsäure-Ester auf Hydrazoverbin-
dungen", von Herrn Prof. Dr. H. Ritter v, Perger in
Reichenberg.
7. Einige Mittheilungen über die Gleichung X'r--hY-rZ, von
aa^ dy
Herrn D. A. Pio in Syra.
Die Herren Dr. 0. Tumlirz und H. Luggin in Prag senden
eine vorläufige Mittheilung über das remanente magnetische
Moment des Bcrgkrystalls betreffende Versuche, welche
von ihnen im physikalischen Institute der deutschen Universität
zu Prag gemeinschaftlich ausgeführt wurden.
Ferner legt der Secretär eingesendete versiegelte
Schreiben behufs Wahrung der Priorität vor, und zwar:
1. Von Herrn k. k. Feldmarschall-Lieutenant Johann Roskie-
wicz in Krems, mit der Aufsclirift: „Ermittlung des
Cursesund derFalirge seh windigkeit ein es Schiffes
von einem Standpunkte der Küste aus".
2. Von Herrn Prof. Theodor Maryniak in Lemberg, mit der
Aufschrift: „Theorie der Propeller-Schraube und
des Schiffswiderstandes". Derselbe ersucht gleichzeitig
um die Zurücknahme seiner beiden über denselben Gegen-
stand unter dem IL October 1883 und 9. October 1884
vorgelegten versiegelten Mittheilungen.
359
Das w. M. Herr Hofrath E. Ritter v. Brücke überreicht
eine im physiologischen Institute der Wiener Universität aus-
geführte Arbeit des Herrn stud. med. Ludwig Rosenberg:
„Über Nervenendigungen in der Schleimbaut und im
Epithel der Säugethierzunge".
Das w. M. Herr Hofrath Th. Ritter v. Oppolzer überreicht
die auf die Beobachtungen zweier Oppositionen gegründete
„Bahnbestimmung des Planeten Cölestina".
Das w. M. Herr Prof. L. v, Barth überreicht eine im
chemischen Laboratorium der Staatsgewerbeschule in Bielitz
ausgeführte Arbeit der Herren J. Stingl und Th. Morawski:
„Zur Kenntniss der Sojabohne".
Das w. M. Herr Director E. Weiss berichtet über zwei
Kometenentdeckungen, welche beide Herrn Brooks zu Phelps
(N. Y.) gelangen: die erste am 27., die zweite am 30. April.
Herr Dr. Hans Moliseh, Privatdocent an der Wiener Uni-
versität, überreicht eine im pflanzenphysiologischen Institute aus-
geführte Arbeit unter dem Titel: „Zwei neue Zucker-
reactionen".
Sitib. d. matheia.-uaiurw. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. 24
360
XII. SITZUNG VOM 13. MAI 1886.
Se. Excellenz der Herr Curator-Stellvertreter macht
der Akademie mit hohem Erlasse vom 10. Mai die Mittheilung,
dass Seine kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste
Herr Erzherzog-Curator in der diesjährigen feierlichen
Sitzung am 29. Mai erscheinen und dieselbe mit einer An-
sprache eröffnen werde.
Das c. M. Herr Prof. L. Gegenbauer in Innsbruck über-
sendet eine Abhandlung: „über Raumcurven vierter Ord-
nung erster Species".
Das w. M. H. Director E. Weiss theilt mit, dass inzwischen
von dem Assistenten der hiesigen Sternwarte R. Spitaler auch
ein Elementeusystem für den zweiten von Brooks am 30. April
d. J. entdeckten Kometen berechnet, und durch das CircularNr. LX
der kais. Akad. veröffentlicht wurde.
Herr Regiernngsrath Dr. A. Bauer, Professor an der tech-
nischen Hochschule in Wien, überreicht eine Abhandlung über
die von ihm in G-emeinschaft mit Herrn K. Hazura ausgeführ-
ten „Untersuchungen über die Hanfölsäure".
Herr Major A. v. Obermayer in Wien überreicht eine
von ihm in Gemeinschaft mit Herrn M. Ritter v. Pichler aus-
geführte Untersuchung : „Über die Entladung hoch-
gespannter Elektricität aus Spitzen",
Herr Dr. Zd. H. Skraup in Wien überreicht eine Unter-
suchung, betitelt: „Farbenreactionen zur Beurtheilung
der Constitution von Carbonsäuren der Pyridin-
Chinolin- und verwandten Reihen".
Selbständige Werke, oder neue , der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt!
Gilberte Govi: L'Ottica di Claudio Tolomeo (Ridotta in latino
sovra la traduzioue araba di uu testo greco imperfetto)
Torino 1885; 8».
361
XIIL SITZUNG VOM 20. xMAI 1886.
Das k. und k. Reichsfinanzministerium übermittelt
ein Exemplar der „Ortschafts- und Bevölkerung'S - Sta-
tistik von Bosnien und der Herzegovina nach dem
Volkszählung-s-Ergebuisse vom 1. Mai 1885-'.
Das w. M. Herr Eegieriingsrath Prof. L, Boltzmann in
Graz übersendet eine weitere Mittheilung über das Integrale
für eine kreisförmige Platte.
Ferner übersendet Herr Regierungsrath Boltzmann eine
vorläufige Mittheilung der Herren Prof. Albert v.Ettingshausen
und stud. Walther Nernst: „Über das Auftreten elektro-
motorischer Kräfte in Metallplatten, welche von
einem Wärmestrome durchflössen werden und sich
im magnetischen Feld befinden".
Endlich übersendet Herr Regierungsrath Boltzmann eine
Abhandlung von Herrn Professor Dr. J. Korteweg in Amsterdam :
„Über Stabilität periodischer ebener Bahnen".
Das c. M. Herr Prof. E. Ludwig in Wien übersendet eine
in seinem Laboratorium von den Herren Dr. J. Mauthner und
Dr. W. Suida ausgeführte Arbeit, betitelt: „Zur Gewinnung
von Indol aus Derivaten des Orthotoluidins".
Der Secretär legt folgende eingesendete Abhandlungen vor:
1. „Differentialresultante von drei Variabein und
ihre Anwendung auf die Integration partieller
Differentialgleichungen" und
2. „Differentialresultante von zwei Variabein und
ihre Anwendung zur Integration linearer Diffe-
rentialgleichungen", vorstehende zwei Abhandlungen
von Herrn Emanuel Puchberger, quiesc. k. k. Bezirks-
hauptmann in St. Polten.
24*
362
3. „Bestimmung- der Zerstreuungsweite einer Con-
cavlinie mittelst des zusammengesetzten Mikro-
skopes", vonHerrnDr.W. Psclieidl, Professor am Staats-
gymnasium im VI. Bezirk in Wien.
Das w. M. Herr Prof. v. Barth überreicht eine in seinem
Laboratorium von Herrn Ladislaiis Niemilowicz ausgeführte
Untersuchung: »Zur Kenntniss einiger cholinartiger
Verbindungen".
Das w. M. Herr Hofrath Th. Ritter v. Oppolzer überreicht
eine für die Denkschriften bestimmte Abhandlung: „über die
astronomische Refraction".
Das w. M. Herr Director J. Hann tiberreicht eine Abhand-
lung, betitelt: „Bemerkungen zur täglichen Oscillation
des Barometers".
Selbständige Werke oder neue , der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Delgado, J. F. N., Etüde sur les Bilobites et autres fossiles des
quartzites de la base du Systeme silurique du Portugal.
Lisbonne, 1886; folio.
363
Verzeichniss
der an die mathematiscli-natiirwissenschaftliche Classe der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften vom 1. Jänner
bis 30. Jnni 1886 gelangten periodischen Druckschriften.
Altenburg, Naturforscheude Gesellschaft des Osterlandes :
Mittheiluugen ans dem Osterlande. N. F. III. Band.
Baltimore, Johns Hopkins University: American Chemical
Journal. Vol. VII, Nrs. 4—7, Vol. VIH, Nrs. 1 und 2.
American Journal of Mathematics. Vol. XIII, Nr. 2.
— — Studies from the Biological Laboratory. Vol. III, Nrs. 5
und 6.
— — University Circulars. Vol. V, Nrs. 45 und 47.
Barcelona, Almanaque nantico para 1887.
Batavia, s'Hage, Bataviaasch Genootschap van Künsten en
Wetenschappen: Verbandelingen. Deel XV, Aflevering 1.
— Notulen van de algemeene Bestuursvergaderingen. Deel,
XXIII, Aflevering 1.
— Tijdschrift voor indische Taal-, Land- en Volkenkunde. Deel
XXX, Aflevering 3, 4, 5.
Bergen, Bergens Museum: Bidrag tili Myzostomernes Anatomi
og Histologie of Fridtjof Nansen med 9 Plancher.
Berlin, Akademie der Wissenschaften, königl. preussische:
Sitzungsberichte Nr. XL— LH. 1885.
— Centralblatt für klinische Medicin. VII. Jahrgang, 1886.
Nro. 1—9, 11—14, 16—23.
— Deutsche Medicinal-Zeitung : Centralblatt. VII. Jahrgang,
1886. N. 1—46.
— Elektrotechnischer Verein: Zeitschrift. Heft XII ex 1885.
1886. I— V Heft.
— Entomologischer Verein: Berliner Entomologische Zeit-
schrift. XXIX. Band. 1885.
364
Berlin, Fortschritte der Mathematik: Jahrbuch über die.
Jahrgang 1883. XV. Band, 2. Heft.
— Fortschritte derMedicin. Bandlll, Nr.24, BandIV, Nr.3— 11.
— Gesellschaft, Berliner medicinische: Verhandlungen aus dem
Gesellschaftsjahre 1884—1885. Band XVI.
— Gesellschaft, deutsche chemische: Berichte. XVIII. Jahrgang.
Nr. 17—19. XIX. Jahrgang, Nr. 1—8.
— Gesellschaft, deutsche geologische: Zeitschrift. XXXVII.
Band. 3. und 4. Heft.
— Königliche Sternwarte: Berliner astronomisclies Jahrbuch
für 1888 mit Ephemeriden (1—247) für 1886.
— Zeitschrift für Instrumentenkunde: Organ. V. Jahrgang
1885, XIL Heft. VI. Jahrgang 1886, I.— V. Heft.
— Zoologische Station zu Neapel: Mittheilungen. VI. Band,
3. Heft.
Bern, Naturforschende Gesellschaft: Mittheilungen aus dem
Jahre 1885. II. Heft. 1119—1132.
Bologna, Accademia delle scienze dell' Istituto di Bologna:
Memorie. Serie 4*. Tomo 4.
Bonn, Naturhistorischer Verein der preussischen Rheinlande,
Westphalens und des Eegierungsbezirkes Osnabrück: Ver-
handlungen. XLn. Jahrgang; 5. Folge. IL Jahrgang,
2. Hälfte. 1885.
Bordeaux, Societe Linn6enne: Actes. 4*^ serie. Vol. VII.
— Societe de Medecine et de Chirurgie: Memoires et Bulletins.
3*^ et 4« fascicules, 1883. l'^'^et 2" fascicules, 1884.
Boston, Boston Society of Natural History: Memoirs. Vol. V,
Nr. 11. — Proceedings. Vol XXII, part 4"^ and Vol. XXIII,
part 1^\
Bremen, Naturwissenschaftlicher Verein: Abhandlungen.
IX. Band, 3. Heft.
Brunn: Mittheilungen der k. k. mährisch-schlesischen Gesell-
schaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und
Landeskunde. 1885. LXV. Jahrgang.
— Naturforschender Verein: Verhandlungen. XXIII. Band,
1. und 2. Heft. — Bericht der meteorologischen Commission
über die Ergebnisse der meteorologischen Beobachtungen
im Jahre 1883.
365
Briixelles: Annales de la Society entomologiqiie de Belgique.
Tome XXIX, 2«^ partie.
Budapest, Geologische Eeichsanstalt: Jahresbericht für 1884.
— BndapesterLaDdesausstelluug-: SpecialcatalogderVI. Gruppe.
— Mathematische und naturwissenschaftliche Berichte au»
Ungarn. III. Band.
— Komanische Revue. 1886. II. Jahrgang. III und IV.
— Ungarische Revue. 1886. VI. Jahrgang. II — IV.
Buenos Aires: Actas de la Academia nacional de ciencias en
Cordoba. Tomo V, Entrega 2*.
— Boletin. Tomo VIII, Entrega 2'^ und 3^
— Anales de Museo nacional. Entrega 14'' 2* del Tomo III.
Calcutta, Asiatic Society of Bengal: Journal. N. S. Vol. LIV,
part n. Nrs. 1—3.
— Indian Meteorological Memoirs. Vol. 11, parts 4 und 5.
— Palaeontologia Indica. Serie XIII, Vol. I, part 4 (fasc. 5);
Ser. X, VolIII, part 6; Ser. IV, Voll, part 5; Ser. XIV.
Vol. I, fasc. 5.
— Memoirs of the geological Survey of India. Vol. XXI, parts 3
und 4.
— Records of tlie geological Survey of India. Vol. XVIII, part 4;
Vol. XIX, parts 1 und 2.
— Report ou the Meteorology of India in 1883. IX* year.
— Report on the Administration of the Meteorological Depart-
ment in 1884-1885.
Cambridge, Philosophical Society: Proceedings. Vol. V^
part 5.
— Museum of comparative Zoology at Harvard College : Annual
Report for 1884—85.
Bulletin. Vol XII, Nrs. 2—4.
Memoirs. Vol. X, Nr. 4; Vol. XI, part 2; Vol. XII
and XIII. The Water Birds of North America. Vol. I and II,
Vol, XIV., Nr. 1, part 1 and Embryology of the Ctenophorae
by A. Agassiz.
— AstronomicalObservatory : 40'^AnnualReport of theDirector.
^1886.)
Cape Town, Scientific Results of the second Yarkand Mission
Araneidea by the Revd. 0. P. Cambridge, M. A. C. M. Z. S.
366
Cassel, Verein für Naturkunde: Festschrift zur Feier seines
fünfzigjährigen Bestehens.
Catania, Accademia Gioenia di seienze naturali: Atti. Ser. 3^
Tomo XVm.
Cincinnati, Observatory: Publications. Observations of the
Comets of 1883.
Coethen, Chemiker-Zeitung: Centralorgan. X.Jahrgang, 1 — 34.
Colmar, Societe d'Histoire naturelle: Bulletin. 24 — 26. Annees
1883—1885 et Supplement au Bulletin 1883-1885.
Danzig, Naturforschende Gesellschaft: Schriften. N.F.VI.Band,
3. Heft.
Des Meines, Jowa: Jowa Weather Report. 1877 — 1883.
Dresden, Naturwissenschaftliche Gesellschaft Isis : Sitzungs-
berichte und Abhandlungen. Jahrgang 1885.
— Verein für Erdkunde. XXI. Jahresbericht.
Dublin, Royal Dublin Society: The scientific Proceedings.
Vol. IV, parts 7—9 ; Vol. V, parts 1 und 2.
— — Transactions. Vol. III (serie8 II), VII — X.
— Royal geological Society of Ireland: Journal. N. S. Vol. VI,
part III (1882—1884).
Edinburgh: The Scottish geographical Magazine. Vol. II, Nrs.
1—4.
Emden, Naturforschende Gesellschaft: 70. Jahresbericht.
Erlangen, Physikalisch -medicinische Societät: Sitzungs-
berichte. 17. Heft.
Firenze: Archivio per l'Antropologia e I'Etnologia. XV. Vol.
Fase. 1'' e 2°.^ — Quadri statistici „Sui Denti incisivi dell'
Uomo".
— Archivio della Scuola d'Anatomia patologica. Vol. I.
— R. Istituto di studi superiori pratici e di Perfezionamento in
Firenze: Publieazioni, Sülle convulsioni epilettiche.
Frankfurt am Main, Bericht über die Seuckenbergische
naturforschende Geselschaft. 1885. — Reiseerinnerungen
aus Algerien und Tunis, von D. W. Kobelt.
Genöve, Bibliotheque universelle: Archives des sciences phy-
siques et naturelles. Tome XIV, Nrs. 11 et 12. Tome XV,
Nrs. 1—4.
— Institut national genevois: Bulletin. Tome XXVII.
367
Geneve, Society de Physique et d'Histoire naturelle. Memoires.
Tome XXIX. V^ partie.
Genova, Miiseo civico di Storia naturale: Annali. Serie 2*.
Vol. I und II.
Gi essen: Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie für
1883 V. Heft, für 1884. I. und II. Heft.
Görz, Societä J. R. agraria di Gorizia: Atti e Memorie. Anno
XXIV, Nr. 12. Anno XXV, Nrs. 1—5.
Gotha: D. A. Petermann's Mittheiluugen aus Justus Perthes'
geographischer Anstalt. 31. Band, XII. und Ergänzungsheft
j^r. 80. — 32. Band, I— VI.
Güstrow, Verein für Freunde der Naturgeschichte in Mecklen-
burg: Archiv. 39. Jahr.
Habana. Real Academia de ciencias medicas, fisicas y naturales
de la Habana: Anales. Tomo XXII, Entrega 256 — 261.
Halle a. S., Zeitschrift für Naturwissenschaften. Der ganzen
Reihe LVIII. Band, 4. Folge. IV. Band, 4—6. Heft.
— Leopoldina. Organ der kaiserlichen Leopoldino-Cavolinischen
deutschen Akademie der Naturforscher, Heft XXII,
Nr. 1—6.
Hanau, Wetterauische Gesellschaft für die gesammte Natur-
kunde: Bericht vom 1. Jänner 1883 bis 31. März 1885.
Harlem, Musee Teyler: Archives, Ser. II, Vol. II, 3- partie. —
Catalogue de la Biblioth^que, 1'^ & 2*^ livraisons.
— Societe Hollandaise des sciences ä Harlem: Archives Neer-
landaises des sciences exactes et naturelles a Harlem.
Tome XX. 4« livraison.
Kiew: Universitäts-Nacbrichten. Jahrgang XXV, Nrs. 9 bis 12.
Jahrgang XXVI. Nr. 1 bis 3.
Kjöbenhavn: Memoires de l'Acadömie Rojale. 6'' serie. Classe
des sciences. Vol. HI, Nos. 1 et 3.
— Oversigt over det Forhandlingar og dets Medlemmers
Arbejder i Aaret 1885.
Krakau, Akademia umiejetnosci: Pamietnik. Wydzial matema-
ticzno-przyrodniczy. Tom X & XI.
Laibach: Statistischer Bericht der Handels- und Gewerbe-
kammer über die volkswirthschaftlichen Zustände in Krain
für das Jahr 1880.
368
Le Caire: Institut Egyptien.
Leide: Annales de l'Ecole polytechniqiie de Delft. 3^ & 4^ liv-
raisons.
Leiden: Tijdschrift derNederlandsche dierkundige Vereeniging.
2^ Serie, Deel I. Afl. 2.
Leipzig: Archiv für Mathematik und Physik. IIL Theil, 2. bis
4. Heft.
— Astronomische Gesellschaft: Vierteljahrsschrift. XX. Jahr-
gang, 4. Heft.
— Journal für praktische Chemie. Band XXXE. Nr. 21 und 22.
Band XXXHI, 1.— 9. Heft.
— Königlich sächsische Gesellschaft der Wissenschaften: Be-
richte über die Verhandlungen. HL
— — Abhandlungen. XHL Band. Nr. V.
Liege: Annales de la Societe göologique de Belgique. TomeXH.
— Memoires de la Societe royale des sciences. 2*^ serie,
tome XL
Liverpool: Proceedings of the literary and philosophical
Society. 73'^ session 1883—1884. Nr. XXXVHL
London, British Museum: Catalogue of the palaeozoic plants.
— — : Mammalia. Part IL
— Nature. Vol. XXXIII, Nos. 842-861. Vol.XXXIV, Nos.862
bis 866.
— Meteorological Office: Monthly Weather Report for Sep-
tember— December 1885. January 1886.
: Weekly Weather Report. Vol. IL Nos. 47—52 and
Appendix. Vol. III. 1 — 15. ^
— — : Meteorological Council: Report to the Royal Society for
the year ending 31-' of March 1885.
— The Observatory. Nos. 105—111.
— The royal Society: Proceedings. Vol. XXXIX, Nos. 241
&242.
— The royal astronomical Society. Vol XLVI, Nos. 1 — 6.
— The royal geographical Society. Vol. VII, Nro. 12. Vol. VIII,
Nos. 1—4.
— The royal microscopical Society: Journal. Ser. II, Vol. V,
part 6. Vol. VI, parts 1 & 2.
369
London, The pathological Society: Transactions. Vol. XXXIV.
— The zoological Society of London: Proceedings of the scien-
tific Meetings for the year 1885.
Transactions, Vol. XI, part 11. Vol. XII, part I.
Lucern: Verhandlungen der Schweizerischen naturforschenden
Gesellschaft den 16., 17. und 18. September 1884. 67. Jahres-
versammlung. Jahresbericht 1883 — 1884.
Lund: Acta Universitatis Lundunensis. Tom. XXL Mathematik
och Natuurwetenskap, Medicin.
Madison: Publications of the Washburn Observatory of the
University of Wisconsin. Vol. ELL
Madrid: Resumen de las Observaciones meteorolögicas de 1881.
Magdeburg, Naturwissenschaftlicher Verein : Jahresbericht und
Abbandlungen 1885.
Mailand, R. Osservatorio astronomico di Brera: Osservazioni
meteorologiche esseguite nell' anno 1885.
Manchester: The Journal of the Society of Chemical Industry.
Vol. IV, Nos. 11 & 12. Vol. V, Nos. 1—4.
Mantova: Atti e Memorie della R. Accademia Virgiliana di
Mantova. Biennio 1884—1885.
Mexico: Aanuario del Observatorio astronomico nacional de
Tacubaya para el ano 1886. Ano VI.
— Estudios de Meteorologia comparata. Tomo I.
Milano, Accademia fisico-medico statistica: Atti. 1885. Ser. 4',
Vol. 3«.
— Reale Istituto Lombarde di scienze e lettere: Rendiconti.
Ser. II, Vol. XVII.
Montpellier, Academie des sciences et lettres: Memoires
de la section de Medecine. Tome V, 3® fascicule. Annees
1880—1884.
Montreal, Royal Society of Canada: Proceedings and Trans-
actions for the year 1884.
— The Canadian Record of science: The Canadian Naturalist.
Vol. I, Nr. 4. Vol. U, Nos. 1 & 2.
Moscou, Societe Imperiale des Naturalistes: Bulletin. Annee
1884, No. 4. Annee 1885, Nos. 1—4.
Moskba, Astronomisch-physikalisches Observatorium: Zapiski.
I. Band.
370
München, Königlich bayerische Akademie der Wissenschaften:
Abhandlungen. XV. Band, 2. Abtheilung.
Sitzungsberichte. Heft IV.
— Königliche meteorologische Centralstation: Beobachtungen.
Jahrgang VII, 3. und 4. Heft.
— — Übersicht über die "Witterungsverhältnisse im Königreich
Bayern. December 1885. Jänner — März 1886.
— Eepertorium der Physik. XXI. Band, 12. Heft. XXII. Band,
1.-4. Heft.
Napoli: Memorie di Matematica e di Fisica della Societä Italiana
delle Scienze. Ser. 3*, tomo V. Appendice. 1885.
— Rendiconto dell' Accademia delle Scienze fisiche e matema-
tiche. Anno XXII— XXV, fasc. 1° e 2\
Newcastle,-upon-Tyne: Transactions of the North of Eng-
land Institute of Mining and Mechanical Engineers. Vol.
XXXV, parts 1 & 2.
New Haven, The American Journal of Science. Vol. XX,
Nr. 180. Vol XXI, Nos. 181—185.
— Contributions to Meteorology by Elias Loomis, L. L. D.
1885.
New York: Anuals of the New York Academy of Sciences.
Vol. III, Nos. 3—6.
Odessa: Algologische Untersuchungen. I. Materialien zur
Morphologie und Systematik der Pflanzen im schwarzen
Meere. Atlas von L. Reinhard.
— Flora Cbersonensis, auctore Eduardo a Lindemann. Vol. I.
— Gesellschaft der Naturforscher von Neu-Russland. Zapiski.
IX. Tb eil 1. & 2. Nr.
Oxford, Radcliff Observatory: Results. Vol. XL.
Paris, Academie des Sciences: Comptes rendus hebdomadaires
des s^ances. Tomes 96—99. Tome 101, Nos. 23—26.
Tome 102, Nos. 1—21.
— Acadömie de Medecine: Bulletin. 2'' s6rie, tome XIV,
49« annee, Nos 48—52. Tome XV, Nos. 1—22.
— Annales de la Facult6 des Lettres de Bordeaux. 2^ sörie.
No. 2.
— Annales des Mines. 8'^ serie, tome VIII, 4« — 6'^ livraisons.
371
Paris: Annales des Ponts et Chaussöes. b" annee, 6^ s6rie,
10^ — 12*^ cahiers. 6« annee, 6® sörie, l^'" — 3« cahiers.
— Arcliives slaves de Biologie. Tome I, fascieule 1.
— Bureau des Longitudes: Coimaissance des Temps pour l'an
1886. — Annuaire pour l'an 1885. — Ephemerides des
Etoiles de culmination lunaire et de longitude pour 1885.
— Bulletin astronomique: Description d'un nouveau systfeme
de Telescope, par M. Loewy. — Euquetes et Documents
relatifs ä l'Enseig-nement supörieur. XIV. — Rapport sur
les Observations astrouomiques de Province. (1884.)
— Comite international des Poids et Mesures : Proces verbaux
des seances de 1884.
— Encyclopedie chimique. Tome II.
— Journal de l'Ecole polytechuique. 54'' eahier.
— Moniteur scientifique du Docteur QuesneWlle: Journal men-
suel. Tome XVI, 529*^—534« livraisons.
— Revue internationale de l'Electricite et de ses Applications,
l'"^ annöe. Nos. 2 — 11.
— Soeiete de Biologie: Comptes rendus hebdomadaires. 8® s6rie.
Tome 1. Nos. 36—44. Tome IL Nos. 1—21.
— Soeiete des Ingenieurs civils: Memoires et Compte rendu.
4^'!erie,38'^ annee, 8''— l^** cahiers. 39-^ annee, 1'' &2'^ cahiers.
— Soeiete geologique: Bulletin. 3*^ serie. Tome XII. No. 8.
Tome XIII, Nos. 1—3.
— Soeiete mathematique de France: Bulletin. Tome XIV.
Nos. 1 & 2.
— Soeiete philomatique de Paris: Bulletin, 7"^ serie, tome IX.
Nos. 3 & 4. Tome X, No 1.
— Soeiete zoologique: Bulletin pour l'annee 1884. 5"^ & 6'^
parties. Pour l'annee 1886, l""® partie.
Petersburg, Academie Imperiale des sciences: Melanges phy-
siques et chimiques. Tome XIII, livre 3.
Memoires. Tome XXXTI, Nos. 14—18. Tome XXXIU,
Nos. 1 — 5.
— Bulletin der russischen physikalisch-chemischen Gesell-
schaft. XVII. Theil, 8. & 9. Nr. XVIII. Theil, 1.— 4. Nr.
— Geologisches Comite. Nr. 8 — 10 und Turkestan von
J. W. Mouchketow. I. Theil.
372
Petersburg: Horae societatis entomologicae Rossicae. Tome
XIX.
— Physikalisches Central-Ohservatorium: Annalen. Jahrgang
1884. I. & II. Theil.
— Repertorium für Meteorologie, IX. Band.
Philadelphia: Proceedings of theAcademy of Natural Sciences.
Part III. August to December 1885.
— Proceedings of tlie American Pharmaceutical Association
of tlie 33'^ annual meeting.
— Proceedings of the American philosophical Society. Vol.
XXII, Nos. 117—119.
Pisa: H Nuovo Cimento. 3^ serie, tomo XVIII. Luglio — Di-
cembre.
— Societä Toscana di scienze natnrali: Atti. Memorie. Vol. VII.
Pola, Hydrographisches Amt, k. k. Marine-Bibliothek: Mit-
theilungen. XIII. Bd., 10.— 12. Nr. XIV. Bd., 1.-5. Nr.
: Kundmachungen. 7. & 8. Heft ex 1885. 1886, 1.— 3. Heft.
: Die Reise S. M. Corvette „Aurora" nach Brasilien und
den La Plata-Staaten in den Jahren 1884—1885.
: Reise S. M. Corvette „Helgoland« ;in der Westküste
Afrikas in den Jahren 1884 — 1885.
Potsdam: Publication des astrophysikalischen Observatoriums
zu Potsdam. V, Band.
Prag, Astronomische Beobachtungen an der k. k. Sternv^arte im
Jahre 1884. Appendix zum 45. Jahrgang. Originalzeich-
nungen des Mondes.
— Berichte der österreichischen Gesellschaft zur Förderung
der chemischen Industrie. VII. Jahrgang. Nr. 9 & 10.
Vm. Jahrgang. Nr. 1—4.
— Königl. böhmische Gesellschaft der Wissenschaften : Bericht
über die mathematischen und naturwissenschaftlichen
Publicationen während ihres hundertjährigen Bestandes von
D. F. J. Studniczka. 1. & 2. Heft.
Regens bürg: Flora. N. R. 43. Jahrgang. (1885.)
Riga, Naturforscher- Verein : Correspondenzblatt XXVIII.
Rio de Janeiro: Revista do Observatorio. Anno I. Nos. 1 — 5.
373
Rom, Accademia Reale dei Liueei: Atti. Anuo CCLXXXII.
1884—1885. Ser. 4\ Rendiconti. Vol. I. Fascicoli 25—28.
Anno CCLXXXII. Rendiconti. Vol. II. Fascicoli P— 11".
— BibliograpMa e Storia delle scienze matematielie e fisiche:
Bollettino. Tomo XVIII. Febbraio — Lnglio.
— Societä degli Spettroscopisti Italiani: Memorie. Vol. XIV.
Disp. 10^— 12^ Vol. XV. Disp. 1^— 4'\
— Ufficio centrale di Meteorologia Italiana: Annali. Ser. II.
Vol. V, parte I— VII.
Salzburg-: Mittheiliingen der Gesellschaft der Salzburger
Landeskunde. XXV. Vereinsjahr.
— Jahresbericht des Museum Carolino Augasteum für 1884.
Stockholm: Antiquarisk Tidskrift for Sverige. VII. Delcn.
4. Haftet.
— Entomologisk Tidskrift. VI Arg, 1.. 3. & 4. Haftet.
— Köuigl. Vetenskaps Akademiens Öfversigt af Förhandlingar.
42^ Arg. Nr. 7—10. 43« Arg. 1—4. — Bihaug. 10. Band.
1. & 2. Haftet.
— Strassburg: Zeitschrift für physiologische Chemie,
Tokio, Seisraological Society of Japan: Transactions. Vol. VIII.
Torino, R. Accademia delle Scienze di Torino: Atti. Vol. XX,
Disp. 7^ u. 8\ Vol. XXI, Disp. 2\
— Archivio per le scienze mediche. Vol. X. Fase. 1*^.
— Osservatorio della R. Universitä: Bollettino. Anno XIX.
— Societa meteorologica Italiana: Bollettino mensuale. Ser. II.
Vol. V, Nr. 8—12. Vol. VI, Nr. 1 & 2.
: Bollettino decadico. Anno XHI. Nos. 3 — 12. Anno XIV.
Nos. 1—8.
Toronto: Proceedings of the Canadian Institute. 3'^ series.
Vol. m, fasc. 3.
Trieste: Annuario marittimo per l'anno 1886.
— Rapporto annuale dell' Osservatorio marittimo per l'anno
1884. L Volume.
Utrecht, Koninklijk Nederlandsch meteorologisch Instituut : Jaar-
boek voor 1885. 37. Jaargang.
— Provinciaal Utrechtsche Genootschap van Künsten en
Wetenschappen : Proeve eener Ontwikkelingsgeschiedenis
van Lineus obscurus Barrois door D. A. A. W. Hubrecht.
374
Wasliington, United States Coast and geodetic Survey: Appen-
dix 15 & 16. — Report for 1884. Parts I & II.
— U. St.: Geological Survey. IV. Annual Report of tbe Director
— (1882—1883).
— U. St. Naval Observatory: Astronomieal and meteorological.
Observations made during tbe year 1881.
— National Academy of Sciences: Proceedings. Vol. I, part 2.
— — : Memoirs. Vol. III, part 1.
: Report for tbe years 1883 & 1884.
— Pbilosophical Society: Bulletin. Vol. VIII.
Wien, Ackerbau-Ministerium, k. k.: Statistisches Jahrbuch für
1884. III. Heft, 2. Lieferung.
— Apotbeker-Verein, allgem. österr.: Zeitschrift und Anzeigen.
XXIV. Jahrgang. 1^86. Nr. 1—17.
— Bureau der k. k. statistischen Central-Coramission. X. Band.
2. & 3. Heft.
— Gesellschaft der Arzte : Medizinische Jahrbücher. Jahrgang
1885. IV. Heft. Jahrgang 1886. I.— IV. Heft.
— Gesellschaft, k. k. geographische in Wien: Mittheilungen
Nr. 1 & 2.
— Gewerbeverein, niederösterr.: Wochenschrift. XL VII. Jahr-
gang. Nr. 1 — 23.
— Handelsministerium, k, k.. Statistisches Departement: Nach-
richten über Industrie, Handel und Verkehr. XXXI. Band,
1. — 4. Heft. — Statistik des österreichischen Post- und
Telegraphenwesens im Jahre 1884. 3. Heft.
— Ingenieur- und Architekten- Verein, österreichischer: Wochen-
schrift. XL Jahrgang 1886. Nr. 1—23.
Zeitschrift. 1885, IV. Heft. 1886, L Heft.
— Militär-Comite, technisches und administratives : Mittheilungen
1885, XII. Heft. 1886. L— 4. Heft.
— Militärwissenscbaftliche Vereine: Organ. XXXI. Band,
XXXII. Band, 1., 2. und 3. Heft und Separatbeilage zum
1. Heft.
— Naturhistorisches Hofmuseuni, k. k. : Aunalen. I. Band, Nr. 1.
Jahresbericht für 1885.
— Österreichische Gesellschaft für Meteorologie: Zeitschrift.
XX. Band, Decemberheft.
375
Wien, ÖsteiTeichische Gesellschaft für Meteorologie: Jahrbücher.
N. F. XXL Band.
— Österreichische Vierteljahresschrift der wissenschaftlichen
Veterinärkunde. LVI. Band. 1. & 2. Heft.
— Reichsanstalt, k. k. geologische: Verhandlungen. 1885,
Nr. 14—18 (1886,) Nr. 1 — 7.
: Jahrbuch. XXXV. Band. 4. Heft. XXXVI. Band. 1. Heft.
— Reichsforst-Verein, österr.: Österreichische Vierteljahres-
schrift für Forstwesen. N. F. IIL Band, 4. Heft. IV. Band,
1. & 2. Heft.
— Statistische Central - Commission, k. k.: Österreichische
Statistik. XL Band, 4. Heft.
— Wiener medizinische Wochenschrift. XXXVI. Jahrgang.
Nr. 1—23.
— Wissenschaftlicher Club in Wien: Monatsblätter. VII. Jahr-
gang. Nr. 3 — 9 und ausserordentliche Beilage I — VII.
— Zoologisch- botanische Gesellschaft, k. k. : Verhandlungen.
XXXV. Band. XXXVL Band, 1. Quartal.
Wiesbaden, Jahrbücher des Nassauischen Vereins. Jahr-
gang XXXVIII.
Würzburg, Physikalisch-medizinische Gesellschaft: Sitzungs-
berichte. Jahrgang 1885.
: Verhandlungen. N. F. XIX. Band.
Yokohama, Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde
Ostasiens : Mittheilungen. 34. Heft.
Zagreb, Rad lugoslavenske Akademiji znanosti i umjetnosti.
Knjiga LXXV, VI^.
Zürich, Allgemeine schweizerische Gesellschaft für die
gesammten Naturwissenschaften: Neue Denkschriften.
XXIX. Band, Abthlg. 2.
— : Astronomische Mittheilungen von D. R. Wolf. LXV. &LXVI.
— Schweizerische meteorologische Centralanstalt : Aunalen.
1884. XXI. Jahrgang. — Supplementband, 6. Lieferung.
(Schluss.)
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. 25
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